Marx, Das Kapital Buch 3a (1894)
Karl Marx (1818-1883) | Title Page of Das Kapital vol. 3 Part 1 (1894) |
Introduction
This is a German edition of volume 3 part 1 of Karl Marx’s multi-volume work Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie (1867-1894) which appeared in 1894. A facsimile PDF of this book can be seen elsewhere on this site.
An English translation by Friedrich Engels and Ernest Untermann of the 1st edition (1909) - with the two parts in one volume - can be found here.
For further information about socialism, and Karl Marx and his work see:
- Karl Marx (1818-1883)
- Topic: Socialism and the Classical Liberal Critique
- School of Thought: Socialism
- Study Guide: Socialism
Source
Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Von Karl Marx. Dritter Band erster Theil. Buch III: Der Gesamptprocess des kapitalistischen Produktion. Kapital I bis XXVIII. Herausgegeben von Friedrich Engels. (Hamburg: Otto Meissner, 1894).
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Inhaltsverzeichniss. (3a)
Vorwort III—XXV
Inhaltsverzeichniss XXVII
Drittes Buch. Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion.
Erster Abschnitt. Die Verwandlung des Mehrwerths in Profit und der Rate des Mehrwerths in Profitrate.
- Erstes Kapitel. Kostpreis und Profit 1
- Zweites Kapitel. Die Profitrate 15
- Drittes Kapitel. Verhältniss der Profitrate zur Mehrwerthsrate 23
- Viertes Kapitel. Wirkung des Umschlags auf die Profitrate 44
- Fünftes Kapitel. Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals 51
- I. Im Allgemeinen 51
- II. Ersparniss in den Arbeitsbedingungen auf Kosten der Arbeiter 62
- III. Oekonomie in Krafterzeugung, Kraftübertragung, Baulichkeiten 72
- IV. Nutzbarmachung der Exkremente der Produktion 76
- V. Oekonomie durch Erfindungen 80
-
Sechstes Kapitel. Wirkung von Preiswechsel 81
- I. Preisschwankungen des Rohstoffs, ihre direkten Wirkungen auf die Profitrate 81
- II. Werthsteigerung und Entwerthung, Freisetzung und Bindung von Kapital 86
- III. Allgemeine Illustration: die Baumwollkrisis von 1861—65 101
- Siebentes Kapitel. Nachträge 115
Zweiter Abschnitt. Die Verwandlung des Profits in Durchschnittsprofit.
- Achtes Kapitel. Verschiedenheit der Profitraten in verschiedenen Produktionssphären in Folge verschiedener Zusammensetzung des Kapitals120
- Neuntes Kapitel. Bildung einer allgemeinen oder Durchschnitts- Profitrate und Verwandlung der Werthe in Produktionspreise 132
- Zehntes Kapitel. Ausgleichung der allgemeinen Profitrate durch die Konkurrenz. Marktpreise und Marktwerthe 151
- Elftes Kapitel. Wirkung allgemeiner Schwankungen des Arbeits- lohns auf die Produktionspreise 179
- Zwölftes Kapitel. Nachträge 184
- I. Ursachen von Aenderung der Produktionspreise 184
- II. Produktionspreis der Waaren mittlerer Zusammensetzung 185
- III. Kompensationsgründe der Kapitalisten 187
Dritter Abschnitt. Gesetz des tendentiellen Falls der Profitrate.
- Dreizehntes Kapitel. Das Gesetz selbst191
- Vierzehntes Kapitel. Entgegenwirkende Ursachen 213
- I. Erhöhung des Exploitationsgrads der Arbeit
- II. Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Werth
- III. Verwohlfeilerung der Elemente des konstanten Kapitals
- IV. Die relative Ueberbevölkerung
- V. Der auswärtige Handel
- VI. Die Zunahme des Aktienkapitals
- Fünfzehntes Kapitel. Entfaltung der innern Widersprüche des Gesetzes 222
- I Allgemeines 222
- II. Konflikt zwischen Ausdehnung der Produktion und Verwerthung 228
- III. Ueberfluss an Kapital bei Ueberfluss an Bevölkerung 232
- IV. Nachträge 242
- Sechzehntes Kapitel. Das Waarenhandlungskapital250
- Siebzehntes Kapitel. Der kommerzielle Profit 264
- Achtzehntes Kapitel. Der Umschlag des Kaufmannskapitals. Die Preise 286
- Neunzehntes Kapitel. Das Geldhandlungskapital 299
- Zwanzigstes Kapitel. Geschichtliches über das Kaufmannskapital 307
Fünfter Abschnitt. Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn. Das zinstragende Kapital.
- Einundzwanzigstes Kapitel. Das zinstragende Kapital322
- Zweiundzwanzigstes Kapitel. Theilung des Profits. Zinsfuss. "Natürliche" Rate des Zinsfusses 342
- Dreiundzwanzigstes Kapitel. Zins und Unternehmergewinn 355
- Vierundzwanzigstes Kapitel. Veräusserlichung des Kapitalverhält- nisses in der Form des zinstragenden Kapitals 377
- Fünfundzwanzigstes Kapitel. Kredit und fictives Kapital 386
- Sechsundzwanzigstes Kapitel. Akkumulation von Geldkapital, ihr Einfluss auf den Zinsfuss 399
- Siebenundzwanzigstes Kapitel. Die Rolle des Kredits in der kapitalistischen Produktion 422
- Achtundzwanzigstes Kapitel. Umlaufsmittel und Kapital. Tooke's und Fullarton's Auffassung 429
Das Kapital. Kritik der politischen Oekonomie. Dritter Band, erster Theil. Buch III: Der Gesammtprocess der kapitalistischen Produktion. Kapitel I bis XXVIII.
Endlich ist es mir vergönnt, dies dritte Buch des Marx’schen Hauptwerks, den Abschluss des theoretischen Theils, der Öffent- lichkeit zu übergeben. Bei der Herausgabe des zweiten Buchs, 1885, meinte ich, das dritte würde wohl nur technische Schwierig- keiten machen, mit Ausnahme freilich einiger sehr wichtigen Ab- schnitte. Dies war in der That der Fall; aber von den Schwierig- keiten, die grade diese, die wichtigsten Abschnitte des Ganzen, mir bereiten würden, davon hatte ich damals keine Ahnung, ebenso- wenig wie von den sonstigen Hindernissen, die die Fertigstellung des Buchs so sehr verzögern sollten.
Zunächst und zumeist störte mich eine anhaltende Augenschwäche, die meine Arbeitszeit für Schriftliches jahrelang auf ein Minimum beschränkte, und auch jetzt noch nur ausnahmsweise gestattet, bei künstlichem Licht die Feder in die Hand zu nehmen. Dazu kamen andre, nicht abzuweisende Arbeiten: Neuauflagen und Über- setzungen früherer Arbeiten von Marx und mir, also Revisionen, Vorreden, Ergänzungen, die ohne neue Studien oft unmöglich, usw. Vor allem die englische Ausgabe des ersten Buchs, für deren Text in letzter Instanz ich verantwortlich bin, und die mir daher viel Zeit weggenommen hat. Wer den kolossalen Anwachs der inter- nationalen sozialistischen Literatur während der letzten zehn Jahre, und namentlich die Anzahl der Übersetzungen früherer Arbeiten von Marx und mir einigermaßen verfolgt hat, der wird mir recht geben, wenn ich mir Glück wünsche, dass die Anzahl der Sprachen sehr beschränkt ist, bei denen ich dem Übersetzer nützlich sein konnte und also die Verpflichtung hatte, eine Revision seiner Arbeit nicht von der Hand zu weisen. Der Anwachs der Literatur aber war nur ein Symptom des entsprechenden Anwachses der internationalen Arbeiterbewegung selbst. Und dieser legte mir
neue Pflichten auf. Von den ersten Tagen unsrer öffentlichen Thätigkeit an war ein gutes Stück der Arbeit der Vermittlung zwischen den nationalen Bewegungen der Sozialisten und Arbeiter in den verschiednen Ländern auf Marx und mich gefallen; diese Arbeit wuchs im Verhältniss der Erstarkung der Gesammt- bewegung. Während aber bis zu seinem Tode auch hierin Marx die Hauptlast übernommen hatte, fiel von da an die stets an- schwellende Arbeit mir allein zu. Nun ist inzwischen der direkte Verkehr der einzelnen nationalen Arbeiterparteien unter einander zur Regel geworden und wird es glücklicher Weise von Tag zu Tage mehr; trotzdem wird noch weit öfter, als mir im Interesse meiner theoretischen Arbeiten lieb ist, meine Hülfe in Anspruch genommen. Wer aber wie ich über fünfzig Jahre in dieser Be- wegung thätig gewesen, für den sind die hieraus entspringenden Arbeiten eine unabweisbare, augenblicklich zu erfüllende Pflicht. Wie im sechszehnten Jahrhundert, gibt es in unsrer bewegten Zeit auf dem Gebiet der öffentlichen Interessen blosse Theoretiker nur noch auf Seite der Reaktion, und eben desswegen sind diese Herren auch nicht einmal wirkliche Theoretiker, sondern simple Apologeten dieser Reaktion.
Der Umstand, dass ich in London wohne, bringt es nun mit sich, dass dieser Parteiverkehr im Winter meist brieflich, im Sommer aber grossentheils persönlich stattfindet. Und daraus, wie aus der Nothwendigkeit, den Gang der Bewegung in einer stets wachsenden Anzahl von Ländern und einer noch stärker wachsenden Anzahl von Pressorganen zu verfolgen, hat sich die Unmöglichkeit für mich entwickelt, Arbeiten, die keine Unter- brechung dulden, anders als im Winter, speciell in den ersten drei Monaten des Jahrs fertig zu stellen. Wenn man seine siebenzig Jahre hinter sich hat, so arbeiten die Meynertschen Associations- fasern des Gehirns mit einer gewissen fatalen Bedächtigkeit; man überwindet Unterbrechungen in schwieriger theoretischer Arbeit nicht mehr so leicht und so rasch wie früher. Daher kam es, dass die Arbeit eines Winters, soweit sie nicht vollständig zum Abschluss geführt hatte, im nächsten Winter grösstentheils wieder von neuem zu machen war, und dies fand statt, namentlich mit dem schwierigsten fünften Abschnitt.
Wie der Leser aus den folgenden Angaben ersehen wird, war die Redaktionsarbeit wesentlich verschieden von der beim zweiten Buch. Für das dritte lag eben nur ein, noch dazu äusserst lücken- hafter, erster Entwurf vor. In der Regel waren die Anfänge jedes einzelnen Abschnitts ziemlich sorgfältig ausgearbeitet, auch meist stylistisch abgerundet. Je weiter man aber kam, desto skizzenmäßiger und lückenhafter wurde die Bearbeitung, desto mehr Exkurse über im Lauf der Untersuchung auftauchende Nebenpunkte enthielt sie, wofür die endgültige Stelle späterer Anordnung überlassen blieb, desto länger und verwickelter wurden die Perioden, worin die in statu nascendi niedergeschriebenen Gedanken sich aus- drückten. An mehreren Stellen verrathen Handschrift und Dar- stellung nur zu deutlich das Hereinbrechen und die allmäligen Fortschritte eines jener, aus Überarbeit entspringenden Krankheits- anfälle, die dem Verfasser selbständiges Arbeiten erst mehr und mehr erschwerten und endlich zeitweilig ganz unmöglich machten. Und kein Wunder. Zwischen 1863 und 1867 hatte Marx nicht nur die beiden letzten Bücher des Kapitals im Entwurf, und das erste Buch in druckfertiger Handschrift hergestellt, sondern auch noch die mit der Gründung und Ausbreitung der Internationalen Arbeiter-Association verknüpfte Riesenarbeit gethan. Dafür stellten sich aber auch schon 1864 und 65 ernste Anzeichen jener gesundheitlichen Störungen ein, die Schuld daran sind, dass Marx an das II. und III. Buch nicht selbst die letzte Hand gelegt hat.
Meine Arbeit begann damit, dass ich das ganze Manuskript aus dem, selbst für mich oft nur mühsam zu entziffernden, Original in eine leserliche Kopie hinüber diktirte, was schon eine ziemliche Zeit wegnahm. Erst dann konnte die eigentliche Redaktion beginnen. Ich habe diese auf das Nothwendigste beschränkt, habe den Charakter des ersten Entwurfs, überall wo es die Deutlichkeit zuliess, möglichst beibehalten, auch einzelne Wiederholungen nicht gestrichen, da wo sie, wie gewöhnlich bei Marx, den Gegenstand jedesmal von andrer Seite fassen, oder doch in andrer Ausdrucks- weise wiedergeben. Da, wo meine Änderungen oder Zusätze nicht bloss redaktioneller Natur sind, oder wo ich das von Marx gelieferte thatsächliche Material zu eignen, wenn auch möglichst im Marx’schen Geist gehaltnen Schlussfolgerungen verarbeiten
musste, ist die ganze Stelle in eckige Klammern gesetzt und mit meinen Initialen bezeichnet. Bei meinen Fussnoten fehlen hier und da die Klammern; wo aber meine Initialen darunter stehn, bin ich für die ganze Note verantwortlich.
Wie in einem ersten Entwurf selbstverständlich, finden sich im Manuskript zahlreiche Hinweise auf später zu entwickelnde Punkte, ohne dass diese Versprechungen in allen Fällen eingehalten worden sind. Ich habe sie stehn lassen, da sie die Absichten des Ver- fassers in Beziehung auf künftige Ausarbeitung darlegen.
Und nun zum Einzelnen.
Für den ersten Abschnitt war das Hauptmanuskript nur mit grossen Einschränkungen brauchbar. Gleich anfangs wird die ganze mathematische Berechnung des Verhältnisses zwischen Mehrwerthsrate und Profitrate (was unser Kapitel 3 ausmacht) hineingezogen, während der in unserm Kap. 1 entwickelte Gegen- stand erst später und gelegentlich behandelt wird. Hier kamen zwei Ansätze einer Umarbeitung zu Hülfe, jeder von 8 Seiten Folio; aber auch sie sind nicht durchweg im Zusammenhang aus- gearbeitet. Aus ihnen ist das gegenwärtige Kap. 1 zusammen- gestellt. Kap. 2 ist aus dem Hauptmanuskript. Für Kap. 3 fanden sich eine ganze Reihe unvollständiger mathematischer Bearbeitungen, aber auch ein ganzes, fast vollständiges Heft aus den siebziger Jahren, das Verhältniss der Mehrwerthsrate zur Profitrate in Gleichungen darstellend. Mein Freund Samuel Moore, der auch den grössten Theil der englischen Übersetzung des ersten Buchs geliefert, übernahm es, dies Heft für mich zu bearbeiten, wozu er als alter cambridger Mathematiker weit besser befähigt war. Aus seinem Resumé habe ich dann, unter gelegentlicher Benutzung des Hauptmanuskripts, das Kapitel 3 fertiggestellt. — Von Kap. 4 fand sich nur der Titel vor. Da aber der hier behandelte Punkt: Wirkung des Umschlags auf die Profitrate, von entscheidender Wichtigkeit ist, habe ich ihn selbst ausgearbeitet, wesshalb das ganze Kapitel im Text auch in Klammern gesetzt ist. Es stellte sich dabei heraus, dass in der That die Formel des Kap. 3 für die Profitrate einer Modifikation bedurfte, um allgemein gültig zu sein. Vom fünften Kapitel an ist das Haupt- manuskript einzige Quelle für den Rest des Abschnitts, obwohl
auch hier sehr viele Umstellungen und Ergänzungen nöthig geworden sind.
Für die folgenden drei Abschnitte konnte ich mich, abgesehn von stylistischer Redaktion, fast durchweg an das Original- manuskript halten. Einzelne, meist auf die Einwirkung des Um- schlags bezügliche Stellen waren in Einklang mit dem von mir eingeschobnen Kap. 4 auszuarbeiten; auch sie sind in Klammern gesetzt und mit meinen Initialen bezeichnet.
Die Hauptschwierigkeit machte Abschnitt V, der auch den ver- wickeltsten Gegenstand des ganzen Buchs behandelt. Und grade hier war Marx in der Ausarbeitung von einem der erwähnten schweren Krankheitsanfälle überrascht worden. Hier liegt also nicht ein fertiger Entwurf vor, nicht einmal ein Schema, dessen Umrisse auszufüllen wären, sondern nur ein Ansatz von Aus- arbeitung, der mehr als einmal in einen ungeordneten Haufen von Notizen, Bemerkungen, Materialien in Auszugsform ausläuft. Ich versuchte anfangs, diesen Abschnitt, wie es mir mit dem ersten einigermaßen gelungen war, durch Ausfüllung der Lücken und Ausarbeitung der nur angedeuteten Bruchstücke zu vervollständigen, sodass er wenigstens annähernd das alles bot, was der Verfasser zu geben beabsichtigt hatte. Ich habe dies wenigstens dreimal versucht, bin aber jedesmal gescheitert, und in der hiermit ver- lornen Zeit liegt eine der Hauptursachen der Verspätung. Endlich sah ich ein, dass es auf diesem Weg nicht ging. Ich hätte die ganze massenhafte Literatur dieses Gebiets durchnehmen müssen, und am Ende etwas zustande gebracht, was doch nicht Marx Buch war. Mir blieb nichts übrig, als die Sache in gewisser Beziehung über’s Knie zu brechen, mich auf möglichste Ordnung des Vorhandenen zu beschränken, nur die nothdürftigsten Ergänzungen zu machen. Und so wurde ich Frühjahr 1893 mit der Haupt- arbeit für diesen Abschnitt fertig.
Von den einzelnen Kapiteln waren Kap. 21—24 in der Haupt- sache ausgearbeitet. Kap. 25 und 26 erforderten Sichtung des Belegstoffs und Einschiebung von Material, das sich an andren Stellen vorfand. Kap. 27 und 29 konnten fast ganz nach dem Ms. gegeben, Kap. 28 dagegen musste stellenweise anders gruppirt werden. Mit Kap. 30 aber fing die eigentliche Schwierigkeit an.
Von hier an galt es, nicht nur das Material von Belegstellen, sondern auch den, jeden Augenblick durch Zwischensätze, Ab- schweifungen usw. unterbrochnen, und an andrer Stelle, oft ganz beiläufig, weiter verfolgten Gedankengang in die richtige Ordnung zu bringen. So kam das 30. Kapitel zustande durch Umstellungen und Ausschaltungen, für die sich an andrer Stelle Verwendung fand. Kap. 31 war wieder mehr im Zusammenhang ausgearbeitet. Aber nun folgt im Ms. ein langer Abschnitt, überschrieben: „Die Konfusion“, bestehend aus lauter Auszügen aus den Parlaments- berichten über die Krisen von 1848 und 1857, worin die Aus- sagen von dreiundzwanzig Geschäftsleuten und ökonomischen Schriftstellern, namentlich über Geld und Kapital, Goldabfluss, Überspekulation etc. zusammengestellt und stellenweise humoristisch kurz glossirt sind. Hier sind, sei es durch die Fragenden, sei es durch die Antwortenden, so ziemlich alle damals gangbaren An- sichten über das Verhältniss von Geld und Kapital vertreten, und die hier zu Tag tretende „Konfusion“ über das, was auf dem Geldmarkte Geld, und was Kapital sei, wollte Marx kritisch und satirisch behandeln. Ich habe mich nach vielen Versuchen über- zeugt, dass eine Herstellung dieses Kapitels unmöglich ist; das Material, besonders das von Marx glossirte, ist da verwandt worden, wo sich ein Zusammenhang dafür vorfand.
Hierauf folgt in ziemlicher Ordnung das von mir im Kap. 32 Untergebrachte, unmittelbar darauf aber ein neuer Stoss von Aus- zügen aus den Parlamentsberichten über alle möglichen, in diesem Abschnitt berührten Gegenstände, vermischt mit längeren oder kürzeren Bemerkungen des Verfassers. Gegen das Ende kon- centriren sich die Auszüge und Glossen mehr und mehr auf die Bewegung der Geldmetalle und des Wechselkurses, und schliessen wieder mit allerhand Nachträglichem. Das „Vorkapitalistische“ (Kap. 36) war dagegen vollständig ausgearbeitet.
Aus all diesem Material, von der „Konfusion“ an, und soweit es nicht schon an früheren Stellen untergebracht, habe ich die Kapitel 33—35 zusammengestellt. Dies ging natürlich nicht ab ohne starke Einschübe meinerseits zur Herstellung des Zusammen- hangs. Soweit diese Einschübe nicht bloss formeller Natur, sind sie als die meinigen ausdrücklich bezeichnet. Es ist mir auf diese
Weise endlich gelungen, alle irgendwie zur Sache gehörenden Aussprüche des Verfassers im Text unterzubringen; es ist nichts weggefallen als ein geringer Theil der Auszüge, der entweder anderweitig gegebnes nur wiederholte, oder aber Punkte berührte, auf die im Ms. nicht näher eingegangen ist.
Der Abschnitt über Grundrente war viel vollständiger aus- gearbeitet, wenn auch keineswegs geordnet, wie schon daraus hervorgeht, dass Marx es im Kap. 43 (im Ms. das letzte Stück des Abschnitts über Rente) nöthig findet, den Plan des ganzen Abschnitts kurz zu rekapituliren. Und dies war für die Heraus- gabe um so erwünschter, als das Ms. anfängt mit Kap. 37, worauf Kap. 45—47 folgen, und erst hierauf die Kap. 38—44. Die meiste Arbeit machten die Tabellen bei der Differentialrente II, und die Entdeckung, dass in Kap. 43 der hier zu behandelnde dritte Fall dieser Rentenart gar nicht untersucht war.
Für diesen Abschnitt über Grundrente hatte Marx in den sieb- ziger Jahren ganz neue Specialstudien gemacht. Er hatte die, nach der „Reform“ von 1861 in Russland unvermeidlich gewordnen statistischen Aufnahmen und sonstigen Veröffentlichungen über Grundeigenthum, die ihm von russischen Freunden in wünschens- werthester Vollständigkeit zur Verfügung gestellt worden, jahrelang in der Ursprache studirt und ausgezogen, und beabsichtigte sie bei der Neubearbeitung dieses Abschnitts zu verwerthen. Bei der Mannichfaltigkeit der Formen, sowohl des Grundbesitzes wie der Ausbeutung der ackerbauenden Producenten in Russland, sollte im Abschnitt über Grundrente Russland dieselbe Rolle spielen wie im Buch I, bei der industriellen Lohnarbeit, England. Leider blieb ihm die Ausführung dieses Plans versagt.
Endlich der siebente Abschnitt lag in vollständiger Niederschrift vor, aber nur als erster Entwurf, dessen endlos verschlungne Perioden erst zerlegt werden mussten, um druckbar zu werden. Vom letzten Kapitel existirt nur der Anfang. Hier sollten die den drei grossen Revenueformen: Grundrente, Profit, Arbeitslohn entsprechenden drei grossen Klassen der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft, — Grundeigenthümer, Kapitalisten, Lohnarbeiter — und der mit ihrer Existenz nothwendig gegebne Klassenkampf als thatsächlich vorliegendes Ergebniss der kapitalistischen Periode
dargestellt werden. Dergleichen Schlusszusammenfassungen pflegte Marx sich für die Schlussredaktion, kurz vor dem Druck, vor- zubehalten, wo dann die neuesten geschichtlichen Ereignisse ihm mit nie versagender Regelmäßigkeit die Belege seiner theoretischen Entwicklungen in wünschenswerthester Aktualität lieferten.
Die Citate und Belegstellen sind, wie schon im II. Buch bedeutend spärlicher als im ersten. Citate aus Buch I geben die Seitenzahlen der 2. und 3. Auflage. Wo im Ms. auf theoretische Aussprüche früherer Oekonomen verwiesen wird, ist meist nur der Name angegeben, die Stelle selbst sollte bei der Schlussbearbeitung angezogen werden. Ich habe das natürlich so lassen müssen. Von Parlamentsberichten sind nur vier, aber diese auch ziemlich reichlich benutzt worden. Es sind folgende:
Das vierte Buch — die Geschichte der Mehrwerthstheorie — werde ich in Angriff nehmen, sobald es mir irgendwie möglich wird.
Im Vorwort zum zweiten Band des „Kapital“ hatte ich mich abzufinden mit den Herren, die dazumal ein grosses Geschrei erhoben, weil sie „in Rodbertus die geheime Quelle und einen überlegnen Vorgänger von Marx“ gefunden haben wollten. Ich bot ihnen Gelegenheit zu zeigen, „was die Rodbertus’sche Oekonomie leisten kann“; ich forderte sie auf, nachzuweisen, „wie nicht nur ohne Verletzung des Werthgesetzes, sondern vielmehr auf Grund- lage desselben, eine gleiche Durchschnittsprofitrate sich bilden kann und muss“. Dieselben Herren, die damals aus subjektiven oder objektiven, in der Regel aber alles andre als wissen-
schaftlichen Gründen den guten Rodbertus als einen ökonomischen Stern allererster Grösse ausposaunten, sind ausnahmslos die Antwort schuldig geblieben. Dagegen haben andre Leute es der Mühe werth gehalten, sich mit dem Problem zu beschäftigen.
In seiner Kritik des II. Bandes (Conrads Jahrbücher, XI, 5, 1885, S. 452—65) nimmt Prof. W. Lexis die Frage auf, wenn er auch keine direkte Lösung geben will. Er sagt: „Die Lösung jenes Widerspruchs“ (zwischen dem Ricardo-Marx’schen Werthgesetz und der gleichen Durchschnittsprofitrate) „ist unmöglich, wenn die verschiednen Waarenarten vereinzelt betrachtet werden und ihr Werth gleich ihrem Tauschwerth und dieser gleich oder proportional ihrem Preise sein soll“. Sie ist nach ihm nur möglich, wenn man „für die einzelnen Waarenarten die Bemessung des Werthes nach der Arbeit aufgibt, und nur die Waarenproduktion im Ganzen, und die Vertheilung derselben unter die Gesammtklassen der Kapitalisten und Arbeiter ins Auge fasst … Von dem Gesammt- produkt erhält die Arbeiterklasse nur einen gewissen Theil … der andre den Kapitalisten zufallende Theil bildet im Marx’schen Sinne das Mehrprodukt und demnach auch … den Mehrwerth. Die Mitglieder der Kapitalistenklasse vertheilen nun diesen gesammten Mehrwerth unter sich, nicht nach Maßgabe der von ihnen beschäftigten Arbeiterzahl, sondern nach Verhältniss der von jedem gestellten Kapitalgrösse, wobei auch Grund und Boden als Kapital- werth mit in Rechnung gezogen wird“. Die Marx’schen, durch die in den Waaren verkörperten Arbeitseinheiten bestimmten Ideal- werthe entsprechen nicht den Preisen, können aber „als Ausgangs- punkt einer Verschiebung betrachtet werden, die zu den wirklichen Preisen führt. Die letzteren sind dadurch bedingt, dass gleich grosse Kapitalien gleich grosse Gewinne verlangen.“ Dadurch werden einige Kapitalisten für ihre Waaren höhere Preise erhalten als deren Idealwerthe, andre erhalten niedrigere. „Da aber die Einbussen und Zulagen an Mehrwerth sich innerhalb der Kapitalisten- klasse gegenseitig aufheben, so ist die Gesammtgrösse des Mehr- werths dieselbe, als wenn alle Preise den Idealwerthen der Waaren proportinal wären.“
Man sieht, die Frage ist hier nicht entfernt gelöst, aber sie ist, wenn auch in laxer und verflachender Weise, doch im Ganzen richtig
gestellt. Und dies ist in der That mehr als wir von jemand er- warten dürfen, der sich, wie der Verfasser, mit einem gewissen Stolz als einen „Vulgärökonomen“ hinstellt; es ist gradezu überraschend, wenn man es mit den später zu behandelnden Leistungen andrer Vulgärökonomen vergleicht. Die Vulgärökonomie des Verfassers ist allerdings eigner Art. Er sagt, der Kapitalgewinn könne aller- dings in der Marx’schen Weise abgeleitet werden, aber nichts zwinge zu dieser Auffassung. Im Gegentheil. Die Vulgärökonomie habe eine, mindestens plausiblere Erklärungsweise: „die kapitalistischen Verkäufer, der Rohstoffproducent, der Fabrikant, der Grosshändler, der Kleinhändler, machen bei ihren Geschäften Gewinn, indem jeder theurer verkauft als er kauft, also den Selbstkostenpreis seiner Waare um einen gewissen Prozentsatz erhöht. Nur der Arbeiter ist nicht im Stande, einen ähnlichen Werthzuschlag durchzusetzen, er ist ver- möge seiner ungünstigen Lage dem Kapitalisten gegenüber genöthigt, seine Arbeit für den Preis zu verkaufen, den sie ihm selbst kostet, nämlich für den nothwendigen Lebensunterhalt … so behalten diese Preiszuschläge den kaufenden Lohnarbeitern gegenüber ihre volle Bedeutung und bewirken die Uebertragung eines Theils des Werthes des Gesammtprodukts auf die Kapitalistenklasse.“
Nun bedarf es keiner grossen Anstrengung des Denkens, um ein- zusehn, dass diese „vulgärökonomische“ Erklärung des Kapital- profits praktisch auf dieselben Resultate hinausläuft wie die Marx’sche Mehrwerthstheorie; dass die Arbeiter nach der Lexis’schen Auf- fassung in genau derselben „ungünstigen Lage“ sich befinden wie bei Marx; dass sie ganz ebensosehr die Geprellten sind, da jeder Nichtarbeiter über dem Preis verkaufen kann, der Arbeiter aber nicht; und dass auf Grundlage dieser Theorie sich ein mindestens ebenso plausibler Vulgärsozialismus aufbauen lässt, wie der hier in England auf Grundlage der Jevons-Mengerschen Gebrauchswerths- und Grenznutzentheorie aufgebaute. Ja ich vermuthe sogar, würde Herrn George Bernard Shaw diese Profittheorie bekannt, er wäre im Stand, mit beiden Händen zuzugreifen, Jevons und Karl Menger den Abschied zu geben, und auf diesem Felsen die Fabianische Kirche der Zukunft neu zu errichten.
In Wirklichkeit aber ist diese Theorie nur eine Umschreibung der Marx’schen. Woraus werden denn die sämmtlichen Preiszuschläge
bestritten? Aus dem „Gesammtprodukt“ der Arbeiter. Und zwar indem die Waare „Arbeit“, oder wie Marx sagt, Arbeitskraft, unter ihrem Preis verkauft werden muss. Denn wenn es die gemeinsame Eigenschaft aller Waaren ist, theurer verkauft zu werden als die Produktionskosten, wenn aber hiervon die Arbeit allein ausgenommen ist, und stets nur zu den Produktionskosten verkauft wird, so wird sie eben unter dem Preis verkauft, der die Regel ist in dieser vulgär- ökonomischen Welt. Der infolge dessen dem Kapitalisten, resp. der Kapitalistenklasse zufallende Extraprofit besteht eben darin, und kann in letzter Instanz nur dadurch zustande kommen, dass der Arbeiter, nach Reproduktion des Ersatzes für den Preis seiner Arbeit, noch weiteres Produkt produciren muss, für das er nicht bezahlt wird — Mehrprodukt, Produkt unbezahlter Arbeit, Mehr- werth. Lexis ist ein in der Wahl seiner Ausdrücke äusserst vor- sichtiger Mann. Er sagt nirgends gradeaus, dass obige Auffassung die seinige ist; ist sie es aber, so ist sonnenklar, dass wir es hier nicht mit einem jener gewöhnlichen Vulgärökonomen zu thun haben, von denen er selbst sagt, dass jeder einzelne in den Augen von Marx „bestenfalls nur ein hoffnungsloser Schwachkopf ist“, sondern mit einem als Vulgärökonomen verkleideten Marxisten. Ob diese Verkleidung bewusst oder unbewusst vor sich gegangen, ist eine uns hier nicht interessirende psychologische Frage. Wer das ergründen möchte, wird vielleicht auch untersuchen, wie es möglich war, dass zu einer gewissen Zeit ein so gescheiter Mann wie Lexis es unzweifelhaft ist, auch einmal einen solchen Blödsinn wie den Bimetallismus vertheidigen konnte.
Der erste, der die Frage wirklich zu beantworten versuchte, war Dr. Conrad Schmidt: „Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marx’schen Werthgesetzes. Stuttgart, Dietz 1889.“ Schmidt sucht die Details der Marktpreisbildung in Einklang zu bringen sowohl mit dem Werthgesetz wie mit der Durchschnittsprofitrate. Der industrielle Kapitalist erhält in seinem Produkt erstens Ersatz für sein vorgeschossnes Kapital, zweitens ein Mehrprodukt, wofür er nichts bezahlt hat. Um dies Mehrprodukt aber zu erhalten, muss er sein Kapital in der Produktion vorschiessen; d. h. er muss ein bestimmtes Quantum vergegenständlichter Arbeit anwenden, um sich dies Mehrprodukt aneignen zu können. Für den Kapitalisten
ist also dies sein vorgeschossnes Kapital das Quantum vergegen- ständlichter Arbeit, das gesellschaftlich nöthig ist, um ihm dies Mehrprodukt zu verschaffen. Für jeden andern industriellen Kapi- talisten gilt dasselbe. Da nun die Produkte dem Werthgesetz gemäß sich gegeneinander austauschen im Verhältniss der zu ihrer Produktion gesellschaftlich nothwendigen Arbeit, und da für den Kapitalisten die zur Herstellung seines Mehrprodukts nothwendige Arbeit eben die in seinem Kapital aufgehäufte, vergangene Arbeit ist, so folgt dass sich die Mehrprodukte austauschen nach dem Ver- hältniss der zu ihrer Produktion erheischten Kapitale, nicht aber, nach dem der wirklich in ihnen verkörperten Arbeit. Der auf jede Kapitaleinheit fallende Antheil ist also gleich der Summe aller produzirten Mehrwerthe, dividirt durch die Summe der darauf ver- wandten Kapitale. Hiernach werfen gleiche Kapitale in gleichen Zeiträumen gleiche Profite ab, und dies wird bewirkt, indem der so berechnete Kostpreis des Mehrprodukts, d. h. der Durchschnitts- profit, auf den Kostpreis des bezahlten Produkts geschlagen, und zu diesem erhöhten Preise beides, bezahltes und unbezahltes Pro- dukt, verkauft wird. Die Durchschnittsprofitrate ist hergestellt, trotzdem dass, wie Schmidt meint, die Durchschnittspreise der ein- zelnen Waaren nach dem Werthgesetz bestimmt werden.
Die Konstruktion ist äusserst sinnreich, sie ist ganz nach Hegelschem Muster, aber sie theilt das mit der Mehrzahl der Hegelschen, dass sie nicht richtig ist. Mehrprodukt oder bezahltes Produkt macht keinen Unterschied: soll das Werthgesetz auch für die Durch- schnittspreise unmittelbar gelten, so müssen beide verkauft werden im Verhältniss der zu ihrer Herstellung erforderlichen und darin verbrauchten gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Das Werthgesetz richtet sich von vornherein gegen die aus der kapitalistischen Vor- stellungsweise überkommene Ansicht, als sei die aufgehäufte ver- gangne Arbeit, woraus das Kapital besteht, nicht bloss eine be- stimmte Summe von fertigem Werth, sondern, weil Faktor der Produktion und Profitbildung, auch werthbildend, also Quelle von mehr Werth als es selbst hat; es stellt fest, dass diese Eigen- schaft nur der lebendigen Arbeit zukommt. Dass die Kapitalisten im Verhältniss der Grösse ihrer Kapitale gleiche Profite erwarten, ihren Kapitalvorschuss also als eine Art Kostpreis ihres Profits an-
sehn, ist bekannt. Wenn aber Schmidt diese Vorstellung benutzt, um vermittelst ihrer die nach der Durchschnittsprofitrate berech- neten Preise in Einklang mit dem Werthgesetz zu bringen, so hebt er das Werthgesetz selbst auf, indem er eine ihm total wider- sprechende Vorstellung diesem Gesetz als mitbestimmenden Faktor einverleibt.
Entweder ist die aufgehäufte Arbeit werthbildend neben der lebendigen. Dann gilt das Werthgesetz nicht.
Oder sie ist nicht werthbildend. Dann ist Schmidts Beweis- führung unverträglich mit dem Werthgesetz.
Schmidt wurde auf diesen Seitenweg geführt, als er der Lösung schon sehr nahe war, weil er glaubte, eine wo möglich mathe- matische Formel finden zu müssen, die den Einklang des Durch- schnittspreises jeder einzelnen Waare mit dem Werthgesetz nach- weisen liesse. Wenn er aber hier, ganz in der Nähe des Ziels, einem Irrweg folgte, so beweist der übrige Inhalt der Broschüre, mit welchem Verständniss er aus den beiden ersten Büchern des „Kapital“ weitere Schlüsse gezogen hat. Ihm gebührt die Ehre, für die bisher unerklärliche sinkende Tendenz der Profitrate die richtige, bei Marx im dritten Abschnitt des dritten Buchs gegebne Erklärung selbständig gefunden zu haben; dessgleichen die Ableitung des Handelsprofits aus dem industriellen Mehrwerth, und eine ganze Reihe von Bemerkungen über Zins und Grundrente, wodurch Dinge anticipirt werden, die bei Marx im vierten und fünften Abschnitt des dritten Buchs entwickelt sind.
In einer späteren Arbeit (Neue Zeit 1892/93, No. 4 u. 5) versucht Schmidt einen andern Weg der Lösung. Dieser läuft darauf hin- aus, dass die Konkurrenz es ist, die die Durchschnittsprofitrate her- stellt, indem sie Kapital aus Produktionszweigen mit Unterprofit in andre auswandern macht, wo Ueberprofit gemacht wird. Dass die Konkurrenz die grosse Ausgleicherin der Profite ist, ist nicht neu. Aber nun versucht Schmidt den Nachweis, dass diese Nivel- lirung der Profite identisch ist mit der Reducirung des Verkaufs- preises von im Uebermaß producirten Waaren auf das Werthmaß, das die Gesellschaft nach dem Werthgesetz dafür zahlen kann. Warum auch dies nicht zum Ziel führen konnte, ergibt sich hin- reichend aus den Auseinandersetzungen von Marx im Buche selbst.
Nach Schmidt ging P. Fireman an das Problem (Conrads Jahr- bücher, dritte Folge, III, S. 793). Ich gehe nicht ein auf seine Bemerkungen über sonstige Seiten der Marxschen Darstellung. Sie beruhen auf dem Missverständniss, dass Marx da definiren will, wo er entwickelt, und dass man überhaupt bei Marx nach fix und fer- tigen, ein für allemal gültigen Definitionen suchen dürfe. Es ver steht sich ja von selbst, dass da, wo die Dinge und ihre gegen- seitigen Beziehungen nicht als fixe, sondern als veränderliche auf- gefasst werden, auch ihre Gedankenabbilder, die Begriffe, ebenfalls der Veränderung und Umbildung unterworfen sind; dass man sie nicht in starre Definitionen einkapselt, sondern in ihrem histo- rischen resp. logischen Bildungsprozess entwickelt. Danach wird es wohl klar sein, warum Marx am Anfang des ersten Buchs, wo er von der einfachen Waarenproduktion als seiner historischen Vor- aussetzung ausgeht, um dann weiterhin von dieser Basis aus zum Kapital zu kommen — warum er da eben von der einfachen Waare ausgeht und nicht von einer begrifflich und geschichtlich sekun- dären Form, von der schon kapitalistisch modificirten Waare; was freilich Fireman platterdings nicht einsehn kann. Diese und andre Nebendinge, die noch zu mancherlei Einwendungen Anlass geben könnten, lassen wir lieber links liegen and gehn sofort zum Kern der Sache über. Während dem Verfasser die Theorie lehrt, dass der Mehrwerth bei gegebner Mehrwerthsrate der Anzahl der an- gewandten Arbeitskräfte proportional ist, zeigt ihm die Erfahrung, dass bei gegebner Durchschnittsprofitrate der Profit proportional ist der Grösse des angewandten Gesammtkapitals. Dies erklärt Fireman dadurch, dass der Profit eine nur konventionelle (das heisst bei ihm: einer bestimmten gesellschaftlichen Formation angehörige, mit ihr stehende und fallende) Erscheinung ist; seine Existenz ist einfach an das Kapital geknüpft; dies, wenn es stark genug ist, sich einen Profit zu erzwingen, ist durch die Konkurrenz genöthigt sich auch eine für alle Kapitale gleiche Profitrate zu erzwingen. Ohne gleiche Profitrate ist eben keine kapitalistische Produktion möglich; diese Produktionsform vorausgesetzt, kann für jeden Ein- zelkapitalisten die Masse des Profits nur abhängen, bei gegebner Profitrate, von der Grösse seines Kapitals. Andrerseits besteht der Profit aus Mehrwerth, unbezahlter Arbeit. Und wie geschieht hier
die Verwandlung des Mehrwerths, dessen Grösse sich nach der Ausbeutung der Arbeit richtet, in Profit, dessen Grösse sich nach der Grösse des dazu erforderten Kapitals richtet? „Einfach dadurch, dass in allen Produktionszweigen, wo das Verhältniss zwischen … konstantem und variablem Kapital am grössten ist, die Waaren über ihrem Werth verkauft werden, dass heisst aber auch, dass in denjenigen Produktionszweigen, wo das Verhältniss konstantes Ka- pital: variables Kapital = c:v am kleinsten ist, die Waaren unter ihrem Werth verkauft werden, und dass nur, wo das Verhältniss c:v eine bestimmte Mittelgrösse darstellt, die Waaren zu ihrem wahren Werth veräussert werden … Ist diese Inkongruenz einzelner Preise mit ihren respektiven Werthen eine Widerlegung des Werth- prinzips? Keineswegs. Denn dadurch, dass die Preise einiger Waaren in gleichem Maß über den Werth steigen, wie die Preise andrer unter dem Werth sinken, bleibt die Totalsumme der Preise der Totalsumme der Werthe gleich … in letzter Instanz verschwindet die Inkongruenz.“ Diese Inkongruenz ist eine „Störung“; „in den exakten Wissenschaften aber pflegt man eine berechenbare Störung nie als eine Widerlegung eines Gesetzes zu betrachten.“
Man vergleiche hiermit die entsprechenden Stellen in Kap. IX, und man wird finden, dass Fireman hier in der That den Finger auf den entscheidenden Punkt gelegt hat. Wie vieler Mittelglieder es aber auch nach dieser Entdeckung noch bedürfte, um Fireman zu befähigen, die volle handgreifliche Lösung des Problems heraus- zuarbeiten, beweist die unverdient kühle Aufnahme, die sein so bedeutender Artikel gefunden hat. Soviele sich auch für das Problem interessirten, sie alle fürchteten noch immer sich die Finger zu verbrennen. Und dies erklärt sich nicht nur aus der unvollendeten Form, worin Fireman seinen Fund gelassen hat, sondern auch aus der unläugbaren Mangelhaftigkeit sowohl seiner Auffassung der Marx’schen Darstellung, wie seiner eignen, auf dieser Auffassung begründeten allgemeinen Kritik derselben.
Wo es Gelegenheit gibt, sich bei einer schwierigen Sache zu blamiren, da fehlt Herr Professor Julius Wolf in Zürich nie. Das ganze Problem, erzählt er uns (Conrads Jahrbücher, neue Folge, II, S. 352 und ff.) löst sich durch den relativen Mehrwerth. Die Produktion des relativen Mehrwerths beruht auf Vermehrung
des konstanten Kapitals gegenüber dem variablen. „Ein Plus an konstantem Kapital hat ein Plus an Produktivkraft der Arbeiter zur Voraussetzung. Da dies Plus an Produktivkraft aber (auf dem Wege über die Verbilligung der Lebensmittel) ein Plus an Mehrwerth nach sich zieht, ist die direkte Beziehung zwischen wachsendem Mehrwerth und wachsender Betheiligung des konstanten Kapitals im Gesammtkapital hergestellt. Ein Mehr an konstantem Kapital weist ein Mehr an Produktivkraft der Arbeit aus. Bei gleichbleibendem variablem und wachsendem konstantem Kapital muss daher der Mehrwerth steigen im Einklang mit Marx. Diese Frage war uns aufgegeben.“
Zwar sagt Marx an hundert Stellen des ersten Buchs das grade Gegentheil; zwar ist die Behauptung, nach Marx steige der relative Mehrwerth, bei fallendem variablem Kapital, im Verhältniss wie das konstante Kapital steigt, von einer Erstaunlichkeit, die jedes parlamentarischen Ausdrucks spottet; zwar beweist Herr Julius Wolf in jeder Zeile, dass er weder relativ noch absolut das geringste verstanden hat weder von absolutem noch von relativem Mehr- werth; zwar sagt er selbst: „man scheint sich auf den ersten Blick hier wirklich in einem Nest von Ungereimtheiten zu befinden“, was beiläufig das einzige wahre Wort in seinem ganzen Artikel ist. Aber was thut das alles? Herr Julius Wolf ist so stolz auf seine geniale Entdeckung, dass er nicht unterlassen kann, dem Marx dafür posthume Lobsprüche zu ertheilen, und diesen seinen eignen unergründlichen Unsinn anzupreisen als einen „neuerlichen Beweis der Schärfe und Weitsichtigkeit, mit der sein (Marx’s) kritisches System der kapitalistischen Wirthschaft entworfen ist!“
Aber es kommt noch besser: Herr Wolf sagt: „Ricardo hat eben- sowohl behauptet: gleicher Kapitalaufwand, gleicher Mehrwerth (Profit) — wie: gleicher Arbeitsaufwand, gleicher Mehrwerth (der Masse nach). Und die Frage war nun: wie reimt sich das eine mit dem andern. Marx hat die Frage in dieser Form nun aber nicht anerkannt. Er hat (im dritten Band) zweifellos nach- gewiesen, dass die zweite Behauptung nicht unbedingte Konsequenz des Werthgesetzes sei, ja dass sie seinem Werthgesetze wider- sprechen und also … direkt zu verwerfen sei.“ Und nun unter- sucht er, wer von uns beiden sich geirrt hat, ich oder Marx.
Dass er selbst in der Irre spazieren geht, daran denkt er natürlich nicht.
Es hiesse meine Leser beleidigen, und die Komik der Situation total verkennen, wollte ich nur ein Wort verlieren über diese Prachtstelle. Ich füge nur noch hinzu: Mit derselben Kühnheit, womit er damals bereits sagen konnte, was „Marx im dritten Band zweifellos nachgewiesen“, benutzt er die Gelegenheit, einen an- geblichen Professorenklatsch zu berichten, wonach Konrad Schmidts obige Schrift „von Engels direkt inspirirt sei.“ Herr Julius Wolf! In der Welt worin Sie leben und weben, mag es üblich sein, dass der Mann, der andern öffentlich ein Problem stellt, seine Privatfreunde im Stillen mit der Lösung bekannt macht. Dass Sie dazu kapabel sind, will ich Ihnen gern glauben. Dass in der Welt, worin ich verkehre, man sich nicht zu solchen Erbärmlich- keiten herabzulassen braucht, beweist Ihnen das gegenwärtige Vorwort. —
Kaum war Marx gestorben, da veröffentlichte Herr Achille Loria schleunigst einen Artikel über ihn in der Nuova Antologia (April 1883): zuerst eine von falschen Angaben strotzende Bio- graphie, sodann eine Kritik der öffentlichen, politischen und literarischen Thätigkeit. Die Marxische materialistische Auffassung der Geschichte wird hier gefälscht und verdreht mit einer Zu- versichtlichkeit, die einen grossen Zweck errathen lässt. Und dieser Zweck ist erreicht worden: 1886 veröffentlichte derselbe Herr Loria ein Buch: La teoria economica della costituzione politica, worin er die 1883 so gänzlich und so absichtlich entstellte Marx’sche Geschichtstheorie als seine eigne Erfindung der staunenden Mit- welt verkündet. Allerdings ist die Marx’sche Theorie hier auf ein ziemlich philiströses Niveau heruntergebracht; auch wimmeln die historischen Belege und Beispiele von Schnitzern, die man keinem Quartaner durchlassen würde; aber was verschlägt das alles? Die Entdeckung, dass überall und immer die politischen Zustände und Er- eignisse ihre Erklärung finden in den entsprechenden ökonomischen Zu- ständen, wurde, wie hiermit bewiesen, keineswegs von Marx im Jahr 1845 gemacht, sondern von Herrn Loria 1886. Wenigstens hat er dies seinen Landsleuten, und seit sein Buch französisch erschienen, auch einigen Franzosen glücklich aufgebunden, und kann jetzt als Autor
einer neuen epochemachenden Geschichtstheorie in Italien herum- stolziren, bis die dortigen Sozialisten Zeit finden, dem Illustre Loria die gestohlnen Pfauenfedern herunterzuzupfen.
Das ist aber erst ein kleines Pröbchen von Herrn Lorias Manier. Er versichert uns, dass sämmtliche Theorien von Marx beruhen auf einem bewussten Sophisma (un consaputo sofisma); dass Marx vor Paralogismen nicht zurückscheute, auch wenn er sie als solche erkannte (sapendoli tali) usw. Und nachdem er mit einer ganzen Reihe ähnlicher gemeiner Schnurren seinen Lesern das Nöthige beigebracht hat, damit sie Marx für einen Streber à la Loria ansehn, der seine Effektchen mit denselben kleinen faulen Humbugsmittelchen in Scene setzt wie unser paduanischer Professor, jetzt kann er ihnen ein wichtiges Geheimniss verrathen, und damit führt er auch uns zur Profitrate zurück.
Herr Loria sagt: Nach Marx soll sich die in einem kapitalistischen Industriegeschäft produzirte Masse des Mehrwerths (den Herr Loria hier mit dem Profit identificirt), richten nach dem darin angewandten variablen Kapital, da das konstante Kapital keinen Profit abwirft. Das widerspricht aber der Wirklichkeit. Denn in der Praxis richtet sich der Profit nicht nach dem variablen, sondern nach dem Ge- sammtkapital. Und Marx sieht dies selbst ein (I, Kap. XI) und gibt zu, dass dem Anschein nach die Thatsachen seiner Theorie widersprechen. Wie aber löst er den Widerspruch? Er verweist seine Leser auf einen noch nicht erschienenen folgenden Band. Von diesem Band hatte Loria seinen Lesern schon früher gesagt, er glaube nicht, dass Marx auch nur einen Augenblick daran ge- dacht habe, ihn zu schreiben, und jetzt ruft er triumphirend aus: „nicht mit Unrecht habe ich also behauptet, dieser zweite Band, womit Marx in einem fort seinen Gegnern droht, ohne dass er je erscheint, dieser Band könne sehr wohl ein pfiffiges Auskunfts- mittel gewesen sein, das Marx da anwandte, wo ihm die wissen- schaftlichen Argumente ausgingen (un ingegnoso spediente ideato dal Marx a sostituzione degli argomenti scientifici). Und wer jetzt nicht überzeugt ist, dass Marx auf derselben Höhe des wissen- schaftlichen Schwindels steht wie l’illustre Loria, an dem ist Hopfen und Malz verloren.
Soviel also haben wir gelernt: nach Herrn Loria ist die Marx’sche
Mehrwerthstheorie absolut unvereinbar mit der Thatsache der all- gemeinen gleichen Profitrate. Nun kam das zweite Buch heraus, und damit meine öffentlich gestellte Frage grade über diesen selben Punkt. Wäre Herr Loria einer von uns blöden Deutschen gewesen, er wäre einigermaßen in Verlegenheit gerathen. Aber er ist ein kecker Südländer, er kommt aus einem heissen Klima, wo, wie er behaupten kann, die Unverfrorenheit gewissermassen Naturbedingung ist. Die Frage wegen der Profitrate ist öffentlich gestellt. Herr Loria hat sie öffentlich für unlöslich erklärt. Und grade desshalb wird er sich jetzt selbst übertreffen, indem er sie öffentlich löst.
Dies Wunder geschieht in Conrads Jahrbüchern, N. F. Bd. XX, S. 272 ff. in einem Artikel über Konrad Schmidts oben erwähnte Schrift. Nachdem er von Schmidt gelernt, wie der kommercielle Profit zustande kommt, ist ihm auf einmal alles klar. „Da nun die Werthbestimmung durch die Arbeitszeit den Kapitalisten, die einen grösseren Theil ihres Kapitals in Löhnen anlegen, einen Vortheil gibt, so kann das unproduktive“ [soll heissen kommercielle] „Kapital von diesen bevorzugten Kapitalisten einen höheren Zins“ [soll heissen Profit] „erzwingen und die Gleichheit zwischen den einzelnen industriellen Kapitalisten hervorbringen … So z. B. wenn die industriellen Kapitalisten A, B, C, 100 Arbeitstage für jeden, und respektive 0,100,200 konstantes Kapital in der Produktion anwenden, und der Arbeitslohn für 100 Arbeitstage 50 Arbeitstage in sich enthält, jeder Kapitalist einen Mehrwerth von 50 Arbeitstagen bekommt und die Profitrate 100 % ist für den ersten, 33,3 % für den zweiten und 20 % für den dritten Kapitalisten. Wenn aber ein vierter Kapitalist D ein unproduktives Kapital von 300 akku- mulirt, das einen Zins“ [Profit] „von dem Werth von 40 Arbeits- tagen von A, einen Zins von 20 Arbeitstagen von B erheischt, so wird die Profitrate der Kapitalisten A und B zu 20 %, wie die C’s, sinken und D mit einem Kapital von 300 wird einem Profit von 60, d. h. eine Profitrate von 20 %, wie die übrigen Kapitalisten bekommen.“
Mit so überraschender Gewandtheit, im Handumdrehn, löst l’illustre Loria dieselbe Frage, die er vor zehn Jahren für unlös- bar erklärt hatte. Leider hat er uns das Geheimniss nicht ver- rathen, woher das „unproduktive Kapital“ die Macht erhält, den
Industriellen diesen ihren, die Durchschnittsprofitrate überschrei- tenden, Extraprofit nicht nur abzuzwacken, sondern auch selbst in der Tasche zu behalten, ganz wie der Grundeigenthümer den überschüssigen Profit des Pächters als Grundrente einsteckt. In der That würden die Kaufleute hiernach einen der Grundrente durchaus analogen Tribut von den Industriellen erheben und dadurch die Durchschnittsprofitrate herstellen. Allerdings ist das Handels- kapital ein sehr wesentlicher Faktor in der Herstellung der all- gemeinen Profitrate, wie so ziemlich jedermann weiss. Aber nur ein literarischer Abenteurer, der im Grunde seines Herzens auf die ganze Oekonomie pfeift, kann sich die Behauptung erlauben, es besitze die Zauberkraft, allen über die allgemeine Profitrate, und dazu noch ehe eine solche hergestellt ist, überschüssigen Mehrwerth an sich zu saugen und in Grundrente für sich selbst zu verwandeln, und das obendrein, ohne dass es irgend ein Grundeigenthum dazu nöthig hat. Nicht weniger erstaunlich ist die Behauptung, das Handelskapital bringe es fertig, diejenigen Industriellen zu entdecken, deren Mehrwerth nur grade die Durchschnittsprofitrate deckt, und es rechne es sich zur Ehre an, diesen unglücklichen Opfern des Marx’schen Werthgesetzes ihr Loos einigermassen zu erleichtern, indem es ihnen ihre Produkte gratis, sogar ohne jede Provision verkauft. Welch ein Taschenspieler gehört dazu, sich einzubilden, Marx habe solche jämmerliche Kunststückchen nöthig!
In seiner vollen Glorie aber strahlt unser illustre Loria erst, wenn wir ihn mit seinen nordischen Konkurrenten vergleichen, z. B. mit Herrn Julius Wolf, der doch auch nicht von gestern ist. Welch ein kleiner Kläffer scheint dieser, selbst in seinem dicken Buch über „Sozialismus und kapitalistische Gesellschaftsordnung“, neben dem Italiener! Wie unbehülflich, ich wäre fast versucht zu sagen, wie bescheiden steht er da neben der edlen Dreistigkeit, womit der Maestro es als selbstredend hinstellt, dass Marx nicht mehr und nicht minder als alle andern Leute auch, ein genau ebenso bewusster Sophist, Paralogist, Aufschneider und Markt- schreier war wie Herr Loria selbst — dass Marx jedesmal, wenn er festsitzt, dem Publikum von einem Abschluss seiner Theorie in einem folgenden Band vorschwefelt, den er, wie er selbst sehr gut weiss, weder liefern kann noch will! Unbegrenzte Keckheit, gepaart mit aal-
glattem Durchschlüpfen durch unmögliche Situationen, heroische Verachtung gegen erhaltne Fusstritte, rasch zugreifende Aneignung fremder Leistungen, zudringliche Marktschreierei der Reklame, Organisation des Ruhms vermittelst des Kamaraderieklüngels — wer reicht ihm in alledem das Wasser?
Italien ist das Land der Klassicität. Seit der grossen Zeit, als bei ihm die Morgenröthe der modernen Welt aufging, brachte es grossartige Charaktere hervor in unerreicht klassischer Vollendung. von Dante bis auf Garibaldi. Aber auch die Zeit der Erniedrigung und Fremdherrschaft hinterliess ihm klassische Charaktermasken, darunter zwei besonders ausgemeisselte Typen: den Sganarell und den Dulcamara. Die klassische Einheit beider sehn wir ver- körpert in unserm illustre Loria.
Zum Schluss muss ich meine Leser über den Ocean führen. In New-York hat Herr Dr. med. George C. Stiebeling auch eine Lösung des Problems gefunden, und zwar eine äusserst einfache. So einfach, dass kein Mensch weder hüben noch drüben sie anerkennen wollte; worüber er in grossen Zorn gerieth, und in einer endlosen Reihe Broschüren und Zeitungsartikel auf beiden Seiten des grossen Wassers sich bitterlichst über diese Unbill beschwerte. Man sagte ihm zwar in der Neuen Zeit, seine ganze Lösung beruhe auf einem Rechenfehler. Aber das konnte ihn nicht stören; Marx hat auch Rechenfehler gemacht und behält dennoch in vielen Dingen recht. Sehn wir uns also die Stiebelingsche Lösung an.
„Ich nehme zwei Fabriken an, die mit gleichem Kapital gleiche Zeit arbeiten, aber mit einem verschiednen Verhältniss des konstanten und des variablen Kapitals. Das Gesammtkapital (c + v) setze ich = y, und bezeichne den Unterschied in dem Verhältniss des konstanten zu dem variablen Kapital mit x. In Fabrik I ist y = c + v, in Fabrik II ist y = (c — x) + (v + x). Die Rate des Mehrwerths ist also in Fabrik I = und in Fabrik II = Profit (p) nenne ich den Gesammtmehrwerth (m), um den sich das Gesammtkapital y oder c + v in der gegebnen Zeit vermehrt, also p = m. Die Rate des Profits ist demnach in Fabrik I = oder , und in Fabrik II ebenfalls oder d. h. ebenfalls = . Das … Problem löst sich also derart, dass
auf Grundlage des Werthgesetzes, bei Anwendung gleichen Kapitals und gleicher Zeit, aber ungleicher Mengen lebendiger Arbeit, aus der Veränderung der Rate des Mehrwerths eine gleiche Durch- schnittsprofitrate hervorgeht.“ (G. C. Stiebeling, das Werthgesetz und die Profitrate, New-York, John Heinrich.)
So schön und einleuchtend auch die obige Rechnung ist, so sind wir doch genöthigt, eine Frage an Herrn Dr. Stiebeling zu richten: Woher weiss er, dass die Summe des Mehrwerths, den Fabrik I produzirt, aufs Haar gleich ist der Summe des in Fabrik II erzeugten Mehrwerths? Von c, v, y und x, also von allen übrigen Faktoren der Rechnung sagt er uns ausdrücklich, dass sie für beide Fabriken gleiche Grösse haben, aber von m kein Wort. Daraus aber, dass er beide hier vorkommende Mengen Mehrwerth algebraisch mit m bezeichnet, folgt dies keineswegs. Es ist, da Herr Stiebeling auch den Profit p ohne Weiteres mit dem Mehr- werth indentificirt, vielmehr grade das, was bewiesen werden soll. Nun sind nur zwei Fälle möglich: entweder sind die beiden m gleich, jede Fabrik produzirt gleich viel Mehrwerth, also bei gleichem Gesammtkapital auch gleich viel Profit, und dann hat Herr Stiebeling von vornherein das schon vorausgesetzt, was er erst beweisen soll. Oder aber, die eine Fabrik produzirt eine grössere Summe Mehrwerth als die andre, und dann fällt seine ganze Rechnung dahin.
Herr Stiebeling hat weder Mühe noch Kosten gescheut, auf diesen seinen Rechenfehler ganze Berge von Rechnungen aufzu- bauen und dem Publikum zur Schau zu stellen. Ich kann ihm die beruhigende Versicherung geben, dass sie fast alle gleichmäßig unrichtig sind, und dass sie da, wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, ganz etwas anders beweisen, als er beweisen will. So beweist er aus der Vergleichung der amerikanischen Censusberichte von 1870 und 1880 thatsächlich den Fall der Profitrate, erklärt ihn aber total falsch und meint, die Marx’sche Theorie einer sich immer gleichbleibenden, stabilen Profitrate durch die Praxis be- richtigen zu müssen. Nun folgt aber aus dem dritten Abschnitt des vorliegenden dritten Buchs, dass diese Marx’sche „feststehende Profitrate“ ein reines Hirngespinnst ist, und dass die fallende Ten- denz der Profitrate auf Ursachen beruht, die den von Dr. Stiebeling
angegebnen diametral entgegengesetzt sind. Herr Dr. Stiebeling meint es sicher sehr gut, aber wenn man sich mit wissenschaft- lichen Fragen beschäftigen will, muss man vor allen Dingen lernen, die Schriften, die man benutzen will, so zu lesen, wie der Verfasser sie geschrieben hat, und vor allem ohne Dinge hinein zu lesen, die nicht darin stehn.
Resultat der ganzen Untersuchung: auch mit Bezug auf die vor- liegende Frage ist es wieder nur die Marx’sche Schule, die etwas geleistet hat. Fireman und Konrad Schmidt können, wenn sie dies dritte Buch lesen, mit ihren eignen Arbeiten jeder an seinem Theil ganz zufrieden sein.
London, 4. Oktober 1894.
F. Engels.
Druckfehler.
Im ersten Theil.
Im zweiten Theil:
Im ersten Buch wurden die Erscheinungen untersucht, die der kapitalistische Produktionsprocess, für sich genommen, dar- bietet, als unmittelbarer Produktionsprocess, bei dem noch von allen sekundären Einwirkungen ihm fremder Umstände abgesehn wurde. Aber dieser unmittelbare Produktionsprocess erschöpft nicht den Lebenslauf des Kapitals. Er wird in der wirklichen Welt ergänzt durch den Cirkulationsprocess, und dieser bildete den Gegenstand der Untersuchungen des zweiten Buchs. Hier zeigte sich, namentlich im dritten Abschnitt, bei Betrachtung des Cirku- lationsprocesses als der Vermittlung des gesellschaftlichen Repro- duktionsprocesses, dass der kapitalistische Produktionsprocess, im Ganzen betrachtet, Einheit von Produktions- und Cirkulations- process ist. Worum es sich in diesem dritten Buch handelt, kann nicht sein, allgemeine Reflexionen über diese Einheit anzustellen. Es gilt vielmehr, die konkreten Formen aufzufinden und darzu- stellen, welche aus dem Bewegungsprocess des Kapitals, als Ganzes betrachtet, hervorwachsen. In ihrer wirklichen Bewegung treten sich die Kapitale in solchen konkreten Formen gegenüber, für die die Gestalt des Kapitals im unmittelbaren Pro- ductionsprocess, wie seine Gestalt im Cirkulationsprocess, nur als besondere Momente erscheinen. Die Gestaltungen des Kapitals, wie wir sie in diesem Buch entwickeln, nähern sich also schritt-
weis der Form, worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in der Aktion der verschiedenen Kapitale auf einander, der Konkur- renz, und im gewöhnlichen Bewusstsein der Produktionsagenten selbst auftreten.
Der Werth jeder kapitalistisch producirten Waare W stellt sich dar in der Formel: W = c + v + m. Ziehn wir von diesem Produktenwerth den Mehrwerth m ab, so bleibt ein blosses Aequi- valent oder ein Ersatzwerth in Waare für den in den Produktions- elementen verausgabten Kapitalwerth c + v.
Verursacht z. B. die Herstellung eines gewissen Artikels eine Kapitalausgabe von 500 £ : 20 £ für Verschleiss von Arbeits- mitteln, 380 £ für Produktionsstoffe, 100 £ für Arbeitskraft, und beträgt die Rate des Mehrwerthes 100 %, so ist der Werth des Produkts = 400c + 100v + 100m = 600 £.
Nach Abzug des Mehrwerths von 100 £ bleibt ein Waaren- werth von 500 £, und dieser ersetzt nur das verausgabte Kapital von 500 £. Dieser Werththeil der Waare, der den Preis der verzehrten Produktionsmittel und den Preis der angewandten Arbeitskraft ersetzt, ersetzt nur was die Waare dem Kapitalisten selbst kostet und bildet daher für ihn den Kostpreis der Waare.
Was die Waare dem Kapitalisten kostet, und was die Produk- tion der Waare selbst kostet, sind allerdings zwei ganz verschiedne Grössen. Der aus Mehrwerth bestehende Theil des Waarenwerths kostet dem Kapitalisten nichts, eben weil er dem Arbeiter unbe- zahlte Arbeit kostet. Da jedoch auf Grundlage der kapitalistischen Produktion der Arbeiter selbst, nach seinem Eintritt in den Pro- duktionsprocess, ein Ingrediens des in Funktion begriffenen und dem Kapitalisten zugehörigen produktiven Kapitals bildet, der Kapitalist also der wirkliche Waarenproducent ist, so erscheint nothwendig der Kostpreis der Waare für ihn als die wirkliche Kost der Waare selbst. Nennen wir den Kostpreis k, so ver- wandelt sich die Formel: W = c + v + m in die Formel: W = k + m, oder Waarenwerth = Kostpreis + Mehrwerth.
Die Zusammenfassung der verschiednen Werththeile der Waare, die nur den in ihrer Produktion verausgabten Kapitalwerth er- setzen, unter der Kategorie des Kostpreises drückt daher einerseits den specifischen Charakter der kapitalistischen Produktion aus. Die kapitalistische Kost der Waare misst sich an der Ausgabe in Kapital, die wirkliche Kost der Waare an der Ausgabe in Arbeit. Der kapitalistische Kostpreis der Waare ist daher quan-
titativ verschieden von ihrem Werth oder ihrem wirklichen Kost- preis; er ist kleiner als der Waarenwerth, denn da W = k + m, ist k = W — m. Andrerseits ist der Kostpreis der Waare keineswegs eine Rubrik, die nur in der kapitalistischen Buch- führung existirt. Die Verselbständigung dieses Werththeils macht sich in der wirklichen Produktion der Waare fortwährend prak- tisch geltend, da er aus seiner Waarenform durch den Cirku- lationsprocess stets wieder in die Form von produktivem Kapital rückverwandelt werden, der Kostpreis der Waare also beständig die in ihrer Produktion verzehrten Produktionselemente rück- kaufen muss.
Dagegen hat die Kategorie des Kostpreises in keiner Weise zu thun mit der Werthbildung der Waare, oder mit dem Verwerthungs- process des Kapitals. Wenn ich weiss, dass ⅚ des Waarenwerths, von 600 £, oder 500 £ nur ein Aequivalent, einen Ersatzwerth des verausgabten Kapitals von 500 £ bilden, und daher nur hin- reichen die stofflichen Elemente dieses Kapitals rückzukaufen, so weiss ich damit weder, wie diese ⅚ des Werths der Waare, die ihren Kostpreis bilden, noch wie das letzte Sechstel, das ihren Mehrwerth bildet, producirt worden sind. Die Untersuchung wird jedoch zeigen, dass der Kostpreis in der Kapitalwirthschaft den falschen Schein einer Kategorie der Werthproduktion selbst erhält.
Kehren wir zu unserm Beispiel zurück. Unterstellen wir, dass der in einem durchschnittlichen gesellschaftlichen Arbeitstag von einem Arbeiter producirte Werth sich in einer Geldsumme von 6 sh. = 6 M. darstellt, so ist das vorgeschossne Kapital von 500 £ = 400c + 100v, das Werthprodukt von 1666⅔ zehn- stündigen Arbeitstagen, wovon 1333⅓ Arbeitstage im Werth der Productionsmittel = 400c, 333⅓ im Werth der Arbeitskraft = 100v krystallisirt sind. Bei der angenommenen Mehrwerthrate von 100 % kostet die Produktion der neu zu bildenden Waare selbst also eine Verausgabung von Arbeitskraft = 100v + 100m = 666⅔ zehnstündigen Arbeitstagen.
Wir wissen dann (siehe Buch I, Kap. VII, p. 201/193), dass der Werth des neugebildeten Produkts von 600 £ sich zusammen- setzt aus 1) dem wiedererscheinenden Werth des in Produktions- mitteln verausgabten konstanten Kapitals von 400 £ und 2) einen neu producirten Werth von 200 £. Der Kostpreis der Waare = 500 £ umschliesst die wiedererscheinenden 400c und eine Hälfte des neuproducirten Werths von 200 £ (= 100v), also zwei
mit Bezug auf ihre Entstehung ganz und gar verschiedne Elemente des Waarenwerths.
Durch den zweckgemässen Charakter der während 666⅔ zehn- stündigen Tagen verausgabten Arbeit wird der Werth der ver- zehrten Produktionsmittel, zum Belauf von 400 £, von diesen Produktionsmitteln auf das Produkt übertragen. Dieser alte Werth erscheint daher wieder als Bestandtheil des Produktenwerths, aber er entsteht nicht im Produktionsprocess dieser Waare. Er existirt nur als Bestandtheil des Waarenwerths, weil er vorher als Bestandtheil des vorgeschossnen Kapitals existirte. Das veraus- gabte konstante Kapital wird also durch den Theil des Waaren- werths ersetzt, den es selbst dem Waarenwerth zusetzt. Dies Element des Kostpreises hat also den zweideutigen Sinn: Es geht einerseits in den Kostpreis der Waare ein, weil es ein Bestand- theil des Waarenwerths ist, der verausgabtes Kapital ersetzt; und andrerseits bildet es nur einen Bestandtheil des Waarenwerths, weil es der Werth von verausgabtem Kapital ist, oder weil die Produktionsmittel so und so viel kosten.
Ganz umgekehrt mit dem andern Bestandtheil des Kostpreises. Die während der Waarenproduktion verausgabten 666⅔ Tage Arbeit bilden einen Neuwerth von 200 £. Von diesem Neuwerth ersetzt ein Theil nur das vorgeschossne variable Kapital von 100 £, oder den Preis der angewandten Arbeitskraft. Aber dieser vor- geschossne Kapitalwerth geht in keiner Weise in die Bildung des Neuwerths ein. Innerhalb des Kapitalvorschusses zählt die Arbeits- kraft als Werth, aber im Produktionsprocess fungirt sie als Werthbildner. An die Stelle des Werths der Arbeitskraft, der innerhalb des Kapitalvorschusses figurirt, tritt im wirklich fungi- renden produktiven Kapital die lebendige, werthbildende Arbeits- kraft selbst.
Der Unterschied zwischen diesen verschiednen Bestandtheilen des Waarenwerths, die zusammen den Kostpreis bilden, springt ins Auge, sobald ein Wechsel in der Werthgrösse, das eine Mal des verausgabten konstanten, das andre Mal des verausgabten variablen Kapitaltheils eintritt. Der Preis derselben Produktions- mittel oder der konstante Kapitaltheil steige von 400 £ auf 600 £, oder sinke umgekehrt auf 200 £. Im ersten Fall steigt nicht nur der Kostpreis der Waare von 500 £ auf 600c + 100v = 700 £, sondern der Waarenwerth selbst steigt von 600 £ auf 600c + 100v + 100m = 800 £. Im zweiten Fall sinkt nicht nur der Kostpreis von 500 £ auf 200c + 100v = 300 £, sondern
der Waarenwerth selbst von 600 £ auf 200c + 100v + 100m = 400 £. Weil das verausgabte konstante Kapital seinen eignen Werth auf das Produkt überträgt, wächst oder fällt, bei sonst gleichbleibenden Umständen, der Produktenwerth mit der abso- luten Grösse jenes Kapitalwerths. Nimm umgekehrt an, bei sonst gleichbleibenden Umständen wachse der Preis derselben Masse Arbeitskraft von 100 £ auf 150 £, oder sinke umgekehrt auf 50 £. Im ersten Fall steigt zwar der Kostpreis von 500 £ auf 400c + 150v = 550 £ und sinkt im zweiten Fall von 500 £ auf 400c + 50v = 450 £, aber in beiden Fällen bleibt der Waaren- werth unverändert = 600 £; das eine Mal = 400c + 150v + 50m, das andre Mal = 400c + 50v + 150m. Das vorgeschossne variable Kapital setzt dem Produkt nicht seinen eignen Werth zu. An die Stelle seines Werths ist vielmehr im Produkt ein von der Arbeit geschaffner Neuwerth getreten. Ein Wechsel in der absoluten Werthgrösse des variablen Kapitals, soweit er nur einen Wechsel im Preis der Arbeitskraft ausdrückt, ändert daher nicht das geringste an der absoluten Grösse des Waarenwerths, weil nichts an der absoluten Grösse des Neuwerths, welchen flüssige Arbeitskraft schafft. Solcher Wechsel afficirt vielmehr nur das Grössenverhältniss der beiden Bestandtheile des Neu- werths, wovon der eine Mehrwerth bildet, der andre das variable Kapital ersetzt, und daher in den Kostpreis der Waare eingeht.
Gemeinsam haben beide Theile des Kostpreises, in unserm Fall 400c + 100v, nur das: dass sie beide Theile des Waarenwerths sind, die vorgeschossnes Kapital ersetzen.
Dieser wirkliche Sachverhalt erscheint aber nothwendig in ver- kehrter Weise vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion.
Die kapitalistische Produktionsweise unterscheidet sich von der auf Sklaverei gegründeten Produktionsweise unter anderm dadurch, dass der Werth, resp. Preis der Arbeitskraft, sich darstellt als Werth, resp. Preis, der Arbeit selbst oder als Arbeitslohn. (Buch I, Kap. XVII.) Der variable Werththeil des Kapitalvorschusses er- scheint daher als in Arbeitslohn verausgabtes Kapital, als ein Kapitalwerth, der den Werth, resp. Preis, aller in der Produktion verausgabten Arbeit zahlt. Nehmen wir z. B. an, dass ein durch- schnittlicher gesellschaftlicher Arbeitstag von 10 Stunden sich in einer Geldmasse von 6 sh. verkörpert, so ist der variable Kapital- vorschuss von 100 £ der Geldausdruck eines in 333⅓ zehnstün- digen Arbeitstagen producirten Werths. Dieser im Kapitalvorschuss figurirende Werth der angekauften Arbeitskraft bildet aber keinen
Theil des wirklich fungirenden Kapitals. An seine Stelle tritt im Produktionsprocess selbst die lebendige Arbeitskraft. Beträgt, wie in unserm Beispiel, der Exploitationsgrad der letztern 100 %, so wird sie verausgabt während 666⅔ zehnstündigen Arbeitstagen und setzt daher dem Produkt einen Neuwerth von 200 £ zu. Aber im Kapitalvorschuss figurirt das variable Kapital von 100 £ als in Arbeitslohn ausgelegtes Kapital, oder als Preis der Arbeit, die während 666⅔ zehnstündigen Tagen verrichtet wird. 100 £ dividirt durch 666⅔ gibt uns als Preis des zehnstündigen Arbeits- tags 3 sh., das Werthprodukt fünfstündiger Arbeit.
Vergleichen wir nun Kapitalvorschuss auf der einen Seite und Waarenwerth auf der andern, so haben wir:
In dieser Formel unterscheidet sich der in Arbeit ausgelegte Kapitaltheil von dem in Produktionsmitteln, z. B. Baumwolle oder Kohlen ausgelegten Kapitaltheil nur dadurch, dass er zur Zahlung eines stofflich verschiednen Produktionselements dient, aber in keiner Weise dadurch, dass er im Werthbildungsprocess der Waare und daher auch im Verwerthungsprocess des Kapitals eine funk- tionell verschiedne Rolle spielt. Im Kostpreis der Waare kehrt der Preis der Produktionsmittel wieder, wie er bereits im Kapital- vorschuss figurirte, und zwar weil diese Produktionsmittel zweck- gemäss vernutzt worden sind. Ganz ebenso kehrt im Kostpreis der Waare der Preis oder Arbeitslohn für die zu ihrer Produktion verbrauchten 666⅔ Arbeitstage wieder, wie er bereits im Kapital- vorschuss figurirte, und zwar ebenfalls weil diese Masse Arbeit in zweckgemässer Form verausgabt wurde. Wir sehn nur fertige, vorhandne Werthe — die Werththeile des vorgeschossnen Kapi- tals, die in die Bildung des Produktenwerths eingehn — aber kein Neuwerth schaffendes Element. Der Unterschied zwischen konstantem und variablem Kapital ist verschwunden. Der ganze Kostpreis von 500 £ erhält jetzt den Doppelsinn, dass er erstens der Bestandtheil des Waarenwerths von 600 £ ist, der das in der Produktion der Waare verausgabte Kapital von 500 £ ersetzt; und dass zweitens dieser Werthbestandtheil der Waare selbst nur
existirt, weil er vorher als Kostpreis der angewandten Produktions- elemente, der Produktionsmittel und Arbeit, d. h. als Kapitalvor- schuss existirte. Der Kapitalwerth kehrt als Kostpreis der Waare wieder, weil und sofern er als Kapitalwerth verausgabt worden ist.
Der Umstand, dass die verschiednen Werthbestandtheile des vor- geschossnen Kapitals in stofflich verschiednen Produktionselementen ausgelegt sind, in Arbeitsmitteln, Roh- und Hülfsstoffen und Arbeit, bedingt nur, dass der Kostpreis der Waare diese stofflich ver- schiednen Produktionselemente wieder rückkaufen muss. Mit Be- zug auf die Bildung des Kostpreises selbst macht sich dagegen nur ein Unterschied geltend, der Unterschied zwischen fixem und cirkulirendem Kapital. In unserm Beispiel waren 20 £ berechnet für Verschleiss der Arbeitsmittel (400c = 20 £ für Verschleiss der Arbeitsmittel + 380 £ für Produktionsstoffe). War der Werth dieser Arbeitsmittel vor der Produktion der Waare = 1200 £, so existirt er nach ihrer Produktion in zwei Gestalten, 20 £ als Theil des Waarenwerths, 1200—20 oder 1180 £ als restirender Werth der nach wie vor im Besitz des Kapitalisten befindlichen Arbeits- mittel, oder als Werthelement nicht seines Waarenkapitals, sondern seines produktiven Kapitals. Im Gegensatz zu den Arbeitsmitteln werden Produktionsstoffe und Arbeitslohn in der Produktion der Waare ganz verausgabt, und geht daher auch ihr ganzer Werth in den Werth der producirten Waare ein. Wir haben gesehn, wie diese verschiednen Bestandteile des vorgeschossnen Kapitals mit Bezug auf den Umschlag die Formen von fixem und cirku- lirendem Kapital erhalten.
Der Kapitalvorschuss ist also = 1680 £: fixes Kapital = 1200 £ plus cirkulirendes Kapital = 480 £ (= 380 £ in Produktions- stoffen plus 100 £ in Arbeitslohn).
Der Kostpreis der Waare ist dagegen nur = 500 £ (20 £ für Verschleiss des fixen Kapitals, 480 £ für cirkulirendes Kapital).
Diese Differenz zwischen Kostpreis der Waare und Kapital- vorschuss bestätigt jedoch nur, dass der Kostpreis der Waare ausschliesslich gebildet wird durch das für ihre Produktion wirk- lich verausgabte Kapital.
In der Produktion der Waare werden Arbeitsmittel zum Werth von 1200 £ angewandt, aber von diesem vorgeschossnen Kapital- werth gehn nur 20 £ in der Produktion verloren. Das ange- wandte fixe Kapital geht daher nur theilweise in den Kostpreis der Waare ein, weil es nur theilweise in ihrer Produktion veraus- gabt wird. Das angewandte cirkulirende Kapital geht ganz in den
Kostpreis der Waare ein, weil es in ihrer Produktion ganz ver- ausgabt wird. Was beweist dies aber, als dass die verbrauchten fixen und cirkulirenden Kapitaltheile, pro rata ihrer Werthgrösse, gleichmäßig in den Kostpreis ihrer Waare eingehn und dass dieser Werthbestandtheil der Waare überhaupt nur aus dem in ihrer Produktion verausgabten Kapital entspringt? Wäre dies nicht der Fall, so wäre nicht abzusehn, warum das vorgeschossne fixe Kapital von 1200 £ dem Produktenwerth, statt der 20 £, die es im Pro- duktionsprocess verliert, nicht auch die 1180 £ zusetzt, die es nicht in ihm verliert.
Diese Differenz zwischen fixem und cirkulirendem Kapital in Bezug auf die Berechnung des Kostpreises bestätigt also nur die scheinbare Entstehung des Kostpreises aus dem verausgabten Kapitalwerth oder dem Preis, den die verausgabten Produktions- elemente, die Arbeit einbegriffen, dem Kapitalisten selbst kosten. Andrerseits wird der variable, in Arbeitskraft ausgelegte Kapital- theil in Bezug auf Werthbildung hier unter der Rubrik von cirku- lirendem Kapital ausdrücklich identificirt mit konstantem Kapital (dem in Produktionsstoffen bestehenden Kapitaltheil) und so die Mystifikation des Verwerthungsprocesses des Kapitals vollendet.(FN1)
Wir haben bisher nur ein Element des Waarenwerths betrachtet, den Kostpreis. Wir müssen uns jetzt auch nach dem andern Be- standtheil des Waarenwerths umsehn, dem Ueberschuss über den Kostpreis, oder dem Mehrwerth. Zunächst ist der Mehrwerth also ein Ueberschuss des Werths der Waare über ihren Kostpreis. Da aber der Kostpreis gleich dem Werth des verausgabten Kapitals, in dessen stoffliche Elemente er auch beständig rückverwandelt wird, so ist dieser Werthüberschuss ein Werthzuwachs des in der Produktion der Waare verausgabten und aus ihrer Cirkulation zurückkehrenden Kapitals.
Man sah bereits früher, dass, obgleich m, der Mehrwerth, nur aus einer Werthveränderung von v, dem variablen Kapital ent- springt und daher ursprünglich bloss ein Inkrement des variablen Kapitals ist, er dennoch nach beendigtem Produktionsprocess eben- sosehr einen Werthzuwachs von c + v, dem verausgabten Ge- sammtkapital bildet. Die Formel c + (v + m), die andeutet, dass m producirt wird durch die Verwandlung des in Arbeitskraft vor
geschossnen bestimmten Kapitalwerths v in eine fliessende Grösse, also einer konstanten Grösse in eine variable, stellt sich ebenso dar als (c + v) + m. Vor der Produktion hatten wir ein Kapital von 500 £. Nach der Produktion haben wir das Kapital von 500 £ plus einem Werthzuwachs von 100 £.(FN2)
Der Mehrwerth bildet jedoch einen Zuwachs, nicht nur zu dem in den Verwerthungsprocess eingehenden, sondern auch zu dem nicht darin eingehenden Theil des vorgeschossnen Kapitals; also einen Werthzuwachs, nicht nur zu dem verausgabten Kapital, das aus dem Kostpreis der Waare ersetzt wird, sondern zu dem in der Produktion überhaupt angewandten Kapital. Vor dem Pro- duktionsprocess hatten wir einen Kapitalwerth von 1680 £ : 1200 £ in Arbeitsmitteln ausgelegtes fixes Kapital, wovon nur 20 £ für Verschleiss in den Werth der Waare eingehn, plus 480 £ cirku- lirendes Kapital in Produktionsstoffen und Arbeitslohn. Nach dem Produktionsprocess haben wir 1180 £ als Werthbestandtheil des produktiven Kapitals plus einem Waarenkapital von 600 £. Addiren wir diese beiden Werthsummen, so besitzt der Kapitalist jetzt einen Werth von 1780 £. Zieht er davon das vorgeschossne Gesammtkapital von 1680 £ ab so bleibt ein Werthzuwachs von 100 £. Die 100 £ Mehrwerth bilden also ebensosehr einen Werthzuwachs zu dem angewandten Kapital von 1680 £, wie zu dem während der Produktion verausgabten Bruchstück desselben von 500 £.
Es ist dem Kapitalisten nun klar, dass dieser Werthzuwachs aus den produktiven Vorgängen entspringt, die mit dem Kapital vor- genommen werden, dass er also aus dem Kapital selbst entspringt; denn nach dem Produktionsprocess ist er da, und vor dem Pro- duktionsprocess war er nicht da. Was zunächst das in der Pro- duktion verausgabte Kapital betrifft, so scheint der Mehrwerth gleichmäßig aus dessen verschiednen, in Produktionsmitteln und Arbeit bestehenden Werthelementen zu entspringen. Denn diese Elemente gehn gleichmäßig in die Bildung des Kostpreises ein. Sie setzen gleichmäßig ihre als Kapitalvorschüsse vorhandnen
Werthe dem Produktenwerth zu, und unterscheiden sich nicht als konstante und variable Werthgrössen. Dies wird handgreiflich, wenn wir einen Augenblick unterstellen, alles verausgabte Kapital bestehe entweder ausschliesslich aus Arbeitslohn, oder ausschliess- lich aus dem Werth von Produktionsmitteln. Wir hätten dann im ersten Fall statt des Waarenwerths 400c + 100v + 100m, den Waarenwerth 500v + 100m. Das in Arbeitslohn ausgelegte Kapital von 500 £ ist der Werth aller in der Produktion des Waaren- werths von 600 £ aufgewandten Arbeit und bildet eben daher den Kostpreis des ganzen Produkts. Die Bildung dieses Kost- preises, wodurch der Werth des verausgabten Kapitals als Werth- bestandtheil des Produkts wieder erscheint, ist aber der einzige uns bekannte Vorgang in der Bildung dieses Waarenwerths. Wie sein Mehrwerthsbestandtheil von 100 £ entspringt, wissen wir nicht. Ganz ebenso im zweiten Fall, wo der Waarenwerth = 500c + 100m wäre. In beiden Fällen wissen wir, dass der Mehrwerth aus einem gegebnen Werth entspringt, weil dieser Werth in der Form von produktivem Kapital vorgeschossen wurde, gleichgültig ob in der Form von Arbeit oder in der Form von Produktionsmitteln. Andrerseits aber kann der vorgeschossne Kapitalwerth den Mehr- werth nicht aus dem Grunde bilden, weil er verausgabt worden ist, und daher den Kostpreis der Waare bildet. Denn gerade so- weit er den Kostpreis der Waare bildet, bildet er keinen Mehr- werth, sondern nur ein Aequivalent, einen Ersatzwerth des ver- ausgabten Kapitals. Soweit er also Mehrwerth bildet, bildet er ihn nicht in seiner specifischen Eigenschaft als verausgabtes, son- dern als vorgeschossnes und daher angewandtes Kapital überhaupt. Der Mehrwerth entspringt daher ebensosehr aus dem Theil des vorgeschossnen Kapitals, der in den Kostpreis der Waare eingeht, wie aus dem Theil desselben, der nicht in den Kostpreis eingeht; in einem Wort gleichmäßig aus den fixen und cirkulirenden Be- standtheilen des angewandten Kapitals. Das Gesammtkapital dient stofflich als Produktbildner, die Arbeitsmittel sowohl wie die Pro- duktionsstoffe und die Arbeit. Das Gesammtkapital geht stofflich in den wirklichen Arbeitsprocess ein, wenn auch nur ein Theil desselben in den Verwerthungsprocess eingeht. Dies ist vielleicht eben der Grund, dass es nur theilweis zur Bildung des Kost- preises, aber ganz zur Bildung des Mehrwerths beiträgt. Wie dem auch sei, das Facit bleibt, dass der Mehrwerth gleichzeitig aus allen Theilen des angewandten Kapitals entspringt. Die Deduktion kann noch sehr abgekürzt werden, wenn man mit
Malthus ebenso derb wie einfach sagt: „Der Kapitalist erwartet gleichen Vortheil auf alle Theile des Kapitals, die er vorstreckt.“(FN3)
Als solcher vorgestellter Abkömmling des vorgeschossnen Ge- sammtkapitals erhält der Mehrwerth die verwandelte Form des Profits. Eine Werthsumme ist daher Kapital, weil sie ausgelegt wird, um einen Profit zu erzeugen(FN4), oder der Profit kommt her- aus, weil eine Werthsumme als Kapital angewandt wird. Nennen wir den Profit p, so verwandelt sich die Formel W = c + v + m = k + m in die Formel W = k + p oder Waarenwerth = Kost- preis + Profit.
Der Profit, wie wir ihn hier zunächst vor uns haben, ist also dasselbe was der Mehrwerth ist, nur in einer mystificirten Form, die jedoch mit Nothwendigkeit aus der kapitalistischen Produktions- weise herauswächst. Weil in der scheinbaren Bildung des Kost- preises kein Unterschied zwischen konstantem und variablem Kapital zu erkennen ist, muss der Ursprung der Werthveränderung, die während des Produktionsprocesses sich ereignet, von dem variablen Kapitaltheil in das Gesammtkapital verlegt werden. Weil auf dem einen Pol der Preis der Arbeitskraft in der verwandelten Form von Arbeitslohn, erscheint auf dem Gegenpol der Mehrwerth in der verwandelten Form von Profit.
Wir haben gesehn: Der Kostpreis der Waare ist kleiner als ihr Werth. Da W = k + m ist k = W — m. Die Formel W = k + m reducirt sich nur auf W = k, Waarenwerth = Kost- preis der Waare, wenn m = 0, ein Fall, der auf Grundlage der kapitalistischen Produktion niemals eintritt, obgleich unter be- sondren Marktkonjunkturen der Verkaufspreis der Waaren auf oder selbst unter ihren Kostpreis sinken mag.
Wird die Waare daher zu ihrem Werth verkauft, so wird ein Profit realisirt, der gleich dem Ueberschuss ihres Werths über ihren Kostpreis ist, also gleich dem ganzen im Waarenwerth steckenden Mehrwerth. Aber der Kapitalist kann die Waare mit Profit verkaufen, obgleich er sie unter ihrem Werth verkauft. Solange ihr Verkaufspreis über ihrem Kostpreis, wenn auch unter ihrem Werth steht, wird stets ein Theil des in ihr enthaltenen Mehrwerths realisirt, also stets ein Profit gemacht. In unserm Beispiel ist der Waarenwerth = 600 £, der Kostpreis = 500 £. Wird die Waare zu 510, 520, 530, 560, 590 £ verkauft, so wird
sie respektive zu 90, 80, 70, 40, 10 £ unter ihrem Werth ver- kauft und dennoch ein Profit von je 10, 20, 30, 60, 90 £ aus ihrem Verkauf herausgeschlagen. Zwischen dem Werth der Waare und ihrem Kostpreis ist offenbar eine unbestimmte Reihe von Verkaufspreisen möglich. Je grösser das aus Mehrwerth be- stehende Element des Waarenwerths, desto grösser der praktische Spielraum dieser Zwischenpreise.
Hieraus erklären sich nicht nur alltägliche Erscheinungen der Konkurrenz, wie z. B. gewisse Fälle des Unterverkaufs (under- selling), anormale Niedrigkeit der Waarenpreise in bestimmten Industriezweigen(FN5) etc. Das bisher von der politischen Oekonomie unbegriffne Grundgesetz der kapitalistischen Konkurrenz, das Ge- setz, welches die allgemeine Profitrate und die durch sie be- stimmten sog. Produktionspreise regelt, beruht, wie man später sehn wird, auf dieser Differenz zwischen Werth und Kostpreis der Waare und der daher entspringenden Möglichkeit, die Waare mit Profit unter ihrem Werth zu verkaufen.
Die Minimalgrenze des Verkaufspreises der Waare ist gegeben durch ihren Kostpreis. Wird sie unter ihrem Kostpreis verkauft, so können die verausgabten Bestandtheile des produktiven Kapitals nicht völlig aus dem Verkaufspreis ersetzt werden. Dauert dieser Process fort, so verschwindet der vorgeschossne Kapitalwerth. Schon von diesem Gesichtspunkt aus ist der Kapitalist geneigt, den Kostpreis für den eigentlichen inneren Werth der Waare zu halten, weil er der zur blossen Erhaltung seines Kapitals noth- wendige Preis ist. Es kommt aber hinzu, dass der Kostpreis der Waare der Kaufpreis ist, den der Kapitalist selbst für ihre Pro- duktion gezahlt hat, also der durch ihren Produktionsprocess selbst bestimmte Kaufpreis. Der beim Verkauf der Waare realisirte Werthüberschuss oder Mehrwerth erscheint dem Kapitalisten daher als Ueberschuss ihres Verkaufspreises über ihren Werth, statt als Ueberschuss ihres Werths über ihren Kostpreis, sodass der in der Waare steckende Mehrwerth sich nicht durch ihren Verkauf reali- sirt, sondern aus dem Verkauf selbst entspringt. Wir haben diese Illusion bereits näher beleuchtet in Buch I, Kap. IV, 2 (Wider- sprüche der allgemeinen Formel des Kapitals), kehren hier aber einen Augenblick zu der Form zurück, worin sie als Fortschritt der politischen Oekonomie über Ricardo hinaus von Torrens u. A. wieder geltend gemacht wurde.
„Der natürliche Preis, der aus der Produktionskost besteht oder in andren Worten aus der Kapitalauslage in der Produktion oder Fabrikation von Waare, kann unmöglich den Profit einschliessen . . . . Wenn ein Pächter im Anbau seiner Felder 100 Quarter Korn auslegt und dafür 120 Quarters wieder erhält, bilden die 20 Quarter, als Ueberschuss des Produkts über die Auslage, seinen Profit; aber es wäre absurd, diesen Ueberschuss oder Profit einen Theil seiner Auslage zu nennen … Der Fabrikant legt eine gewisse Quantität von Rohstoffen, Werkzeugen und Subsistenzmitteln für Arbeit aus, und erhält dagegen eine Quantität fertiger Waare. Diese fertige Waare muss einen höhern Tauschwerth besitzen als die Rohstoffe, Werkzeuge und Subsistenzmittel, durch deren Vorschuss sie erworben wurden“. Daher schliesst Torrens, der Ueberschuss des Verkaufspreises über den Kostpreis oder der Profit entspringe daher, dass die Konsumenten „durch unmittel- baren oder vermittelten (circuitous) Austausch eine gewisse grössre Portion aller Ingredienzien des Kapitals geben, als deren Produktion kostet.“(FN6)
In der That, der Ueberschuss über eine gegebne Grösse kann keinen Theil dieser Grösse bilden, also kann auch der Profit, der Ueberschuss des Waarenwerths über die Auslagen des Kapitalisten, keinen Theil dieser Auslagen bilden. Geht also in die Werth- bildung der Waare kein andres Element ein als der Werthvor- schuss des Kapitalisten, so ist nicht abzusehn, wie aus der Pro- duktion mehr Werth herauskommen soll als in sie einging, oder es werde etwas aus Nichts. Dieser Schöpfung aus Nichts entrinnt Torrens jedoch nur, indem er sie aus der Sphäre der Waaren- produktion in die Sphäre der Waarencirkulation verlegt. Der Profit kann nicht aus der Produktion herkommen, sagt Torrens, denn sonst wäre er schon in den Kosten der Produktion enthalten, also kein Ueberschuss über diese Kosten. Der Profit kann nicht aus dem Waarenaustausch herkommen, antwortet ihm Ramsay, wenn er nicht bereits vor dem Waarenaustausch vorhanden war. Die Werthsumme der ausgetauschten Produkte ändert sich offenbar nicht durch den Austausch der Produkte, deren Werthsumme sie ist. Sie bleibt dieselbe nach wie vor dem Austausch. Es sei hier bemerkt, dass Malthus sich ausdrücklich auf die Autorität von Torrens beruft(FN7), obgleich er selbst den Verkauf der Waaren über
ihren Werth anders entwickelt oder vielmehr nicht entwickelt, da alle Argumente dieser Art, der Sache nach, unfehlbar auf das seinerzeit vielberühmte negative Gewicht des Phlogiston hinauslaufen.
Innerhalb eines durch die kapitalistische Produktion beherrschten Gesellschaftszustandes ist auch der nichtkapitalistische Producent durch die kapitalistischen Vorstellungen beherrscht. In seinem letzten Roman, den Paysans, stellt Balzac, überhaupt ausgezeichnet durch tiefe Auffassung der realen Verhältnisse, treffend dar, wie der kleine Bauer, um das Wohlwollen seines Wucherers zu be- wahren, diesem allerlei Arbeiten umsonst leistet und ihm damit nichts zu schenken glaubt, weil seine eigne Arbeit ihm selbst keine bare Auslage kostet. Der Wucherer seinerseits schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe. Er erspart bare Auslage von Arbeits- lohn und verstrickt den Bauer, den die Entziehung der Arbeit vom eignen Feld fortschreitend ruinirt, tiefer und tiefer in das Fangnetz der Wucherspinne.
Die gedankenlose Vorstellung, dass der Kostpreis der Waare ihren wirklichen Werth ausmacht, der Mehrwerth aber aus dem Verkauf der Waare über ihren Werth entspringt, dass die Waaren also zu ihren Werthen verkauft werden, wenn ihr Verkaufspreis gleich ihrem Kostpreis, d. h. gleich dem Preis der in ihnen auf- gezehrten Produktionsmittel plus Arbeitslohn, ist von Proudhon mit gewohnter, sich wissenschaftlich spreizender Charlatanerie als neu entdecktes Geheimniss des Sozialismus ausposaunt worden. Diese Reduktion des Werths der Waaren auf ihren Kostpreis bildet in der That die Grundlage seiner Volksbank. Es ward früher auseinandergesetzt, dass sich die verschiednen Werthbestand- theile des Produkts in proportionellen Theilen des Produkts selbst darstellen lassen. Beträgt z. B. (Buch I, Kap. VII, 2, S. 211/203) der Werth von 20 ℔ Garn 30 sh. — nämlich 24 sh. Produktions- mittel, 3 sh. Arbeitskraft und 3 sh. Mehrwerth — so ist dieser Mehrwerth darstellbar in des Produkts = 2 ℔ Garn. Werden die 20 ℔ Garn nun zu ihrem Kostpreis verkauft, zu 27 sh., so erhält der Verkäufer 2 ℔ Garn umsonst oder die Waare ist um unter ihrem Werth verkauft; aber der Arbeiter hat nach wie vor seine Mehrarbeit geleistet, nur für den Käufer des Garns, statt für den kapitalistischen Garnproducenten. Es wäre durchaus falsch, vorauszusetzen, dass wenn alle Waaren zu ihren Kostpreisen verkauft würden, das Resultat thatsächlich dasselbe wäre, als wenn sie sich alle über ihren Kostpreisen, aber zu ihren Werthen ver- kauften. Denn selbst wenn Werth der Arbeitskraft, Länge des
Arbeitstags und Exploitationsgrad der Arbeit überall gleichgesetzt werden, so sind doch die in den Werthen der verschiednen Waaren- arten enthaltnen Massen von Mehrwerth durchaus ungleich, je nach der verschiednen organischen Zusammensetzung der zu ihrer Pro- duktion vorgeschossnen Kapitale.(FN8)
Die allgemeine Formel des Kapitals ist G — W — G'; d. h. eine Werthsumme wird in Cirkulation geworfen, um eine grössre Werthsumme aus ihr herauszuziehn. Der Process, der diese grössre Werthsumme erzeugt, ist die kapitalistische Produktion; der Process, der sie realisirt, ist die Cirkulation des Kapitals. Der Kapitalist producirt die Waare nicht ihrer selbst wegen, nicht ihres Gebrauchs- werths oder seiner persönlichen Konsumtion wegen. Das Produkt, um das es sich in der That für den Kapitalisten handelt, ist nicht das handgreifliche Produkt selbst, sondern der Werthüberschuss des Produkts über den Werth des in ihm konsumirten Kapitals. Der Kapitalist schiesst das Gesammtkapital vor ohne Rücksicht auf die verschiedne Rolle, die seine Bestandtheile in der Produktion des Mehrwerths spielen. Er schiesst alle diese Bestandtheile gleich- mässig vor, nicht nur um das vorgeschossne Kapital zu reprodu- ciren, sondern um einen Werthüberschuss über dasselbe zu produ- ciren. Er kann den Werth des variablen Kapitals, den er vor- schiesst, nur in höhern Werth verwandeln durch seinen Austausch mit lebendiger Arbeit, durch Exploitation lebendiger Arbeit. Aber er kann die Arbeit nur exploitiren, indem er gleichzeitig die Be- dingungen für die Verwirklichung dieser Arbeit, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, Maschinerie und Rohstoff vorschiesst, d. h. in- dem er eine in seinem Besitz befindliche Werthsumme in die Form von Produktionsbedingungen verwandelt; wie er überhaupt nur Kapitalist ist, den Exploitationsprocess der Arbeit überhaupt nur vornehmen kann, weil er als Eigenthümer der Arbeitsbedingungen dem Arbeiter als blossem Besitzer der Arbeitskraft gegenübersteht.
Es hat sich schon früher, im ersten Buch, gezeigt, dass es grade der Besitz dieser Produktionsmittel durch die Nichtarbeiter ist, welcher die Arbeiter in Lohnarbeiter, die Nichtarbeiter in Kapita- listen verwandelt.
Dem Kapitalisten ist es gleichgültig, die Sache so zu betrachten, dass er das konstante Kapital vorschiesst, um aus dem variablen Gewinn zu schlagen, oder das variable vorschiesst, um das kon- stante zu verwerthen; dass er Geld in Arbeitslohn auslegt, um Maschinen und Rohmaterial höhern Werth zu geben, oder das Geld in Maschinerie und Rohmaterial vorschiesst, um die Arbeit exploitiren zu können. Obgleich nur der variable Theil des Kapitals Mehrwerth schafft, so schafft er ihn nur unter der Bedingung, dass auch die andren Theile vorgeschossen werden, die Produktions- bedingungen der Arbeit. Da der Kapitalist die Arbeit nur exploi- tiren kann durch Vorschuss des konstanten Kapitals, da er das konstante Kapital nur verwerthen kann durch Vorschuss des variablen, so fallen ihm diese in der Vorstellung alle gleichmässig zusammen, und dies um so mehr, als der wirkliche Grad seines Gewinns bestimmt ist nicht durch das Verhältniss zum variablen Kapital, sondern zum Gesammtkapital, nicht durch die Rate des Mehrwerths, sondern durch die Rate des Profits, die, wie wir sehn werden, dieselbe bleiben, und doch verschiedne Raten des Mehr- werths ausdrücken kann.
Zu den Kosten des Produkts gehören alle seine Werthbestand- theile, die der Kapitalist gezahlt, oder für die er ein Aequivalent in die Produktion geworfen hat. Diese Kosten müssen ersetzt werden, damit das Kapital sich einfach erhalte oder in seiner ur- sprünglichen Grösse reproducire.
Der in der Waare enthaltne Werth ist gleich der Arbeitszeit, die ihre Herstellung kostet, und die Summe dieser Arbeit besteht aus bezahlter und unbezahlter. Die Kosten der Waare für den Kapitalisten bestehn dagegen nur aus dem Theil der in ihr ver- gegenständlichten Arbeit, den er gezahlt hat. Die in der Waare enthaltne Mehrarbeit kostet dem Kapitalisten nichts, obgleich sie dem Arbeiter, ganz so gut wie die bezahlte, Arbeit kostet, und obgleich sie, ganz so gut wie jene, Werth schafft und als werth- bildendes Element in die Waare eingeht. Der Profit des Kapita- listen kommt daher, dass er etwas zu verkaufen hat, das er nicht bezahlt hat. Der Mehrwerth resp. Profit besteht gerade in dem Ueberschuss des Waarenwerths über ihren Kostpreis, d. h. in dem Ueberschuss der in der Waare enthaltnen Gesammtsumme von
Arbeit über die in ihr enthaltne bezahlte Summe Arbeit. Der Mehrwerth, woher er immer entspringe, ist sonach ein Ueberschuss über das vorgeschossne Gesammtkapital. Dieser Ueberschuss steht also in einem Verhältniss zum Gesammtkapital, das sich ausdrückt in dem Bruch , wo C das Gesammtkapital bedeutet. So erhalten wir die Profitrate = , im Unterschiede von der Rate des Mehrwerths .
Die Rate des Mehrwerths gemessen am variablen Kapital heisst Rate des Mehrwerths; die Rate des Mehrwerths gemessen am Ge- sammtkapital heisst Profitrate. Es sind zwei verschiedne Messungen derselben Grösse, die in Folge der Verschiedenheit der Maßstäbe zugleich verschiedne Verhältnisse oder Beziehungen derselben Grösse ausdrücken.
Aus der Verwandlung der Mehrwerthsrate in Profitrate ist die Verwandlung des Mehrwerths in Profit abzuleiten, nicht umgekehrt. Und in der That ist die Profitrate das, wovon historisch aus- gegangen wird. Mehrwerth und Rate des Mehrwerths sind, relativ, das Unsichtbare und das zu erforschende Wesentliche, während Profitrate und daher die Form des Mehrwerths als Profit sich auf der Oberfläche der Erscheinung zeigen.
Was den einzelnen Kapitalisten angeht, so ist klar, dass das einzige, was ihn interessirt, das Verhältniss des Mehrwerths oder des Werthüberschusses, wozu er seine Waaren verkauft, zu dem für die Produktion der Waare vorgeschossnen Gesammtkapital ist; während ihm das bestimmte Verhältniss dieses Ueberschusses zu, und sein innerer Zusammenhang mit, den besondren Bestandtheilen des Kapitals nicht nur nicht interessirt, sondern es sein Interesse ist, sich blauen Dunst über dies bestimmte Verhältniss und diesen innern Zusammenhang vorzublasen.
Obgleich der Ueberschuss des Werths der Waare über ihren Kostpreis im unmittelbaren Produktionsprocess entsteht, wird er erst realisirt im Cirkulationsprocess, und erhält um so leichter den Schein, aus dem Cirkulationsprocess zu entspringen, als es in der Wirklichkeit, innerhalb der Konkurrenz, auf dem wirklichen Markt, von Marktverhältnissen abhängt, ob oder nicht, und zu welchem Grad, dieser Ueberschuss realisirt wird. Es bedarf hier keiner Erörterung dass, wenn eine Waare über oder unter ihrem Werth verkauft wird, nur eine andre Vertheilung des Mehrwerths statt- findet, und dass diese verschiedne Vertheilung, das veränderte Ver-
hältniss worin verschiedne Personen sich in den Mehrwerth theilen, weder an der Grösse noch an der Natur des Mehrwerths irgend etwas ändert. Im thatsächlichen Cirkulationsprocess gehn nicht nur die Verwandlungen vor, die wir in Buch II betrachtet, son- dern sie fallen zusammen mit der wirklichen Konkurrenz, mit Kauf und Verkauf der Waaren über oder unter ihrem Werth, so- dass für den einzelnen Kapitalisten der von ihm selbst realisirte Mehrwerth ebensosehr von der wechselseitigen Uebervortheilung, wie von der direkten Exploitation der Arbeit abhängt.
Im Cirkulationsprocess tritt neben der Arbeitszeit die Cirkula- tionszeit in Wirksamkeit, die hiermit die Masse des in einem be- stimmten Zeitraum realisirbaren Mehrwerths beschränkt. Es greifen noch andre, der Cirkulation entspringende Momente in den un- mittelbaren Produktionsprocess bestimmend ein. Beide, der un- mittelbare Produktionsprocess und der Cirkulationsprocess, laufen beständig in einander, durchdringen sich, und verfälschen dadurch beständig ihre charakteristischen Unterscheidungsmerkmale. Die Produktion des Mehrwerths wie des Werths überhaupt erhält im Cirkulationsprocess, wie früher gezeigt, neue Bestimmungen; das Kapital durchläuft den Kreis seiner Verwandlungen; endlich tritt es sozusagen aus seinem innern organischen Leben in auswärtige Lebens- verhältnisse, in Verhältnisse, wo nicht Kapital und Arbeit, sondern einerseits Kapital und Kapital, andrerseits die Individuen auch wieder einfach als Käufer und Verkäufer sich gegenüberstehn; Cirkulationszeit und Arbeitszeit durchkreuzen sich in ihrer Bahn und scheinen so beide gleichmässig den Mehrwerth zu bestimmen; die ursprüng- liche Form, worin sich Kapital und Lohnarbeit gegenüberstehn, wird verkleidet durch Einmischung scheinbar davon unabhängiger Beziehungen; der Mehrwerth selbst erscheint nicht als Produkt der Aneignung von Arbeitszeit, sondern als Ueberschuss des Ver- kaufspreises der Waaren über ihren Kostpreis, welcher letztre daher leicht als ihr eigentlicher Werth (valeur intrinsèque) sich darstellt, sodass der Profit als Ueberschuss des Verkaufspreises der Waaren über ihren immanenten Werth erscheint.
Allerdings tritt während des unmittelbaren Produktionsprocesses die Natur des Mehrwerths fortwährend in das Bewusstsein des Kapitalisten, wie seine Gier nach fremder Arbeitszeit etc. uns schon bei Betrachtung des Mehrwerths zeigte. Allein: 1) Es ist der unmittelbare Produktionsprocess selbst nur ein verschwinden- des Moment, das beständig in den Cirkulationsprocess, wie dieser in jenen übergeht, sodass die im Produktionsprocess klarer oder
dunkler aufgedämmerte Ahnung von der Quelle des in ihm gemachten Gewinns, d. h. von der Natur des Mehrwerths, höchstens als ein gleichberechtigtes Moment erscheint neben der Vorstellung, der realisirte Ueberschuss stamme aus der, vom Produktions- process unabhängigen, aus der Cirkulation selbst entspringenden, also dem Kapital unabhängig von seinem Verhältniss zur Arbeit angehörigen Bewegung. Werden diese Phänomene der Cirkulation doch selbst von modernen Oekonomen wie Ramsay, Malthus, Senior, Torrens u. s. w., direkt als Beweise angeführt, dass das Kapital in seiner bloss dinglichen Existenz, unabhängig von dem gesellschaftlichen Verhältniss zur Arbeit, worin es eben Kapital ist, ein selbständiger Quell des Mehrwerths, neben der Arbeit, und unabhängig von der Arbeit sei. — 2) Unter der Rubrik der Kosten, worunter der Arbeitslohn fällt, ebensogut wie der Preis von Rohstoff, Verschleiss der Maschinerie etc. erscheint Aus- pressung von unbezahlter Arbeit nur als Ersparung in der Zahlung eines der Artikel, der in die Kosten eingeht, nur als geringre Zah- lung für ein bestimmtes Quantum Arbeit; ganz wie ebenfalls ge- spart wird, wenn der Rohstoff wohlfeiler eingekauft, oder der Ver- schleiss der Maschinerie verringert wird. So verliert die Abpressung von Mehrarbeit ihren specifischen Charakter; ihr specifisches Ver- hältniss zum Mehrwerth wird verdunkelt; und dies wird sehr be- fördert und erleichtert, wie Buch I, Abschn. VI gezeigt, durch die Darstellung des Werths der Arbeitskraft in der Form des Arbeitslohns.
Indem alle Theile des Kapitals gleichmäßig als Quelle des überschüssigen Werths (Profits) erscheinen, wird das Kapitalver- hältniss mystificirt.
Die Art, wie mittelst des Uebergangs durch die Profitrate der Mehrwerth in die Form des Profits verwandelt wird, ist jedoch nur die Weiterentwicklung der schon während des Produktions- processes vorgehenden Verkehrung von Subjekt und Objekt. Schon hier sahen wir sämmtliche subjektiven Produktivkräfte der Arbeit sich als Produktivkräfte des Kapitals darstellen. Einerseits wird der Werth, die vergangne Arbeit, die die lebendige be- herrscht, im Kapitalisten personificirt; andrerseits erscheint um- gekehrt der Arbeiter als bloss gegenständliche Arbeitskraft, als Waare. Aus diesem verkehrten Verhältniss entspringt nothwendig schon im einfachen Produktionsverhältniss selbst die entsprechende verkehrte Vorstellung, ein transponirtes Bewusstsein, das durch die Verwandlungen und Modifikationen des eigentlichen Cirkula- tionsprocesses weiter entwickelt wird.
Es ist, wie man bei der Ricardo’schen Schule studiren kann, ein ganz verkehrter Versuch, die Gesetze der Profitrate unmittel- bar als Gesetze der Mehrwerthsrate oder umgekehrt darstellen zu wollen. In dem Kopf des Kapitalisten unterscheiden sie sich natürlich nicht. In dem Ausdruck ist der Mehrwerth gemessen am Werth des Gesammtkapitals, das zu seiner Produktion vor- geschossen und in dieser Produktion theilweise ganz konsumirt, theilweis nur angewandt worden ist. In der That drückt das Verhältniss den Verwerthungsgrad des ganzen vorgeschossnen Kapitals aus, d. h. dem begrifflichen, innern Zusammenhang und der Natur des Mehrwerths entsprechend gefasst, es zeigt an, wie sich die Grösse der Variation des variablen Kapitals zur Grösse des vorgeschossnen Gesammtkapitals verhält.
An und für sich steht die Werthgrösse des Gesammtkapitals in keinem innern Verhältniss zur Grösse des Mehrwerths, wenigstens nicht unmittelbar. Seinen stofflichen Elementen nach besteht das Gesammtkapital minus das variable Kapital, besteht also das kon- stante Kapital aus den stofflichen Bedingungen zur Verwirklichung der Arbeit, Arbeitsmitteln und Arbeitsmaterial. Damit ein be- stimmtes Quantum Arbeit sich in Waaren verwirklicht, und daher auch Werth bildet, ist ein bestimmtes Quantum Arbeitsmaterial und Arbeitsmittel erheischt. Es findet je nach dem besondern Charakter der zugesetzten Arbeit ein bestimmtes technisches Ver- hältniss statt zwischen der Masse der Arbeit und der Masse der Produktionsmittel, denen diese lebendige Arbeit zugesetzt werden soll. Es findet also insofern auch ein bestimmtes Verhältniss statt zwischen der Masse des Mehrwerths oder der Mehrarbeit und der Masse der Produktionsmittel. Wenn z. B. die nothwendige Arbeit zur Produktion des Arbeitslohns 6 Stunden täglich beträgt, muss der Arbeiter 12 Stunden arbeiten um 6 Stunden Mehrarbeit zu thun, um einen Mehrwerth von 100 % zu erzeugen. Er ver- braucht in den 12 Stunden doppelt so viel Produktionsmittel wie in den 6. Aber desswegen steht der Mehrwerth, den er in 6 Stun- den zusetzt, durchaus in keinem unmittelbaren Verhältniss zu dem Werth der in den 6 oder auch in den 12 Stunden vernutzten Produktionsmittel. Dieser Werth ist hier ganz gleichgültig; es kommt nur auf die technisch nöthige Masse an. Ob der Rohstoff oder das Arbeitsmittel wohlfeil oder theuer, ist ganz gleichgültig; wenn es nur den erheischten Gebrauchswerth besitzt und in der technisch vorgeschriebnen Proportion zu der zu absorbirenden leben-
digen Arbeit vorhanden ist. Weiss ich jedoch, dass in einer Stunde x ℔ Baumwolle versponnen werden und a Schillinge kosten, so weiss ich natürlich auch, dass in 12 Stunden x ℔ Baum- wolle = 12 a Schillinge versponnen werden, und ich kann dann das Verhältniss des Mehrwerths zum Werth der 12 so gut wie zum Werth der 6 berechnen. Aber das Verhältniss der lebendigen Arbeit zum Werth der Produktionsmittel kommt hier nur herein, soweit a Schillinge als Name für x ℔ Baumwolle dient; weil ein bestimmtes Quantum Baumwolle einen bestimmten Preis hat und daher auch umgekehrt ein bestimmter Preis als Index für ein be- stimmtes Quantum Baumwolle dienen kann, so lange der Baum- wollenpreis sich nicht ändert. Wenn ich weiss dass ich, um 6 Stunden Mehrarbeit anzueignen, 12 Stunden arbeiten lassen, also Baumwolle für 12 Stunden parat haben muss und den Preis dieses für 12 Stunden erheischten Quantums Baumwolle kenne, so existirt auf einem Umweg ein Verhältniss zwischen dem Preis der Baumwolle (als Index des nothwendigen Quantums) und dem Mehrwerth. Umgekehrt kann ich aber nie aus dem Preise des Rohmaterials schliessen auf die Masse des Rohmaterials, die z. B. in einer Stunde und nicht in 6 versponnen werden kann. Es findet also kein inneres, nothwendiges Verhältniss statt zwischen dem Werth des konstanten Kapitals, also auch nicht zwischen dem Werth des Gesammtkapitals (= c + v) und dem Mehrwerth.
Wenn die Rate des Mehrwerths bekannt und seine Grösse ge- geben ist, drückt die Profitrate nichts andres aus als das, was sie in der That ist, eine andre Messung des Mehrwerths, seine Messung am Werth des Gesammtkapitals, statt an dem Werth des Kapital- theils, aus dem er durch dessen Austausch mit Arbeit direkt ent- springt. Aber in der Wirklichkeit (d. h. in der Erscheinungswelt) verhält sich die Sache umgekehrt. Der Mehrwerth ist gegeben, aber gegeben als Ueberschuss des Verkaufspreises der Waare über ihren Kostpreis; wobei es mysteriös bleibt, woher dieser Ueber- schuss stammt, aus der Exploitation der Arbeit im Produktions- process, aus der Uebervortheilung der Käufer im Cirkulationsprocess, oder aus beiden. Was ferner gegeben, ist das Verhältniss dieses Ueberschusses zum Werth des Gesammtkapitals, oder die Profit- rate. Die Berechnung dieses Ueberschusses des Verkaufspreises über den Kostpreis auf den Werth des vorgeschossnen Gesammt- kapitals ist sehr wichtig und natürlich, da hierdurch in der That die Verhältnisszahl gefunden wird, worin sich das Gesammtkapital verwerthet hat, oder sein Verwerthungsgrad. Wird von dieser
Profitrate ausgegangen, so ist also durchaus auf kein specifisches Verhältniss zwischen dem Ueberschuss und dem in Arbeitslohn ausgelegten Theils des Kapitals zu schliessen. Man wird in einem spätern Kapitel sehn, welche drollige Bocksprünge Malthus macht, wenn er auf diesem Weg hinter das Geheimniss des Mehrwerths und des specifischen Verhältnisses desselben zum variablen Theil des Kapitals durchzudringen sucht. Was die Profitrate als solche zeigt, ist vielmehr gleichmäßiges Verhalten des Ueberschusses zu gleich grossen Theilen des Kapitals, das von diesem Gesichtspunkt aus überhaupt keine inneren Unterschiede zeigt, ausser dem zwischen fixen und cirkulirendem Kapital. Und diesen Unter- schied auch nur, weil der Ueberschuss doppelt berechnet wird. Nämlich erstens als einfache Grösse: Ueberschuss über den Kost- preis. In dieser seiner ersten Form geht das ganze cirkulirende Kapital in den Kostpreis ein, während vom fixen Kapital nur der Verschleiss in ihn eingeht. Ferner zweitens: Das Verhältniss dieses Werthüberschusses zum Gesammtwerth des vorgeschossnen Kapi- tals. Hier geht der Werth des ganzen fixen Kapitals so gut wie der des cirkulirenden in die Rechnung ein. Das cirkulirende Kapital geht also beide Mal in derselben Weise ein, während das fixe Kapital das eine Mal in einer verschiednen, das andre Mal in derselben Weise wie das cirkulirende Kapital eingeht. So drängt sich der Unterschied zwischen cirkulirenden und fixem Kapital hier als der einzige auf.
Der Ueberschuss also, wenn er, hegelisch gesprochen, sich aus der Profitrate in sich zurückreflektirt, oder anders, der Ueberschuss, näher durch die Profitrate charakterisirt, erscheint als ein Ueber- schuss, den das Kapital über seinen eignen Werth hinaus jährlich, oder in einer bestimmten Cirkulationsperiode, erzeugt.
Obgleich daher die Profitrate von der Rate des Mehrwerths numerisch verschieden ist, während Mehrwerth und Profit in der That dasselbe und auch numerisch gleich sind, so ist der Profit jedoch eine verwandelte Form des Mehrwerths, eine Form, worin sein Ursprung und das Geheimniss seines Daseins verschleiert und ausgelöscht ist. In der That ist der Profit die Erscheinungsform des Mehrwerths, welcher letztre erst durch Analyse aus der erstern herausgeschält werden muss. Im Mehrwerth ist das Verhältniss zwischen Kapital und Arbeit blossgelegt; im Verhältniss von Kapital und Profit, d. h. von Kapital und dem Mehrwerth, wie er einerseits als im Cirkulationsprocess realisirter Ueberschuss über den Kostpreis der Waare, andrerseits als ein durch sein Verhältniss
zum Gesammtkapital näher bestimmter Ueberschuss erscheint, er- scheint das Kapital als Verhältniss zu sich selbst, ein Ver- hältniss, worin es sich als ursprüngliche Werthsumme von einem, von ihm selbst gesetzten Neuwerth unterscheidet. Dass es diesen Neuwerth während seiner Bewegung durch den Produktionsprocess und den Cirkulationsprocess erzeugt, dies ist im Bewusstsein. Aber wie dies geschieht, das ist nun mystificirt und scheint von, ihm selbst zukommenden, verborgnen Qualitäten herzustammen.
Je weiter wir den Verwerthungsprocess des Kapitals verfolgen, umsomehr wird sich das Kapitalverhältniss mystificiren, und um so weniger das Geheimniss seines inneren Organismus blosslegen.
In diesem Abschnitt ist die Profitrate numerisch von der Rate des Mehrwerths verschieden; dagegen sind Profit und Mehrwerth behandelt als dieselbe numerische Grösse, nur in verschiedner Form. Im folgenden Abschnitt werden wir sehn, wie die Ver- äusserlichung weiter geht und der Profit auch numerisch als eine vom Mehrwerth verschiedne Grösse sich darstellt.
Wie am Schluss des vorigen Kapitels hervorgehoben, unter- stellen wir hier, wie überhaupt in diesem ganzen ersten Abschnitt, dass die Summe des Profits, die auf ein gegebnes Kapital fällt, gleich ist der gesammten Summe des, vermittelst dieses Kapitals, in einem gegebnen Cirkulationsabschnitt producirten Mehrwerths. Wir sehn also einstweilen davon ab, dass dieser Mehrwerth einer- seits sich spaltet in verschiedne Unterformen: Kapitalzins, Grund- rente, Steuern etc., und dass er andrerseits in der Mehrzahl der Fälle sich keineswegs deckt mit dem Profit, wie er angeeignet wird kraft der allgemeinen Durchschnittsprofitrate, von der im zweiten Abschnitt die Rede sein wird.
Soweit der Profit quantitativ dem Mehrwerth gleichgesetzt wird, ist seine Grösse, und die Grösse der Profitrate, bestimmt durch die Verhältnisse einfacher, in jedem einzelnen Fall gegebner oder be- stimmbarer Zahlengrössen. Die Untersuchung bewegt sich also zunächst auf rein mathematischem Gebiet.
Wir behalten die im ersten und zweiten Buch angewandten Be- zeichnungen bei. Das Gesammtkapital C theilt sich in das kon- stante Kapital c und das variable Kapital v, und producirt einen
Mehrwerth m. Das Verhältniss dieses Mehrwerths zum vorge- schossnen variablen Kapital, also , nennen wir die Rate des Mehrwerths und bezeichnen sie mit m'. Es ist also = m', und folglich m = m'v. Wird dieser Mehrwerth, statt auf das variable Kapital, auf das Gesammtkapital bezogen, so heisst er Profit (p) und das Verhältniss des Mehrwerths m zum Gesammt- kapital C, also , heisst die Profitrate p'. Wir haben demnach: [Formel 4] , setzen wir für m seinen oben gefundnen Werth m'v, so haben wir [Formel 5] , welche Gleichung sich auch ausdrücken lässt in der Proportion: [Formel 6] ; die Profitrate verhält sich zur Mehrwerthsrate, wie das variable Kapital zum Gesammtkapital.
Es folgt aus dieser Proportion, dass p', die Profitrate, stets kleiner ist als m', die Mehrwerthsrate, weil v, das variable Kapital, stets kleiner ist als C, die Summe von v + c, von variablem und konstantem Kapital; den einzigen, praktisch unmöglichen Fall aus- genommen, wo v = C, wo also gar kein konstantes Kapitale, kein Produktionsmittel, sondern nur Arbeitslohn vom Kapitalisten vor- geschossen würde.
Es kommen bei unsrer Untersuchung indess noch eine Reihe andrer Faktoren in Betracht, die auf die Grösse von c, v und m bestimmend einwirken, und daher kurz zu erwähnen sind.
Erstens der Werth des Geldes. Diesen können wir überall als konstant annehmen.
Zweitens der Umschlag. Diesen Faktor lassen wir einstweilen ganz ausser Betracht, da sein Einfluss auf die Profitrate in einem spätern Kapitel besonders behandelt wird. [Hier nehmen wir nur den einen Punkt vorweg, dass die Formel p' = m' streng richtig ist nur für eine Umschlagsperiode des variablen Kapitals, dass wir sie aber für den Jahresumschlag richtig machen, indem wir statt m', der einfachen Rate des Mehrwerths, m'n, die Jahres- rate des Mehrwerths setzen; worin n die Anzahl der Umschläge des variablen Kapitals innerhalb eines Jahres ist (s. Buch II, Kap. XVI, 1). — F. E.]
Drittens kommt in Betracht die Produktivität der Arbeit, deren Einfluss auf die Rate des Mehrwerths in Buch I, Abschnitt IV, ausführlich erörtert worden ist. Sie kann aber auch noch einen direkten Einfluss auf die Profitrate, wenigstens eines Einzelkapitals, ausüben, wenn, wie Buch I, Kap. X, S. 323/314 entwickelt, dies Einzel- kapital mit grösserer als der gesellschaftlich-durchschnittlichen Pro- duktivität arbeitet, seine Produkte zu einem niedrigern Werth darstellt, als dem gesellschaftlichen Durchschnittswerth derselben Waare, und so einen Extraprofit realisirt. Dieser Fall bleibt hier aber noch un- berücksichtigt, da wir auch in diesem Abschnitt noch von der Vor- aussetzung ausgehn, dass die Waaren unter gesellschaftlich-normalen Bedingungen producirt und zu ihren Werthen verkauft werden. Wir gehn also in jedem einzelnen Fall von der Annahme aus, dass die Produktivität der Arbeit konstant bleibt. In der That drückt die Werthzusammensetzung des in einem Industriezweig angelegten Kapitals, also ein bestimmtes Verhältniss des variablen zum kon- stanten Kapital, jedesmal einen bestimmten Grad der Produktivität der Arbeit aus. Sobald also dies Verhältniss anders, als durch blosse Werthänderung der stofflichen Bestandtheile des konstanten Kapitals, oder durch Aenderung des Arbeitslohns, eine Verände- rung erfährt, muss auch die Produktivität der Arbeit eine Aende- rung erlitten haben, und wir werden daher oft genug finden, dass die mit den Faktoren c, v und m vorgehenden Veränderungen ebenfalls Aenderungen in der Produktivität der Arbeit einschliessen.
Dasselbe gilt von den noch übrigen drei Faktoren: Länge des Arbeitstags, Intensität der Arbeit und Arbeitslohn. Ihr Einfluss auf Masse und Rate des Mehrwerths ist im ersten Buch ausführlich entwickelt. Es ist also begreiflich, dass wenn wir auch, zur Vereinfachung, stets von der Voraussetzung ausgehn, dass diese drei Faktoren konstant bleiben, dennoch die Veränderungen, die mit v und m vorgehn, ebenfalls Wechsel in der Grösse dieser ihrer Be- stimmungsmomente in sich schliessen können. Und da ist nur kurz daran zu erinnern, dass der Arbeitslohn auf Grösse des Mehrwerths und Höhe der Mehrwerthsrate umgekehrt wirkt wie die Länge des Arbeitstags und die Intensität der Arbeit; dass Steigerung des Arbeits- lohns den Mehrwerth verringert, während Verlängerung des Arbeits- tags und Erhöhung der Intensität der Arbeit ihn vermehren.
Gesetzt z. B. ein Kapital von 100 producire mit 20 Arbeitern bei zehnstündiger Arbeit und einem Gesammtwochenlohn von 20, einen Mehrwerth von 20, so haben wir: [Formel 1] .
Der Arbeitstag werde verlängert, ohne Lohnerhöhung, auf 15 Stunden; das Gesammtwerthprodukt der 20 Arbeiter erhöht sich dadurch von 40 auf 60 (10 : 15 = 40 : 60); da v, der ge- zahlte Arbeitslohn, derselbe bleibt, steigt der Mehrwerth von 20 auf 40, und wir haben: [Formel 1] .
Wenn andrerseits, bei zehnstündiger Arbeit, der Lohn von 20 auf 12 fällt, so haben wir ein Gesammtwerthprodukt von 40 wie anfangs, aber es vertheilt sich anders; v sinkt auf 12, und lässt daher den Rest von 28 für m. Wir haben also: [Formel 2] .
Wir sehn also, dass sowohl verlängerter Arbeitstag (oder des- gleichen gesteigerte Arbeitsintensität) wie Senkung des Lohns die Masse und damit die Rate des Mehrwerths steigern; umgekehrt würde erhöhter Lohn bei sonst gleichen Umständen die Rate des Mehrwerths herabdrücken. Wächst also v durch Lohnsteigerung, so drückt es nicht ein gesteigertes, sondern nur ein theurer be- zahltes Arbeitsquantum aus; m' und p' steigen nicht, sondern fallen.
Es zeigt sich hier schon, dass Aenderungen in Arbeitstag, Arbeits- intensität und Arbeitslohn nicht eintreten können ohne gleichzeitige Aenderung in v und m und ihrem Verhältniss, also auch in p', dem Verhältniss von m zu c + v, dem Gesammtkapital; und ebenso ist es klar, dass Aenderungen des Verhältnisses von m zu v eben- falls Wechsel in mindestens einer der erwähnten drei Arbeits- bedingungen einschliessen.
Hierin zeigt sich eben die besondre organische Beziehung des variablen Kapitals zur Bewegung des Gesammtkapitals und seiner Verwerthung, sowie sein Unterschied vom konstanten Kapital. Das konstante Kapital, soweit Werthbildung in Betracht kommt, ist nur wichtig wegen dem Werth den es hat; wobei es ganz gleichgültig für die Werthbildung ist, ob ein konstantes Kapital von 1500 £ 1500 Tonnen Eisen sage zu 1 £, oder 500 Tonnen Eisen zu 3 £ vorstellt. Das Quantum der wirklichen Stoffe, das sein Werth dar- stellt, ist vollständig gleichgültig für die Werthbildung und für die Rate des Profits, die in umgekehrter Richtung mit diesem Werth variirt, einerlei welches Verhältniss die Zu- oder Abnahme des Werths des konstanten Kapitals zur Masse der stofflichen Ge- brauchswerthe hat, die es darstellt.
Ganz anders verhält es sich mit dem variablen Kapital. Es ist
nicht der Werth, den es hat, die Arbeit, die in ihm vergegen- ständlicht ist, worauf es zunächst ankommt, sondern dieser Werth als blosser Index der Gesammtarbeit, die es in Bewegung setzt, und die nicht in ihm ausgedrückt ist; der Gesammtarbeit, deren Unterschied von der in ihm selbst ausgedrückten und daher be- zahlten Arbeit, deren Mehrwerth bildender Theil eben um so grösser ist, je kleiner die in ihm selbst enthaltne Arbeit. Ein Arbeitstag von 10 Stunden sei gleich zehn Schilling = zehn Mark. Ist die nothwendige, den Arbeitslohn, also das variable Kapital er- setzende Arbeit = 5 Stunden = 5 Schill., so die Mehrarbeit = 5 Stunden und der Mehrwerth = 5 Schill., ist jene = 4 Stunden = 4 Schill., so die Mehrarbeit = 6 Stunden und der Mehrwerth = 6 Schilling.
Sobald also die Werthgrösse des variablen Kapitals aufhört Index der von ihm in Bewegung gesetzten Arbeitsmasse zu sein, vielmehr das Maß dieses Index selbst sich ändert, wird die Rate des Mehr- werths in entgegengesetzter Richtung und in umgekehrtem Ver- hältniss mit geändert.
Wir gehn jetzt dazu über, die obige Gleichung der Profitrate p' = m' auf die verschiednen möglichen Fälle anzuwenden. Wir werden nach einander die einzelnen Faktoren von m' ihren Werth ändern lassen und die Wirkung dieser Aenderungen auf die Profit- rate feststellen. Wir erhalten so verschiedne Reihen von Fällen, die wir entweder als successive veränderte Wirkungsumstände eines und desselben Kapitals ansehn können, oder aber als ver- schiedne, gleichzeitig neben einander bestehende, und zur Ver- gleichung herangezogne Kapitale, etwa in verschiednen Industrie- zweigen oder verschiednen Ländern. Wenn daher die Auffassung mancher unsrer Beispiele als zeitlich aufeinander folgender Zu- stände eines und desselben Kapitals gezwungen oder praktisch unmöglich erscheint, so fällt dieser Einwand weg, sobald sie als Vergleichung unabhängiger Kapitale gefasst werden.
Wir trennen also das Produkt m' in seine beiden Faktoren m' und ; wir behandeln zuerst m' als konstant und untersuchen die Wirkung der möglichen Variationen von ; wir setzen dann den Bruch als konstant und lassen m' die möglichen Varia- tionen durchmachen; endlich setzen wir sämmtliche Faktoren als
variabel, und erschöpfen damit die sämmtlichen Fälle, aus denen sich Gesetze über die Profitrate ableiten lassen.
I. m' konstant, variabel.
Für diesen Fall, der mehrere Unterfälle umfasst, lässt sich eine allgemeine Formel aufstellen. Haben wir zwei Kapitale C und C1, mit den respektiven variablen Bestandtheilen v und v1, mit der beiden gemeinsamen Mehrwerthsrate m', und den Profitraten p' und p'1 — so ist: [Formel 2] .
Setzen wir nun C und C1, sowie v und v1 in Verhältniss zu einander, setzen wir z. B. den Werth des Bruchs = E, und den des Bruchs = e, so ist C1 = E C, und v1 = e v. Indem wir nun, in der obigen Gleichung für p'1, für C1 und v1 die so ge- wonnenen Werthe setzen, haben wir: [Formel 5] .
Wir können aber noch eine zweite Formel aus obigen beiden Gleichungen ableiten, indem wir sie in die Proportion verwandeln: [Formel 6] .
Da der Werth eines Bruchs derselbe bleibt, wenn Zähler und Nenner mit derselben Zahl multiplicirt oder dividirt werden, so können wir und auf Procentsätze reduciren, d. h. C und C1 beide = 100 setzen. Dann haben wir = und = , und können in obiger Proportion die Nenner weglassen, und erhalten: p' : p'1 = v : v1; oder:
Bei zwei beliebigen Kapitalen, die mit gleicher Mehrwerthsrate fungiren, verhalten sich die Profitraten wie die variablen Kapital- theile, procentig auf ihre respektiven Gesammtkapitale berechnet.
Diese beiden Formeln umfassen alle Fälle der Variation von .
Ehe wir diese Fälle einzeln untersuchen, noch eine Bemerkung. Da C die Summe von c und v, des konstanten und des variablen Kapitals ist, und da die Mehrwerthsrate wie die Profitrate gewöhn- lich in Procenten ausgedrückt werden, so ist es überhaupt bequem, die Summe c + v ebenfalls gleich Hundert zu setzen, d. h. c und v procentig auszudrücken. Es ist für die Bestimmung, zwar nicht
der Masse, aber wohl der Rate des Profits einerlei ob wir sagen: ein Kapital von 15000, wovon 12000 konstantes und 3000 variables Kapital, producirt einen Mehrwerth von 3000; oder ob wir dies Kapital auf Procente reduciren: [Formel 1] [Formel 2] .
In beiden Fällen ist die Rate des Mehrwerths m' = 100 %, die Profitrate = 20 %.
Ebenso, wenn wir zwei Kapitale mit einander vergleichen, z. B. mit dem vorstehenden ein andres Kapital [Formel 3] [Formel 4] wo beidemal m' = 100 %, p' = 10 % ist, und wo die Vergleichung mit dem vorstehenden Kapital in der procentigen Form weit über- sichtlicher ist.
Handelt es sich dagegen um Veränderungen, die an einem und demselben Kapital vorgehn, so ist die procentige Form nur selten zu gebrauchen, weil sie diese Veränderungen fast immer verwischt. Geht ein Kapital von der procentigen Form: [Formel 5] über in die procentige Form: [Formel 6] , so ist nicht ersichtlich, ob die veränderte procentige Zusammen- setzung 90c + 10v entstanden ist durch absolute Abnahme von v oder absolute Zunahme von c, oder durch beides. Dazu müssen wir die absoluten Zahlengrössen haben. Für die Untersuchung der nachfolgenden einzelnen Fälle von Variation aber kommt alles darauf an, wie diese Veränderung zu Stande gekommen ist, ob die 80c + 20v zu 90c + 10v geworden sind dadurch, dass meinet- wegen die 12000c + 3000v durch Vermehrung des konstanten Kapitals bei gleichbleibendem variablen sich verwandelt haben in 27000c + 3000v (procentig 90c + 10v); oder ob sie diese Form angenommen haben, bei gleichbleibendem, konstantem Kapital durch Verringerung des variablen, also durch Uebergang in 12000c + 1333⅓v (procentig ebenfalls 90c + 10v); oder endlich durch Aenderung beider Summanden, etwa 13500c + 1500v (pro- centig wieder 90c + 10v). Diese Fälle werden wir aber gerade alle nacheinander zu untersuchen, und damit auf die Annehmlich- keiten der procentigen Form zu verzichten, oder sie nur in zweiter Linie anzuwenden haben.
1) m' und C konstant, v variabel.
Wenn v seine Grösse ändert, kann C nur unverändert bleiben dadurch, dass der andre Bestandtheil von C, nämlich das konstante Kapital c seine Grösse um dieselbe Summe, aber in entgegen- gesetzter Richtung, ändert wie v. Ist C ursprünglich = 80c + 20v = 100, und verringert sich dann v auf 10, so kann C nur = 100 bleiben, wenn c auf 90 steigt; 90c + 10v = 100. Allge- mein gesprochen: verwandelt sich v in v ± d, in v vermehrt oder vermindert um d, so muss c sich verwandeln in c ∓ d, muss um dieselbe Summe, aber in entgegengesetzter Richtung variiren, da- mit den Bedingungen des vorliegenden Falls genügt werde.
Ebenfalls muss, bei gleichbleibender Mehrwerthsrate m', aber wechselndem variablem Kapital v, die Masse des Mehrwerths m sich ändern, da m = m'v, und in m'v der eine Faktor, v, einen andern Werth erhält.
Die Voraussetzungen unsres Falls ergeben neben der ursprüng- lichen Gleichung [Formel 1] durch Variation von v die zweite: [Formel 2] , worin v in v1 übergegangen, und p'1, die daraus folgende ver- änderte Profitrate zu finden ist.
Sie wird gefunden durch die entsprechende Proportion: [Formel 3] . Oder: bei gleichbleibender Mehrwerthsrate und gleichbleibendem Gesammtkapital, verhält sich die ursprüngliche Profitrate zu der durch Aenderung des variablen Kapitals entstandnen, wie das ur- sprüngliche variable Kapital zum veränderten.
War das Kapital ursprünglich wie oben:
Das variable Kapital kann nun entweder steigen oder fallen. Nehmen wir zuerst ein Beispiel worin es steigt. Ein Kapital sei ursprünglich konstituirt und fungire wie folgt: I. 100c + 20v + 10m; C = 120, m' = 50 %, p' = 8⅓ %.
Das variable Kapital steige nun auf 30; dann muss nach der Voraussetzung, das konstante Kapital von 100 auf 90 fallen, da- mit das Gesammtkapital unverändert = 120 bleibe. Der produ- cirte Mehrwerth muss, bei gleicher Mehrwerthsrate von 50 %, auf 15 steigen. Wir haben also: II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.
Gehn wir zunächst von der Annahme aus, dass der Arbeitslohn unverändert sei. Dann müssen die andern Faktoren der Mehr- werthsrate, Arbeitstag und Arbeits-Intensität ebenfalls gleich ge- blieben sein. Die Steigerung von v (von 20 auf 30) kann also nur den Sinn haben, dass die Hälfte mehr Arbeiter angewandt werden. Dann steigt auch das Gesammt-Werthprodukt um die Hälfte, von 30 auf 45, und vertheilt sich, ganz wie vorher, zu ⅔ auf Arbeitslohn und ⅓ auf Mehrwerth. Gleichzeitig aber ist bei vermehrter Arbeiteranzahl das konstante Kapital, der Werth der Produktionsmittel, von 100 auf 90 gefallen. Wir haben also vor uns einen Fall von abnehmender Produktivität der Arbeit, verbunden mit gleichzeitiger Abnahme des konstanten Kapitals; ist dieser Fall ökonomisch möglich?
In der Agrikultur und extraktiven Industrie, wo Abnahme der Produktivität der Arbeit und daher Zunahme der beschäftigten Arbeiterzahl leicht zu begreifen, ist dieser Process — innerhalb der Schranken der kapitalistischen Produktion und auf deren Basis — verbunden nicht mit Abnahme, sondern mit Zunahme des kon- stanten Kapitals. Selbst wenn die obige Abnahme von c durch blossen Preisfall bedingt wäre, würde ein einzelnes Kapital den Uebergang von I zu II nur unter ganz ausnahmsweisen Umständen vollziehn können. Bei zwei unabhängigen Kapitalen aber, die in verschiednen Ländern, oder in verschiednen Zweigen der Agrikultur oder extraktiven Industrie angelegt, wäre es nichts auffallendes, wenn in dem einen Fall mehr Arbeiter (daher grösseres variables Kapital) angewandt würden und mit minder werthvollen oder spärlicheren Produktionsmitteln arbeiteten als im andern Fall.
Lassen wir aber die Voraussetzung fallen, dass der Arbeitslohn sich gleich bleibt, und erklären wir die Steigerung des variablen Kapitals von 20 auf 30 durch Erhöhung des Arbeitslohns um die Hälfte, so tritt ein ganz andrer Fall ein. Dieselbe Arbeiteranzahl — sagen wir 20 Arbeiter — arbeitet mit denselben oder nur un- bedeutend verringerten Produktionsmitteln weiter. Bleibt der Arbeitstag unverändert — z. B. auf 10 Stunden — so ist das Gesammt-Werthprodukt ebenfalls unverändert; es ist nach wie
vor = 30. Diese 30 werden aber sämmtlich gebraucht, um das vorgeschossne variable Kapital von 30 zu ersetzen; der Mehrwerth wäre verschwunden. Es war aber vorausgesetzt, dass die Mehr- werthsrate konstant, also wie in I auf 50 % stehn bliebe. Dies ist nur möglich, wenn der Arbeitstag um die Hälfte verlängert, auf 15 Stunden erhöht wird. Die 20 Arbeiter producirten dann in 15 Stunden einen Gesammtwerth von 45, und die sämmtlichen Bedingungen wären erfüllt: II. 90c + 30v + 15m; C = 120, m' = 50 %, p' = 12½ %.
In diesem Fall brauchen die 20 Arbeiter nicht mehr Arbeits- mittel, Werkzeug, Maschinen etc. als im Fall I; nur das Roh- material oder die Hülfsstoffe müssten sich um die Hälfte ver- mehren. Bei einem Preisfall dieser Stoffe wäre also der Ueber- gang von I zu II unter unsere Voraussetzungen schon weit eher auch für ein einzelnes Kapital ökonomisch zulässig. Und der Kapitalist würde für seinen, bei Entwerthung seines konstanten Kapitals etwa erlittenen Verlust wenigstens einigermaßen ent- schädigt durch grössern Profit.
Nehmen wir nun an, das variable Kapital falle statt zu steigen. Dann brauchen wir nur unser obiges Beispiel umzukehren, Nr. II als das ursprüngliche Kapital zu setzen, und von II zu I überzugehn. II. 90c + 30v + 15m verwandelt sich dann in I. 100c + 20v + 10m, und es ist augenscheinlich, dass durch diese Umstellung an den, die beiderseitigen Profitraten, und ihr gegen- seitiges Verhältniss regelnden Bedingungen nicht das Geringste geändert wird.
Fällt v von 30 auf 20 weil ⅓ weniger Arbeiter beschäftigt werden bei wachsendem konstantem Kapital, so haben wir hier den Normalfall der modernen Industrie vor uns: steigende Pro- duktivität der Arbeit, Bewältigung grösserer Massen von Produk- tionsmitteln durch weniger Arbeiter. Dass diese Bewegung mit dem gleichzeitig eintretenden Fall in der Profitrate nothwendig verbunden ist, wird sich im dritten Abschnitt dieses Buchs heraus- stellen.
Sinkt aber v von 30 auf 20, weil dieselbe Arbeiteranzahl, aber zu nied- rigerem Lohn beschäftigt wird, so bliebe, bei unverändertem Arbeits- tag, das Gesammt-Werthprodukt nach wie vor = 30v + 15m = 45; da v auf 20 gefallen, würde der Mehrwerth auf 25 steigen, die Mehrwerthsrate von 50 % auf 125 %, was gegen die Voraussetzung wäre. Um innerhalb der Bedingungen unsres Falls zu bleiben, muss der Mehrwerth, zur Rate von 50 %, vielmehr auf 10 fallen,
also das Gesammt-Werthprodukt von 45 auf 30, und dies ist nur möglich durch Verkürzung des Arbeitstags um ⅓. Dann haben wir wie oben: 100c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 8⅓ %.
Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dass diese Herabsetzung der Arbeitszeit bei fallendem Lohn in der Praxis nicht vorkommen würde. Dies ist indess gleichgültig. Die Profitrate ist eine Funktion von mehreren Variablen, und wenn wir wissen wollen, wie diese Variablen auf die Profitrate wirken, müssen wir die Einzelwirkung einer jeden nach der Reihe untersuchen, einerlei ob solche isolirte Wirkung bei einem und demselben Kapital ökonomisch zulässig ist oder nicht.
2) m' konstant, v variabel, C verändert durch die Variation von v.
Dieser Fall ist vom vorigen nur dem Grade nach unterschieden. Statt dass c um ebensoviel ab- oder zunimmt, wie v zu- oder ab- nimmt, bleibt c hier konstant. Unter den heutigen Bedingungen der grossen Industrie und Agrikultur ist das variable Kapital aber nur ein relativ geringer Theil des Gesammtkapitals, und daher die Abnahme oder das Wachsthum des letztern, soweit sie durch Aenderung des erstern bestimmt werden, ebenfalls relativ gering. Gehn wir wieder aus von einem Kapital: I. 100c + 20v + 10m; C = 120, m' = 50 %, p' = 8⅓ %, so würde dies sich etwa verwandeln in: II. 100c + 30v + 15m; C = 130, m' = 50 %, p' = 11 %. Der entgegengesetzte Fall der Abnahme des variablen Kapitals würde wieder versinnlicht durch den umgekehrten Uebergang von II zu I.
Die ökonomischen Bedingungen wären im Wesentlichen dieselben wie im vorigen Fall, und bedürfen daher keiner wiederholten Er- örterung. Der Uebergang von I zu II schliesst ein: Verringerung der Produktivität der Arbeit um die Hälfte; die Bewältigung von 100c erfordert um die Hälfte mehr Arbeit in II als in I. Dieser Fall kann in der Agrikultur vorkommen.(FN9)
Während aber im vorigen Fall das Gesammtkapital konstant blieb dadurch, dass konstantes Kapital in variables verwandelt wurde oder umgekehrt, findet hier bei Vermehrung des variablen
Theils Bindung von zuschüssigem Kapital, bei Verminderung des- selben Freisetzung von vorher angewandtem Kapital statt.
3) m' und v konstant, c und damit auch C variabel.
In diesem Fall verändert sich die Gleichung: [Formel 1] , und führt unter Streichung der auf beiden Seiten vorkommenden Faktoren zur Proportion: [Formel 2] ; bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichen variablen Kapitaltheilen, verhalten sich die Profitraten umgekehrt wie die Gesammtkapitale.
Haben wir z. B. drei Kapitale, oder drei verschiedne Zustände desselben Kapitals:
so verhalten sich: 20 % : 16⅔ % = 120 : 100 und 20 % : 25 % = 80 : 100.
Die früher gegebne allgemeine Formel für Variationen von bei konstantem m' war: p'1 = m' ; sie wird jetzt: p'1 = m' , da v keine Veränderung erleidet, also der Faktor e = hier = 1 wird.
Da m'v = m, der Masse des Mehrwerths, und da m' und v beide konstant bleiben, so wird auch m nicht von der Variation von C berührt; die Mehrwerthsmasse bleibt nach wie vor der Verände- rung dieselbe.
Sänke c auf Null, so wäre p' = m', die Profitrate gleich der Mehrwerthsrate.
Die Veränderung von c kann entstehn entweder aus blossem Werthwechsel der stofflichen Elemente des konstanten Kapitals, oder aus veränderter technischer Zusammensetzung des Gesammt- kapitals, also aus einer Veränderung in der Produktivität der Arbeit im betreffenden Produktivzweig. In letzterm Fall würde die mit der Entwicklung der grossen Industrie und Agrikultur steigende Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit bedingen, dass der Uebergang stattfindet in der Reihenfolge (im obigen Bei- spiel) von III zu I und von I zu II. Ein Arbeitsquantum, das mit 20 bezahlt wird und das einen Werth von 40 producirt, würde
zuerst eine Masse Arbeitsmittel bewältigen vom Werth von 60; bei steigender Produktivität und gleichbleibendem Werth würden die bewältigten Arbeitsmittel wachsen zuerst auf 80, dann auf 100. Die umgekehrte Reihenfolge würde Abnahme der Produk- tivität bedingen; dasselbe Arbeitsquantum würde weniger Produk- tionsmittel in Bewegung setzen können, der Betrieb würde einge- schränkt, wie dies in Agrikultur, Bergwerken etc. vorkommen kann.
Ersparniss an konstantem Kapital erhöht einerseits die Profit- rate und setzt andrerseits Kapital frei, ist also von Wichtigkeit für den Kapitalisten. Diesen Punkt, sowie die Einwirkung von Preiswechsel der Elemente des konstanten Kapitals, namentlich der Rohstoffe, werden wir späterhin noch näher untersuchen.
Es zeigt sich auch hier wieder, dass Variation des konstanten Kapitals gleichmässig auf die Profitrate wirkt, einerlei ob diese Variation hervorgerufen ist durch Zu- oder Abnahme der stoff- lichen Bestandtheile von c oder durch blosse Werthveränderung derselben.
4) m' konstant, v, c und C sämmtlich variabel.
In diesem Fall bleibt die obige allgemeine Formel für die ver- änderte Profitrate: [Formel 1] massgebend. Es ergibt sich daraus, dass bei gleichbleibender Mehr- werthsrate:
a) die Profitrate fällt, wenn E grösser als e, d. h. wenn das kon- stante Kapital sich derart vermehrt, dass das Gesammtkapital in stärkerem Verhältniss wächst als das variable Kapital. Geht ein Kapital von 80c + 20v + 20m über in die Zusammensetzung 170c + 30v + 30m, so bleibt m' = 100 %, aber fällt von auf , trotzdem dass sowohl v wie C sich vermehrt haben, und die Profitrate fällt entsprechend von 20 % auf 15 %.
b) Die Profitrate bleibt unverändert nur wenn e = E, d. h. wenn der Bruch bei scheinbarer Veränderung denselben Werth be- hält, d. h. wenn Zähler und Nenner mit derselben Zahl multipli- cirt oder dividirt werden. 80c + 20v + 20m und 160c + 40v + 40m haben augenscheinlich dieselbe Profitrate von 20 %, weil m' = 100 % bleibt und = = in beiden Beispielen denselben Werth darstellt.
c.) Die Profitrate steigt, wenn e grösser als E, d. h. wenn das variable Kapital in stärkerem Verhältniss wächst als das Gesammt- kapital. Wird 80c + 20v + 20m zu 120c + 40v + 40m, so steigt die Profitrate von 20 % auf 25 %, weil bei unverändertem m' = gestiegen ist auf , von ⅕ auf ¼.
Bei Wechsel von v und C in gleicher Richtung können wir diese Grössenveränderung so auffassen, dass beide bis zu einem gewissen Grad in demselben Verhältniss variiren, sodass bis dahin unverändert bleibt. Ueber diesen Grad hinaus, würde dann nur eins von beiden variiren, und wir haben damit diesen komplicir- teren Fall auf einen der vorhergehenden einfachern reducirt.
Geht z. B. 80c + 20v + 20m über in: 100c + 30v + 30m, so bleibt das Verhältniss von v zu c und also auch zu C unverändert bei dieser Variation bis zu: 100c + 25v + 25m. Bis dahin also bleibt auch die Profitrate unberührt. Wir können also jetzt 100c + 25v + 25m zum Ausgangspunkt nehmen; wir finden, dass v um 5, auf 30v, und dadurch C von 125 auf 130 gestiegen ist, und haben damit den zweiten Fall, den der einfachen Variation von v und der dadurch verursachten Variation von C vor uns. Die Profitrate, die ursprünglich 20 % war, steigt durch diesen Zusatz von 5v bei gleicher Mehrwerthsrate auf 23 %.
Dieselbe Reduktion auf einen einfachern Fall kann stattfinden, auch wenn v und C in entgegengesetzter Richtung ihre Grösse ändern. Gehn wir z. B. wieder aus von 80c + 20v + 20m, und lassen dies übergehn in die Form: 110c + 10v + 10m, so wäre bei einer Aenderung auf 40c + 10v + 10m die Profitrate dieselbe wie anfangs, nämlich 20 %. Durch Zusatz von 70c zu dieser Zwischenform wird sie gesenkt auf 8⅓ %. Wir haben den Fall also wieder reducirt auf einen Fall der Variation einer einzigen Variablen, nämlich von c.
Gleichzeitige Variation von v, c und C bietet also keine neuen Gesichtspunkte und führt in letzter Instanz stets zurück auf einen Fall, wo nur ein Faktor variabel ist.
Selbst der einzige noch übrige Fall ist thatsächlich bereits er- schöpft, nämlich der Fall, wo v und C numerisch gleich gross bleiben, aber ihre stofflichen Elemente einen Werthwechsel er- leiden, wo also v ein verändertes Quantum in Bewegung gesetzter Arbeit, c ein verändertes Quantum in Bewegung gesetzter Pro- duktionsmittel anzeigt.
In 80c + 20v + 20m stelle 20v ursprünglich den Lohn von 20 Arbeitern, zu 10 Arbeitsstunden täglich, dar. Der Lohn eines jeden steige von 1 auf 1¼. Dann bezahlen 20v statt 20, nur noch 16 Arbeiter. Wenn aber die 20 in 200 Arbeitsstunden einen Werth von 40 producirten, werden die 16, in 10 Stunden täglich, also 160 Arbeitsstunden in allem, nur einen Werth von 32 produciren. Nach Abzug von 20v für Lohn bleibt dann von 32 nur noch 12 für Mehrwerth; die Rate des Mehrwerths wäre ge- fallen von 100 % auf 60 %. Da aber nach der Voraussetzung die Rate des Mehrwerths konstant bleiben muss, so müsste der Arbeitstag um ¼, von 10 Stunden auf 12½, verlängert werden; wenn 20 Arbeiter in 10 Stunden täglich = 200 Arbeitsstunden einen Werth von 80 produciren, so produciren 16 Arbeiter in 12½ Stunden täglich = 200 Stunden denselben Werth, das Kapital von 80c + 20v producirte nach wie vor einen Mehrwerth von 20.
Umgekehrt: fällt der Lohn derart, dass 20v den Lohn von 30 Arbeitern bestreitet, so kann m' nur konstant bleiben, wenn der Arbeitstag von 10 auf 6⅔ Stunden herabgesetzt wird. 20 × 10 = 30 × 6⅔ = 200 Arbeitsstunden.
In wiefern bei diesen entgegengesetzten Annahmen c, dem Werth- ausdruck in Geld nach, gleich bleiben, aber dennoch die den ver- änderten Verhältnissen entsprechende veränderte Menge Produk- tionsmittel darstellen kann, ist im Wesentlichen schon oben erörtert. In seiner Reinheit dürfte dieser Fall nur sehr ausnahmsweise zu- lässig sein.
Was den Werthwechsel der Elemente von c betrifft, der ihre Masse vergrössert oder vermindert, aber die Werthsumme c un- verändert lässt, so berührt er weder die Profitrate noch die Mehr- werthsrate, solange er keine Veränderung der Grösse von v nach sich zieht.
Wir haben hiermit alle möglichen Fälle der Variation von v, c und C in unsrer Gleichung erschöpft. Wir haben gesehn, dass die Profitrate, bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths, fallen, gleichbleiben oder steigen kann, indem die geringste Aenderung im Verhältniss von v zu c, resp. C, hinreicht, um die Profitrate ebenfalls zu ändern.
Es hat sich ferner gezeigt, dass bei der Variation von v überall eine Grenze eintritt, wo die Konstanz von m' ökonomisch unmög- lich wird. Da jede einseitige Variation von c ebenfalls an einer Grenze ankommen muss, wo v nicht länger konstant bleiben kann, so zeigt sich, dass für alle möglichen Variationen von
Grenzen gesetzt sind, jenseits deren m' ebenfalls variabel werden muss. Bei den Variationen von m', zu deren Untersuchung wir jetzt übergehn, wird diese Wechselwirkung der verschiednen Variabeln unsrer Gleichung noch deutlicher hervortreten.
II. m' variabel.
Eine allgemeine Formel für die Profitraten bei verschiednen Mehrwerthsraten, einerlei ob konstant bleibt oder ebenfalls variirt, ergibt sich, wenn wir die Gleichung: [Formel 3] übergehn lassen in die andre: [Formel 4] , wo p'1, m'1, v1 und C1 die veränderten Werthe von p', m', v und C bedeuten. Wir haben dann: [Formel 5] , und daraus: [Formel 6] .
1) m' variabel, konstant.
In diesem Fall haben wir die Gleichungen: [Formel 8] ; [Formel 9] , in beiden gleichwerthig. Es verhält sich daher: [Formel 11] .
Die Profitraten zweier Kapitale von gleicher Zusammensetzung verhalten sich wie die bezüglichen beiden Mehrwerthsraten. Da es im Bruch nicht auf die absoluten Grössen von v und C an- kommt, sondern nur auf das Verhältniss beider, gilt dies für alle Kapitale gleicher Zusammensetzung, was immer ihre absolute Grösse sei.
80c + 20v + 20m; C = 100, m' = 100 %, p' = 20 % 160c + 40v + 20m; C = 200, m' = 50 %, p' = 10 % 100 % : 50 % = 20 % : 10 %.
Sind die absoluten Grössen von v und C in beiden Fällen die- selben, so verhalten sich die Profitraten ausserdem wie die Mehr- werthsmassen: [Formel 13] .
Zum Beispiel: 80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 % 80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 % 20 % : 10 % = 100 × 20 : 50 × 20 = 20m : 10m.
Es ist nun klar, dass bei Kapitalen von gleicher absoluter oder procentiger Zusammensetzung die Mehrwerthsrate nur verschieden sein kann, wenn entweder der Arbeitslohn, oder die Länge des Arbeitstags, oder die Intensität der Arbeit verschieden ist. In den drei Fällen:
wird ein Gesammt-Werthprodukt erzeugt in I von 30 (20v + 10m), in II. von 40, im III. von 60. Dies kann auf dreierlei Weise geschehn.
Erstens, wenn die Arbeitslöhne verschieden sind, also 20v in jedem einzelnen Fall eine verschiedne Arbeiteranzahl ausdrückt. Gesetzt in I werden 15 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt zum Lohn von 1⅓ £, und produciren einen Werth von 30 £, davon 20 £ den Lohn ersetzen und 10 £ für Mehrwerth bleiben. Fällt der Lohn auf 1 £, so können 20 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt werden, und produciren dann einen Werth von 40 £, wovon 20 £ für Lohn und 20 £ Mehrwerth. Fällt der Lohn noch weiter auf ⅔ £, so werden 30 Arbeiter 10 Stunden beschäftigt und produ- ciren einen Werth von 60 £, wovon nach Abzug von 20 £ für Lohn noch 40 £ für Mehrwerth bleiben.
Dieser Fall: konstante procentige Zusammensetzung des Kapitals, konstanter Arbeitstag. konstante Arbeitsintensität, Wechsel der Mehrwerthsrate verursacht durch Wechsel des Arbeitslohns, ist der einzige, wo Ricardo’s Annahme zutrifft: profits would be high or low, exactly in proportion as wages would be low or high. (Principles, ch. I, sect. III, p. 18 der Works of D. Ricardo, ed. MacCulloch, 1852.)
Oder zweitens, wenn die Intensität der Arbeit verschieden ist. Dann machen z. B. 20 Arbeiter mit denselben Arbeitsmitteln in 10 täglichen Arbeitsstunden, in I. 30, in II. 40, in III. 60 Stück einer bestimmten Waare, wovon jedes Stück, ausser dem Werth der darin verbrauchten Produktionsmittel, einen Neuwerth von 1 £ darstellt. Da jedesmal 20 Stück = 20 £ den Arbeitslohn ersetzen, bleiben für Mehrwerth in I. 10 Stück = 10 £, in II. 20 Stück = 20 £, in III. 40 Stück = 40 £.
Oder drittens der Arbeitstag ist von verschiedner Länge. Ar- beiten bei gleicher Intensität 20 Arbeiter in I neun, in II zwölf, in III achtzehn Stunden täglich, so verhält sich ihr Gesammtprodukt 30 : 40 : 60 wie 9 : 12 : 18 und da der Lohn jedesmal = 20, so bleiben wieder 10, resp. 20 und 40 für Mehrwerth.
Steigerung oder Senkung des Arbeitslohns wirkt also in um- gekehrter Richtung, Steigerung oder Senkung der Arbeitsintensität und Verlängerung oder Kürzung des Arbeitstags wirkt in derselben Richtung auf die Höhe der Mehrwerthsrate und damit, bei kon- stantem , auf die Profitrate.
2) m' und v variabel, C konstant.
In diesem Fall gilt die Proportion: p' : p'1 = m' : m'1 = m' v : m'1 v1 = m : m1.
Die Profitraten verhalten sich wie die respektiven Mehrwerths- massen.
Variirung der Mehrwerthsrate bei gleichbleibendem variablem Kapital bedeutete Veränderung in Grösse und Vertheilung des Werthprodukts. Gleichzeitige Variation von v und m' schliesst ebenfalls stets eine andre Vertheilung, aber nicht immer einen Grössenwechsel des Werthprodukts ein. Es sind drei Fälle möglich:
a) Die Variation von v und m' erfolgt in entgegengesetzter Richtung, aber um dieselbe Grösse; z. B.: 80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 % 90c + 10v + 20m; m' = 200 %, p' = 20 %.
Das Werthprodukt ist in beiden Fällen gleich, also auch das geleistete Arbeitsquantum; 20v + 10m = 10v + 20m = 30. Der Unterschied ist nur, dass im ersten Fall 20 für Lohn gezahlt werden und 10 für Mehrwerth bleiben, während im zweiten Fall der Lohn nur 10 beträgt und der Mehrwerth daher 20. Dies ist der einzige Fall, wo bei gleichzeitiger Variation von v und m' Arbeiterzahl, Arbeitsintensität und Länge des Arbeitstags un- berührt bleiben.
b) Die Variation von m' und v erfolgt ebenfalls in entgegen- gesetzter Richtung, aber nicht um dieselbe Grösse bei beiden. Dann überwiegt die Variation entweder von v oder von m'.
In I wird ein Werthprodukt von 40 mit 20v, in II eins von 48 mit 28v, in III eins von 36 mit 16v bezahlt. Sowohl das Werthprodukt wie der Lohn hat sich verändert; Aenderung des Werthprodukts aber heisst Aenderung des geleisteten Arbeits- quantums, also entweder der Arbeiterzahl, der Arbeitsdauer, oder der Arbeitsintensität, oder mehrerer von diesen dreien.
c) Die Variation von m' und v erfolgt in derselben Richtung; dann verstärkt die eine die Wirkung der andern.
Auch hier sind die drei Werthprodukte verschieden, nämlich 20, 50 und 14; und diese Verschiedenheit in der Grösse des jedes- maligen Arbeitsquantums reducirt sich wieder auf Verschiedenheit der Arbeiterzahl, der Arbeitsdauer, der Arbeitsintensität, oder mehrerer resp. aller dieser Faktoren.
3) m', v und C variabel.
Dieser Fall bietet keine neuen Gesichtspunkte und erledigt sich durch die unter II, m' variabel, gegebne allgemeine Formel.
Die Wirkung eines Grössenwechsels der Mehrwerthsrate auf die Profitrate ergibt also folgende Fälle:
1) p' vermehrt oder vermindert sich in demselben Verhältniss wie m', wenn konstant bleibt.
80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 % 80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 % 100 % : 50 % = 20 % : 10 %.
2) p' steigt oder fällt in stärkerem Verhältniss als m', wenn sich in derselben Richtung bewegt wie m', d. h. zunimmt oder abnimmt, wenn m' zu- oder abnimmt.
80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 % 70c + 30v + 20m; m' = 66⅔ %, p' = 20 % 50 % : 66⅔ % < 10 % : 20 %.
3) p' steigt oder fällt in kleinerm Verhältniss als m', wenn sich in entgegengesetzter Richtung ändert wie m', aber in kleinerm Verhältniss.
80c + 20v + 10m; m' = 50 %, p' = 10 % 90c + 10v + 15m; m' = 150 %, p' = 15 % 50 % : 150 % > 10 % : 15 %.
4) p' steigt obgleich m' fällt, oder fällt, obgleich m' steigt, wenn sich in entgegengesetzter Richtung ändert wie m' und in grösserem Verhältniss, als dieses.
80c + 20v + 20m; m' = 100 %, p' = 20 % 90c + 10v + 15m; m' = 150 %, p' = 15 %
m' gestiegen von 100 % auf 150 %, p' gefallen von 20 % auf 15 %.
5) Endlich p' bleibt konstant, obgleich m' steigt oder fällt, wenn in entgegengesetzter Richtung, aber genau in demselben Ver- hältniss wie m' seine Grösse ändert.
Es ist nur dieser letzte Fall, der noch einiger Erörterung be- darf. Wie wir oben bei den Variationen von sahen, dass eine und dieselbe Mehrwerthsrate sich in den verschiedensten Profitraten ausdrücken kann, so sehn wir hier, dass einer und derselben Profit- rate sehr verschiedne Mehrwerthsraten zu Grunde liegen können. Während aber bei konstantem m' jede beliebige Aenderung im Verhältniss von v zu C genügte, um eine Verschiedenheit der Profitrate hervorzurufen, muss bei Grössenwechsel von m' ein ge- nau entsprechender, umgekehrter Grössenwechsel von eintreten, damit die Profitrate dieselbe bleibe. Dies ist bei einem und dem- selben Kapital, oder bei zwei Kapitalen in demselben Land nur sehr ausnahmsweise möglich. Nehmen wir z. B. ein Kapital 80c + 20v + 20m; C = 100, m' = 100 %, p' = 20 % und nehmen wir an, der Arbeitslohn falle derart, dass dieselbe Arbeiterzahl nunmehr mit 16v zu haben wäre statt mit 20v. Dann haben wir, bei sonst unveränderten Verhältnissen, unter Freisetzung von 4v, 80c + 16v + 24m; C = 96, m' = 150 %, p' = 25 %.
Damit nun p' = 20 % wäre, wie vorher, müsste das Gesammt- kapital auf 120, also das konstante auf 104 wachsen: 104c + 16v + 24m; C = 120, m' = 150 %, p' = 20 %.
Dies wäre nur möglich, wenn gleichzeitig mit der Lohnsenkung eine Aenderung in der Produktivität der Arbeit einträte, die diese veränderte Zusammensetzung des Kapitals erheischte; oder aber, wenn der Geldwerth des konstanten Kapitals von 80 auf 104 stiege; kurz, ein zufälliges Zusammentreffen von Bedingungen wie es nur in Ausnahmsfällen vorkommt. In der That ist eine Aenderung von m', die nicht gleichzeitig eine Aenderung von v, und damit
auch von bedingt, nur unter ganz bestimmten Umständen denk- bar, bei solchen Industriezweigen nämlich, worin nur fixes Kapital und Arbeit angewandt wird und der Arbeitsgegenstand von der Natur geliefert ist.
Aber im Vergleich der Profitraten zweier Länder ist dies anders. Dieselbe Profitrate drückt hier in der That meist verschiedne Raten des Mehrwerths aus.
Aus den sämmtlichen fünf Fällen ergibt sich also, dass eine steigende Profitrate einer fallenden oder steigenden Mehrwerths- rate, eine fallende Profitrate einer steigenden oder fallenden, eine gleichbleibende Profitrate einer steigenden oder fallenden Mehr- werthsrate entsprechen kann. Dass eine steigende, fallende, oder gleichbleibende Profitrate ebenfalls einer gleichbleibenden Mehr- werthsrate entsprechen kann, haben wir unter I gesehn.
Die Profitrate wird also bestimmt durch zwei Hauptfaktoren: die Rate des Mehrwerths, und die Werthzusammensetzung des Kapitals. Die Wirkungen dieser beiden Faktoren lassen sich kurz zusammenfassen wie folgt, wobei wir die Zusammensetzung in Procenten ausdrücken können, da es hier gleichgültig ist, von welchem der beiden Kapitaltheile die Aenderung ausgeht:
Die Profitraten zweier Kapitale, oder eines und desselben Kapitals in zwei successiven, verschiednen Zuständen
sind gleich:
1) bei gleicher procentiger Zusammensetzung der Kapitale und gleicher Mehrwerthsrate.
2) bei ungleicher procentiger Zusammensetzung, und ungleicher Mehrwerthsrate, wenn die Produkte der Mehrwerthsraten in die procentigen variablen Kapitaltheile (die m' und v) d. h. die pro- centig aufs Gesammtkapital berechneten Mehrwerthsmassen (m = m'v) gleich sind, in andern Worten, wenn beidemale die Faktoren m' und v in umgekehrtem Verhältniss zu einander stehn.
Sie sind ungleich:
[Die Wirkung des Umschlags auf die Produktion von Mehrwerth, also auch von Profit, ist im zweiten Buch erörtert worden. Sie lässt sich kurz dahin zusammenfassen, dass in Folge der für den Umschlag erforderlichen Zeitdauer nicht das ganze Kapital gleich- zeitig in der Produktion verwendet werden kann; dass also ein Theil des Kapitals fortwährend brach liegt, sei es in der Form von Geldkapital, von vorräthigen Rohstoffen, von fertigem, aber noch unverkauftem Waarenkapital, oder von noch nicht fälligen Schuldforderungen; dass das in der aktiven Produktion, also bei der Erzeugung und Aneignung von Mehrwerth thätige Kapital fortwährend um diesen Theil verkürzt, und der erzeugte und an- geeignete Mehrwerth fortwährend im selben Verhältniss verringert wird. Je kürzer die Umschlagszeit, desto kleiner wird dieser brach- liegende Theil des Kapitals, verglichen mit dem Ganzen; desto grösser wird also auch, bei sonst gleichbleibenden Umständen, der angeeignete Mehrwerth.
Es ist bereits im zweiten Buch im einzelnen entwickelt, wie die Verkürzung der Umschlagszeit, oder eines ihrer beiden Abschnitte, der Produktionszeit und der Cirkulationszeit, die Masse des produ- cirten Mehrwerths steigert. Da aber die Profitrate nur das Ver- hältniss der producirten Masse von Mehrwerth zu dem in ihrer Produktion engagirten Gesammtkapital ausdrückt, so ist es augen- scheinlich, dass jede solche Verkürzung die Profitrate steigert. Was vorher im zweiten Abschnitt des zweiten Buchs mit Bezug auf den Mehrwerth entwickelt, gilt ebensosehr für den Profit und die Profitrate, und bedarf keiner Wiederholung hier. Nur ein paar Hauptmomente wollen wir hervorheben.
Das Hauptmittel der Verkürzung der Produktionszeit ist die Steigerung der Produktivität der Arbeit, was man gewöhnlich den Fortschritt der Industrie nennt. Wird dadurch gleichzeitig nicht eine bedeutende Verstärkung der gesammten Kapitalauslage durch Anlage kostspieliger Maschinerie u. s. w., und damit eine Senkung der auf das Gesammtkapital zu berechnenden Profitrate bewirkt, so muss diese letztere steigen. Und dies ist entschieden der Fall bei vielen der neuesten Fortschritte der Metallurgie und chemi- schen Industrie. Die neuentdeckten Verfahrungsweisen der Eisen- und Stahlbereitung von Bessemer, Siemens, Gilchrist-Thomas u. A. kürzen, bei relativ geringen Kosten, früher höchst langwierige Prozesse auf ein Minimum ab. Die Bereitung des Alizarins oder Krappfarbstoffes aus Kohlentheer bringt in wenig Wochen, und mit der schon bisher für Kohlentheerfarben im Gebrauch befind- lichen Fabrikeinrichtung, dasselbe Resultat zu Stande, das früher Jahre erforderte; ein Jahr brauchte der Krapp zum Wachsen, und dann liess man die Wurzeln noch mehrere Jahre nachreifen, ehe man sie verfärbte.
Das Hauptmittel zur Verkürzung der Cirkulationszeit sind ver- besserte Kommunikationen. Und hierin haben die letzten fünfzig Jahre eine Revolution gebracht, die sich nur mit der industriellen Revolution der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vergleichen lässt. Auf dem Lande ist die macadamisirte Strasse durch die Eisenbahn, auf der See das langsame und unregelmäßige Segelschiff durch die rasche und regelmäßige Dampferlinie in den Hinter- grund gedrängt worden, und der ganze Erdball wird umspannt von Telegraphendräthen. Der Suezkanal hat Ostasien und Austra- lien dem Dampferverkehr erst eigentlich erschlossen. Die Cirku- lationszeit einer Waarensendung nach Ostasien, 1847 noch min- destens zwölf Monate (s. Buch II S. 235) ist jetzt ungefähr auf ungefähr ebensoviel Wochen reducirbar geworden. Die beiden grossen Krisenheerde von 1825—1857, Amerika und Indien, sind durch diese Umwälzung der Verkehrsmittel den europäischen In- dustrieländern um 70—90 % näher gerückt und haben damit einen grossen Theil ihrer Explosionsfähigkeit verloren. Die Um- schlagszeit des gesammten Welthandels ist in demselben Maß verkürzt, und die Aktionsfähigkeit des darin betheiligten Kapitals um mehr als das Doppelte oder Dreifache gesteigert worden. Dass dies nicht ohne Wirkung auf die Profitrate geblieben, ver- steht sich von selbst.
Um die Wirkung des Umschlags des Gesammtkapitals auf die
Profitrate rein darzustellen, müssen wir bei den zu vergleichenden zwei Kapitalen alle andern Umstände als gleich annehmen. Ausser der Mehrwerthsrate und dem Arbeitstag sei also namentlich auch die procentige Zusammensetzung gleich. Nehmen wir nun ein Kapital A von der Zusammensetzung 80c + 20v = 100 C, welches mit einer Mehrwerthsrate von 100 % zweimal im Jahr umschlägt. Dann ist das Jahresprodukt:
160c + 40v + 40m. Aber zur Ermittlung der Profitrate be- rechnen wir diese 40m nicht auf den umgeschlagnen Kapitalwerth von 200, sondern auf den vorgeschossnen von 100, und erhalten so p' = 40 %.
Vergleichen wir damit ein Kapital B = 160c + 40v = 200 C, das mit derselben Mehrwerthsrate von 100 %, aber nur einmal im Jahr umschlage. Dann ist das Jahresprodukt wie oben:
160c + 40v + 40m. Diesmal aber sind die 40m zu berechnen auf ein vorgeschossnes Kapital von 200, dies ergibt für die Profit- rate nur 20 %, also nur die Hälfte der Rate für A.
Es ergibt sich also: bei Kapitalen gleicher procentiger Zu- sammensetzung, bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichem Arbeits- tag verhalten sich die Profitraten zweier Kapitale umgekehrt wie ihre Umschlagszeiten. Ist entweder die Zusammensetzung, oder die Mehrwerthsrate, oder der Arbeitstag oder Arbeitslohn in den beiden verglichenen Fällen nicht gleich, so werden dadurch aller- dings auch weitere Verschiedenheiten in der Profitrate erzeugt; diese aber sind unabhängig vom Umschlag und gehn uns daher hier nichts an; sie sind auch bereits in Kap. III erörtert.
Die direkte Wirkung der verkürzten Umschlagszeit auf die Produktion von Mehrwerth, also auch von Profit, besteht in der gesteigerten Wirksamkeit, die dem variablen Kapitaltheil dadurch gegeben wird, worüber nachzusehn Buch II, Kap. XVI: Der Um- schlag des variablen Kapitals. Es zeigte sich da, dass ein variables Kapital von 500, das zehnmal im Jahr umschlägt, in dieser Zeit ebensoviel Mehrwerth aneignet, wie ein variables Kapital von 5000, das bei gleicher Mehrwerthsrate und gleichem Arbeitslohn nur einmal im Jahr umschlägt.
Nehmen wir ein Kapital I, bestehend aus 10,000 fixem Kapital, dessen jährlicher Verschleiss 10 % = 1000 betrage, 500 cirku- lirendem, konstantem und 500 variablem Kapital. Bei einer Mehrwerthsrate von 100 %, schlage das variable Kapital zehnmal im Jahre um. Der Einfachheit wegen nehmen wir in allen folgen- den Beispielen an, dass das cirkulirende konstante Kapital in der-
selben Zeit umschlägt, wie das variable, was auch in der Praxis meist so ziemlich der Fall sein wird. Dann wird das Produkt einer solchen Umschlagsperiode sein: 100c (Verschleiss) + 500c + 500v + 500m = 1600 und das des ganzen Jahres von zehn solchen Umschlägen: 1000c (Verschleiss) + 5000c + 5000v + 5000m = 16000, C = 11000, m = 5000, p' = = 45 %.
Nehmen wir nun ein Kapital II: fixes Kapital 9000, jährlicher Verschleiss desselben 1000, cirkulirendes konstantes Kapital 1000, variables Kapital 1000, Mehrwerthsrate 100 %, Zahl der jährlichen Umschläge des variablen Kapitals: 5. Das Produkt einer jeden Umschlagsperiode des variablen Kapitals wird also sein: 200c (Verschleiss) + 1000c + 1000v + 1000m = 3200, und das Gesammt-Jahresprodukt bei fünf Umschlägen: 1000c (Verschleiss) + 5000c + 5000v + 5000m = 16000, C = 11000, m = 5000, p' = = 45 %.
Nehmen wir ferner ein Kapital III, worin gar kein fixes Kapital, dagegen 6000 cirkulirendes konstantes und 5000 variables Kapital. Bei 100 % Mehrwerthsrate schlage es einmal im Jahr um. Das Gesammtprodukt im Jahr ist dann: 6000c + 5000v + 5000m = 16000, C = 11000, m = 5000, p' = = 45 %.
Wir haben also in allen drei Fällen dieselbe jährliche Masse von Mehrwerth, = 5000, und da das Gesammtkapital in allen drei Fällen ebenfalls gleich, nämlich = 11000 ist, dieselbe Profitrate von 45 %.
Haben wir dagegen bei dem obigen Kapital I, statt 10, nur 5 jährliche Umschläge des variablen Theils, so stellt sich die Sache anders. Das Produkt eines Umschlags ist dann: 200c (Verschleiss) + 500c + 500v + 500m = 1700. Oder Jahresprodukt: 1000c (Verschleiss) + 2500c + 2500v + 2500m = 8500, C = 11000, m = 2500; p' = = 22 %.
Die Profitrate ist auf die Hälfte gesunken, weil die Umschlags- zeit verdoppelt worden ist.
Die im Lauf des Jahrs angeeignete Masse Mehrwerth ist also gleich der Masse des in einer Umschlagsperiode des variablen Kapitals angeeigneten Mehrwerths, multiplicirt durch die Anzahl
solcher Umschläge im Jahr. Nennen wir den jährlich angeeigneten Mehrwerth oder Profit M, den in einer Umschlagsperiode ange- eigneten Mehrwerth m, die Anzahl der jährlichen Umschläge des variablen Kapitals n, so ist M = mn, und die jährliche Mehr- werthsrate M' = m'n, wie bereits entwickelt Buch II, Kap. XVI, 1).
Die Formel der Profitrate p' = m' = m' ist selbstredend nur richtig, wenn das v des Zählers dasselbe ist, wie das des Nenners. Im Nenner ist v der gesammte, durchschnittlich als variables Kapital, für Arbeitslohn verwandte Theil des Gesammt- kapitals. Das v des Zählers ist zunächst nur bestimmt dadurch, dass es ein gewisses Quantum Mehrwerth = m producirt und an- geeignet hat, dessen Verhältniss zu ihm die Mehrwerthsrate m' ist. Nur auf diesem Wege hat sich die Gleichung p' = ver- wandelt in die andre: p' = m' . Das v des Zählers wird nun näher dahin bestimmt, dass es gleich sein muss dem v des Nenners, d. h. dem gesammten variablen Theil des Kapitals C. In andern Worten, die Gleichung p' = lässt sich nur dann ohne Fehler in die andre p' = m' verwandeln, wenn m den in Einer Um- schlagsperiode des variablen Kapitals producirten Mehrwerth be- deutet. Umfasst m nur einen Theil dieses Mehrwerths, so ist m = m'v zwar richtig, aber dies v ist hier kleiner als das v in C = c + v, weil weniger als das ganze variable Kapital in Arbeits- lohn ausgelegt worden. Umfasst m aber mehr als den Mehrwerth eines Umschlags von v, so fungirt ein Theil dieses v, oder auch das Ganze, zweimal, zuerst im ersten, dann im zweiten, resp. zweiten und fernern Umschlag; das v, das den Mehrwerth pro- ducirt und das die Summe aller gezahlten Arbeitslöhne ist, ist also grösser als das v in c + v, und die Rechnung wird unrichtig.
Damit die Formel für die Jahresprofitrate exakt richtig werde, müssen wir statt der einfachen Mehrwerthsrate die Jahresrate des Mehrwerths einsetzen, also statt m' setzen M' oder m'n. Mit andern Worten, wir müssen m', die Mehrwerthsrate — oder was auf dasselbe herauskommt, den in C enthaltnen variablen Kapital- theil v — mit n, der Anzahl der Umschläge dieses variablen Kapitals im Jahr, multipliciren, und wir erhalten so: p' = m'n , welches die Formel zur Berechnung der Jahresprofitrate ist.
Wie gross aber das variable Kapital in einem Geschäft ist, das weiss in den allermeisten Fällen der Kapitalist selbst nicht. Wir haben im achten Kapitel des zweiten Buchs gesehn und werden es noch weiterhin sehn, dass der einzige Unterschied innerhalb seines Kapitals, der sich dem Kapitalisten als wesentlich aufdrängt, der Unterschied von fixem und cirkulirendem Kapital ist. Aus der Kasse, die den in Geldform in seinen Händen befindlichen Theil des cirkulirenden Kapitals enthält, soweit dieser nicht auf der Bank liegt, holt er das Geld für Arbeitslohn, aus derselben Kasse das Geld für Roh- und Hülfsstoffe, und schreibt beides einem und demselben Cassa-Conto gut. Und sollte er auch ein besonderes Conto über die gezahlten Arbeitslöhne führen, so würde dies am Jahresschluss zwar die dafür gezahlte Summe, also vn, aufweisen, aber nicht das variable Kapital v selbst. Um dies zu ermitteln, müsste er eine eigne Berechnung anstellen, von der wir hier ein Beispiel geben wollen.
Wir nehmen dazu die in Buch I, S. 209/201 beschriebne Baum- wollspinnerei von 10000 Mulespindeln, und nehmen dabei an, dass die für eine Woche des April 1871 gegebnen Daten für das ganze Jahr Geltung behielten. Das in der Maschinerie steckende fixe Kapital war 10000 £. Das cirkulirende Kapital war nicht ange- geben; wir nehmen an, es sei 2500 £ gewesen, ein ziemlich hoher Ansatz, der aber gerechtfertigt ist durch die Annahme, die wir hier immer machen müssen, dass keine Kreditoperationen statt- finden, also keine dauernde oder zeitweilige Benutzung von frem- dem Kapital. Das Wochenprodukt war seinem Werth nach zu- sammengesetzt aus 20 £ für Verschleiss der Maschinerie, 358 £ cirkulirendem konstantem Kapitalvorschuss (Miethe 6 £, Baum- wolle 342 £, Kohlen, Gas, Oel 10 £), 52 £ in Arbeitslohn aus- gelegtem variablem Kapital und 80 £ Mehrwerth, also: 20c (Verschleiss) + 358c + 52v + 80m = 510.
Der wöchentliche Vorschuss an cirkulirendem Kapital war also 358c + 52v = 410, und seine procentige Zusammensetzung = 87.3c + 12.7v. Dies auf das ganze cirkulirende Kapital von 2500 £ berechnet, ergibt 2182 £ konstantes und 318 £ variables Kapital. Da die Gesammt-Auslage für Arbeitslohn im Jahr 52 mal 52 £ war, also 2704 £, ergibt sich, dass das variable Kapital von 318 £ im Jahr fast genau 8½ mal umschlug. Die Rate des Mehrwerths war = 153 %. Aus diesen Elementen be- rechnen wir die Profitrate, indem wir in der Formel p' = m'n
die Werthe einsetzen: m' = 153, n = 8½, v = 318, C = 12500; also: p' = 153 × 8½ × = 32.48 %.
Die Probe hierauf machen wir durch den Gebrauch der ein- fachen Formel p' = . Der Gesammt-Mehrwerth oder Profit im Jahr beläuft sich auf 80 × 52 £ = 4160 £, dies dividirt durch das Gesammtkapital von 12500 £ ergibt fast wie oben 33.28 %, eine abnorm hohe Profitrate, die nur aus den momentan äusserst günstigen Verhältnissen (sehr wohlfeile Baumwollpreise neben sehr hohen Garnpreisen) sich erklärt und in Wirklichkeit sicher nicht das ganze Jahr durch gegolten hat.
In der Formel p' = m'n ist m'n, wie gesagt, das was im zweiten Buch als die Jahresrate des Mehrwerths bezeichnet wurde. Sie beträgt im obigen Fall 153 % × 8½, oder genau ge- rechnet 1307 %. Wenn also ein gewisser Biedermann über die im zweiten Buch in einem Beispiel aufgestellte Ungeheuerlich- keit einer Jahresrate des Mehrwerths von 1000 % die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat, so wird er sich vielleicht be- ruhigen bei der ihm hier aus der lebendigen Praxis von Manchester vorgeführten Thatsache einer Jahresrate des Mehrwerths von über 1300 %. In Zeiten höchster Prosperität, wie wir sie freilich schon lange nicht mehr durchgemacht, ist eine solche Rate keineswegs eine Seltenheit.
Beiläufig haben wir hier ein Beispiel von der thatsächlichen Zusammensetzung des Kapitals innerhalb der modernen grossen Industrie. Das Gesammtkapital theilt sich in 12,182 £ konstantes und 318 £ variables Kapital, zusammen 12500 £. Oder procentig: 97½c + 2½v = 100 C. Nur der vierzigste Theil des Ganzen dient, aber in mehr als achtmaliger Wiederkehr im Jahr, zur Be- streitung von Arbeitslohn.
Da es wohl nur wenigen Kapitalisten einfällt, derartige Be- rechnungen über ihr eignes Geschäft anzustellen, so schweigt die Statistik fast absolut über das Verhältniss des konstanten Theils des gesellschaftlichen Gesammtkapitals zum variablen Theil. Nur der amerikanische Census gibt, was unter den heutigen Verhält- nissen möglich: Die Summe der in jedem Geschäftszweig gezahl- ten Arbeitslöhne und der gemachten Profite. So anrüchig diese Daten auch sind, weil nur auf unkontrollirten Angaben der In- dustriellen selbst beruhend, so sind sie doch äusserst werthvoll und das einzige, was wir über den Gegenstand haben. In Europa
sind wir viel zu zartfühlend, um unsern Grossindustriellen der- gleichen Enthüllungen zuzumuthen. — F. E.]
Die Vermehrung des absoluten Mehrwerths, oder die Verlänge- rung der Mehrarbeit, und darum des Arbeitstags, bei gleichbleiben- dem variablem Kapital, also bei Anwendung derselben Arbeiter- anzahl zu nominell demselben Lohn — wobei es gleichgültig, ob die Ueberzeit bezahlt wird oder nicht — senkt relativ den Werth des konstanten Kapitals, gegenüber dem Gesammtkapital und dem variablen Kapital, und erhöht dadurch die Profitrate, auch abge- sehn von dem Wachsthum und der Masse des Mehrwerths und der möglicherweise steigenden Rate des Mehrwerths. Der Umfang des fixen Theils des konstanten Kapitals, Fabrikgebäude, Maschinerie etc. bleibt derselbe, ob 16 oder 12 Stunden damit gearbeitet wird. Die Verlängerung des Arbeitstags erheischt keine neue Auslage in diesem, dem kostspieligsten Theil des konstanten Kapitals. Es kommt hinzu, dass der Werth des fixen Kapitals so in einer kürzern Reihe von Umschlagsperioden reproducirt, also die Zeit verkürzt wird, für die es vorgeschossen werden muss, um einen bestimmten Profit zu machen. Die Verlängerung des Arbeitstags steigert daher den Profit, selbst wenn die Ueberzeit bezahlt, und bis zu einer gewissen Grenze, selbst wenn sie höher bezahlt wird als die normalen Arbeitsstunden. Die stets wachsende Nothwendig- keit der Vermehrung des fixen Kapitals im modernen Industriesystem war daher ein Hauptstachel zur Verlängerung des Arbeitstags für profitwüthige Kapitalisten.(FN11)
Es findet nicht dasselbe Verhältniss bei konstantem Arbeitstag statt. Es ist hier entweder nöthig, die Zahl der Arbeiter, und mit ihnen auch zu einem gewissen Verhältniss die Masse des fixen Kapitals, der Baulichkeiten, Maschinerie etc. zu vermehren, um eine grössere Masse von Arbeit zu exploitiren (denn es wird hier
abgesehn von Abzügen am Lohn oder Herabpressen des Lohns unter seine normale Höhe). Oder, wo die Intensität der Arbeit vermehrt, beziehungsweise die Produktivkraft der Arbeit erhöht, überhaupt mehr relativer Mehrwerth erzeugt werden soll, wächst in den Industriezweigen, die Rohstoff anwenden, die Masse des cirkulirenden Theils des konstanten Kapitals, indem mehr Roh- stoff etc. in dem gegebnen Zeitraum verarbeitet wird; und zweitens wächst die von derselben Zahl Arbeiter in Bewegung gesetzte Maschinerie, also auch dieser Theil des konstanten Kapitals. Das Wachsen des Mehrwerths ist also begleitet von einem Wachsen des konstanten Kapitals, die wachsende Exploitation der Arbeit von einer Vertheuerung der Produktionsbedingungen, vermittelst welcher die Arbeit exploitirt wird, d. h. von grössrer Kapitalauslage. Die Profitrate wird also hierdurch auf der einen Seite vermindert, wenn auf der andern erhöht.
Eine ganze Reihe laufender Unkosten bleibt sich beinahe oder ganz gleich bei längrem wie bei kürzrem Arbeitstag. Die Auf- sichtskosten sind geringer für 500 Arbeiter bei 18 Arbeitsstunden, als für 750 bei 12 Stunden. „Die Betriebskosten einer Fabrik bei zehnstündiger Arbeit sind beinahe gleich hoch wie bei zwölf- stündiger.“ (Rep. Fact. Oct. 1848, p. 37.) Staats- und Gemeinde- steuern, Feuerversichrung, Lohn verschiedner ständiger Angestellter, Entwerthung der Maschinerie, und verschiedne andre Unkosten einer Fabrik laufen unverändert voran bei langer oder kurzer Arbeitszeit; im Verhältniss wie die Produktion abnimmt, steigen sie gegenüber dem Profit. (Rep. Fact., Okt. 1862, p. 19.)
Die Zeitdauer, worin sich der Werth der Maschinerie und andrer Bestandtheile des fixen Kapitals reproducirt, ist praktisch bestimmt nicht durch die Zeit ihrer blossen Dauer, sondern durch die Ge- sammtdauer des Arbeitsprocesses, während dessen sie wirkt und vernutzt wird. Müssen die Arbeiter 18 Stunden statt 12 schanzen, so gibt dies drei Tage mehr auf die Woche, eine Woche wird zu anderthalb, zwei Jahre zu drei. Wird die Ueberzeit nicht bezahlt, so geben die Arbeiter also, ausser der normalen Mehrarbeitszeit, auf zwei Wochen die dritte, auf zwei Jahre das dritte gratis. Und so wird die Werthreproduktion der Maschinerie um 50 % ge- steigert und in ⅔ der sonst nothwendigen Zeit erreicht.
Wir gehn bei dieser Untersuchung, sowie bei der über die Preisschwankungen des Rohmaterials (in Kap. VI) von der Voraus- setzung aus, dass Masse und Rate des Mehrwerths gegeben sind — zur Vermeidung nutzloser Komplikationen.
Wie bereits bei Darstellung der Kooperation, der Theilung der Arbeit und der Maschinerie hervorgehoben, entspringt die Oekonomie in den Produktionsbedingungen, welche die Produktion auf grosser Stufenleiter charakterisirt, wesentlich daraus, dass diese Bedingungen als Bedingungen gesellschaftlicher, gesellschaftlich kombinirter Arbeit, also als gesellschaftliche Bedingungen der Arbeit fungiren. Sie werden gemeinsam im Produktionsprocess konsumirt, vom Ge- sammtarbeiter, statt in zersplitterter Form von einer Masse unzu- sammenhängender oder höchstens auf kleinem Maßstab unmittel- bar kooperirender Arbeiter. In einer grossen Fabrik mit einem oder zwei Centralmotoren wachsen die Kosten dieser Motoren nicht in demselben Verhältniss wie ihre Pferdekraft und daher ihre mögliche Wirkungssphäre; die Kosten der Uebertragungs- maschinerie wachsen nicht in demselben Verhältniss wie die Masse der Arbeitsmaschinen, denen sie die Bewegung mittheilt; der Rumpf der Arbeitsmaschine selbst vertheuert sich nicht im Ver- hältniss mit der steigenden Anzahl der Werkzeuge, womit als mit ihren Organen sie fungirt u. s. w. Die Koncentration der Pro- duktionsmittel erspart ferner Baulichkeiten aller Art, nicht nur für die eigentlichen Werkstätten, sondern auch für die Lager- lokale u. s. w. Ebenso verhält es sich mit den Ausgaben für Feuerung, Beleuchtung u. s. w. Andre Produktionsbedingungen bleiben dieselben, ob von wenigen oder vielen benutzt.
Diese ganze Oekonomie, die aus der Koncentration der Pro- duktionsmittel und ihrer massenhaften Anwendung entspringt, setzt aber als wesentliche Bedingung die Anhäufung und das Zu- sammenwirken der Arbeiter voraus, also gesellschaftliche Kom- bination der Arbeit. Sie entspringt daher ebensogut aus dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, wie der Mehrwerth aus der Mehrarbeit jedes einzelnen Arbeiters, für sich isolirt betrachtet. Selbst die beständigen Verbesserungen, die hier möglich und noth- wendig sind, entspringen einzig und allein aus den gesellschaft- lichen Erfahrungen und Beobachtungen, welche die Produktion des auf grosser Stufenleiter kombinirten Gesammtarbeiters gewährt und erlaubt.
Dasselbe gilt von dem zweiten grossen Zweig der Oekonomie in den Produktionsbedingungen. Wir meinen die Rückverwand- lung der Exkremente der Produktion, ihrer sogenannten Abfälle in neue Produktionselemente sei es desselben, sei es eines andern Industriezweigs; die Processe, wodurch diese sogenannten Exkre- mente in den Kreislauf der Produktion und daher der Konsum-
tion — produktiver oder individueller — zurückgeschleudert werden. Auch dieser Zweig der Ersparungen, auf den wir später etwas näher eingehn, ist das Resultat der gesellschaftlichen Arbeit auf grosser Stufenleiter. Es ist die ihr entsprechende Massenhaftig- keit dieser Abfälle, die sie selbst wieder zu Handelsgegenständen, und damit zu neuen Elementen der Produktion macht. Nur als Ab- fälle gemeinsamer Produktion, und daher der Produktion auf grosser Stufenleiter, erhalten sie diese Wichtigkeit für den Produktions- process, bleiben sie Träger von Tauschwerth. Diese Abfälle — abgesehn von dem Dienst, den sie als neue Produktionselemente leisten — verwohlfeilern, im Maß wie sie wieder verkauf bar wer- den, die Kosten des Rohstoffs, in welche immer sein normaler Abfall eingerechnet ist, nämlich das Quantum, das durchschnittlich bei seiner Bearbeitung verloren gehn muss. Die Verminderung der Kosten dieses Theils des konstanten Kapitals erhöht pro tanto die Profitrate bei gegebner Grösse des variablen Kapitals und ge- gebner Rate des Mehrwerths.
Wenn der Mehrwerth gegeben ist, kann die Profitrate nur ver- mehrt werden durch Verminderung des Werths des zur Waaren- produktion erheischten konstanten Kapitals. Soweit das konstante Kapital in die Produktion der Waaren eingeht, ist es nicht sein Tauschwerth, sondern sein Gebrauchswerth, der allein in Betracht kommt. Wie viel Arbeit der Flachs in einer Spinnerei einsaugen kann, hängt nicht von seinem Werth ab, sondern von seiner Quantität, wenn der Grad der Produktivität der Arbeit, d. h. die Stufe der technischen Entwicklung gegeben ist. Ebenso hängt die Beihülfe, die eine Maschine z. B. drei Arbeitern leistet, nicht von ihrem Werth, sondern von ihrem Gebrauchswerth als Maschine ab. Auf einer Stufe der technischen Entwicklung kann eine schlechte Maschine kostspielig, auf einer andern eine gute Maschine wohl- feil sein.
Der gesteigerte Profit, den ein Kapitalist dadurch erhält, dass z. B. Baumwolle und Spinnmaschinerie wohlfeiler geworden, ist das Resultat der gesteigerten Produktivität der Arbeit, zwar nicht in der Spinnerei, wohl aber im Maschinen- und Baumwollenbau. Um ein gegebnes Quantum Arbeit zu vergegenständlichen, also ein gegebnes Quantum Mehrarbeit anzueignen, bedarf es geringrer Auslage in den Bedingungen der Arbeit. Es fallen die Kosten, die erheischt sind, um dies bestimmte Quantum Mehrarbeit anzueignen.
Es ist schon gesprochen worden von der Ersparung, die aus der gemeinschaftlichen Anwendung der Produktionsmittel durch den
Gesammt-Arbeiter — den gesellschaftlich kombinirten Arbeiter — im Produktionsprocess erfolgt. Weitere, aus der Abkürzung der Cirku- lationszeit (wo Entwicklung der Kommunikationsmittel wesentliches materielles Moment) entspringende Ersparung in der Auslage von kon- stantem Kapital, wird weiter unten betrachtet werden. Hier aber soll gleich noch gedacht werden der Oekonomie, die hervorgeht aus der fortwährenden Verbesserung der Maschinerie, nämlich 1) ihres Stoffs, z. B. Eisen statt Holz; 2) der Verwohlfeilerung der Maschinerie durch Verbesserung der Maschinenfabrikation überhaupt; sodass, obgleich der Werth des fixen Theils des konstanten Kapitals be- ständig wächst mit der Entwicklung der Arbeit auf grosser Stufen- leiter, er weitaus nicht in demselben Grad wächst;(FN12) 3) der speciellen Verbesserungen, die der schon vorhandenen Maschinerie erlauben wohlfeiler und wirksamer zu arbeiten, z. B. Verbesserung der Dampfkessel etc., worüber später noch etwas im einzelnen; 4) der Verminderung der Abfälle durch bessere Maschinerie.
Alles was den Verschleiss der Maschinerie und überhaupt des fixen Kapitals für eine gegebne Produktionsperiode vermindert, verwohlfeilert nicht nur die einzelne Waare, da jede einzelne Waare den auf sie fallenden aliquoten Theil des Verschleisses in ihrem Preis reproducirt, sondern vermindert die aliquote Kapital- auslage für diese Periode. Reparaturarbeiten u. dergl., im Maß wie sie nöthig werden, zählen bei der Rechnung zu den Original- kosten der Maschinerie. Ihre Verminderung, in Folge der grössern Dauerhaftigkeit der Maschinerie, vermindert pro tanto deren Preis.
Von aller Oekonomie dieser Art gilt grossentheils wieder, dass sie nur möglich ist für den kombinirten Arbeiter, und sich oft erst verwirklichen kann bei Arbeiten auf noch grössrer Stufen- leiter, dass sie also noch grössre Kombination von Arbeitern un- mittelbar im Produktionsprocess erheischt.
Andrerseits aber erscheint hier die Entwicklung der Produktiv- kraft der Arbeit in einem Produktionszweig, z. B. in der Pro- duktion von Eisen, Kohlen, Maschinen, in der Baukunst u. s. w., die zum Theil wieder zusammenhängen mag mit Fortschritten im Gebiet der geistigen Produktion, namentlich der Naturwissenschaft und ihrer Anwendung, als die Bedingung der Verminderung des Werths, und damit der Kosten, der Produktionsmittel in andern Industriezweigen, z. B. der Textilindustrie oder dem Ackerbau. Es ergibt sich dies von selbst, da die Waare, die als Produkt aus
einem Industriezweig herauskommt, als Produktionsmittel in den andern wieder eingeht. Ihre grössre oder geringre Wohlfeilheit hängt ab von der Produktivität der Arbeit in dem Produktions- zweig, aus dem sie als Produkt herauskommt, und ist gleichzeitig Bedingung nicht nur für die Verwohlfeilerung der Waaren, in deren Produktion sie als Produktionsmittel eingeht, sondern auch für die Werthverminderung des konstanten Kapitals, dessen Element sie hier wird, und daher für die Erhöhung der Profitrate.
Das Charakteristische dieser Art der Oekonomie des konstanten Kapitals, die aus der fortschreitenden Entwicklung der Industrie hervorgeht, ist dass hier das Steigen der Profitrate in einem Industriezweig geschuldet wird der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit in einem andern. Was hier dem Kapitalisten zu gut kommt, ist wieder ein Gewinn, der das Produkt der gesellschaft- lichen Arbeit ist, wenn auch nicht das Produkt der direkt von ihm selbst exploitirten Arbeiter. Jene Entwicklung der Produktiv- kraft führt sich in letzter Instanz immer zurück auf den gesell- schaftlichen Charakter der in Thätigkeit gesetzten Arbeit; auf die Theilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft; auf die Entwick- lung der geistigen Arbeit, namentlich der Naturwissenschaft. Was der Kapitalist hier benutzt, sind die Vortheile des gesammten Systems der gesellschaftlichen Arbeitstheilung. Es ist die Ent- wicklung der Produktivkraft der Arbeit in ihrer auswärtigen Ab- theilung, in der Abtheilung, die ihm Produktionsmittel liefert, wodurch hier der Werth des vom Kapitalisten angewandten kon- stanten Kapitals relativ gesenkt, also die Profitrate erhöht wird.
Eine andre Steigerung der Profitrate entspringt, nicht aus der Oekonomie der Arbeit, wodurch das konstante Kapital producirt wird, sondern aus der Oekonomie in der Anwendung des kon- stanten Kapitals selbst. Durch die Koncentration der Arbeiter und ihre Kooperation auf grossem Maßstab wird einerseits kon- stantes Kapital gespart. Dieselben Gebäude, Heiz- und Beleuch- tungsvorrichtungen u. s. w., kosten verhältnissmäßig weniger für grosse als für kleine Produktionsstufen. Dasselbe gilt von der Kraft- und Arbeitsmaschinerie. Obgleich ihr Werth absolut steigt, fällt er relativ, im Verhältniss zur steigenden Ausdehnung der Produktion und zur Grösse des variabeln Kapitals oder der Masse der Arbeitskraft, die in Bewegung gesetzt wird. Die Oekonomie, die ein Kapital in seinem eignen Produktionszweig anwendet, be- steht zunächst und direkt in Oekonomie der Arbeit, d. h. in Ver- ringerung der bezahlten Arbeit seiner eignen Arbeiter; die vorher
erwähnte Oekonomie besteht dagegen darin, diese grösstmögliche Aneignung fremder unbezahlter Arbeit auf möglichst ökonomische Weise, d. h. auf dem gegebnen Produktionsmaßstab mit möglichst geringen Kosten zu bewerkstelligen. Soweit diese Oekonomie nicht beruht auf der schon erwähnten Ausbeutung der Produktivität der in der Produktion des konstanten Kapitals angewandten gesell- schaftlichen Arbeit, sondern in der Oekonomie in Anwendung des konstanten Kapitals selbst, entspringt sie entweder direkt aus der Kooperation und gesellschaftlichen Form der Arbeit innerhalb des bestimmten Produktionszweigs selbst, oder aus der Produktion der Maschinerie u. s. w. auf einer Stufenleiter, worin ihr Werth nicht in demselben Grad wächst wie ihr Gebrauchswerth.
Es sind hier zwei Punkte im Auge zu halten: Wäre der Werth von c = 0, so wäre p' = m', und die Profitrate stände auf ihrem Maximum. Zweitens aber: Was das wichtige für die unmittelbare Exploitation der Arbeit selbst ist, ist keineswegs der Werth der angewandten Exploitationsmittel, sei es des fixen Kapitals, sei es der Roh- und Hülfsstoffe. Soweit sie dienen als Aufsauger von Arbeit, als Media worin oder wodurch sich die Arbeit und darum auch die Mehrarbeit vergegenständlicht, ist der Tauschwerth der Maschinerie, der Gebäude, der Rohstoffe etc. vollständig gleich- gültig. Worauf es ausschliesslich ankommt, ist einerseits ihre Masse, wie sie technisch zur Verbindung mit einem bestimmten Quantum lebendiger Arbeit erheischt ist, andrerseits ihre Zweck- gemässheit, also nicht nur gute Maschinerie, sondern auch gute Roh- und Hülfsstoffe. Von der Güte des Rohstoffs hängt z. Th. die Profitrate ab. Gutes Material liefert weniger Abfall; es ist also eine geringre Masse von Rohstoff für die Aufsaugung des- selben Quantums Arbeit erheischt. Ferner ist der Widerstand geringer, den die Arbeitsmaschine findet. Z. Th. wirkt dies sogar auf den Mehrwerth und auf die Rate des Mehrwerths. Der Arbeiter braucht bei schlechtem Rohstoff mehr Zeit, um dasselbe Quantum zu verarbeiten; bei gleichbleibender Lohnzahlung ergibt dies einen Abzug von der Mehrarbeit. Es wirkt dies ferner sehr bedeutend ein auf die Reproduktion und Akkumulation des Kapitals, die wie Buch I S. 627/619 und folgende entwickelt, noch mehr von der Produktivität als von der Masse der angewandten Arbeit abhängt.
Begreiflich ist daher der Fanatismus des Kapitalisten für Oeko- nomisirung der Produktionsmittel. Dass nichts umkommt oder verschleudert wird, dass die Produktionsmittel nur in der durch die Produktion selbst erheischten Weise verbraucht werden, hängt
theils von der Dressur und Bildung der Arbeiter ab, theils von der Disciplin, die der Kapitalist über die kombinirten Arbeiter aus- übt, und die überflüssig wird in einem Gesellschaftszustand, wo die Arbeiter für ihre eigne Rechnung arbeiten, wie sie jetzt schon beim Stücklohn fast ganz überflüssig wird. Dieser Fanatismus äussert sich auch umgekehrt in der Fälschung der Produktions- elemente, die ein Hauptmittel ist, den Werth des konstanten Kapitals im Verhältniss zum variablen zu senken und so die Rate des Profits zu erhöhen; wobei denn noch der Verkauf dieser Pro- duktionselemente über ihrem Werth, soweit dieser Werth im Pro- dukt wiedererscheint, als bedeutendes Element der Prellerei hinzu- kommt. Dies Moment spielt entscheidende Rolle namentlich in der deutschen Industrie, deren Grundsatz ist: Es kann den Leuten ja nur angenehm sein, wenn wir ihnen zuerst gute Proben schicken, und nachher schlechte Waare. Indess diese der Konkurrenz an- gehörigen Erscheinungen gehn uns hier nichts an.
Es ist zu merken, dass diese durch Verminderung des Werths, also der Kostspieligkeit des konstanten Kapitals hervorgebrachte Steige- rung der Profitrate durchaus unabhängig davon ist, ob der Industrie- zweig, worin sie stattfindet, Luxusprodukte hervorbringt, oder in den Konsum der Arbeiter eingehende Lebensmittel, oder Produktions- mittel überhaupt. Letztrer Umstand würde nur wichtig sein, so- weit es sich um die Rate des Mehrwerths handelt, die wesentlich abhängt vom Werth der Arbeitskraft, d. h. vom Werth der her- kömmlichen Lebensmittel des Arbeiters. Hier dagegen sind Mehr- werth und Rate des Mehrwerths als gegeben vorausgesetzt. Wie der Mehrwerth sich zum Gesammtkapital verhält — und dies bestimmt die Profitrate — hängt unter diesen Umständen aus- schliesslich vom Werth des konstanten Kapitals ab, und in keiner Weise vom Gebrauchswerth der Elemente, woraus es besteht.
Die relative Verwohlfeilerung der Produktionsmittel schliesst natürlich nicht aus, dass ihre absolute Werthsumme wächst; denn der absolute Umfang, worin sie angewandt werden, nimmt ausser- ordentlich zu mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit und der sie begleitenden, wachsenden Stufenleiter der Produktion. Die Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals, nach welcher Seite sie immer betrachtet werde, ist das Resultat, theils ausschliesslich davon, dass die Produktionsmittel als gemeinsame Produktionsmittel des kombinirten Arbeiters fungiren und ver- braucht werden, sodass diese Oekonomie selbst als ein Produkt des gesellschaftlichen Charakters der unmittelbar produktiven Arbeit
erscheint; theils aber ist sie das Resultat der Entwicklung der Produktivität der Arbeit in den Sphären, die dem Kapital seine Produktionsmittel liefern, sodass wenn die Gesammtarbeit gegen- über dem Gesammtkapital, nicht bloss die vom Kapitalisten X. angewandten Arbeiter diesem Kapitalisten X. gegenüber betrachtet werden, diese Oekonomie wieder als Produkt der Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit sich darstellt, und der Unterschied nur der ist, dass Kapitalist X. nicht nur aus der Produktivität der Arbeit seiner eignen Werkstatt, sondern auch aus der von fremden Werkstätten Vortheil zieht. Dennoch aber erscheint die Oekonomie des konstanten Kapitals dem Kapitalisten als eine dem Arbeiter gänzlich fremde und ihn absolut nichts angehende Bedingung, mit der der Arbeiter gar nichts zu thun hat; während es dem Kapitalisten immer sehr klar bleibt, dass der Arbeiter wohl etwas damit zu thun hat, ob der Kapitalist viel oder wenig Arbeit für dasselbe Geld kauft (denn so er- scheint in seinem Bewusstsein die Transaktion zwischen Kapi- talist und Arbeiter). In einem noch viel höhern Grad als bei den andern, der Arbeit innewohnenden Kräften erscheint diese Oekonomie in Anwendung der Produktionsmittel, diese Methode, ein bestimmtes Resultat mit den geringsten Ausgaben zu er- reichen, als eine dem Kapital inhärente Kraft und als eine der kapitalistischen Produktionsweise eigenthümliche und sie charak- terisirende Methode.
Diese Vorstellungsweise ist um so weniger befremdlich, als ihr der Schein der Thatsachen entspricht, und als das Kapitalverhält- niss in der That den innern Zusammenhang verbirgt in der voll- ständigen Gleichgültigkeit, Aeusserlichkeit und Entfremdung, worin es den Arbeiter versetzt gegenüber den Bedingungen der Verwirk- lichung seiner eignen Arbeit.
Erstens: die Produktionsmittel, aus denen das konstante Kapital besteht, repräsentiren nur das Geld des Kapitalisten (wie der Leib des römischen Schuldners das Geld seines Gläubigers nach Linguet) und stehn in einem Verhältniss nur zu ihm, während der Arbeiter, soweit er im wirklichen Produktionsprocess mit ihnen in Berüh- rung kommt, sich mit ihnen befasst nur als mit Gebrauchswerthen der Produktion, Arbeitsmitteln und Arbeitsstoff. Die Ab- oder Zunahme dieses Werths ist also eine Sache, die sein Verhältniss zum Kapitalisten sowenig berührt wie der Umstand, ob er in Kupfer oder in Eisen arbeitet. Allerdings liebt es der Kapitalist, die Sache, wie wir später andeuten werden, anders aufzufassen,
sobald Werthzunahme der Produktionsmittel, und dadurch Ver- minderung der Profitrate stattfindet.
Zweitens: Soweit diese Produktionsmittel im kapitalistischen Produktionsprocess zugleich Exploitationsmittel der Arbeit sind, kümmert die relative Wohlfeilheit oder Kostspieligkeit dieser Ex- ploitationsmittel den Arbeiter ebensowenig, wie es ein Pferd küm- mert, ob es mit einem theuern oder wohlfeilen Gebiss und Zaum regiert wird.
Endlich verhält sich, wie früher gesehn, der Arbeiter in der That zu dem gesellschaftlichen Charakter seiner Arbeit, zu ihrer Kombination mit der Arbeit andrer für einen gemeinsamen Zweck, als zu einer ihm fremden Macht; die Verwirklichungsbedingungen dieser Kombination sind, ihm fremdes, Eigenthum, dessen Ver- schleuderung ihm völlig gleichgültig wäre, würde er nicht zur Oekonomisirung desselben gezwungen. Ganz anders ist dies in den den Arbeitern selbst gehörigen Fabriken, z. B. zu Rochdale.
Es bedarf also kaum der Erwähnung, dass, soweit die Produk- tivität der Arbeit in dem einen Produktionszweig als Verwohl- feilerung und Verbesserung der Produktionsmittel in dem andern erscheint und damit zur Erhöhung der Profitrate dient, dieser all- gemeine Zusammenhang der gesellschaftlichen Arbeit als etwas den Arbeitern durchaus fremdes auftritt, das in der That nur den Kapitalisten angeht, sofern er allein diese Produktionsmittel kauft und sich aneignet. Dass er das Produkt der Arbeiter in einem frem- den Produktionszweig mit dem Produkt der Arbeiter in seinem eignen Produktionszweig kauft, und daher über das Produkt frem- der Arbeiter nur verfügt, soweit er sich das seiner eignen unent- geltlich angeeignet hat, ist ein Zusammenhang, der durch den Cirkulationsprocess u. s. w. glücklich verdeckt ist.
Es kommt hinzu, dass, wie die Produktion im grossen sich zu- erst in der kapitalistischen Form entwickelt, so die Profitwuth einerseits, die Konkurrenz andrerseits, die zu möglichst wohlfeiler Produktion der Waaren zwingt, diese Oekonomie in Anwendung des konstanten Kapitals als der kapitalistischen Produktions- weise eigenthümlich, und daher als Funktion des Kapitalisten er- scheinen lässt.
Wie die kapitalistische Produktionsweise auf der einen Seite zur Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit, treibt sie auf der andern zur Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals.
Es bleibt jedoch nicht bei der Entfremdung und Gleichgültig-
keit zwischen dem Arbeiter, dem Träger der lebendigen Arbeit hier, und der ökonomischen, d. h. rationellen und sparsamen An- wendung seiner Arbeitsbedingungen dort. Ihrer widersprechenden, gegensätzlichen Natur nach geht die kapitalistische Produktions- weise dazu fort, die Verschwendung am Leben und der Gesund- heit des Arbeiters, die Herabdrückung seiner Existenzbedingungen selbst zur Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals zu zählen, und damit zu Mitteln zur Erhöhung der Profitrate.
Da der Arbeiter den grössten Theil seines Lebens im Produk- tionsprocess zubringt, so sind die Bedingungen des Produktions- processes zum grossen Theil Bedingungen seines aktiven Lebens- processes, seine Lebensbedingungen, und die Oekonomie in diesen Lebensbedingungen ist eine Methode, die Profitrate zu erhöhen; ganz wie wir früher schon sahen, dass die Ueberarbeitung, die Verwandlung des Arbeiters in ein Arbeitsvieh, eine Methode ist die Selbstverwerthung des Kapitals, die Produktion des Mehrwerths zu beschleunigen. Diese Oekonomie erstreckt sich auf Ueber- füllung enger, ungesunder Räume mit Arbeitern, was auf kapita- listisch Ersparung an Baulichkeiten heisst; Zusammendrängung gefährlicher Maschinerie in denselben Räumen, und Versäumniss von Schutzmitteln gegen die Gefahr; Unterlassung von Vorsichts- massregeln in Produktionsprocessen, die ihrer Natur nach gesund- heitswidrig oder wie in Bergwerken mit Gefahr verbunden sind u. s. w. Gar nicht zu sprechen von der Abwesenheit aller Anstalten, um dem Arbeiter den Produktionsprocess zu vermenschlichen, ange- nehm oder nur erträglich zu machen. Es würde dies vom kapi- talistischen Standpunkt eine ganz zweck- und sinnlose Verschwen- dung sein. Die kapitalistische Produktion ist überhaupt, bei aller Knauserei, durchaus verschwenderisch mit dem Menschenmaterial, ganz wie sie andrerseits, dank der Methode der Vertheilung ihrer Produkte durch den Handel und ihrer Manier der Konkurrenz, sehr verschwenderisch mit den materiellen Mitteln umgeht, und auf der einen Seite für die Gesellschaft verliert, was sie auf der andern für den einzelnen Kapitalisten gewinnt.
Wie das Kapital die Tendenz hat, in der direkten Anwendung der lebendigen Arbeit sie auf nothwendige Arbeit zu reduciren, und die zur Herstellung eines Produkts nothwendige Arbeit stets abzukürzen durch Ausbeutung der gesellschaftlichen Produktiv- kräfte der Arbeit, also die direkt angewandte lebendige Arbeit möglichst zu ökonomisiren, so hat es auch die Tendenz, diese auf ihr nothwendiges Maß reducirte Arbeit unter den ökonomischsten
Bedingungen anzuwenden, d. h. den Werth des angewandten kon- stanten Kapitals auf sein möglichstes Minimum zu reduciren. Wenn der Werth der Waaren bestimmt ist durch die in ihnen enthaltne nothwendige Arbeitszeit, nicht durch die überhaupt in ihnen ent- haltne Arbeitszeit, so ist es das Kapital, das diese Bestimmung erst realisirt, und zugleich fortwährend die zur Produktion einer Waare gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit verkürzt. Der Preis der Waare wird dadurch auf sein Minimum reducirt, indem jeder Theil der zu ihrer Produktion erheischten Arbeit auf sein Minimum reducirt wird.
Man muss bei der Oekonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals unterscheiden. Wächst die Masse und mit ihr die Werth- summe des angewandten Kapitals, so ist dies zunächst nur Kon- centration von mehr Kapital in einer Hand. Es ist aber gerade diese grössre, von einer Hand angewandte Masse — der meist auch eine absolut grössre, aber relativ kleinere Anzahl angewandter Arbeit entspricht — die die Oekonomie des konstanten Kapitals erlaubt. Den einzelnen Kapitalisten betrachtet, wächst der Um- fang der nothwendigen Kapitalauslage, besonders beim fixen Kapital; aber mit Bezug auf die Masse des verarbeiteten Stoffs und der exploitirten Arbeit, nimmt ihr Werth relativ ab.
Es ist dies nun kurz durch einzelne Illustrationen auszuführen. Wir beginnen mit dem Ende, mit der Oekonomie in den Produk- tionsbedingungen, soweit diese zugleich als Existenz- und Lebens- bedingungen des Arbeiters sich darstellen.
„Bei der Konkurrenz, die unter den Besitzern von Kohlen- gruben … herrscht, werden nicht mehr Auslagen gemacht als nöthig sind, um die handgreiflichsten physischen Schwierigkeiten zu überwinden; und bei der Konkurrenz unter den Grubenarbeitern, die gewöhnlich in Ueberzahl vorhanden sind, setzen diese sich be- deutenden Gefahren und den schädlichsten Einflüssen mit Ver- gnügen aus für einen Lohn, der nur wenig höher ist als der der benachbarten Landtaglöhner, da die Bergwerksarbeit zudem ge- stattet, ihre Kinder profitlich zu verwenden. Diese doppelte Kon- kurrenz reicht vollständig hin … um zu bewirken, dass ein
grosser Theil der Gruben mit der unvollkommensten Trocken- legung und Ventilation betrieben wird; oft mit schlecht gebauten Schachten, schlechtem Gestänge, unfähigen Maschinisten, mit schlecht angelegten und schlecht ausgebauten Stollen und Fahr- bahnen; und dies verursacht eine Zerstörung an Leben, Glied- maßen und Gesundheit, deren Statistik ein entsetzendes Bild dar- stellen würde.“ (First Report on Children’s Employment in Mines and Collieries et. 21. April 1829, p. 102.) In den englischen Kohlengruben wurden gegen 1860 wöchentlich im Durchschnitt 15 Mann getödtet. Nach dem Bericht über Coal Mines Accidents (6. Febr. 1862) wurden in den 10 Jahren 1852—61 zusammen 8466 getödtet. Diese Zahl ist aber viel zu gering, wie der Bericht selbst sagt, da in den ersten Jahren, als die Inspektoren erst eben eingesetzt und ihre Bezirke viel zu gross waren, eine grosse Masse Unglücks- und Todesfälle gar nicht angemeldet wurden. Gerade der Umstand, dass trotz der noch sehr grossen Schlächterei und der ungenügenden Zahl und geringen Macht der Inspektoren, die Zahl der Unfälle sehr abgenommen hat seit Einrichtung der Inspektion, zeigt die natürliche Tendenz der kapitalistischen Exploitation. — Diese Menschenopfer sind grösstentheils geschuldet dem schmutzigen Geiz der Grubenbesitzer, die z. B. oft nur einen Schacht graben liessen, sodass nicht nur keine wirksame Ventilation, sondern auch kein Ausweg möglich, sobald der eine verstopft war.
Die kapitalistische Produktion, wenn wir sie im einzelnen be- trachten und von dem Process der Cirkulation und den Ueber- wucherungen der Konkurrenz absehn, geht äusserst sparsam um mit der verwirklichten, in Waaren vergegenständlichten Arbeit. Dagegen ist sie, weit mehr als jede andre Produktionsweise, eine Vergeuderin von Menschen, von lebendiger Arbeit, eine Vergeuderin nicht nur von Fleisch und Blut, sondern auch von Nerven und Hirn. Es ist in der That nur durch die ungeheuerste Verschwendung von individueller Entwicklung, dass die Entwicklung der Menschheit überhaupt ge- sichert und durchgeführt wird in der Geschichtsepoche, die der be- wussten Rekonstitution der menschlichen Gesellschaft unmittelbar vorausgeht. Da die ganze Oekonomisirung, von der hier die Rede, entspringt aus dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, so ist es in der That gerade dieser unmittelbar gesellschaftliche Charakter der Arbeit, der diese Verschwendung von Leben und Gesundheit der Arbeiter erzeugt. Charakteristisch in dieser Hin- sicht ist schon die vom Fabrikinspektor B. Baker aufgeworfne Frage: „The whole question is one for serious consideration, in
what way this sacrifice of infant life occasioned by con- gregational labour can be best averted? (Rep. Fact. Oct. 1863, p. 157.)
Fabriken. Es gehört hierher die Unterdrückung aller Vor- sichtsmaßregeln zur Sicherheit, Bequemlichkeit und Gesundheit der Arbeiter auch in den eigentlichen Fabriken. Ein grosser Theil der Schlachtbulletins, die die Verwundeten und Getödteten der industriellen Armee aufzählen (siehe die alljährlichen Fabrikberichte) stammt hieher. Ebenso Mangel an Raum, Lüftung etc.
Noch Oktober 1855 beklagt sich Leonard Horner über den Widerstand sehr zahlreicher Fabrikanten gegen die gesetzlichen Bestimmungen über Schutzvorrichtungen an Horizontalwellen, trotz- dem dass die Gefahr fortwährend durch, oft tödtliche, Unfälle be- wiesen wird, und die Schutzvorrichtung weder kostspielig ist, noch den Betrieb irgendwie stört. (Rep. Fact. Oct. 1855, p. 6.) In solchem Widerstand gegen diese und andre gesetzliche Bestimmungen wurden die Fabrikanten redlich unterstützt von den unbezahlten Friedensrichtern, die, meist selbst Fabrikanten oder deren Freunde, über solche Fälle zu entscheiden hatten. Welcher Art die Ur- theile dieser Herren waren, sagte der Oberrichter Campbell mit Bezug auf eins derselben, wogegen an ihn appellirt wurde: „Dies ist nicht eine Auslegung des Parlamentsakts, es ist einfach seine Abschaffung.“ (l. c., p. 11.) — In demselben Bericht erzählt Horner, dass in vielen Fabriken die Maschinerie in Bewegung ge- setzt wird, ohne dies den Arbeitern vorher kundzugeben. Da auch an der stillstehenden Maschinerie immer etwas zu thun ist, sind dann immer Hände und Finger darin beschäftigt, und fortwährende Un- fälle entstehn aus dieser einfachen Unterlassung eines Signals. (l. c., p. 44.) Die Fabrikanten hatten damals eine Trades-Union zum Widerstand gegen die Fabrikgesetzgebung gebildet, die sogen. „National Association for the Amendment of the Factory Laws“ in Manchester, die im März 1855 vermittelst Beiträgen von 2 sh. per Pferdekraft eine Summe von über 50,000 £ aufbrachte, um hier- aus die Processkosten der Mitglieder gegen gerichtliche Klagen der Fabrikinspektoren zu bestreiten und die Processe von Vereins wegen zu führen. Es handelte sich zu beweisen, dass killing no murder ist, wenn es um des Profits willen geschieht. Der Fabrik- inspektor für Schottland, Sir John Kincaird erzählt von einer Firma in Glasgow, dass sie mit dem alten Eisen in ihrer Fabrik ihre sämmtliche Maschinerie mit Schutzvorrichtungen versah, was ihr 9 £ 1 sh. kostete. Hätte sie sich an jenen Verein angeschlossen,
so hätte sie für ihre 110 Pferdekraft 11 £ Beitrag zahlen müssen, also mehr als ihr die gesammte Schutzvorrichtung kostete. Die National Association war aber 1854 ausdrücklich gestiftet worden, um dem Gesetz zu trotzen, das solche Schutzvorrichtungen vor- schrieb. Während der ganzen Zeit von 1844—54 hatten die Fabrikanten nicht die geringste Rücksicht darauf genommen. Auf Anweisung Palmerston’s kündigten die Fabrikinspektoren den Fabrikanten jetzt an, dass nun mit dem Gesetz Ernst gemacht werden soll. Sofort stifteten die Fabrikanten ihre Association, unter deren hervorragendsten Mitgliedern viele selbst Friedens- richter waren, und in dieser Eigenschaft das Gesetz selbst anzu- wenden hatten. Als April 1855 der neue Minister des Innern, Sir George Grey, einen Vermittlungsvorschlag machte, wonach die Regierung sich mit fast nur nominellen Schutzvorrichtungen zu- frieden geben wollte, wies die Association auch dies mit Ent- rüstung zurück. Bei verschiednen Processen gab sich der berühmte Ingenieur Thomas Fairbairn dazu her, als Sachverständiger zu Gunsten der Oekonomie und verletzten Freiheit des Kapitals seinen Ruf in die Schanze zu schlagen. Der Chef der Fabrikinspektion, Leonard Horner, wurde von den Fabrikanten in jeder Weise ver- folgt und verlästert.
Die Fabrikanten ruhten jedoch nicht, bis sie ein Urtheil des Court of Queens Bench erwirkt, nach dessen Auslegung das Ge- setz von 1844 keine Schutzvorrichtungen vorschrieb bei Horizontal- wellen, die mehr als 7 Fuss über dem Boden angebracht waren, und endlich 1856 gelang es ihnen durch den Mucker Wilson Patten — einen von jenen frommen Leuten, deren zur Schau ge- tragne Religion sich stets bereit macht, den Rittern vom Geldsack zu Gefallen schmutzige Arbeit zu thun — einen Parlamentsakt durchzusetzen, mit dem sie unter den Umständen zufrieden sein konnten. Der Akt entzog thatsächlich den Arbeitern allen be- sondren Schutz, und verwies sie für Schadenersatz bei Unfällen durch Maschinerie an die gewöhnlichen Gerichte (reiner Hohn bei englischen Gerichtskosten), während er andrerseits durch eine sehr fein ausgetüftelte Vorschrift wegen der einzuhaltenden Expertise es den Fabrikanten fast unmöglich machte, den Process zu ver- lieren. Die Folge war rasche Zunahme der Unfälle. Im Halb- jahr Mai bis Oktober 1858 hatte Inspektor Baker eine Zunahme der Unfälle von 21 % allein gegen das vorige Halbjahr. 36.7 % sämmtlicher Unfälle konnten nach seiner Ansicht vermieden wer- den. Allerdings hatte 1858 und 1859 die Zahl der Unfälle sich
gegen 1845 und 1846 bedeutend vermindert, nämlich um 29 % bei einer Vermehrung der Arbeiterzahl in den der Inspektion unter- worfnen Industriezweigen um 20 %. Aber woher kam dies? So- weit der Streitpunkt bis jetzt (1865) erledigt ist, ist er haupt- sächlich erledigt worden durch die Einführung neuer Maschinerie, bei der die Schutzvorrichtungen schon von vornherein angebracht sind, und wo sie sich der Fabrikant gefallen lässt, weil sie ihm keine Extrakosten machen. Auch war es einigen Arbeitern ge- lungen, für ihre verlornen Arme schweren gerichtlichen Schaden- ersatz, und diese Urtheile bis in die höchste Instanz bestätigt zu erhalten. (Rep. Fact. 30. April 1861, p. 31, ditto April 1862, p. 17.)
Soweit über Oekonomie in den Mitteln zur Sicherung des Lebens und der Glieder der Arbeiter (worunter viele Kinder) vor den Ge- fahren, die direkt aus ihrer Verwendung bei Maschinerie entspringen.
Arbeit in geschlossnen Räumen überhaupt. — Es ist bekannt, wie sehr die Oekonomie am Raum, und daher an den Baulichkeiten, die Arbeiter in engen Lokalen zusammendrängt. Dazu kommt noch Oekonomie an den Lüftungsmitteln. Zusammen mit der längern Arbeitszeit, producirt beides grosse Vermehrung der Krankheiten der Athmungsorgane, und folglich vermehrte Sterblichkeit. Die folgenden Illustrationen sind genommen aus den Berichten über Public Health, 6th. Rep. 1863; der Bericht ist kom- pilirt von dem aus unserm Buch I wohlbekannten Dr. John Simon.
Wie es die Kombination der Arbeiter und ihre Kooperation ist, die die Anwendung der Maschinerie auf grosser Stufenleiter, die Koncentration der Produktionsmittel und die Oekonomie in ihrer Anwendung erlaubt, so ist es dies massenhafte Zusammenarbeiten in geschlossnen Räumen und unter Umständen, für die nicht die Gesundheit der Arbeiter, sondern die erleichterte Herstellung des Produkts entscheidend ist — es ist diese massenhafte Koncen- tration in derselben Werkstatt, die einerseits Quelle des wachsen- den Profits für den Kapitalisten, andrerseits aber auch, wenn nicht kompensirt sowohl durch Kürze der Arbeitszeit wie durch be- sondere Vorsichtsmassregeln, zugleich Ursache der Verschwendung des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter ist.
Dr. Simon stellt als Regel auf, die er durch massenhafte Statistik beweist: „Im Verhältniss wie die Bevölkerung einer Gegend auf gemeinschaftliche Arbeit in geschlossnen Räumen angewiesen wird, in demselben Verhältniss steigt, bei sonst gleichen Umständen, die Sterblichkeitsrate dieses Distrikts in Folge von Lungenkrankheiten“ (p. 23). Die Ursache ist die schlechte Ventilation. „Und wahr-
scheinlich gibt es in ganz England keine einzige Ausnahme von der Regel, dass in jedem Distrikt, der eine bedeutende, in ge- schlossnen Räumen betriebne Industrie besitzt, die vermehrte Sterblichkeit dieser Arbeiter hinreicht, die Sterblichkeitsstatistik des ganzen Distrikts mit einem entschiednen Ueberschuss von Lungenkrankheiten zu färben“ (p. 24).
Aus der Sterblichkeitsstatistik mit Bezug auf Industrien, die in geschlossnen Räumen betrieben werden, und die 1860 und 1861 vom Gesundheitsamt untersucht wurden, ergibt sich: auf dieselbe Zahl von Männern zwischen 15 und 55 Jahren, auf die in den englischen Ackerbaudistrikten 100 Todesfälle von Schwindsucht und andren Lungenkrankheiten kommen, ist die Zahl für eine gleiche Bevölkerungszahl von Männern: In Coventry 163 Todes- fälle von Schwindsucht, in Blackburn und Skipton 167, in Con- gleton und Bradford 168, in Leicester 171, in Leek 182, in Maccles- field 184, in Bolton 190, in Nottingham 192, in Rochdale 193, in Derby 198, in Salford und Ashton-under-Lyne 203, in Leeds 218, in Preston 220 und in Manchester 263 (p. 24). Die nach- folgende Tabelle gibt ein noch schlagenderes Beispiel. Sie gibt die Todesfälle durch Lungenkrankheiten getrennt für beide Ge- schlechter für das Alter von 15 bis 25 Jahren, und berechnet auf je 100000. Die ausgewählten Distrikte sind solche, wo nur die Frauen in der, in geschlossnen Räumen betriebnen Industrie, die Männer aber in allen möglichen Arbeitszweigen beschäftigt werden.
In den Bezirken der Seidenindustrie, wo die Betheiligung der Männer an der Fabrikarbeit grösser, ist auch ihre Sterblichkeit bedeutend. Die Sterblichkeitsrate an Schwindsucht etc. bei beiden Geschlechtern enthüllt hier, wie es in dem Bericht heisst, „die empörenden (atrocious) sanitären Umstände, unter denen ein grosser Theil unsrer Seidenindustrie betrieben wird.“ Und es ist dies dieselbe Seidenindustrie, bei der die Fabrikanten, unter Berufung auf die ausnahmsweise günstigen Gesundheitsbedingungen ihres Betriebs, ausnahmsweis lange Arbeitszeit der Kinder unter 13 Jahren, ver- langten und auch theilweis bewilligt erhielten (Buch I, Kap. VIII, 6, S. 296/286).
„Keine der bisher untersuchten Industrien hat wohl ein schlim- meres Bild geliefert als das, welches Dr. Smith von der Schnei- derei gibt … Die Werkstätten, sagt er, sind sehr verschieden in sanitärer Beziehung; aber fast alle sind überfüllt, schlecht gelüftet, und der Gesundheit in hohem Grade ungünstig … Solche Zim- mer sind nothwendig ohnehin heiss; wenn aber das Gas angesteckt wird, wie bei Tage während des Nebels und des Abends im Winter, steigt die Hitze auf 80 und selbst 90 Grad (Fahrenheit = 27—33° C.) und verursacht triefenden Schweiss und Verdich- tung des Dunstes auf den Glasscheiben, sodass das Wasser fort- während herabrieselt oder vom Oberlicht heruntertropft, und die Arbeiter gezwungen sind, einige Fenster offen zu halten, obgleich sie sich dabei unvermeidlich erkälten. — Von dem Zustand in 16 der bedeutendsten Werkstätten des Westends von London gibt er folgende Beschreibung: Der grösste Kubikraum, der in diesen schlechtgelüfteten Zimmern auf einen Arbeiter kommt, ist 270 Kubikfuss; der geringste 105 Fuss, im Durchschnitt aller nur 156 Fuss pro Mann. In einer Werkstatt, in der eine Gallerie rund herumläuft und die nur Oberlicht hat, werden von 92 bis über 100 Leute beschäftigt, eine grosse Menge Gasflammen ge- brannt; die Abtritte sind dicht daneben, und der Raum übersteigt nicht 150 Kubikfuss pro Mann. In einer andern Werkstatt, die nur als ein Hundehaus in einem von oben erhellten Hof bezeichnet, und nur durch ein kleines Dachfenster gelüftet werden kann, arbeiten 5 oder 6 Leute in einem Raum von 112 Kubikfuss per Mann.“ Und „in diesen infamen (atrocious) Werkstätten, die Dr. Smith beschreibt, arbeiten die Schneider gewöhnlich 12—13 Stun- den des Tages, und zu gewissen Zeiten wird die Arbeit während 14—16 Stunden fortgesetzt“ (p. 25, 26, 28).
(p. 30.) Es ist zu bemerken und ist in der That von John Simon, dem Chef der medicinischen Abtheilung, von dem der Be- richt ausgeht, bemerkt, dass für das Alter von 25—35 Jahren die Sterblichkeit der Schneider, Schriftsetzer und Drucker in London zu gering angegeben ist, weil in beiden Geschäftszweigen die Londoner Meister eine grosse Zahl junger Leute (wahrscheinlich bis zu 30 Jahren) vom Lande als Lehrlinge und „improvers“, d. h. zur weitern Ausbildung, erhalten. Sie vermehren die Anzahl der Beschäftigten, worauf die industriellen Sterblichkeitsraten für Lon- don berechnet werden müssen; aber sie tragen nicht in gleichem Verhältniss bei zur Anzahl der Todesfälle in London, weil ihr Aufenthalt dort nur zeitweilig ist; erkranken sie während dieser Zeit, so gehn sie aufs Land nach Hause zurück, und dort wird, wenn sie sterben, der Todesfall eingetragen. Dieser Umstand afficirt noch mehr die frühern Altersstufen, und macht die Lon- doner Sterblichkeitsraten für diese Stufen vollständig werthlos als Maßstäbe der industriellen Gesundheitswidrigkeit (p. 30).
Aehnlich wie mit den Schneidern verhält es sich mit den Schrift- setzern, bei denen zum Mangel an Ventilation, zur Pestluft u. s. w. noch Nachtarbeit hinzukommt. Ihre gewöhnliche Arbeitszeit dauert 12 bis 13 Stunden, manchmal 15 bis 16. „Grosse Hitze und Stick- luft sobald das Gas angezündet wird. . . . Es kommt nicht selten vor, dass Dünste von einer Giesserei, oder Gestank von Maschinerie oder Senkgruben aus dem untern Stockwerk heraufsteigen und die Uebel des obern Zimmers verschlimmern. Die erhitzte Luft der untern Räume heizt die obern schon durch Erwärmung des Bodens, und wenn die Räume bei grossem Gasverbrauch niedrig sind, ist dies ein grosses Uebel. Noch schlimmer ist es da, wo die Dampfkessel im untern Raum stehn und das ganze Haus mit unerwünschter Hitze füllen. . . . Im allgemeinen kann gesagt werden, dass die Lüftung durchweg mangelhaft und total ungenügend ist, um die Hitze und die Verbrennungsprodukte des Gases nach Sonnenunter- gang zu entfernen, und dass in vielen Werkstätten, besonders wo
sie früher Wohnhäuser waren, der Zustand höchst beklagenswerth ist.“ In einigen Werkstätten, besonders für Wochenzeitungen, wo ebenfalls Jungen von 12—16 Jahren beschäftigt werden, wird während zwei Tagen und einer Nacht fast ununterbrochen ge- arbeitet; während in andern Setzereien, die sich auf die Besorgung dringender Arbeit legen, auch der Sonntag dem Arbeiter keine Ruhe gibt, und seine Arbeitstage 7 statt 6 in jeder Woche be- tragen. (p. 26, 28).
Die Putzmacherinnen (milliners and dressmakers) beschäftigten uns schon in Buch I, Kap. VIII, 3, S. 249/241 mit Bezug auf Ueberarbeit. Ihre Arbeitslokale werden in unserm Bericht von Dr. Ord geschildert. Selbst wenn während des Tages besser, sind sie während der Stunden, wo Gas gebrannt wird, überhitzt, müffig (foul) und ungesund. In 34 Werkstätten der bessern Sorte fand Dr. Ord, dass die Durchschnittsanzahl von Kubikfuss Raum für je eine Arbeiterin war: „In 4 Fällen mehr als 500; in 4 andern 4—500; in 5 von 200—250; in 4 von 150—200; und endlich in 9 nur 100—150. Selbst der günstigste dieser Fälle genügt nur knapp für andauernde Arbeit, wenn das Lokal nicht vollkommen gelüftet ist. . . . Selbst mit guter Lüftung werden die Werkstätten sehr heiss und dumpfig nach Dunkelwerden wegen der vielen er- forderlichen Gasflammen.“ Und hier ist die Bemerkung Dr. Ords über eine von ihm besuchte Werkstatt der geringern, für Rechnung eines Zwischenfaktors (middleman) betriebnen Klasse: „Ein Zimmer, haltend 1280 Kubikfuss; anwesende Personen 14; Raum für jede 91.5 Kubikfuss. Die Arbeiterinnen sahen hier abgearbeitet und verkommen aus. Ihr Verdienst wurde angegeben auf 7—15 sh. die Woche, daneben den Thee … Arbeitsstunden von 8—8. Das kleine Zimmer, worin diese 14 Personen zusammengedrängt, war schlecht ventilirt. Es waren zwei bewegliche Fenster und ein Kamin, der aber verstopft war; besondre Lüftungsvorrichtungen irgend welcher Art waren nicht vorhanden.“ (p. 27.)
Derselbe Bericht bemerkt mit Bezug auf die Ueberarbeit der Putzmacherinnen: „Die Ueberarbeitung junger Frauenzimmer in fashionablen Putzmacherläden herrscht nur für ungefähr 4 Monat des Jahrs in dem monströsen Grad vor, der bei vielen Gelegen- heiten die Ueberraschung und den Unwillen des Publikums für einen Augenblick hervorgerufen hat; aber während dieser Monate wird in der Werkstatt als Regel während voller 14 Stunden täg- lich gearbeitet, und bei gehäuften eiligen Aufträgen während ganzer Tage 17—18 Stunden. Während andrer Jahreszeiten wird in der
Werkstatt wahrscheinlich 10—14 Stunden gearbeitet; die zu Hause arbeiten, sind regelmäßig 12 oder 13 Stunden am Werk. In der Konfektion von Damenmänteln, Kragen, Hemden etc., die Arbeit mit der Nähmaschine einbegriffen, sind die in der gemeinsamen Werkstatt zugebrachten Stunden weniger, meist nicht mehr als 10—12; aber, sagt Dr. Ord, „die regelmäßigen Arbeitsstunden sind in gewissen Häusern zu gewissen Zeiten bedeutender Ausdehnung unterworfen durch besonders bezahlte Ueberstunden, und in andern Häusern wird Arbeit mit nach Hause genommen, um nach der regelmäßigen Arbeitszeit fertig gemacht zu werden: Die eine wie die andre Art der Ueberarbeit, können wir hinzufügen, ist oft zwangsmäßig.“ (p. 28.) John Simon bemerkt in einer Note zu dieser Seite: „Herr Redcliffe, der Sekretär der Epidemiological Society, der besonders viel Gelegenheit hatte, die Gesundheit von Putzmacherinnen der ersten Geschäftshäuser zu prüfen, fand auf je 20 Mädchen die von sich sagten, sie seien „ganz wohl“, nur eine gesund; die übrigen zeigten verschiedne Grade physischer Kräfte- abspannung, nervöser Erschöpfung, und zahlreicher daherstammen- der Funktionsstörungen. Er gibt als Gründe an: in erster Instanz die Länge der Arbeitsstunden, die er im Minimum auf 12 täglich selbst in der stillen Jahreszeit schätzt; und zweitens „Ueberfüllung und schlechte Lüftung der Werkstätten, durch Gasflammen ver- dorbne Luft, ungenügende oder schlechte Nahrung, und Mangel an Sorge für häuslichen Komfort.“
Der Schluss zu dem der Chef des englischen Gesundheitsamts kommt, ist der, dass „es für die Arbeiter praktisch unmöglich ist, auf dem zu bestehn, was theoretisch ihr erstes Gesundheitsrecht ist: das Recht, dass, zur Vollendung welcher Arbeit ihr Beschäf- tiger sie auch zusammenbringt, diese gemeinsame Arbeit, soweit an ihm liegt und auf seine Kosten, von allen unnöthigen gesund- heitsschädlichen Umständen befreit werden soll; und dass, während die Arbeiter selbst thatsächlich nicht im Stande sind, diese sanitäre Justiz für sich selbst zu erzwingen, sie ebenso wenig, trotz der präsumirten Absicht des Gesetzgebers, irgend welchen wirksamen Beistand erwarten können von den Beamten, die die Nuisances Removal Acts durchzuführen haben.“ (p. 29.) — „Ohne Zweifel wird es einige kleine technische Schwierigkeiten machen, die ge- naue Grenze zu bestimmen, von welcher an die Beschäftiger der Regulirung unterworfen werden sollen. Aber … im Prinzip ist der Anspruch auf Gesundheitsschonung universell. Und im Interesse von Myriaden Arbeiter und Arbeiterinnen, deren Leben jetzt ohne
Noth verkümmert und verkürzt wird durch die unendlichen physi- schen Leiden, die ihre blosse Beschäftigung erzeugt, wage ich die Hoffnung auszusprechen, dass die sanitären Bedingungen der Arbeit ebenso universell unter geeigneten gesetzlichen Schutz gestellt werden; wenigstens soweit, dass die wirksame Lüftung aller ge- schlossnen Arbeitsräume sicher gestellt, und dass in jedem seiner Natur nach ungesunden Arbeitszweig die besondre gesundheits- gefährliche Einwirkung soviel wie möglich beschränkt wird.“ (p. 63.)
In seinem Bericht für Oktober 1852 citirt L. Horner einen Brief des berühmten Ingenieurs James Nasmyth von Patricroft, des Er- finders des Dampfhammers, worin es u. a. heisst:
„Das Publikum ist sehr wenig bekannt mit dem ungeheuren Zuwachs an Triebkraft, der durch solche Systemänderungen und Verbesserungen [an Dampfmaschinen] erlangt worden ist, wie die, von denen ich spreche. Die Maschinenkraft unsres Bezirks (Lan- cashire) lag unter dem Alpdruck furchtsamer und vorurtheilsvoller Ueberlieferung während fast 40 Jahren, aber jetzt sind wir glück- licherweise emancipirt. Während der letzten 15 Jahre, aber be- sonders im Lauf der letzten 4 Jahre [also seit 1848] haben einige sehr wichtige Aenderungen stattgefunden in der Betriebsweise kondensirender Dampfmaschinen … Der Erfolg war … dass dieselben Maschinen einen weit grössern Arbeitsbetrag leisteten, und das obendrein bei sehr bedeutender Verringerung des Kohlen- verbrauchs … Während sehr vieler Jahre seit der Einführung der Dampfkraft in die Fabriken dieser Bezirke war die Geschwindig- keit, mit der man kondensirende Dampfmaschinen glaubte arbeiten zu dürfen, ungefähr 220 Fuss Pistonhub per Minute; d. h. eine Maschine mit 5 Fuss Kolbenhub war schon vorschriftsmäßig auf 22 Drehungen der Kurbelwelle beschränkt. Es galt nicht für an- gemessen die Maschine rascher zu treiben; und da das ganze Geschirr dieser Geschwindigkeit von 220 Fuss Kolbenbewegung per Minute angepasst war, beherrschte diese langsame und unsinnig beschränkte Geschwindigkeit den ganzen Betrieb während vieler Jahre. Endlich aber, sei es durch glückliche Unkenntniss der Vorschrift, sei es aus bessern Gründen bei irgend einem kühnen Neuerer, wurde eine grössre Geschwindigkeit versucht und, da der Erfolg höchst günstig war,
das Beispiel von andren befolgt; man liess, wie man sagte, der Maschine die Zügel schiessen und änderte die Haupträder des Ueber- tragungsgeschirrs derart ab, dass die Dampfmaschine 300 Fuss und mehr per Minute machen konnte, während die Maschinerie auf ihrer frühern Geschwindigkeit gehalten wurde … Diese Be- schleunigung der Dampfmaschine ist jetzt fast allgemein, weil es sich zeigte, dass nicht nur aus derselben Maschine mehr verwend- bare Kraft gewonnen wurde, sondern die Bewegung auch, in Folge des grössern Moments des Schwungrads, viel regelmäßiger war. Bei gleichbleibendem Dampfdruck und gleichbleibendem Vakuum im Kondenser erhielt man mehr Kraft durch einfache Beschleunigung des Kolbenhubs. Können wir z. B. eine Dampfmaschine, die bei 200 Fuss per Minute 40 Pferdekraft gibt, durch passende Aenderung dahin bringen, dass sie, bei gleichem Dampfdruck und Vakuum, 400 Fuss per Minute macht, so werden wir genau die doppelte Kraft haben; und da Dampfdruck und Vakuum in beiden Fällen dieselben sind, so wird die Anstrengung der einzelnen Maschinen- theile, und damit die Gefahr von Unfällen mit der vermehrten Ge- schwindigkeit nicht wesentlich vermehrt. Der ganze Unterschied ist, dass wir mehr Dampf konsumiren im Verhältniss zur be- schleunigten Kolbenbewegung, oder annähernd; und ferner tritt etwas rascherer Verschleiss der Lager oder Reibungstheile ein, aber kaum der Rede werth … Aber um von derselben Maschine mehr Kraft durch beschleunigte Kolbenbewegung zu erlangen, muss mehr Kohle unter demselben Dampfkessel verbrannt, oder ein Kessel von grössrer Verdunstungsfähigkeit angewandt, kurz mehr Dampf er- zeugt werden. Dies geschah, und Kessel mit grössrer Fähigkeit der Dampferzeugung wurden bei den alten „beschleunigten“ Ma- schinen angelegt; diese lieferten so in vielen Fällen 100 % mehr Arbeit. Gegen 1842 begann die ausserordentlich wohlfeile Kraft- erzeugung der Dampfmaschinen in den Bergwerken von Cornwall Aufmerksamkeit zu erregen; die Konkurrenz in der Baumwoll- spinnerei zwang die Fabrikanten, die Hauptquelle ihres Profits in Ersparnissen zu suchen; der merkwürdige Unterschied im Kohlen- verbrauch per Stunde und Pferdekraft, den die cornischen Maschinen aufzeigten, und ebenso die ausserordentlich ökonomischen Leistungen der Woolffschen Doppelcylindermaschinen brachten auch in unsrer Gegend die Ersparung an Heizstoff in den Vordergrund. Die cornischen und die Doppelcylindermaschinen lieferten eine Pferde- kraft per Stunde für je 3½ bis 4 Pfund Kohlen, während die Ma- schinen in den Baumwolldistrikten allgemein 8 oder 12 Pfund per
Pferd und Stunde verbrauchten. Ein so bedeutender Unterschied bewog die Fabrikanten und Maschinenbauer unsers Bezirks, durch ähnliche Mittel solche ausserordentlich ökonomische Ergebnisse zu erreichen, wie sie in Cornwall und Frankreich bereits gewöhnlich waren, da dort der hohe Kohlenpreis die Fabrikanten gezwungen hatte, diesen kostspieligen Zweig ihres Geschäfts möglichst einzu- schränken. Dies führte zu sehr wichtigen Resultaten. Erstens: Viele Kessel, deren halbe Oberfläche in der guten alten Zeit hoher Profite der kalten Aussenluft ausgesetzt blieb, wurden jetzt mit dicken Filzlagen, oder Ziegeln und Mörtel, und andern Mitteln eingedeckt, wodurch die Ausstrahlung der mit so viel Kosten er- zeugten Hitze verhindert wurde. Dampfröhren wurden in derselben Weise geschützt, ebenso der Cylinder mit Filz und Holz umgeben. Zweitens kam die Anwendung des Hochdrucks. Bisher war die Sicherheitsklappe nur soweit beschwert worden, dass sie schon bei 4, 6 oder 8 ℔ Dampfdruck auf den Quadratzoll sich öffnete; jetzt fand man, dass durch Erhöhung des Drucks auf 14 oder 20 ℔ … eine sehr bedeutende Kohlenersparniss erreicht wurde; in andern Worten, die Arbeit der Fabrik wurde durch einen bedeutend ge- ringern Kohlenverbrauch geleistet … Diejenigen, die die Mittel und die Kühnheit dazu hatten, führten das System des vermehrten Drucks und der Expansion in seiner vollen Ausdehnung aus, und wandten zweckmässig konstruirte Dampfkessel an, die Dampf von einem Druck von 30, 40, 60 und 70 ℔ per Quadratzoll lieferten; ein Druck, bei dem ein Ingenieur der alten Schule vor Schrecken umgefallen wäre. Aber da das ökonomische Ergebniss dieses ge- steigerten Dampfdrucks … sich sehr bald kundgab in der nicht misszuverstehenden Form von Pfunden, Schillingen und Pence, wurden die Hochdruckkessel bei Kondensirmaschinen fast allgemein. Diejenigen, die die Reform radikal durchführten, wandten die Woolf- schen Maschinen an, und dies geschah in den meisten der neuer- dings gebauten Maschinen; nämlich die Woolfschen Maschinen mit 2 Cylindern, in deren einem der Dampf aus dem Kessel Kraft leistet vermöge des Ueberschusses des Druckes über den der Atmosphäre, worauf er dann, statt wie früher nach jedem Kolbenhub in die freie Luft zu entweichen, in einen Niederdruck-Cylinder von ungefähr vierfach grösserm Rauminhalt tritt und, nachdem er dort weitre Expansion geleistet, in den Kondensator geleitet wird. Das ökono- mische Resultat, das man bei solchen Maschinen erhält, ist die Leistung einer Pferdekraft für eine Stunde, für jede 3½—4 ℔ Kohlen; während bei den Maschinen alten Systems hierzu 12 bis
14 ℔ erforderlich waren. Eine geschickte Vorrichtung hat erlaubt, das Woolfsche System des doppelten Cylinders oder der kombi- nirten Hoch- und Niederdruck-Maschine auf schon bestehende ältere Maschinen anzuwenden, und so ihre Leistungen zu steigern bei gleichzeitig vermindertem Kohlenverbrauch. Dasselbe Resultat ist erreicht worden während der letzten 8—10 Jahre, durch Ver- bindung einer Hochdruckmaschine mit einer Kondensirmaschine, derart, dass der verbrauchte Dampf der erstern in die zweite über- ging und diese trieb. Dies System ist in vielen Fällen nützlich.
„Es würde nicht leicht möglich sein, eine genaue Aufstellung der vermehrten Arbeitsleistung derselben identischen Dampf- maschinen zu erhalten, bei denen einige oder alle dieser neuern Verbesserungen angebracht sind. Ich bin aber sicher, dass für dasselbe Gewicht Dampfmaschinerie wir jetzt mindestens 50 % mehr Dienst oder Arbeit im Durchschnitt erhalten, und dass in vielen Fällen dieselbe Dampfmaschine, die zur Zeit der beschränkten Geschwindigkeit von 220 Fuss in der Minute 50 Pferdekraft gab, jetzt über 100 liefert. Die höchst ökonomischen Resultate der Anwendung des Hochdruckdampfs bei Kondensirmaschinen, sowie die weit grössern Anforderungen, die zum Zweck von Geschäfts- ausdehnungen an die alten Dampfmaschinen gemacht werden, haben in den letzten drei Jahren zur Einführung von Röhren- kesseln geführt und hierdurch die Kosten der Dampferzeugung wieder bedeutend vermindert.“ (Rep. Fact., Oct. 1852, p. 23—27.)
Was von der Kraft erzeugenden, gilt ebenfalls von der Kraft übertragenden und von der Arbeitsmaschinerie.
„Die raschen Schritte womit die Verbesserungen in der Ma- schinerie in den letzten wenigen Jahren sich entwickelten, haben die Fabrikanten befähigt, die Produktion auszudehnen ohne zu- sätzliche Triebkraft. Die sparsamere Verwendung der Arbeit ist nothwendig geworden durch die Verkürzung des Arbeitstags, und in den meisten gutgeleiteten Fabriken wird immer erwogen, auf welchem Wege die Produktion vermehrt werden kann bei vermin- derter Auslage. Ich habe eine Aufstellung vor mir, die ich der Gefälligkeit eines sehr intelligenten Herrn in meinem Bezirk ver- danke, über die Zahl und das Alter der in seiner Fabrik beschäf- tigten Arbeiter, die angewandten Maschinen und den bezahlten Lohn, während der Zeit von 1840 bis jetzt. Im Oktober 1840 beschäftigte seine Firma 600 Arbeiter, wovon 200 unter 13 Jahren. Oktober 1852 nur 350 Arbeiter, wovon nur 60 unter 13 Jahren. Dieselbe Anzahl von Maschinen, bis auf sehr wenige, waren in
Betrieb, und dieselbe Summe wurde in Arbeitslohn ausgezahlt in beiden Jahren.“ (Redgrave’s Bericht, in Rep. Fact., Oct. 1852, p. 58.)
Diese Verbesserungen in der Maschinerie zeigen erst ihre volle Wirkung, sobald sie in neuen, zweckmäßig eingerichteten Fabrik- gebäuden aufgestellt werden.
„Mit Beziehung auf Verbesserungen in der Maschinerie muss ich bemerken, dass vor allem ein grosser Fortschritt gemacht worden ist im Bau von Fabriken, die zur Aufstellung dieser neuen Ma- schinerie geeignet sind … Im Erdgeschoss zwirne ich all mein Garn und hier allein stelle ich 29,000 Doublirspindeln auf. In diesem Zimmer und dem Schuppen allein bewirke ich eine Er- sparung an Arbeit von mindestens 10 %; nicht so sehr in Folge von Verbesserungen im Doublirsystem selbst, als von Koncen- tration der Maschinen unter einer einzigen Leitung; und ich kann dieselbe Anzahl Spindeln mit einer einzigen Triebwelle treiben, wodurch ich gegenüber andern Firmen an Wellenleitung 60 bis 80 % erspare. Ausserdem ergibt dies eine grosse Ersparniss an Oel, Fett etc. . . . kurz mit vervollkommneter Einrichtung der Fabrik und verbesserter Maschinerie, habe ich, gering gerechnet, an Arbeit 10 % gespart, und daneben grosse Ersparniss an Kraft, Kohlen, Oel, Talg, Triebwellen und Riemen etc.“ (Aussage eines Baumwollspinners, Rep. Fact., Oct. 1863, p. 110.)
Mit der kapitalistischen Produktionsweise erweitert sich die Be- nutzung der Exkremente der Produktion und Konsumtion. Unter erstern verstehn wir die Abfälle der Industrie und Agrikultur, unter letztern theils die Exkremente, die aus dem natürlichen Stoffwechsel des Menschen hervorgehn, theils die Form, worin die Verbrauchsgegenstände nach ihrem Verbrauch übrig bleiben. Ex- kremente der Produktion sind also in der chemischen Industrie die Nebenprodukte, die bei kleiner Produktionsstufe verloren gehn; die Eisenspäne die bei der Maschinenfabrikation abfallen, und wie- der als Rohstoff in die Eisenproduktion eingehn etc. Exkremente der Konsumtion sind die natürlichen Ausscheidungsstoffe der Men- schen, Kleiderreste in Form von Lumpen u. s. w. Die Exkremente der Konsumtion sind am wichtigsten für die Agrikultur. In Be- ziehung auf ihre Verwendung findet in der kapitalistischen Wirth-
schaft eine kolossale Verschwendung statt; in London z. B. weiss sie mit dem Dünger von 4½ Millionen Menschen nichts bessres anzufangen, als ihn mit ungeheuren Kosten zur Verpestung der Themse zu gebrauchen.
Die Vertheuerung der Rohstoffe bildet natürlich den Antrieb zur Vernutzung der Abfälle.
Im ganzen sind die Bedingungen dieser Wiederbenutzung: Massen- haftigkeit solcher Exkremente, die sich nur ergibt bei Arbeit auf grosser Stufenleiter; Verbesserung der Maschinerie, womit Stoffe, die in ihrer gegebnen Form früher unbrauchbar, in eine der Neuproduktion dienstbare Gestalt übergeführt werden; Fortschritt der Wissenschaft, speciell der Chemie, welche die nutzbaren Eigen- schaften solcher Abfälle entdeckt. Allerdings findet auch in der kleinen, gärtnermäßig betriebnen Agrikultur, wie etwa in der Lombardei, im südlichen China und in Japan, grosse Oekonomie dieser Art statt. Im ganzen aber ist in diesem System die Pro- duktivität der Agrikultur erkauft durch grosse Verschwendung menschlicher Arbeitskraft, die andren Sphären der Produktion entzogen wird.
Die sog. Abfälle spielen eine bedeutende Rolle in fast jeder Industrie. So wird im Fabrikbericht Dezember 1863 als einer der Hauptgründe angegeben, wesshalb sowohl in England wie in vielen Theilen von Irland die Pächter nur ungern und selten Flachs bauen: „Der grosse Abfall … der bei der Bereitung (des Flachses in den kleinen mit Wasserkraft getriebenen Hechel- fabriken (scutch mills) stattfindet … Der Abfall bei Baum- wolle ist verhältnissmäßig gering, aber bei Flachs sehr gross. Gute Behandlung beim Wasserrösten und mechanischen Hecheln kann diesen Nachtheil bedeutend einschränken … In Irland wird Flachs oft auf höchst schmähliche Weise gehechelt, sodass 28—30 % verloren gehn,“ was alles durch Anwendung von bessrer Maschinerie vermieden werden könnte. Das Werg fiel dabei so massenhaft ab, dass der Fabrikinspektor sagt: „Von einigen der Hechelfabriken in Irland ist mir mitgetheilt worden, dass die Hechler den dort gemachten Abfall oft zu Hause auf ihren Herden als Brennstoff verwandt haben, und doch ist er sehr werthvoll.“ (l. c. p. 140.) Von Baumwollabfall wird weiter unten die Rede sein, wo wir von den Preisschwankungen des Rohstoffs handeln.
Die Wollenindustrie war gescheiter als die Flachsbereitung. „Es war früher gewöhnlich, die Zubereitung von Wollenabfall
und wollnen Lumpen zu wiederholter Bearbeitung in Verruf zu erklären, aber das Vorurtheil hat sich vollständig gelegt mit Be- ziehung auf den shoddy trade (Kunstwoll-Industrie) die ein wich- tiger Zweig des Wollendistrikts von Yorkshire geworden ist, und ohne Zweifel wird auch das Geschäft in Baumwollabfall bald den- selben Platz einnehmen als ein Geschäftszweig, der einem aner- kannten Bedürfniss abhilft. Vor 30 Jahren waren wollne Lumpen, d. h. Stücke von ganz wollnem Tuch etc. im Durchschnitt etwa 4 £ 4 sh. per Tonne werth; in den letzten paar Jahren sind sie 44 £ per Tonne werth geworden. Und die Nachfrage ist so ge- stiegen, dass auch gemischte Gewebe aus Wolle und Baumwolle vernutzt werden, indem man Mittel gefunden hat die Baumwolle zu zerstören, ohne der Wolle zu schaden; und jetzt sind tausende von Arbeitern in der Fabrikation von Shoddy beschäftigt, und der Konsument hat grossen Vortheil davon, indem er jetzt Tuch von guter Durchschnittsqualität zu einem sehr mäßigen Preis kaufen kann.“ (Rep. Fact., Dec. 1863, p. 107.) Die so verjüngte Kunst- wolle betrug schon Ende 1862 ein drittel des ganzen Wollver- brauchs der englischen Industrie. (Rep. Fact., Oct. 1862, p. 81.) Der „grosse Vortheil“ für den „Konsumenten“ besteht darin, dass seine Wollkleider nur ein drittel der frühern Zeit brauchen, um zu verschleissen, und ein sechstel um fadenscheinig zu werden.
Die englische Seidenindustrie bewegte sich auf derselben ab- schüssigen Bahn. Von 1839—62 hatte der Verbrauch von wirk- licher Rohseide sich etwas vermindert, dagegen der von Seiden- abfällen verdoppelt. Mit verbesserter Maschinerie war man im Stand aus diesem, anderswo ziemlich werthlosen, Stoff eine zu vielen Zwecken verwendbare Seide zu fabriciren.
Das schlagendste Beispiel von Verwendung von Abfällen liefert die chemische Industrie. Sie verbraucht nicht nur ihre eignen Abfälle, indem sie neue Verwendung dafür findet, sondern auch diejenigen der verschiedenartigsten andern Industrien, und ver- wandelt z. B. den früher fast nutzlosen Gastheer in Anilinfarben, Krappfarbstoff (Alizarin), und neuerdings auch in Medikamente.
Von dieser Oekonomie der Exkremente der Produktion, durch ihre Wiederbenutzung, ist zu unterscheiden die Oekonomie bei der Erzeugung von Abfall, also die Reduktion der Produktionsexkre- mente auf ihr Minimum, und die unmittelbare Vernutzung, bis zum Maximum, aller in die Produktion eingehenden Roh- und Hülfsstoffe.
Die Ersparung von Abfall ist zum Theil durch die Güte der angewandten Maschinerie bedingt. Oel, Seife etc. wird gespart
im Verhältniss wie die Maschinentheile genauer gearbeitet und besser polirt sind. Dies bezieht sich auf die Hülfsstoffe. Z. Th. aber, und dies ist das wichtigste, hängt es von der Güte der an- gewandten Maschinen und Werkzeuge ab, ob ein grössrer oder geringrer Theil des Rohstoffs im Produktionsprocess sich in Abfall verwandelt. Endlich hängt dies ab von der Güte des Rohstoffs selbst. Diese ist wieder bedingt theils durch die Entwicklung der extraktiven Industrie und Agrikultur, die ihn erzeugt (von dem Fortschritt der Kultur im eigentlichen Sinn), theils von der Aus- bildung der Processe, die der Rohstoff vor seinem Eintritt in die Manufaktur durchmacht.
„Parmentier hat bewiesen, dass seit einer nicht sehr entfernten Epoche, z. B. der Zeit Ludwig XIV., die Kunst Korn zu mahlen in Frankreich sehr bedeutend vervollkommnet worden ist, sodass die neuen Mühlen, gegenüber den alten, aus derselben Menge Korn bis zur Hälfte mehr Brod liefern können. Man hat in der That für die jährliche Konsumtion eines Einwohners von Paris anfangs 4 setiers Korn, dann 3, endlich 2 gerechnet, während sie heutzutage nur noch 1⅓ setier oder ungefähr 342 ℔ per Kopf ist … In der Perche, wo ich lange gewohnt habe, sind plump konstruirte Mühlen, die Mühlsteine von Granit und Trapp hatten, nach den Regeln der seit 30 Jahren so sehr fortgeschrittnen Mechanik umgebaut worden. Man hat sie mit guten Mühlsteinen von La Ferté versehn, man hat das Korn zweimal ausgemahlen, man hat dem Mahlbeutel eine kreisförmige Bewegung gegeben, und das Produkt an Mehl hat sich für dieselbe Menge Korn um ⅙ vermehrt. Ich erkläre mir also leicht das enorme Missverhält- niss zwischen dem täglichen Kornverbrauch bei den Römern und bei uns; der ganze Grund liegt einfach in der Mangelhaftigkeit der Verfahrungsweisen beim Mahlen und bei der Brodbereitung. So muss ich auch eine merkwürdige Thatsache erklären, die Plinius XVIII, c. 20, 2 anführt … „Das Mehl wurde in Rom verkauft, je nach Qualität, zu 40, 48, oder 96 Ass der Modius. Diese Preise, so hoch im Verhältniss zu den gleichzeitigen Korn- preisen, erklären sich aus den damals noch in der Kindheit befind- lichen, unvollkommnen Mühlen, und den daraus folgenden be- trächtlichen Mahlkosten.“ (Dureau de la Malle, Econ. Pol. des Romains. Paris 1840. I, p. 280.)
Diese Ersparungen in Anwendung des fixen Kapitals sind wie gesagt das Resultat davon, dass die Arbeitsbedingungen auf grosser Stufenleiter angewandt werden, kurz, dass sie dienen als Be- dingungen unmittelbar gesellschaftlicher, vergesellschafteter Arbeit, oder der unmittelbaren Kooperation innerhalb des Produktions- processes. Es ist dies einestheils die Bedingung, worunter allein die mechanischen und chemischen Erfindungen angewandt werden können ohne den Preis der Waare zu vertheuern, und dies ist immer die conditio sine qua non. Anderntheils werden erst bei grosser Stufenleiter der Produktion die Oekonomien möglich, die aus der gemeinschaftlichen produktiven Konsumtion hervorfliessen. Endlich aber entdeckt und zeigt erst die Erfahrung des kombinirten Arbeiters, wo und wie zu ökonomisiren, wie die bereits gemachten Entdeckungen am einfachsten auszuführen, welche praktischen Friktionen bei Ausführung der Theorie — ihrer Anwendung auf den Produktionsprocess — zu überwinden u. s. w.
Nebenbei bemerkt, ist zu unterscheiden zwischen allgemeiner Arbeit und gemeinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produk- tionsprocess ihre Rolle, beide gehn in einander über, aber beide unterscheiden sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaft- liche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt theils durch Kooperation mit Lebenden, theils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen.
Das Obengesagte erhält neue Bestätigung durch das oft Beob- achtete:
1) Den grossen Unterschied in den Kosten zwischen dem ersten Bau einer neuen Maschine und ihrer Reproduktion, worüber Ure und Babbage nachzusehn.
2) Die viel grössern Kosten, womit überhaupt ein auf neuen Er- findungen beruhendes Etablissement betrieben wird, verglichen mit den spätern, auf seinen Ruinen, ex suis ossibus aufsteigenden Etablissements. Dies geht soweit, dass die ersten Unternehmer meist Bankrott machen und erst die spätern, in deren Hand Ge- bäude, Maschinerie etc. wohlfeiler kommen, floriren. Es ist daher meist die werthloseste und miserabelste Sorte von Geldkapitalisten, die aus allen neuen Entwicklungen der allgemeinen Arbeit des menschlichen Geistes und ihrer gesellschaftlichen Anwendung durch kombinirte Arbeit den grössten Profit zieht.
Es wird hier wie bisher vorausgesetzt, dass kein Wechsel in der Rate des Mehrwerths stattfindet. Diese Voraussetzung ist nöthig, um den Fall in seiner Reinheit zu untersuchen. Es wäre indess möglich, bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths, dass ein Kapital eine wachsende oder abnehmende Zahl von Arbeitern be- schäftigte, in Folge der Kontraktion oder Expansion, welche die hier zu betrachtenden Preisschwankungen des Rohstoffs bei ihm verursachte. In diesem Fall könnte die Masse des Mehrwerths wechseln bei konstanter Rate des Mehrwerths. Indess ist auch dies als ein Zwischenfall hier zu beseitigen. Wenn Verbesserung der Maschinerie und Preisänderung des Rohstoffs gleichzeitig wirken, sei es auf die Masse der von einem gegebnen Kapital be- schäftigten Arbeiter, oder auf die Höhe des Arbeitslohns, so hat man bloss zusammenzustellen 1) die Wirkung, welche die Varia- tion im konstanten Kapital auf die Profitrate hervorbringt, 2) die Wirkung, welche die Variation im Arbeitslohn auf die Profit- rate hervorbringt; das Facit ergibt sich dann von selbst.
Es ist aber im allgemeinen hier zu bemerken, wie bei dem frühern Fall: Finden Variationen statt, sei es in Folge von Oeko- nomie des konstanten Kapitals, sei es in Folge von Preisschwan- kungen des Rohstoffs, so afficiren sie stets die Profitrate, auch wenn sie den Arbeitslohn, also die Rate und Masse des Mehr- werths, ganz unberührt lassen. Sie ändern in m' die Grösse von C und damit den Werth des ganzen Bruchs. Es ist also auch hier ganz gleichgültig — im Unterschied von dem, was sich bei der Betrachtung des Mehrwerths zeigte — in welchen Produktions- sphären diese Variationen vorgehn; ob die von ihnen berührten In- dustriezweige Lebensmittel für die Arbeiter, resp. konstantes Kapital zur Produktion solcher Lebensmittel, produciren oder nicht. Das hier Entwickelte gilt ebensowohl, wo die Variationen sich in Luxusproduktionen ereignen, und unter Luxusprodukt ist hier alle Produktion zu verstehn, die nicht zur Reproduktion der Arbeits- kraft erheischt ist.
Unter Rohstoff werden hier auch die Hülfsstoffe einbegriffen, wie Indigo, Kohle, Gas etc. Ferner, soweit die Maschinerie in
dieser Rubrik in Betracht kommt, besteht ihr eigner Rohstoff aus Eisen, Holz, Leder etc. Ihr eigner Preis ist daher afficirt durch die Preisschwankungen des Rohmaterials, das in ihre Konstruktion eingeht. Sofern ihr Preis erhöht wird durch Preisschwankungen, sei es des Rohstoffs, woraus sie besteht, sei es des Hülfsstoffs, den ihr Betrieb verbraucht, fällt pro tanto die Profitrate. Umgekehrt, umgekehrt.
In den folgenden Untersuchungen wird man sich beschränken auf Preisschwankungen des Rohstoffs, nicht soweit er eingeht, sei es als Rohstoff der Maschinerie, die als Arbeitsmittel fungirt, sei es als Hülfsstoff in ihrer Anwendung, sondern soweit er als Roh- stoff in den Produktionsprocess der Waare eingeht. Nur dies ist hier zu merken: Der Naturreichthum an Eisen, Kohle, Holz etc., den Hauptelementen in der Konstruktion und Anwendung von Maschinerie, erscheint hier als naturwüchsige Fruchtbarkeit des Kapitals, und ist ein Element in der Bestimmung der Profitrate, unabhängig von der Höhe oder Niedrigkeit des Arbeitslohns.
Da die Profitrate oder = , so ist klar, dass alles, was einen Wechsel in der Grösse von c und deswegen von C ver- ursacht, ebenfalls einen Wechsel in der Profitrate hervorbringt, auch wenn m und v und ihr gegenseitiges Verhältniss unverändert bleiben. Der Rohstoff bildet aber einen Haupttheil des konstanten Kapitals. Selbst in Industriezweigen, worin kein eigentlicher Roh- stoff eingeht, geht er ein als Hülfsstoff oder als Bestandtheil der Maschine u. s. w., und beeinflussen dadurch seine Preisschwankungen pro tanto die Profitrate. Fällt der Preis des Rohstoffs um eine Summe = d, so geht oder über in oder . Es steigt daher die Profitrate. Umgekehrt. Steigt der Preis des Rohstoffs, so wird aus oder nun oder ; es fällt daher die Profitrate. Bei sonst gleichen Umständen fällt und steigt die Profitrate daher in umgekehrter Richtung wie der Preis des Rohstoffs. Es ergibt sich hieraus u. a., wie wichtig für in- dustrielle Länder der niedrige Preis des Rohstoffs ist, selbst wenn die Schwankungen im Preis des Rohstoffs durchaus nicht begleitet wären von Aenderungen in der Verkaufssphäre des Produkts, also ganz abgesehn von dem Verhältniss von Nachfrage und Zu- fuhr. Es ergibt sich ferner, dass der auswärtige Handel die Profit- rate beeinflusst, auch abgesehn von aller Einwirkung desselben auf den Arbeitslohn durch Verwohlfeilerung der nothwendigen
Lebensmittel. Er afficirt nämlich die Preise der in die Industrie oder Agrikultur eingehenden Roh- oder Hülfsstoffe. Der bisher noch durchaus mangelhaften Einsicht in die Natur der Profitrate und in ihre specifische Verschiedenheit von der Rate des Mehr- werths ist es geschuldet, wenn einerseits Oekonomen, die den durch praktische Erfahrung festgestellten, bedeutenden Einfluss der Preise des Rohstoffs auf die Profitrate hervorheben, dies theoretisch ganz falsch erklären (Torrens), während andrerseits an den allge- meinen Principien festhaltende Oekonomen wie Ricardo den Ein- fluss z. B. des Welthandels auf die Profitrate verkennen.
Man begreift daher die grosse Wichtigkeit, für die Industrie, von Aufhebung oder Ermäßigung der Zölle auf Rohstoffe; diese möglichst frei hereinzulassen, war daher schon Hauptlehre des rationeller entwickelten Schutzzollsystems. Dies war, neben der Abschaffung der Kornzölle, Hauptaugenmerk der englischen Free- traders, die vor allem sorgten, dass auch der Zoll auf Baumwolle abgeschafft wurde.
Als ein Beispiel von der Wichtigkeit der Preiserniedrigung, nicht eines eigentlichen Rohstoffs, sondern eines Hülfsstoffs, der allerdings zugleich Hauptelement der Nahrung ist, kann der Ge- brauch des Mehls in der Baumwollindustrie dienen. Schon 1837 berechnete R. H. Greg(FN13), dass die damals in Grossbritannien be- triebnen 100000 Kraftstühle und 250000 Handstühle der Baum- wollweberei jährlich 41 Millionen ℔ Mehl zum Kettenschlichten verbrauchten. Dazu kam noch ein drittel dieser Quantität beim Bleichen und andern Processen. Den Gesammtwerth des so ver- brauchten Mehls berechnet er auf 342,000 £ jährlich für die letzten 10 Jahre. Der Vergleich mit den Mehlpreisen auf dem Kontinent zeigte, dass der durch die Kornzölle den Fabrikanten aufgenöthigte Preisaufschlag für Mehl allein jährlich 170000 £ betragen hatte. Für 1837 schätzt ihn Greg auf mindestens 200000 £, und spricht von einer Firma, für die der Preisaufschlag auf Mehl 1000 £ jährlich betrug. In Folge hiervon „haben grosse Fabrikanten, sorgfältige und berechnende Geschäftsmänner, gesagt, dass 10 Stunden tägliche Arbeit ganz hinreichend sein würden, wären die Kornzölle abgeschafft.“ (Rep. Fact., Oct. 1848, p. 98.) Die Kornzölle wurden abgeschafft; ausserdem der Zoll auf Baumwolle und andre Rohstoffe; aber kaum war dies erreicht,
so wurde die Opposition der Fabrikanten gegen die Zehnstunden- bill heftiger als je. Und als die zehnstündige Fabrikarbeit trotz- dem gleich darauf Gesetz wurde, war die erste Folge ein Versuch allgemeiner Herabsetzung des Lohns.
Der Werth der Roh- und Hülfsstoffe geht ganz und auf einmal in den Werth des Produkts ein, wozu sie verbraucht werden, während der Werth der Elemente des fixen Kapitals nur nach Maßgabe seines Verschleisses, also nur allmälig in das Produkt eingeht. Es folgt daraus, dass der Preis des Produkts in einem viel höhern Grad afficirt wird vom Preis des Rohmaterials als von dem des fixen Kapitals, obwohl die Profitrate bestimmt wird durch die Gesammtwerthsumme des angewandten Kapitals, einerlei, wie viel davon konsumirt ist oder nicht. Es ist aber klar — obgleich dies nur nebenbei erwähnt wird, da wir hier noch voraussetzen, dass die Waaren zu ihrem Werth verkauft werden, die durch die Konkurrenz herbeigeführten Preisschwankungen uns also hier noch nichts angehn — dass Ausdehnung oder Einschränkung des Markts vom Preis der einzelnen Waare abhängt, und in umgekehrtem Ver- hältniss zum Steigen oder Fallen dieses Preises steht. In der Wirklichkeit findet sich daher auch, dass mit steigendem Preis des Rohstoffs der Preis des Fabrikats nicht in demselben Ver- hältniss steigt wie jener, und bei fallendem Preis des Rohstoffs nicht in demselben Verhältniss sinkt. Daher fällt in dem einen Fall die Profitrate tiefer, und steigt in dem andern höher, als bei Verkauf der Waaren zu ihrem Werth der Fall wäre.
Ferner: Masse und Werth der angewandten Maschinerie wächst mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, aber nicht im selben Verhältniss wie diese Produktivkraft wächst, d. h. wie diese Maschinerie ein vermehrtes Produkt liefert. In den Industrie- zweigen also, worin überhaupt Rohstoff eingeht, d. h. wo der Arbeitsgegenstand selbst schon Produkt früherer Arbeit ist, drückt sich die wachsende Produktivkraft der Arbeit gerade in dem Ver- hältniss aus, worin ein grösseres Quantum Rohstoff ein bestimmtes Quantum Arbeit absorbirt, also in der wachsenden Masse Rohstoff, die z. B. in einer Arbeitsstunde in Produkt verwandelt, zu Waare verarbeitet wird. Im Verhältniss also wie die Produktivkraft der Arbeit sich entwickelt, bildet der Werth des Rohstoffs einen stets wachsenden Bestandtheil des Werths des Waarenprodukts, nicht nur weil er ganz in diesen eingeht, sondern weil in jedem aliquoten Theil des Gesammtprodukts der Theil, den der Verschleiss der Maschinerie, und der Theil, den die neu zugesetzte Arbeit bildet,
beide beständig abnehmen. In Folge dieser fallenden Bewegung wächst verhältnissmäßig der andre Werththeil, den der Rohstoff bildet, wenn dies Wachsthum nicht aufgehoben wird durch eine entsprechende Werthabnahme auf Seiten des Rohstoffs, die aus der wachsenden Produktivität der zu seiner eignen Erzeugung an- gewandten Arbeit hervorgeht.
Ferner: Da die Roh- und Hülfsstoffe, ganz wie der Arbeitslohn, Bestandtheile des cirkulirenden Kapitals bilden, also beständig ganz ersetzt werden müssen aus dem jedesmaligen Verkauf des Produkts, während von der Maschinerie nur der Verschleiss, und zwar zunächst in Form eines Reservefonds, zu ersetzen ist — wobei es in der That keineswegs so wesentlich ist, ob jeder einzelne Verkauf seinen Theil zu diesem Reservefonds beiträgt, vorausgesetzt nur, dass der ganze Jahresverkauf seinen Jahresantheil dazu liefert — so zeigt sich hier wieder, wie ein Steigen im Preis des Rohstoffs den ganzen Reproduktionsprocess beschneiden oder hemmen kann, in- dem der aus dem Waarenverkauf gelöste Preis nicht hinreicht, alle Elemente der Waare zu ersetzen; oder indem er es unmög- lich macht, den Process auf einer, seiner technischen Grundlage gemäßen Stufe fortzusetzen, sodass also entweder nur ein Theil der Maschinerie beschäftigt werden, oder die gesammte Maschinerie nicht die volle gewohnheitsmäßige Zeit arbeiten kann.
Endlich wechseln die durch Abfälle verursachten Kosten in direktem Verhältniss zu den Preisschwankungen des Rohstoffs, steigen wenn er steigt und fallen wenn er fällt. Aber auch hier gibt es eine Grenze. 1850 hiess es noch: „Eine Quelle beträcht- lichen Verlustes aus der Preissteigerung des Rohstoffs würde kaum jemandem auffallen, der kein praktischer Spinner ist, nämlich der Verlust durch Abfall. Man theilt mir mit, dass, wenn Baumwolle steigt, die Kosten für den Spinner, besonders der geringern Quali- täten, in höherm Verhältniss wachsen als der gezahlte Preisauf- schlag anzeigt. Der Abfall beim Spinnen grober Garne beträgt reichlich 15 %; wenn dieser Satz also einen Verlust von ½ d. per ℔ bei einem Baumwollpreis von 3½ d. verursacht, so steigert er den Verlust per ℔ auf 1 d., sobald Baumwolle auf 7 d. per ℔ steigt.“ (Rep. Fact., April 1850, p. 17.) — Als aber in Folge des amerikanischen Bürgerkriegs die Baumwolle auf, seit fast 100 Jahren unerhörte, Preise stieg, lautete der Bericht ganz anders: „Der Preis der jetzt für Baumwollabfall gegeben wird, und die Wiedereinführung des Abfalls in die Fabrik als Rohstoff, bieten einigen Ersatz für den Unterschied, im Verlust durch Abfall,
zwischen indischer und amerikanischer Baumwolle. Dieser Unter- schied beträgt ungefähr 12½ %. Der Verlust bei Verarbeitung indischer Baumwolle ist 25 %, sodass die Baumwolle in Wirk- lichkeit dem Spinner ¼ mehr kostet als er für sie zahlt. Der Verlust durch Abfall war nicht so wichtig, als amerikanische Baumwolle auf 5 oder 6 d. per ℔ stand, denn er überstieg nicht ¾ d. per ℔; aber er ist jetzt sehr wichtig, wo das ℔ Baumwolle 2 sh. kostet und der Verlust durch Abfall also 6 d. beträgt.(FN14) (Rep. Fact., Oct. 1863, p. 106.)
Die Phänomene, die wir in diesem Kapitel untersuchen, setzen zu ihrer vollen Entwicklung das Kreditwesen und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt voraus, der überhaupt die Basis und die Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise bildet. Diese konkreteren Formen der kapitalistischen Produktion können aber nur umfassend dargestellt werden, nachdem die allgemeine Natur des Kapitals begriffen ist; zudem liegt ihre Darstellung ausser dem Plan unsers Werks und gehört seiner etwaigen Fort- setzung an. Nichtsdestoweniger können die in der Ueberschrift bezeichneten Erscheinungen hier im allgemeinen behandelt werden. Sie hängen zusammen, erstens unter einander, und zweitens sowohl mit der Rate, wie mit der Masse des Profits. Sie sind auch schon desswegen kurz darzustellen, weil sie den Schein hervorbringen, als ob nicht nur die Rate, sondern auch die Masse des Profits — die in der That identisch ist mit der Masse des Mehrwerths — ab- und zunehmen kann unabhängig von den Bewegungen des Mehrwerths, sei es seiner Masse oder seiner Rate.
Sind Freisetzung und Bindung von Kapital auf der einen Seite, Werthsteigerung und Entwerthung auf der andern, als verschiedne Phänomene zu betrachten?
Es fragt sich zunächst: was verstehn wir unter Freisetzung und Bindung von Kapital? Werthsteigerung und Entwerthung ver- stehn sich von selbst. Sie meinen nichts, als dass vorhandnes Kapital in Folge irgend welcher allgemeinen ökonomischen Um- stände — denn es handelt sich nicht um besondre Schicksale eines beliebigen Privatkapitals — an Werth zu- oder abnimmt; also dass der Werth des der Produktion vorgeschossnen Kapitals, abgesehn von seiner Verwerthung durch die von ihm angewandte Mehrarbeit, steigt oder fällt.
Unter Bindung von Kapital verstehn wir, dass aus dem Ge- sammtwerth des Produkts bestimmte gegebne Proportionen von neuem in die Elemente des konstanten oder variablen Kapitals rückverwandelt werden müssen, soll die Produktion auf ihrer alten Stufenleiter fortgehn. Unter Freisetzung von Kapital verstehn wir, dass ein Theil vom Gesammtwerth des Produkts, der bisher entweder in konstantes oder variables Kapital rückverwandelt wer- den musste, disponibel und überschüssig wird, soll die Produktion innerhalb der Schranken der alten Stufenleiter fortdauern. Diese Freisetzung oder Bindung von Kapital ist verschieden von Frei- setzung oder Bindung von Revenue. Wenn der jährliche Mehr- werth für ein Kapital C z. B. = x ist, so kann in Folge der Verwohlfeilerung von Waaren, die in den Konsum der Kapitalisten eingehn, x — a. hinreichen, um dieselbe Masse Genüsse etc. wie früher zu schaffen. Es wird also ein Theil der Revenue = a frei- gesetzt, der nun entweder zur Vergrösserung des Konsums oder zur Rückverwandlung in Kapital (zur Akkumulation) dienen kann. Umgekehrt: Ist x + a erheischt, um dieselbe Lebensweise fortzu- führen, so muss diese entweder eingeschränkt werden, oder ein Einkommentheil = a, der früher akkumulirt wurde, muss nun als Revenue verausgabt werden.
Die Werthsteigerung und Entwerthung kann entweder kon- stantes oder variables Kapital, oder beide treffen, und beim kon- stanten Kapital kann sie wieder auf den fixen, oder den cirkuliren- den Theil, oder auf beide sich beziehn.
Es sind beim konstanten Kapital zu betrachten: Roh- und Hülfsstoffe, wozu auch Halbfabrikate gehören, die wir hier unter dem Namen Rohstoffe zusammenfassen, und Maschinerie und andres fixes Kapital.
Es wurde oben namentlich Variation im Preis resp. Werth des Rohstoffs mit Bezug auf seinen Einfluss auf die Profitrate be- trachtet, und das allgemeine Gesetz aufgestellt, dass bei sonst
gleichen Umständen die Profitrate im umgekehrten Verhältniss zur Werthhöhe des Rohstoffs steht. Und dies ist unbedingt richtig für das Kapital, das neu in einem Geschäft engagirt wird, wo also die Kapitalanlage, die Verwandlung von Geld in produktives Kapital, erst stattfindet.
Aber abgesehn von diesem in der Neuanlage begriffnen Kapital, befindet sich ein grosser Theil des schon fungirenden Kapitals in der Cirkulationssphäre, während ein andrer Theil sich in der Pro- duktionssphäre befindet. Ein Theil ist als Waare auf dem Markt vorhanden und soll in Geld verwandelt werden; ein andrer Theil ist als Geld, in welcher Form immer, vorhanden und soll in die Produktionsbedingungen rückverwandelt werden; ein dritter Theil endlich befindet sich innerhalb der Produktionssphäre, theils in der ursprünglichen Form der Produktionsmittel, Rohstoff, Hülfsstoff, auf dem Markt gekauftes Halbfabrikat, Maschinerie und andres fixes Kapital, theils als noch in der Anfertigung begriffnes Produkt. Wie Werthsteigerung oder Entwerthung hier wirkt, hängt sehr ab von der Proportion, worin diesc Bestandtheile zu einander stehn. Lassen wir, zur Vereinfachung der Frage, alles fixe Kapital zunächst ganz aus dem Spiel, und betrachten wir nur den aus Rohstoffen, Hülfstoffen, Halbfabrikaten, in der Anfertigung be- griffnen und fertigen auf dem Markt befindlichen Waaren bestehen- den Theil des konstanten Kapitals.
Steigt der Preis des Rohstoffs, z. B. der Baumwolle, so steigt auch der Preis der Baumwollenwaaren — der Halbfabrikate, wie Garn, und der fertigen Waaren, wie Gewebe etc. — die mit wohl- feilerer Baumwolle fabricirt wurden; ebenso steigt der Werth der noch nicht verarbeiteten, auf Lager vorhandnen, wie der noch in der Verarbeitung begriffnen Baumwolle. Letztre, weil sie durch Rückwirkung Ausdruck von mehr Arbeitszeit wird, setzt dem Produkt, worin sie als Bestandtheil eingeht, höhern Werth zu als sie selbst ursprünglich besass, und als der Kapitalist für sie ge- zahlt hat.
Ist also eine Erhöhung im Preis des Rohstoffs begleitet von einer bedeutenden Masse auf dem Markt vorhandner fertiger Waare, auf welcher Stufe der Vollendung immer, so steigt der Werth dieser Waare, und es findet damit eine Erhöhung im Werth des vorhandnen Kapitals statt. Dasselbe gilt für die in der Hand der Producenten befindlichen Vorräthe an Rohstoff etc. Diese Werth- steigerung kann den einzelnen Kapitalisten, oder auch eine ganze besondre Produktionssphäre des Kapitals, entschädigen oder mehr
als entschädigen für den Fall der Profitrate, der aus der Preis- steigerung des Rohstoffs folgt. Ohne hier auf die Details der Konkurrenzwirkungen einzugehn, kann jedoch der Vollständigkeit wegen bemerkt werden, dass 1) wenn die auf Lager befindlichen Vorräthe von Rohstoff bedeutend sind, sie der am Produktionsherd des Rohstoffs entstandnen Preissteigerung entgegenwirken; 2) wenn die auf dem Markt befindlichen Halbfabrikate oder fertigen Waaren sehr schwer auf dem Markt lasten, sie den Preis der fertigen Waaren und des Halbfabrikats hindern, im Verhältniss zum Preis ihres Rohstoffs zu wachsen.
Umgekehrt beim Preisfall des Rohstoffs, der bei sonst gleichen Umständen die Profitrate erhöht. Die auf dem Markt befindlichen Waaren, die noch in der Anfertigung begriffnen Artikel, die Vor- räthe von Rohstoff werden entwerthet, und damit der gleichzeitigen Steigerung der Profitrate entgegengewirkt.
Je geringer z. B. am Ende des Geschäftsjahrs, zur Zeit wo der Rohstoff massenhaft neu geliefert wird, also bei Ackerbauprodukten nach der Ernte, die in der Produktionssphäre und auf dem Markt befindlichen Vorräthe, desto reiner tritt die Wirkung einer Preis- veränderung im Rohstoff hervor.
In unsrer ganzen Untersuchung wird ausgegangen von der Vor- aussetzung, dass Erhöhung oder Erniedrigung der Preise Ausdrücke von wirklichen Werthschwankungen sind. Da es sich hier aber um die Wirkung handelt, die diese Preisschwankungen auf die Profitrate hervorbringen, so ist es in der That gleichgültig, worin sie begründet sind; das hier Entwickelte gilt also ebenfalls, wenn die Preise steigen und fallen in Folge, nicht von Werthschwankungen sondern von Einwirkungen des Kreditsystems, der Konkurrenz etc.
Da die Profitrate gleich ist dem Verhältniss des Ueberschusses des Werths des Produkts zum Werth des vorgeschossnen Gesammt- kapitals, so wäre eine Erhöhung der Profitrate, die aus einer Ent- werthung des vorgeschossnen Kapitals hervorginge, mit Verlust an Kapitalwerth verbunden, ebenso eine Erniedrigung der Profit- rate, die aus Werthsteigerung des vorgeschossnen Kapitals hervor- ginge, möglicherweise mit Gewinn.
Was den andern Theil des konstanten Kapitals angeht, Maschi- nerie und überhaupt fixes Kapital, so sind die Werthsteigerungen, die hier stattfinden, und sich namentlich auf Baulichkeiten, auf Grund und Boden etc. beziehn, nicht darstellbar ohne die Lehre von der Grundrente, und gehören daher nicht hierher. Für die Entwerthung aber sind von allgemeiner Wichtigkeit:
1) Die beständigen Verbesserungen, welche vorhandne Maschi- nerie, Fabrikeinrichtung u. s. w., relativ ihres Gebrauchswerths und damit auch ihres Werths berauben. Dieser Process wirkt gewalt- sam namentlich in der ersten Epoche neu eingeführter Maschinerie, bevor diese einen bestimmten Grad der Reife erlangt hat, und wo sie daher beständig antiquirt ist, bevor sie Zeit hatte, ihren Werth zu reproduciren. Es ist dies einer der Gründe der in solchen Epochen üblichen, maßlosen Verlängerung der Arbeitszeit, des Arbeitens mit wechselnder Schicht bei Tag und bei Nacht, damit in kürzerm Zeitraum, ohne den Verschleiss der Maschinerie zu hoch zu berechnen, ihr Werth sich reproducirt. Wird dagegen kurze Wirkungszeit der Maschinerie (ihre kurze Lebensfrist gegenüber voraussichtlichen Verbesserungen) nicht so ausgeglichen, so gibt sie zu viel Werththeil für moralischen Verschleiss an das Produkt ab, sodass sie selbst mit der Handarbeit nicht konkurriren kann.(FN15)
Wenn Maschinerie, Einrichtung der Baulichkeiten, überhaupt das fixe Kapital, eine gewisse Reife erlangt hat, sodass es für längre Zeit wenigstens in seiner Grundkonstruktion unverändert bleibt, so tritt eine ähnliche Entwerthung ein in Folge von Ver- besserungen in den Methoden der Reproduktion dieses fixen Kapitals. Der Werth der Maschinerie etc. sinkt jetzt, nicht weil sie rasch verdrängt, oder in gewissem Grad entwerthet wird durch neuere, produktivere Maschinerie etc., sondern weil sie jetzt wohlfeiler reproducirt werden kann. Es ist dies einer der Gründe, warum grosse Geschäftsanlagen oft erst in zweiter Hand floriren, nachdem der erste Besitzer bankrott gemacht, und der zweite, der sie wohl- feil angekauft, desshalb von vornherein seine Produktion mit ge- ringrer Kapitalauslage beginnt.
Bei der Agrikultur speciell springt in die Augen, dass dieselben Gründe, die den Preis des Produkts erhöhen oder senken, auch den Werth des Kapitals erhöhen oder senken, weil dies selbst zum grossen Theil aus jenem Produkt, Korn, Vieh etc. besteht. (Ricardo.)
Es wäre nun noch zu erwähnen das variable Kapital.
Soweit der Werth der Arbeitskraft steigt, weil der Werth der zu ihrer Reproduktion erheischten Lebensmittel steigt, oder um- gekehrt fällt, weil der Werth dieser Lebensmittel fällt — und
Werthsteigerung und Entwerthung des variablen Kapitals drücken weiter nichts aus als diese beiden Fälle — so entspricht, bei gleichbleibender Länge des Arbeitstags, Fallen des Mehrwerths dieser Werthsteigerung und Wachsen des Mehrwerths dieser Ent- werthung. Aber es können hiermit zugleich auch andre Umstände — Freisetzung und Bindung von Kapital — verbunden sein, die vorher nicht untersucht wurden, und die jetzt kurz angegeben werden sollen.
Sinkt der Arbeitslohn in Folge eines Werthfalls der Arbeits- kraft (womit sogar Steigen im realen Preis der Arbeit verbunden sein kann), so wird also ein Theil des Kapitals, der bisher in Arbeitslohn ausgelegt war, freigesetzt. Es findet Freisetzung von variablem Kapital statt. Für neu anzulegendes Kapital hat dies einfach die Wirkung, dass es mit erhöhter Rate des Mehrwerths arbeitet. Es wird mit weniger Geld als früher dasselbe Quantum Arbeit in Bewegung gesetzt, und so erhöht sich der unbezahlte Theil der Arbeit auf Kosten des bezahlten. Aber für bisher be- schäftigtes Kapital erhöht sich nicht nur die Rate des Mehrwerths, sondern ausserdem wird ein Theil des bisher in Arbeitslohn aus- gelegten Kapitals frei. Er war bisher gebunden und bildete einen ständigen Theil, der vom Erlös des Produkts abging, in Arbeits- lohn ausgelegt werden, als variables Kapital fungiren musste, sollte das Geschäft auf der alten Stufenleiter fortgehn. Jetzt wird dieser Theil disponibel, und kann also benutzt werden als neue Kapital- anlage, sei es zur Erweiterung desselben Geschäfts, sei es zur Funktion in einer andern Produktionssphäre.
Nehmen wir z. B. an, es seien anfänglich 500 £ erheischt ge- wesen, um 500 Arbeiter wöchentlich in Bewegung zu setzen, und es seien jetzt nur noch 400 £ dazu erheischt. Dann war, wenn die Masse des producirten Werths beidemal = 1000 £, die Masse des wöchentlichen Mehrwerths das erste Mal = 500 £, die Mehr- werthsrathe = 100 %; aber nach der Lohnsenkung wird die Masse des Mehrwerths 1000 £ — 400 £ = 600 £ und seine Rate = 150 %. Und diese Erhöhung der Mehrwerthsrate ist die einzige Wirkung für den, der mit einem variablen Kapital von 400 £ und entsprechendem konstanten Kapital ein neues Ge- schäft in derselben Produktionssphäre anlegt. Aber in einem be- reits fungirenden Geschäft ist in diesem Fall nicht nur in Folge der Entwerthung des variablen Kapitals die Mehrwerthsmasse von 500 auf 600 £ und die Mehrwerthsrate von 100 auf 150 % ge-
stiegen; es sind ausserdem 100 £ vom variablen Kapital freigesetzt, mit denen wieder Arbeit exploitirt werden kann. Dieselbe Arbeits- menge wird also nicht nur vortheilhafter exploitirt, sondern es können auch durch die Freisetzung der 100 £ mit demselben variablen Kapital von 500 £ mehr Arbeiter als zuvor zu der er- höhten Rate exploitirt werden.
Nun umgekehrt. Gesetzt das ursprüngliche Verhältniss der Pro- duktvertheilung, bei 500 beschäftigten Arbeitern, sei = 400v + 600m = 1000, also die Rate des Mehrwerths = 150 %. Der Arbeiter erhält also hier wöchentlich ⅘ £ = 16 Schillinge. Wenn in Folge der Werthsteigerung des variablen Kapitals 500 Arbeiter nun wöchentlich 500 £ kosten, so wird der Wochen- lohn eines jeden = 1 £, und 400 £ können nur 400 Arbeiter in Bewegung setzen. Wird also dieselbe Arbeiteranzahl wie bisher in Bewegung gesetzt, so haben wir 500v + 500m = 1000; die Rate des Mehrwerths wäre gesunken von 150 auf 100 %, also um ⅓. Für ein neu anzulegendes Kapital wäre dies die einzige Wirkung, dass die Rate des Mehrwerths geringer wäre. Bei sonst gleichen Umständen wäre die Profitrate entsprechend gesunken, wenn auch nicht im selben Verhältniss. Wenn z. B. c = 2000, so haben wir im einen Fall 2000c + 400v + 600m = 3000. m' = 150 %, p' = = 25 %. Im zweiten Fall 2000c + 500v + 500m = 3000; m' = 100 %; p' = = 20 %. Dagegen für das bereits engagirte Kapital wäre die Wirkung doppelt. Mit 400 £ variablem Kapital können jetzt nur 400 Arbeiter beschäftigt werden, und zwar zu einer Mehrwerthsrate von 100 %. Sie geben also nur einen Gesammtmehrwerth von 400 £. Da ferner ein konstantes Kapital vom Werth von 2000 £ 500 Arbeiter erfordert um es in Bewegung zu setzen, so setzen 400 Arbeiter nur ein konstantes Kapital zum Werth von 1600 £ in Bewegung. Soll also die Produktion auf der bisherigen Stufe fortgeführt, und nicht ⅕ der Maschinerie stillgesetzt werden, so muss das variable Kapital um 100 £ erhöht werden, um nach wie vor 500 Arbeiter zu beschäftigen; und dies ist nur möglich dadurch, dass bisher disponibles Kapital gebunden wird, indem ein Theil der Akkumulation, der zur Ausdehnung dienen sollte, jetzt bloss zur Ausfüllung dient, oder ein zur Verausgabung als Revenue bestimmter Theil dem alten Kapital zugeschlagen wird. Mit einer um 100 £ vermehrten Auslage an variablem Kapital wird dann 100 £ weniger Mehrwerth producirt. Um dieselbe Anzahl Arbeiter
in Bewegung zu setzen, ist mehr Kapital nöthig, und zugleich ist der Mehrwerth verringert, den jeder einzelne Arbeiter liefert.
Die Vortheile, die aus der Freisetzung, und die Nachtheile, die aus der Bindung von variablem Kapital hervorgehn, existiren beide nur für das schon engagirte und daher sich in gegebnen Verhältnissen reproducirende Kapital. Für neu anzulegendes Kapital beschränkt sich der Vortheil auf der einen, der Nachtheil auf der andern Seite auf Erhöhung, resp. Erniedrigung der Rate des Mehr- werths, und entsprechenden, wenn auch keineswegs proportionellen Wechsel der Rate des Profits.
Die eben untersuchte Freisetzung und Bindung von variablem Kapital ist die Folge von Entwerthung und Werthsteigerung der Elemente des variablen Kapitals, d. h. der Reproduktionskosten der Arbeitskraft. Es könnte aber auch variables Kapital freigesetzt werden, wenn in Folge der Entwicklung der Produktivkraft, bei gleichbleibender Rate des Arbeitslohns, weniger Arbeiter erheischt werden, um dieselbe Masse konstantes Kapital in Bewegung zu setzen. Ebenso kann umgekehrt Bindung von zusätzlichem variablen Kapital stattfinden, wenn in Folge von Abnahme der Produktiv- kraft der Arbeit, mehr Arbeiter erheischt sind auf dieselbe Masse konstantes Kapital. Wenn dagegen ein Theil des, früher als variabel angewandten Kapitals in Form von konstantem angewandt wird, also nur veränderte Vertheilung zwischen den Bestandtheilen desselben Kapitals stattfindet, so hat dies zwar Einfluss auf die Rate des Mehrwerths wie des Profits, aber gehört nicht in die hier betrachtete Rubrik der Bindung und Freisetzung von Kapital.
Konstantes Kapital kann, wie wir schon sahen, ebenfalls ge- bunden oder entbunden werden in Folge der Werthsteigerung oder Entwerthung der Elemente, aus denen es besteht. Hiervon ab- gesehn, ist nur Bindung desselben möglich (ohne dass etwa ein Theil des variablen in konstantes verwandelt wird), wenn die Produktivkraft der Arbeit zunimmt, also dieselbe Arbeitsmasse grössres Produkt erzeugt, und daher mehr konstantes Kapital in Bewegung setzt. Dasselbe kann unter gewissen Umständen statt- finden, wenn die Produktivkraft abnimmt, wie z. B. im Ackerbau, sodass dieselbe Arbeitsmenge, um dasselbe Produkt zu erzeugen, mehr Produktionsmittel bedarf, z. B. grössere Aussaat oder Düngung, Drainirung etc. Ohne Entwerthung kann konstantes Kapital frei- gesetzt werden, wenn durch Verbesserungen, Anwendung von Naturkräften etc. ein konstantes Kapital von geringerm Werth in
den Stand gesetzt wird, technisch denselben Dienst zu leisten, wie früher ein höherwerthiges.
Man hat im Buch II gesehn, dass nachdem die Waaren in Geld verwandelt, verkauft sind, ein bestimmter Theil dieses Geldes wieder in die stofflichen Elemente des konstanten Kapitals rückverwandelt werden muss, und zwar in den Verhältnissen, wie sie der bestimmte technische Charakter jeder gegebnen Produktionssphäre erheischt. Hier ist in allen Zweigen — vom Arbeitslohn, also vom variablen Kapital abgesehn — das wichtigste Element der Rohstoff, mit Einschluss der Hülfsstoffe, die namentlich wichtig in Produktions- zweigen, wo kein eigentlicher Rohstoff eingeht, wie in Bergwerken und der extraktiven Industrie überhaupt. Der Theil des Preises, der den Verschleiss der Maschinerie ersetzen muss, geht mehr ideell in die Rechnung ein, solange die Maschinerie überhaupt noch werkfähig ist; es kommt nicht sehr darauf an, ob er heute oder morgen, oder in welchem Abschnitt der Umschlagszeit des Kapitals er gezahlt und in Geld ersetzt wird. Anders mit dem Rohstoff. Steigt der Preis des Rohstoffs, so mag es unmöglich sein, ihn nach Abzug des Arbeitslohns aus dem Werth der Waare vollständig zu ersetzen. Heftige Preisschwankungen bringen daher Unterbrechungen, grosse Kollisionen und selbst Katastrophen im Reproduktionsprocess hervor. Es sind namentlich eigentliche Agrikulturprodukte, der organischen Natur entstammende Rohstoffe, die solchen Werthschwankungen in Folge wechselnder Ernte- erträge etc. — hier noch ganz vom Kreditsystem abgesehn — unterworfen sind. Dasselbe Quantum Arbeit kann sich hier in Folge unkontrolirbarer Naturverhältnisse, der Gunst oder Ungunst der Jahreszeiten u. s. w., in sehr verschiednen Mengen von Ge- brauchswerthen darstellen, und ein bestimmtes Maß dieser Ge- brauchswerthe wird darnach einen sehr verschiednen Preis haben. Stellt sich der Werth x in 100 ℔ der Waare a dar, so ist der Preis von einem Pfund von a = ; wenn in 1000 ℔ a, ist der Preis eines Pfundes von a = u. s. w. Es ist dies also das eine Element dieser Preisschwankungen des Rohstoffs. Ein zweites, das nur der Vollständigkeit wegen hier erwähnt wird — da die Konkurrenz wie das Kreditsystem hier noch ausser dem Kreis unsrer Betrachtung liegt — ist dies: Es ist in der Natur der Sache begründet, dass pflanzliche und thierische Stoffe, deren Wachs- thum und Produktion bestimmten organischen, an gewisse natür- liche Zeiträume gebundnen Gesetzen unterworfen sind, nicht plötz-
lich in demselben Maß vermehrt werden können, wie z. B. Maschinen und andres fixes Kapital, Kohlen, Erze etc., deren Vermehrung, die sonstigen Naturbedingungen vorausgesetzt, in einem industriell entwickelten Land in kürzester Frist vor sich gehn kann. Es ist daher möglich, und bei entwickelter kapitalistischer Produktion sogar unvermeidlich, dass die Produktion und Vermehrung des Theils des konstanten Kapitals, der aus fixem Kapital, Maschinerie etc. besteht, einen bedeutenden Vorsprung gewinnt vor dem Theil des- selben, der aus organischen Rohstoffen besteht, sodass die Nach- frage nach diesen Rohstoffen schneller wächst als ihre Zufuhr, und daher ihr Preis steigt. Dies Steigen des Preises führt in der That nach sich 1) dass diese Rohstoffe aus grössrer Entfernung zugeführt werden, indem der steigende Preis grössre Transport- kosten deckt; 2) dass die Produktion derselben vermehrt wird, ein Umstand, welcher, der Natur der Sache nach, aber vielleicht erst ein Jahr später die Produktenmasse wirklich vermehren kann; und 3) dass allerlei früher unbenutzte Surrogate vernutzt, und ökonomischer mit den Abfällen umgegangen wird. Wenn das Steigen der Preise anfängt, sehr merklich auf die Ausdehnung der Produktion und die Zufuhr zu wirken, ist meist schon der Wende- punkt eingetreten, wo in Folge des länger fortgesetzten Steigens des Rohstoffs und aller Waaren, in die er als Element eingeht, die Nachfrage fällt, und daher auch eine Reaktion im Preis des Rohstoffs eintritt. Abgesehn von den Konvulsionen, die dies durch Entwerthung von Kapital in verschiednen Formen bewirkt, treten noch andre gleich zu erwähnende Umstände ein.
Zunächst ist aber schon aus dem bisher gesagten klar: Je ent- wickelter die kapitalistische Produktion, und je grösser daher die Mittel plötzlicher und anhaltender Vermehrung des aus Maschi- nerie u. s. w. bestehenden Theils des konstanten Kapitals, je rascher die Akkumulation (wie namentlich in Zeiten der Prosperität), desto grösser die relative Ueberproduktion von Maschinerie und andrem fixen Kapital, und desto häufiger die relative Unterproduktion der pflanzlichen und thierischen Rohstoffe, desto markirter das vorher beschriebne Steigen ihres Preises und der diesem entsprechende Rückschlag. Desto häufiger sind also die Revulsionen, die in dieser heftigen Preisschwankung eines der Hauptelemente des Reproduktionsprocesses ihren Grund haben.
Tritt nun aber der Zusammenbruch dieser hohen Preise ein, weil ihr Steigen theils eine Verminderung der Nachfrage hervor- gerufen, theils aber eine Erweiterung der Produktion hier, eine
Zufuhr von entferntern und bisher weniger oder gar nicht benutzten Produktionsgegenden dort verursacht hat, und mit beiden eine die Nachfrage überholende Zufuhr der Rohstoffe — sie namentlich überholend bei den alten hohen Preisen — so ist das Resultat von verschiednen Gesichtspunkten zu betrachten. Der plötzliche Zusammenbruch des Preises der Rohprodukte legt ihrer Reproduk- tion einen Hemmschuh an, und so wird das Monopol der Ur- sprungsländer, die unter den günstigsten Bedingungen produciren, wieder hergestellt; vielleicht unter gewissen Einschränkungen her- gestellt, aber doch hergestellt. Die Reproduktion der Rohstoffe geht zwar in Folge des gegebnen Anstosses auf erweiterter Stufenleiter vor sich, namentlich in den Ländern, die mehr oder weniger das Monopol dieser Produktion besitzen. Aber die Basis, auf der in Folge der erweiterten Maschinerie etc. die Produktion vor sich geht, und die nun nach einigen Schwankungen als neue normale Basis, als neuer Ausgangspunkt zu gelten hat, ist sehr erweitert durch die Vorgänge während des letzten Umschlags- cyklus. Dabei hat aber in einem Theil der sekundären Bezugs- quellen die eben erst gesteigerte Reproduktion wieder bedeutende Hemmung erfahren. So kann man z. B. aus den Exporttabellen mit den Fingern herauszeigen, wie während der letzten 30 Jahre (bis 1865) die indische Baumwollproduktion wächst, wenn Ausfall in der amerikanischen eintritt, und dann plötzlich wieder mehr oder minder nachhaltig zurückgeht. Während der Zeit der Roh- stofftheurung thun sich die industriellen Kapitalisten zusammen, bilden Associationen, um die Produktion zu reguliren. So z. B. nach dem Steigen der Baumwollpreise 1848 in Manchester, ähn- lich für die Produktion des Flachses in Irland. Sobald aber der unmittelbare Anstoss vorüber ist, und das allgemeine Princip der Konkurrenz, „im wohlfeilsten Markt zu kaufen“ (statt wie jene Associationen bezwecken die Produktionsfähigkeit in passenden Ursprungsländern zu begünstigen, abgesehn vom unmittelbaren, augenblicklichen Preis, wozu diese das Produkt derzeit liefern können) — sobald also das Princip der Konkurrenz wieder souverän herrscht, überlässt man es wieder dem „Preise“, die Zufuhr zu reguliren. Aller Gedanke an gemeinsame, übergreifende und vor- sehende Kontrole der Produktion der Rohstoffe — eine Kontrole, die im ganzen und grossen auch durchaus unvereinbar ist mit den Gesetzen der kapitalistischen Produktion, und daher immer from- mer Wunsch bleibt oder sich auf ausnahmsweise gemeinsame Schritte in Augenblicken grosser unmittelbarer Gefahr und Rath-
losigkeit beschränkt — macht Platz dem Glauben, dass Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig reguliren werden.(FN16) Der Aberglaube der Kapitalisten ist hier so grob, dass selbst die Fabrikinspektoren wieder und wieder in ihren Berichten darüber die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Abwechslung guter und schlechter Jahre bringt natürlich auch wieder wohlfeilere Rohstoffe hervor. Ab- gesehn von der unmittelbaren Wirkung, die dies auf Ausdehnung der Nachfrage hat, kommt hinzu die früher erwähnte Wirkung auf die Profitrate, als Stimulus. Und der obige Process mit dem allmäligen Ueberholtwerden der Produktion der Rohstoffe durch die Produktion von Maschinerie etc. wiederholt sich dann auf grössrer Stufenleiter. Die wirkliche Verbesserung des Rohstoffs, sodass er nicht nur der Quantität, sondern auch der erheischten Qualität nach geliefert würde, z. B. Baumwolle amerikanischer Qualität von Indien aus, würde erheischen langfortgesetzte, regelmäßig wachsende und stetige europäische Nachfrage (ganz abgesehn von den ökonomischen Bedingungen, worunter der indische Producent in seiner Heimath gestellt ist). So aber wird die Produktions- sphäre der Rohstoffe nur stossweise, bald plötzlich erweitert, dann wieder gewaltsam kontrahirt. Es ist dies alles, wie auch der Geist der kapitalistischen Produktion überhaupt, sehr gut zu studiren an der Baumwollennoth von 1861—65, wo noch hinzu- kam, dass ein Rohstoff zeitweis ganz fehlte, der eins der wesent- lichsten Elemente der Reproduktion ist. Es kann nämlich auch der Preis steigen, während die Zufuhr voll ist, aber unter schwie- rigern Bedingungen voll. Oder es kann wirklicher Mangel an
Rohstoff vorhanden sein. In der Baumwollkrisis fand ursprüng- lich das letztre statt.
Jemehr wir daher in der Geschichte der Produktion der un- mittelbarsten Gegenwart näher rücken, um so regelmäßiger finden wir, namentlich in den entscheidenden Industriezweigen, den stets sich wiederholenden Wechsel zwischen relativer Theurung und daraus entspringender, spätrer Entwerthung der der organischen Natur entlehnten Rohstoffe. Man wird das bisher Entwickelte illustrirt finden in den folgenden, den Berichten der Fabrikinspek- toren entlehnten Beispielen.
Die Moral von der Geschichte, die man auch durch sonstige Betrachtung der Agrikultur gewinnen kann, ist die, dass das kapi- talistische System einer rationellen Agrikultur widerstrebt oder die rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen System (obgleich dies ihre technische Entwicklung befördert) und entweder der Hand des selbst arbeitenden Kleinbauern oder der Kontrole der associirten Producenten bedarf.
Wir lassen nun die soeben erwähnten Illustrationen aus den englischen Fabrikberichten folgen.
„Der Stand des Geschäfts ist besser; aber der Cyklus guter und schlechter Zeiten verkürzt sich mit der Vermehrung der Maschinerie, und wie sich damit die Nachfrage nach Rohstoff ver- mehrt, wiederholen sich auch die Schwankungen in der Geschäfts- lage häufiger . . . . Augenblicklich ist nicht nur das Vertrauen wieder hergestellt nach der Panik von 1857, sondern die Panik selbst scheint fast ganz vergessen. Ob diese Besserung anhalten wird oder nicht, hängt in sehr grossem Maß ab vom Preis der Rohstoffe. Es zeigen sich mir bereits Vorzeichen, dass in einigen Fällen das Maximum schon erreicht ist, worüber hinaus die Fabri- kation immer weniger profitlich wird, bis sie endlich ganz aufhört Profit zu liefern. Nehmen wir z. B. die gewinnreichen Jahre im Worsted-Geschäft 1849 und 1850, so sehn wir, dass der Preis englicher Kammwolle auf 13 d. stand, und von australischer 14 bis 17 d. per ℔, und dass im Durchschnitt der 10 Jahre 1841 bis 1850 der Durchschnittspreis englischer Wolle nie über 14 d. und australischer über 17 d. per ℔ stieg. Aber im Anfang des Unglücksjahrs 1857 stand australische Wolle auf 23 d.; sie fiel im December, in der schlimmsten Zeit der Panik, auf 18 d., ist aber im Lauf des Jahres 1858 wieder auf den gegenwärtigen Preis von 21 d. gestiegen. Englische Wolle fing 1857 ebenfalls mit 20 d.
an, stieg im April und September auf 21 d., fiel im Januar 1858 auf 14 d., und ist seitdem auf 17 d. gestiegen, sodass sie 3 d. per ℔ höher steht als der Durchschnitt der angeführten 10 Jahre … Dies zeigt nach meiner Ansicht, dass entweder die Fallimente von 1857, die ähnlichen Preisen geschuldet waren, vergessen sind; oder dass nur knapp so viel Wolle producirt wird, wie die vor- handnen Spindeln verspinnen können; oder aber dass die Preise von Geweben eine dauernde Steigerung erfahren werden … Ich habe aber in meiner bisherigen Erfahrung gesehn, wie in unglaub- lich kurzer Zeit die Spindeln und Webstühle nicht nur ihre Zahl vervielfältigt haben, sondern auch ihre Betriebsgeschwindigkeit; dass ferner unsre Wollausfuhr nach Frankreich fast in demselben Verhältniss gestiegen ist, während sowohl im In- wie im Ausland das Durchnittsalter der gehaltnen Schafe immer niedriger wird, da die Bevölkerung sich rasch vermehrt und die Züchter ihren Viehbestand so rasch wie möglich in Geld verwandeln wollen. Es ist mir daher oft ängstlich zu Muthe gewesen, wenn ich Leute sah, die, ohne diese Kenntniss, ihr Geschick und ihr Kapital in Unternehmungen angelegt haben, deren Erfolg von der Zufuhr eines Produkts abhängt, das nur nach gewissen organischen Ge- setzen sich vermehren kann … Der Stand von Nachfrage und Zufuhr aller Rohstoffe … scheint viele Schwankungen im Baum- wollengeschäft zu erklären, und ebenso die Lage des englischen Wollmarkts im Herbst 1857 und die daraus folgende Geschäfts- krisis.“(FN17) (R. Baker, in Rep. Fact., Oct. 1858, p. 56—61.)
Die Blütezeit der Worsted-Industrie des West-Riding von York- shire war 1849—50. Es wurden dort hierin beschäftigt 1838 29246 Personen, 1843 37000, 1845 48097, 1850 74891. In demselben Distrikt: 1838 2768 mechanische Webstühle, 1841 11458, 1843 16870, 1845 19121 und 1850 29539. (Rep. Fact., 1850, p. 60.) Diese Blüte der Kammwollindustrie fing an be- reits im Oktober 1850 verdächtig zu werden. Im Bericht vom April 1851 sagt Sub-Inspector Baker über Leeds und Bradford: „Der Stand des Geschäfts ist seit einiger Zeit sehr unbefriedigend. Die Kammgarnspinner verlieren rasch die Profite von 1850, und die Mehrzahl der Weber kommt auch nicht besonders voran. Ich glaube, dass augenblicklich mehr Wollenmaschinerie stillsteht als
je vorher, und auch die Flachsspinner entlassen Arbeiter und stellen Maschinen still. Die Cyklen der Textil-Industrie sind jetzt in der That äusserst ungewiss, und wir werden, denke ich, bald zur Einsicht kommen . . . . dass kein Verhältniss eingehalten wird zwischen der Produktionsfähigkeit der Spindeln, der Menge des Rohstoffs, und der Vermehrung der Bevölkerung.“ (p. 52.)
Dasselbe gilt für die Baumwollindustrie. In dem eben citirten Bericht von Oktober 1858 heisst es: „Seitdem die Arbeitsstunden in Fabriken festgesetzt worden, sind die Beträge des Rohstoff- verbrauchs, der Produktion, der Löhne in allen Textilindustrien auf einfache Regel-de-tri reducirt worden … Ich citire aus einem neulichen Vortrag . . . . des Herrn Payns, des jetzigen Mayor von Blackburn, über die Baumwollindustrie, worin er die industrielle Statistik seiner eignen Gegend mit möglichster Genauigkeit zu- sammengestellt:
„Jede wirkliche Pferdekraft bewegt 450 self-actor-Spindeln nebst Vorspinnmaschinerie, oder 200 throstle-Spindeln, oder 15 Stühle für 40 Zoll breites Tuch, nebst Haspel-, Scherungs- und Schlicht- maschinerie. Jede Pferdekraft beschäftigt beim Spinnen 2½ Ar- beiter, beim Weben aber 10; ihr Durchschnittslohn ist reichlich 10½ sh. per Kopf per Woche … Die verarbeiteten Durchschnitts- nummern sind Nr. 30—32 für die Kette und Nr. 34—36 für den Einschlag; nehmen wir das wöchentlich producirte Gespinnst auf 13 Unzen per Spindel an, so gibt dies 824,700 ℔ Garn per Woche, wofür 970000 ℔ oder 2300 Ballen Baumwolle zum Preis von 28300 £ verbraucht werden … In unserm Distrikt (in einem Umkreis um Blackburn mit 5 englischen Meilen Radius) ist der wöchentliche Baumwollverbrauch 1530000 ℔ oder 3650 Ballen zum Kostpreis von 44625 £. Es ist dies der ganzen Baum- wollspinnerei des Vereinigten Königreichs und der sämmtlichen mechanischen Weberei.“
„Nach den Berechnungen des Herrn Payns wäre also die Ge- sammtzahl der Baumwollspindeln des Königreichs 28800000, und um diese in voller Beschäftigung zu halten, würden jährlich 1432080000 ℔ Baumwolle erfordert. Aber die Baumwolleinfuhr, nach Abzug der Ausfuhr, war 1856 und 1857 nur 1022576832 ℔; es muss also nothwendig ein Deficit von 409503168 ℔ stattge- funden haben. Herr Payns, der die Güte hatte, diesen Punkt mit mir zu besprechen, glaubt, dass eine Berechnung des jährlichen Baumwollverbrauchs, begründet auf den Verbrauch des Distrikts von Blackburn, zu hoch ausfallen würde in Folge des Unter-
schieds, nicht nur der gesponnenen Nummern, sondern auch der Vortrefflichkeit der Maschinerie. Er schätzt den gesammten jähr- lichen Baumwollverbrauch des Vereinigten Königreichs auf 1000 Mill. ℔. Aber wenn er recht hat und wirklich ein Ueber- schuss der Zufuhr von 22½ Mill. stattfindet, so scheint Nachfrage und Zufuhr sich schon jetzt beinahe das Gleichgewicht zu halten, auch ohne dass wir die zusätzlichen Spindeln und Webstühle in Erwägung ziehn, die nach Herrn Payns in seinem eignen Bezirk in Aufstellung begriffen sind und, darnach zu urtheilen, in andren Distrikten wahrscheinlich ebenfalls.“ (p. 59, 60.)
1845. Blütezeit der Baumwollindustrie. Sehr niedriger Baum- wollpreis. L. Horner sagt darüber: „Während der letzten 8 Jahre ist mir keine so lebhafte Geschäftsperiode vorgekommen, wie sie im letzten Sommer und Herbst vorgeherrscht hat. Besonders in der Baumwollspinnerei. Das ganze halbe Jahr durch habe ich jede Woche Anmeldungen neuer Kapitalanlagen in Fabriken er- halten; bald waren es neue Fabriken, die gebaut wurden, bald hatten die wenigen leerstehenden neue Miether gefunden, bald wurden im Betrieb befindliche Fabriken ausgedehnt, neue stärkre Dampfmaschinen und vermehrte Arbeitsmaschinerie aufgestellt.“ (Rep. Fact., Nov. 1845, p. 13.)
1846. Die Klagen beginnen. „Schon seit längrer Zeit höre ich von den Baumwollfabrikanten sehr verbreitete Klagen über den gedrückten Stand ihres Geschäfts . . . . während der letzten 6 Wochen haben verschiedne Fabriken angefangen kurze Zeit zu arbeiten, gewöhnlich 8 Stunden täglich statt 12; dies scheint sich zu verbreiten . . . . es hat ein grosser Preisaufschlag der Baum- wolle stattgefunden und . . . . nicht nur keine Preiserhöhung des Fabrikats, sondern . . . . seine Preise sind niedriger als vor dem Aufschlag in Baumwolle. Die grosse Vermehrung in der Zahl der Baumwollfabriken während der letzten 4 Jahre muss zur Folge gehabt haben, einerseits eine stark vermehrte Nachfrage nach dem Rohstoff, und andrerseits eine stark vermehrte Zufuhr von Fabri- katen auf den Markt; beide Ursachen müssen gemeinsam zur Her- abdrückung des Profits gewirkt haben, solange die Zufuhr des Rohstoffs und die Nachfrage nach dem Fabrikat unverändert blieb;
aber sie haben noch weit stärker gewirkt, weil einerseits die Zu- fuhr von Baumwolle neuerdings ungenügend war, und andrerseits die Nachfrage nach den Fabrikaten in verschiednen inländischen und ausländischen Märkten abgenommen hat.“ (Rep. Fact., Dec. 1846, p. 10.)
Die steigende Nachfrage nach Rohstoff und die Ueberfüllung des Markts mit Fabrikat gehn natürlich Hand in Hand. — Bei- läufig beschränkte sich die damalige Ausdehnung der Industrie und nachfolgende Stockung nicht auf die Baumwolldistrikte. Im Kammwoll-Distrikt von Bradford waren 1836 nur 318 Fabriken, 1846 dagegen 490. Diese Zahlen drücken bei weitem nicht die wirkliche Steigerung der Produktion aus, da die bestehenden Fabriken gleichzeitig bedeutend erweitert wurden. Dies gilt be- sonders auch von Flachsspinnereien. „Sie alle haben mehr oder weniger während der letzten 10 Jahre beigetragen zu der Ueber- führung des Markts, der die jetzige Stockung des Geschäfts grossen- theils zugeschrieben werden muss … Der gedrückte Geschäfts- stand folgt ganz natürlich aus einer so raschen Erweitrung der Fabriken und der Maschinerie.“ (Rep. Fact., Nov. 1846, p. 30.)
1847. Im Oktober Geldkrisis. Diskonto 8 %. Vorher schon Zusammenbruch des Eisenbahnschwindels, der ostindischen Wechsel- reiterei. Aber:
„Herr Baker gibt sehr interessante Details über die in den letzten Jahren gestiegne Nachfrage für Baumwolle, Wolle und Flachs, in Folge der Ausdehnung dieser Industrien. Er hält die vermehrte Nachfrage nach diesen Rohstoffen, namentlich da sie zu einer Zeit eintrat, wo deren Zufuhr weit unter den Durch- schnitt gefallen ist, für fast genügend, den gegenwärtigen ge- drückten Stand dieser Geschäftszweige zu erklären, auch ohne dass man die Zerrüttung des Geldmarkts zu Hülfe nimmt. Diese An- sicht wird vollständig bestätigt durch meine eignen Beobachtungen und durch das was ich von geschäftskundigen Leuten erfahren habe. Diese verschiednen Geschäftszweige waren alle schon sehr gedrückt, als Diskontirungen noch leicht zu 5 % und weniger zu bewirken waren. Dagegen war die Zufuhr von Rohseide reich- lich, die Preise mäßig, und das Geschäft demgemäß lebhaft, bis … in den letzten 2 oder 3 Wochen, wo unzweifelhaft die Geld- krisis nicht nur die Tramirer selbst, sondern noch mehr ihre Hauptkunden, die Fabrikanten von Modewaaren afficirt hat. Ein Blick auf die veröffentlichten amtlichen Berichte zeigt, dass die Baumwollindustrie in den letzten drei Jahren sich um beinahe
27 % vermehrt hat. In Folge dessen ist Baumwolle, rund ge- sprochen, von 4 d. auf 6 d. per ℔ gestiegen, während Garn, dank der vermehrten Zufuhr, nur eine Kleinigkeit über seinem frühern Preise steht. Die Wollindustrie fing 1836 an sich auszudehnen; seitdem ist sie in Yorkshire um 40 % gewachsen, und in Schott- land noch mehr. Noch grösser ist der Zuwachs in der Worsted- Industrie.(FN18) Die Berechnungen ergeben hier für denselben Zeit- raum eine Ausdehnung von über 74 %. Der Verbrauch von Roh- wolle ist daher enorm gewesen. Die Leinenindustrie zeigt seit 1839 einen Zuwachs von ungefähr 25 % in England, 22 % in Schottland und beinahe 90 % in Irland(FN19); die Folge hiervon, bei gleichzeitigen schlechten Flachsernten, war, dass der Rohstoff um 10 £ per Tonne gestiegen, der Garnpreis dagegen 6 d. das Bündel gefallen ist.“ (Rep. Fact., Oct. 1847, p. 30.)
1849. Seit den letzten Monaten von 1848 lebte das Geschäft wieder auf. „Der Flachspreis, der so niedrig war, dass er fast unter allen möglichen zukünftigen Umständen einen erträglichen Profit sicher stellte, hat die Fabrikanten veranlasst, ihr Geschäft stetig fortzuführen. Die Wollfabrikanten waren im Anfang des Jahrs eine Zeit lang sehr stark beschäftigt … ich fürchte aber, dass Konsignationen von Wollenwaaren oft die Stelle wirklicher Nachfrage vertreten, und dass Perioden scheinbarer Prosperität, d. h. voller Beschäftigung, nicht immer mit den Perioden legitimer Nachfrage sich decken. Während einiger Monate ist das Worsted- Geschäft besonders gut gewesen … Im Anfang der erwähnten Periode stand Wolle besonders niedrig; die Spinner hatten sich zu vortheilhaften Preisen gedeckt, und sicher auch in bedeutenden Quantitäten. Als der Wollpreis mit den Frühjahrsauktionen stieg, hatten die Spinner den Vortheil davon, und sie behielten ihn, da die Nachfrage nach Fabrikaten beträchtlich und unab- weisbar wurde.“ (Rep. Fact., 1849, p. 30, 31.)
„Wenn wir die Variationen im Stand des Geschäfts ansehn, die in den Fabrikdistrikten seit jetzt 3 oder 4 Jahren vorgekommen sind, so müssen wir, glaube ich, zugeben, dass irgendwo eine grosse Störungsursache besteht … Kann da nicht die ungeheure
Produktivkraft der vermehrten Maschinerie ein neues Element ge- liefert haben?“ (Rep. Fact., April 1849, p. 42.)
Im November 1848, Mai und Sommer bis Oktober 1849 wurde das Geschäft immer schwunghafter. „Am meisten gilt dies von der Fabrikation von Stoffen aus Kammgarn, die sich um Bradford und Halifax gruppirt; dies Geschäft hat zu keiner frühern Zeit auch nur annähernd seine jetzige Ausdehnung erreicht … Die Spekulation im Rohstoff und die Ungewissheit über seine wahr- scheinliche Zufuhr hat von jeher grössre Aufregung und häufigere Schwankung in der Baumwollindustrie hervorgerufen als in irgend einem andern Geschäftszweig. Es findet hier augenblicklich eine Anhäufung von Vorräthen gröbrer Baumwollwaaren statt, die die kleinern Spinner beunruhigt und sie bereits benachtheiligt, sodass mehrere von ihnen kurze Zeit arbeiten.“ (l. c., p. 42, 43.)
1850. April. Fortdauernd flottes Geschäft. Ausnahme: „Grosse Depression in einem Theil der Baumwollindustrie in Folge unge- nügender Zufuhr des Rohstoffs gerade für grobe Garnnummern und schwere Gewebe … Es wird befürchtet, dass die für das Worsted- Geschäft neuerdings aufgestellte vermehrte Maschinerie eine ähn- liche Reaktion herbeiführen wird. Herr Baker berechnet, dass allein im Jahr 1849 in diesem Geschäftszweig das Produkt der Webstühle um 40 % und das der Spindeln um 25—30 % ge- stiegen ist, und die Ausdehnung geht noch immer im selben Verhältniss voran.“ (Rep. Fact., April 1850, p. 54.)
1850. Oktober. „Der Baumwollpreis fährt fort … eine be- trächtliche Gedrücktheit in diesem Industriezweig zu verursachen, besonders für solche Waaren, bei denen der Rohstoff einen be- trächtlichen Theil der Produktionskosten ausmacht. Der grosse Preisaufschlag der Rohseide hat auch in diesem Zweig vielfach einen Druck herbeigeführt.“ (Rep. Fact., Oct. 1850, p. 15.) — Nach dem hier citirten Bericht des Comité’s der königlichen Ge- sellschaft für Flachsbau in Irland hatte hier der hohe Flachs- preis, bei niedrigem Preisstand andrer landwirthschaftlichen Pro- dukte, eine bedeutende Vermehrung der Flachsproduktion für das folgende Jahr sicher gestellt. (p. 33.)
1853. April. Grosse Prosperität. „Zu keiner Zeit während der 17 Jahre, während denen ich amtliche Kenntniss genommen habe vom Stand des Fabrikdistrikts von Lancashire, ist mir eine solche allgemeine Prosperität vorgekommen; die Thätigkeit ist in allen Zweigen ausserordentlich,“ sagt L. Horner, Rep. Fact., April 1853, p. 19.)
1853. Oktober. Depression der Baumwollindustrie. „Ueber- produktion.“ (Rep. Fact., Oktober 1853, p. 15.)
1854. April. „Das Wollgeschäft, obwohl nicht flott, hat in allen Fabriken volle Beschäftigung geliefert; ebenso die Baumwoll- industrie. Das Worsted-Geschäft war im ganzen vorigen Halb- jahr durchweg unregelmäßig … In der Leinenindustrie fand Störung statt in Folge der verminderten Zufuhren von Flachs und Hanf aus Russland wegen des Krimkriegs.“ (Rep. Fact., 1854, p. 37.)
1859. „Das Geschäft in der schottischen Leinenindustrie ist noch gedrückt … da der Rohstoff selten und theuer ist; die ge- ringe Qualität der vorigen Ernte in den Ostseeländern, woher wir unsre Hauptzufuhr bezogen, wird eine schädliche Wirkung auf das Geschäft dieses Bezirks ausüben; dagegen ist Jute, die in vielen groben Artikeln den Flachs allmälig verdrängt, weder ungewöhn- lich theuer noch selten … ungefähr die Hälfte der Maschinerie in Dundee spinnt jetzt Jute. (Rep. Fact., April 1859, p. 19.) — „In Folge des hohen Preises des Rohstoffs ist die Flachsspinnerei noch immer durchaus nicht lohnend, und während alle andern Fabriken die volle Zeit laufen, haben wir verschiedne Beispiele der Stillsetzung von Flachsmaschinerie … Die Jute-Spinnerei … ist in einer zufriedenstellendern Lage, da neuerdings dieser Stoff auf einen mäßigern Preis herabgegangen ist.“ (Rep. Fact., Oktober 1859, p. 30.)
1860. April. „Was den Stand des Geschäfts angeht, freut es mich Ihnen mittheilen zu können, dass trotz des hohen Preises der Rohstoffe alle Textilindustrien, mit Ausnahme von Seide, während des letzten halben Jahres recht gut beschäftigt gewesen sind … In einigen der Baumwollbezirke sind Arbeiter auf dem Weg der Annonce gesucht worden, und aus Norfolk und andern ländlichen Grafschaften dorthin gewandert … Es scheint in jedem Industriezweig ein grosser Mangel an Rohstoff zu herrschen. Es ist … dieser Mangel allein der uns in Schranken hält. Im Baumwollgeschäft ist die Zahl der neu errichteten Fabriken, die Erweiterung der schon bestehenden, und die Nachfrage nach Arbeitern, wohl nie so stark gewesen wie jetzt. Nach allen Rich- tungen hin ist man auf der Suche nach Rohstoff.“ (Rep. Fact., April 1860.)
1860. Oktober. „Der Stand des Geschäfts in den Baumwoll-,
Woll- und Flachsbezirken ist gut gewesen; in Irland soll er so- gar sehr gut gewesen sein seit mehr als einem Jahr, und wäre noch besser gewesen, ohne den hohen Preis des Rohstoffs. Die Flachs- spinner scheinen mit mehr Ungeduld als je auf die Eröffnung der Hülfsquellen Indiens durch die Eisenbahnen zu warten, und auf die entsprechende Entwicklung seiner Agrikultur, um endlich eine … ihren Bedürfnissen entsprechende Zufuhr von Flachs zu er- halten.“ (Rep. Fact., Oktober 1860, p. 37.)
1861. April. „Der Geschäftsstand ist augenblicklich gedrückt … einige wenige Baumwollfabriken arbeiten kurze Zeit, und viele Seidenfabriken sind nur theilweise beschäftigt. Rohstoff ist theuer. In fast jedem textilen Zweige steht er über dem Preis, zu dem er für die Masse der Konsumenten verarbeitet werden kann.“ (Rep. Fact., April 1861, p. 33.)
Es zeigte sich jetzt, dass 1860 in der Baumwoll-Industrie über- producirt worden war; die Wirkung davon machte sich noch während der nächsten Jahre fühlbar. „Es hat zwischen zwei und drei Jahren genommen, bis die Ueberproduktion von 1860 auf dem Weltmarkt absorbirt war.“ (Rep. Fact., December 1863, p. 127.) „Der gedrückte Stand der Märkte für Baumwollfabrikate in Ostasien, Anfangs 1860, hatte eine entsprechende Rückwirkung auf das Geschäft in Blackburn, wo im Durchschnitt 30000 mecha- nische Webstühle fast ausschliesslich in der Produktion von Ge- weben für diesen Markt beschäftigt sind. Die Nachfrage für Arbeit war demzufolge hier schon beschränkt, viele Monate bevor die Wirkungen der Baumwollblokade sich fühlbar machten … Glücklicherweise wurden hierdurch viele Fabrikanten vor dem Ruin bewahrt. Die Vorräthe stiegen im Werth, so lange man sie auf Lager hielt, und so wurde die erschreckende Entwerthung vermieden, die sonst in einer solchen Krisis unvermeidlich war.“ (Rep. Fact., Oktober 1862, p. 28, 29.)
1861. Oktober. „Das Geschäft ist seit einiger Zeit sehr ge- drückt gewesen … Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass während der Wintermonate viele Fabriken die Arbeitszeit sehr ver- kürzen werden. Dies war indess vorherzusehn … ganz abgesehn von den Ursachen, die unsre gewöhnliche Baumwollzufuhr von Amerika und unsre Ausfuhr unterbrochen haben, würde Verkür- zung der Arbeitszeit für den kommenden Winter nothwendig ge- worden sein in Folge der starken Vermehrung der Produktion in den letzten drei Jahren und der Störungen im indischen und chinesischen Markt.“ (Rep. Fact., Oktober 1861, p. 19.)
Baumwollabfall. Ostindische Baumwolle (Surat). Ein- fluss auf den Lohn der Arbeiter. Verbesserung in der Maschinerie. Ersetzung von Baumwolle durch Stärk- mehl und Mineralien. Wirkung dieser Stärkmehlschlichte auf die Arbeiter. Spinner feinerer Garnnummern. Be- trug der Fabrikanten.
„Ein Fabrikant schreibt mir wie folgt: ‚Was die Schätzung des Baumwollverbrauchs per Spindel betrifft, so ziehn Sie wohl nicht hinreichend die Thatsache in Rechnung, dass, wenn Baum- wolle theuer ist, jeder Spinner gewöhnlicher Garne (sage bis Nr. 40, hauptsächlich Nr. 12—32) so feine Nummern spinnt wie er nur irgend kann, d. h. er wird Nr. 16 spinnen statt früher Nr. 12, oder Nr. 22 statt Nr. 16 u. s. w.; und der Weber, der diese feinen Garne verwebt, wird seinen Kattun auf das gewöhnliche Gewicht bringen, indem er um so viel mehr Schlichte zusetzt. Dies Hülfs- mittel wird jetzt benutzt in einem wirklich schmählichen Grad. Ich habe aus guter Quelle gehört, dass es ordinäre Shirtings für Export gibt, wovon das Stück 8 ℔ wiegt, und wovon 2 ℔ Schlichte waren. In Gewebe andrer Sorten wird oft bis zu 50 % Schlichte gesteckt; sodass der Fabrikant keineswegs lügt, der sich rühmt ein reicher Mann zu werden, indem er sein Gewebe für weniger Geld per ℔ verkauft, als er für das Garn bezahlt hat, woraus es gemacht ist.‘ (Rep. Fact., Oktober 1863, p. 63.)
„Es sind mir auch Aussagen gemacht worden, dass die Weber ihren gesteigerten Krankheitsstand der Schlichte zuschreiben, die für die aus ostindischer Baumwolle gesponnenen Ketten verwandt wird, und die nicht mehr wie früher bloss aus Mehl besteht. Dies Surrogat für Mehl soll jedoch den sehr grossen Vortheil bieten, dass es das Gewicht des Gewebes bedeutend vermehrt, sodass 15 ℔ Garn, wenn verwebt, zu 20 ℔ werden.“ (ibidem. Dies Surrogat war gemahlner Talk, genannt China clay, oder Gyps, genannt French chalk.) — „Der Verdienst der Weber (hier be- deutet dies die Arbeiter) ist sehr vermindert durch Anwendung von Surrogaten für Mehl als Kettenschlichte. Diese Schlichte macht das Garn schwerer, aber auch hart und brüchig. Jeder Faden der Kette geht im Webstuhl durch die sogenannte Litze, deren starke Fäden die Kette in der richtigen Lage halten; die hartgeschlich- teten Ketten verursachen fortwährende Fadenbrüche in der Litze; jeder Bruch verursacht dem Weber fünf Minuten Zeitverlust zur Reparatur; der Weber hat diese Schäden jetzt mindestens 10 mal so oft wie früher auszubessern, und der Stuhl leistet
während der Arbeitsstunden natürlich um so viel weniger.“ (l. c., p. 42, 43.)
„In Ashton, Stalybridge, Mossley, Oldham etc. ist die Beschrän- kung der Arbeitszeit um ein volles drittel durchgeführt, und die Arbeitsstunden werden noch jede Woche weiter verkürzt … Gleich- zeitig mit dieser Verkürzung der Arbeitszeit findet auch in vielen Zweigen Herabsetzung des Lohns statt.“ (p. 13.) — Anfangs 1861 fand ein Strike unter den mechanischen Webern in einigen Theilen von Lancashire statt. Verschiedne Fabrikanten hatten eine Lohn- herabsetzung von 5—7½ % angekündigt; die Arbeiter bestanden darauf, dass die Lohnsätze beibehalten, aber die Arbeitsstunden verkürzt werden sollten. Dies wurde nicht bewilligt, und der Strike entstand. Nach einem Monat mussten die Arbeiter nach- geben. Aber nun erhielten sie beides: „Ausser der Lohnherab- setzung, worin die Arbeiter zuletzt einwilligten, arbeiten jetzt auch viele Fabriken kurze Zeit.“ (Rep. Fact., April 1863, p. 23.)
1862. April. „Die Leiden der Arbeiter haben sich seit dem Datum meines letzten Berichts bedeutend vermehrt; aber zu keiner Zeit in der Geschichte der Industrie sind so plötzliche und so schwere Leiden ertragen worden mit so viel schweigender Resig- nation und so geduldigem Selbstgefühl.“ (Rep. Fact., April 1862, p. 10.) — „Die Verhältnisszahl der augenblicklich ganz beschäf- tigungslosen Arbeiter scheint nicht viel grösser zu sein als 1848, wo eine gewöhnliche Panik herrschte, die aber bedeutend genug war, um die beunruhigten Fabrikanten zur Zusammenstellung einer ähnlichen Statistik über die Baumwollindustrie zu veranlassen, wie sie jetzt wöchentlich ausgegeben wird … Im Mai 1848 waren von sämmtlichen Baumwollarbeitern in Manchester 15 % unbe- schäftigt, 12 % arbeiteten kurze Zeit, während über 70 % auf voller Zeit beschäftigt waren. Am 28. Mai 1862 waren 15 % unbe- schäftigt, 35 % arbeiteten kurze Zeit, 49 % volle Zeit … In den Nachbarorten, z. B. Stockport, ist die Procentzahl der nicht voll, und der gar nicht beschäftigten höher, die der vollbeschäftigten geringer,“ weil nämlich hier gröbere Nummern gesponnen werden als in Manchester. (p. 16.)
1862. Oktober. „Nach der letzten amtlichen Statistik waren im Vereinigten Königreich 2887 Baumwollfabriken, davon 2109 in meinem Distrikt (Lancashire und Cheshire). Ich wusste wohl, dass ein sehr grosser Theil der 2109 Fabriken in meinem Bezirk kleine Etablissements waren, die nur wenig Leute beschäftigen. Es hat mich aber überrascht zu entdecken, wie gross diese Zahl
ist. In 392, oder 19 %, ist die Triebkraft, Dampf oder Wasser, unter 10 Pferdekraft; in 345, oder 16 %, zwischen 10 und 20 Pferdekraft; in 1372 ist sie 20 Pferde und mehr … Ein sehr grosser Theil dieser kleinen Fabrikanten — mehr als ein drittel der Gesammtzahl — waren selbst vor nicht langer Zeit Arbeiter; sie sind Leute ohne Kommando über Kapital … Die Hauptlast würde also auf die übrigen ⅔ fallen.“ (Rep. Fact., Oktober 1862, p. 18, 19.)
Nach demselben Bericht waren von den Baumwollarbeitern in Lancashire und Cheshire damals voll beschäftigt 40146, oder 11,3 %; mit beschränkter Arbeitszeit beschäftigt 134767 oder 38 %; unbeschäftigt 197721 oder 50,7 %. Zieht man hiervon die An- gaben über Manchester und Bolton ab, wo hauptsächlich feine Nummern gesponnen werden, ein von der Baumwollnoth verhält- nissmäßig wenig betroffner Zweig, so stellt sich die Sache noch ungünstiger, nämlich: Vollbeschäftigt 8,5 %, beschränkt beschäf- tigt 38 %, unbeschäftigt 53,3 %. (p. 19, 20.)
„Es macht für die Arbeiter einen wesentlichen Unterschied, ob gute oder schlechte Baumwolle verarbeitet wird. In den ersten Monaten des Jahrs, als die Fabrikanten ihre Fabriken dadurch in Gang zu halten suchten, dass sie alle zu mäßigen Preisen kauf- bare Baumwolle aufbrauchten, kam viel schlechte Baumwolle in Fabriken, wo früher gewöhnlich gute verwandt wurde; der Unter- schied im Lohn der Arbeiter war so gross, dass viele Strikes statt- fanden, weil sie jetzt zum alten Stücklohn keinen erträglichen Taglohn mehr herausschlagen konnten … In einigen Fällen be- trug der Unterschied durch Anwendung schlechter Baumwolle selbst bei voller Arbeitszeit die Hälfte des Gesammtlohns.“ (p. 27.)
1863. April. „Im Lauf dieses Jahres wird nicht viel mehr als die Hälfte der Baumwollarbeiter voll beschäftigt werden können.“ (Rep. Fact., April 1863, p. 14.)
„Ein sehr ernstlicher Nachtheil bei Verwendung ostindischer Baumwolle, wie die Fabriken sie jetzt gebrauchen müssen, ist der, dass die Geschwindigkeit der Maschinerie dabei sehr verlangsamt werden muss. Während der letzten Jahre wurde alles aufgeboten, diese Geschwindigkeit zu beschleunigen, sodass dieselbe Maschi- nerie mehr Arbeit that. Die verminderte Geschwindigkeit trifft aber den Arbeiter ebensosehr wie den Fabrikanten; denn die Mehr- zahl der Arbeiter wird nach Stücklohn bezahlt, die Spinner so viel per ℔ gesponnenes Garn, die Weber so viel per gewebtes Stück; und selbst bei den andern, nach Wochenlohn bezahlten
Arbeitern würde eine Lohnverminderung eintreten in Folge der verminderten Produktion. Nach meinen Ermittlungen … und den mir übergebnen Aufstellungen des Verdienstes der Baumwollarbeiter im Lauf dieses Jahrs … ergibt sich eine Vermindrung von durch- schnittlich 20 %, in einigen Fällen von 50 %, berechnet nach den Lohnhöhen, wie sie 1861 herrschten.“ (p. 13.) — „Die verdiente Summe hängt ab … davon, was für Material verarbeitet wird … Die Lage der Arbeiter, in Beziehung auf den verdienten Lohn- betrag, ist sehr viel besser jetzt (Oktober 1863) als voriges Jahr um diese Zeit. Die Maschinerie ist verbessert worden, man kennt den Rohstoff besser, und die Arbeiter werden leichter mit den Schwierigkeiten fertig, womit sie anfangs zu kämpfen hatten. Voriges Frühjahr war ich in Preston in einer Nähschule [Wohl- thätigkeitsanstalt für Unbeschäftigte]; zwei junge Mädchen, die Tags zuvor in eine Weberei geschickt waren, auf die Angabe des Fabrikanten hin, dass sie 4 sh. die Woche verdienen könnten, baten um Wiederaufnahme in die Schule und klagten, sie hätten nicht 1 sh. per Woche verdienen können. Ich habe Angaben ge- habt über Self-acting minders … Männer, die ein paar Self-actors regieren, die nach 14 Tagen voller Arbeitszeit 8 sh. 11 d. ver- dient hatten, und von dieser Summe wurde ihnen die Hausmiethe abgezogen, wobei der Fabrikant [Edelmüthigster!] ihnen jedoch die halbe Miethe als Geschenk zurückgab. Die Minders nahmen die Summe von 6 sh. 11 d. nach Hause. An manchen Orten ver- dienten die Self-acting minders 5—9 sh. die Woche, die Weber von 2—6 sh. die Woche, während der letzten Monate 1862 … Gegenwärtig besteht ein viel gesundrer Zustand, obwohl der Ver- dienst in den meisten Distrikten noch immer sehr abgenommen hat … Mehrere andre Ursachen haben zu dem geringern Ver- dienst beigetragen, neben dem kürzern Stapel der indischen Baum- wolle und ihrer Verunreinigung. So z. B. ist es jetzt Brauch, Baumwollabfall reichlich unter die indische Baumwolle zu mischen, und dies steigert natürlich die Schwierigkeit für den Spinner noch mehr. Bei der Kürze der Faser, reissen die Fäden leichter beim Herausziehen der Mule und beim Drehen des Garns, und die Mule kann nicht so regelmäßig im Gang gehalten werden … Ebenso kann, bei der grossen Aufmerksamkeit, die auf die Fäden ver- wandt werden muss, eine Weberin häufig nur einen Stuhl über- wachen, und nur sehr wenige mehr als zwei Stühle … In vielen Fällen ist der Lohn der Arbeiter geradezu um 5, 7½ und 10 % herabgesetzt worden, … in der Mehrzahl der Fälle muss der
Arbeiter zusehn, wie er mit seinem Rohstoff fertig wird, und wie er zum gewöhnlichen Lohnsatz an Verdienst herausschlägt, was er kann … Eine andre Schwierigkeit, womit die Weber zuweilen zu kämpfen haben, ist, dass sie aus schlechtem Stoff gutes Ge- webe machen sollen, und mit Lohnabzügen gestraft werden, wenn die Arbeit nicht nach Wunsch ausfällt.“ (Rep. Fact., Oktober 1863, p. 41—43.)
Die Löhne waren miserabel, selbst wo volle Zeit gearbeitet wurde. Die Baumwollarbeiter stellten sich bereitwillig zu all den öffentlichen Arbeiten, Drainage, Wegebauten, Steineklopfen, Strasse- pflastern, wozu sie verbraucht wurden, um ihre Unterstützung (die thatsächlich eine Unterstützung der Fabrikanten war, s. Buch I, S. 598/589) von den Lokalbehörden zu beziehn. Die ganze Bour- geoisie stand auf Wache über den Arbeitern. Wurde der schlech- teste Hundelohn angeboten und der Arbeiter wollte ihn nicht nehmen, so strich das Unterstützungskomité ihn von der Unter- stützungsliste. Es war in sofern eine goldne Zeit für die Herrn Fabrikanten, als die Arbeiter entweder verhungern oder zu jedem, dem Bourgeois profitabelsten Preis arbeiten mussten; wobei die Unterstützungskomité’s als ihre Wachthunde agirten. Zugleich verhinderten die Fabrikanten, in geheimem Einverständniss mit der Regierung, die Auswanderung soweit wie möglich, theils um ihr im Fleisch und Blut der Arbeiter existirendes Kapital stets in Bereitschaft zu halten, theils um die von den Arbeitern erpresste Hausmiethe zu sichern.
„Die Unterstützungskomité’s handelten in diesem Punkt mit grosser Strenge. War Arbeit angeboten, so wurden die Arbeiter, denen sie angeboten worden, von der Liste gestrichen, und so ge- zwungen sie anzunehmen. Wenn sie sich weigerten die Arbeit anzutreten … so war die Ursache die, dass ihr Verdienst bloss nominell, die Arbeit aber ausserordentlich schwer sein würde.“ (l. c., p. 97.)
Die Arbeiter waren zu jeder Art Arbeit bereitwillig, zu der sie in Folge des Public Works Act angestellt wurden. „Die Grundsätze, wonach industrielle Beschäftigungen organisirt wurden, wechselten bedeutend in verschiednen Städten. Aber selbst an den Orten, wo die Arbeit in freier Luft nicht absolut als Arbeitsprobe (labour test) diente, wurde diese Arbeit doch entweder mit der blossen regelmäßigen Unterstützungssumme, oder doch nur so unbedeutend höher bezahlt, dass sie in der That eine Arbeitsprobe wurde.“ (p. 69.) „Der Public Works Act von 1863 sollte diesem Uebel
abhelfen und den Arbeiter befähigen, seinen Taglohn als unab- hängiger Taglöhner zu verdienen. Der Zweck dieses Akts war dreifach: 1) Lokalbehörden zu befähigen, Geld (mit Einwilligung des Präsidenten der staatlichen Central-Armenbehörde) von den Schatzanleihe-Kommissären zu borgen; 2) Verbesserungen in den Städten der Baumwollbezirke zu erleichtern; 3) den unbeschäftigten Arbeitern Arbeit und lohnenden Verdienst (remunerative wages) zu verschaffen.“ Bis Ende Oktober 1863 waren Anleihen bis zum Betrag von 883700 £ unter diesem Gesetz bewilligt worden. (p. 70.) Die unternommenen Arbeiten waren hauptsächlich Kana- lisation, Wegebauten, Strassenpflastern, Sammelteiche für Wasser- werke etc.
Herr Henderson, Präsident des Komités von Blackburn, schreibt mit Beziehung hierauf an Fabrikinspektor Redgrave: „Während meiner ganzen Erfahrung im Lauf der gegenwärtigen Zeit des Leidens und des Elends, hat mich nichts stärker frappirt oder mir mehr Freude gemacht, als die heitre Bereitwilligkeit, womit die unbeschäftigten Arbeiter dieses Distrikts, die ihnen gemäß dem Public Works Act vom Stadtrath von Blackburn angebotne Arbeit übernommen haben. Man kann kaum einen grössern Kontrast denken, als den zwischen dem Baumwollspinner, der früher als geschickter Arbeiter in der Fabrik, und jetzt als Tagelöhner an einem Abzugskanal 14 oder 18 Fuss tief arbeitet.“ [Sie ver- dienten dabei je nach Grösse der Familie 4—12 sh. wöchentlich, letztre riesige Summe musste oft für eine Familie von 8 Personen ausreichen. Die Herren Spiessbürger hatten dabei doppelten Profit: Erstens bekamen sie das Geld zur Verbesserung ihrer rauchigen und vernachlässigten Städte zu ausnahmsweis niedrigen Zinsen; zweitens zahlten sie die Arbeiter weit unter den regelmäßigen Lohnsätzen.] „Gewohnt wie er war, an eine fast tropische Tem- peratur, an Arbeit, wobei Gewandtheit und Genauigkeit der Mani- pulation ihm unendlich mehr nützte als Muskelkraft, gewohnt an das doppelte, manchmal dreifache der Entlohnung, die er jetzt erhalten kann, schliesst seine willige Annahme der gebotnen Be- schäftigung eine Summe von Selbstverleugnung und Rücksicht ein, die ihm zur höchsten Ehre gereicht. In Blackburn sind die Leute probirt worden, bei fast jeder möglichen Art von Arbeit in freier Luft; beim Ausgraben eines steifen, schweren Lehmbodens auf beträchtliche Tiefe, bei Trockenlegung, Steinklopfen, Wege- bauten, bei Ausgrabungen für Strassenkanäle auf Tiefen von 14, 16 und zuweilen 20 Fuss. Häufig stehn sie dabei in 10—12 Zoll
tiefem Schmutz und Wasser, und jedesmal sind sie dabei einem Klima ausgesetzt, dessen nasse Kälte in keinem Distrikt Englands übertroffen, wenn überhaupt erreicht wird.“ (p. 91, 92.) — „Die Haltung der Arbeiter ist fast tadellos gewesen … ihre Bereit- willigkeit, die Arbeit in freier Luft zu übernehmen und sich da- mit durchzuschlagen.“ (p. 69.)
1864. April. „Gelegentlich hört man in verschiednen Bezirken Klagen über Mangel an Arbeitern, hauptsächlich in gewissen Zweigen, z. B. der Weberei … aber diese Klagen haben ihren Ursprung ebensosehr in dem geringen Lohn, den die Arbeiter ver- dienen können in Folge der angewandten schlechten Garnsorten, wie in irgend welcher wirklichen Seltenheit von Arbeitern selbst in diesem besondern Zweig. Zahlreiche Zwistigkeiten wegen des Lohns haben vorigen Monat stattgefunden zwischen gewissen Fabrikanten und ihren Arbeitern. Ich bedaure, dass Strikes nur zu häufig vorgekommen sind … Die Wirkung des Public Works Act wird von den Fabrikanten als eine Konkurrenz empfunden, und in Folge dessen hat das Lokalkomité von Bacup seine Thätig- keit suspendirt, denn obwohl noch nicht alle Fabriken laufen, hat sich doch ein Mangel an Arbeitern gezeigt.“ (Rep. Fact., April 1864, p. 9, 10.) Es war allerdings die höchste Zeit für die Herren Fabrikanten. In Folge des Public Works Act wuchs die Nach- frage so sehr, dass in den Steinbrüchen bei Bacup manche Fabrik- arbeiter jetzt 4—5 sh. täglich verdienten. Und so wurden die öffentlichen Arbeiten allmälig eingestellt — diese neue Auflage der Ateliers nationaux von 1848, aber diesmal errichtet zum Nutzen der Bourgeoisie.
Experimente in corpore vili.
„Obwohl ich den sehr herabgesetzten Lohn (der Vollbeschäftig- ten), den wirklichen Verdienst der Arbeiter in verschiednen Fabriken gegeben habe, folgt keineswegs, dass sie Woche für Woche die- selbe Summe verdienen. Die Arbeiter sind hier grossen Schwan- kungen ausgesetzt, in Folge des beständigen Experimentirens der Fabrikanten mit verschiednen Arten und Proportionen von Baum- wolle und Abfall in derselben Fabrik; die „Mischungen“, wie man sie nennt, werden häufig gewechselt, und der Verdienst der Arbeiter steigt und fällt mit der Qualität der Baumwollmischung. Zuweilen blieb er nur 15 % des frühern Verdienstes, und in einer oder ein paar Wochen fiel er auf 50 oder 60 % herunter.“ Inspector Red- grave, der hier spricht, gibt nun der Praxis entnommene Lohn- aufstellungen, wovon hier folgende Beispiele hinreichen:
A, Weber, Familie von 6 Personen, 4 Tage in der Woche be- schäftigt, 6 sh. 8½ d.; B, Twister, 4½ Tag per Woche, 6 sh.; C, Weber, Familie von 4, 5 Tage per Woche, 5 sh. 1 d.; D, Slubber, Familie von 6, 4 Tage per Woche, 7 sh. 10 d.; E, Weber, Familie von 7, 3 Tage, 5 sh. u. s. w. Redgrave fährt fort: „Die obigen Aufstellungen verdienen Beachtung, denn sie beweisen, dass die Arbeit in mancher Familie ein Unglück werden würde, da sie nicht nur das Einkommen reducirt, sondern es so tief herunter- bringt, dass es vollständig unzureichend wird um mehr als einen ganz kleinen Theil ihrer absoluten Bedürfnisse zu befriedigen, wenn nicht zusätzliche Unterstützung in Fällen gegeben würde, wo der Verdienst der Familie nicht die Summe erreicht, die sie als Unterstützung erhalten würde, wenn sie alle unbeschäftigt wären.“ (Rep. Fact., Oktober 1863, p. 50—53.)
„In keiner Woche seit dem 5. Juni 1863 ist die durchschnitt- liche Gesammtbeschäftigung aller Arbeiter mehr als zwei Tage, 7 Stunden und einige Minuten gewesen.“ (l. c., p. 121.)
Von Anfang der Krise bis 25. März 1863 wurden beinahe drei Mill. £ ausgegeben von den Armenverwaltungen, dem Central- Unterstützungskomité und dem Londoner Mansion-House-Komité. (p. 13.)
„In einem Bezirk, wo wohl das feinste Garn gesponnen wird … erleiden die Spinner eine indirekte Lohnherabsetzung von 15 % in Folge des Uebergangs von Sea Island zu ägyptischer Baumwolle. … In einem ausgedehnten Distrikt, wo Baumwollabfall in Mengen verwandt wird zur Mischung mit indischer Baumwolle, haben die Spinner eine Lohnreduktion von 5 % gehabt, und ausserdem noch 20—30 % verloren in Folge der Verarbeitung von Surat und Ab- fall. Die Weber sind von vier Stühlen auf 2 heruntergekommen. 1860 machten sie auf jeden Webstuhl 5 sh. 7 d., 1863 nur 3 sh. 4 d. … Die Geldstrafen, die auf amerikanische Baumwolle früher von 3 d. bis 6 d. variirten [für den Spinner], laufen jetzt auf zu 1 sh. bis 3 sh. 6 d.“ In einem Bezirk, wo ägyptische Baumwolle gebraucht wurde, vermischt mit ostindischer: „Der Durchschnitts- lohn der Mule-Spinner 1860 war 18—25 sh., und ist jetzt 10 bis 18 sh. Dies ist nicht ausschliesslich durch die verschlechterte Baumwolle verursacht, sondern auch durch die verminderte Ge- schwindigkeit der Mule, um dem Garn eine stärkere Drehung zu geben, wofür in gewöhnlichen Zeiten Extrazahlung gemäß der Lohnliste gemacht worden wäre.“ (p. 43, 44, 45—50.) „Obgleich die ostindische Baumwolle vielleicht hier und da mit Profit für
den Fabrikanten verarbeitet worden ist, so sehn wir doch (siehe Lohnliste p. 53), dass die Arbeiter darunter leiden, verglichen mit 1861. Setzt sich der Gebrauch von Surat fest, so werden die Arbeiter den gleichen Verdienst wie 18[5]7 verlangen; dies aber würde den Profit des Fabrikanten ernstlich afficiren, falls es nicht ausgeglichen wird durch den Preis, sei es der Baumwolle, sei es der Fabrikate.“ (p. 105.)
Hausmiethe. „Die Hausmiethe der Arbeiter, wenn die von ihnen bewohnten cottages dem Fabrikanten gehören, wird von diesem häufig vom Lohn abgezogen, selbst wenn kurze Zeit gearbeitet wird. Trotzdem ist der Werth dieser Gebäude gesunken, und Häuschen sind jetzt 25—50 % wohlfeiler gegen früher zu haben; eine cottage, die sonst 3 sh. 6 d. per Woche kostete, ist jetzt für 2 sh. 4 d. zu haben, und zuweilen noch für weniger.“ (p. 57.)
Auswanderung. Die Fabrikanten waren natürlich gegen die Auswanderung der Arbeiter, einestheils weil sie „in Erwartung bessrer Zeiten für die Baumwollindustrie sich die Mittel zur Hand erhalten wollten, um ihre Fabrik in der vortheilhaftesten Weise zu betreiben.“ Dann aber auch „sind manche Fabrikanten Eigen- thümer der Häuser, worin die von ihnen beschäftigten Arbeiter wohnen, und wenigstens einige von ihnen rechnen unbedingt da- rauf, später einen Theil der aufgelaufnen schuldigen Miethe be- zahlt zu erhalten.“ (p. 96.)
Herr Bernall Osborne sagt in einer Rede an seine Parlaments- wähler vom 22. Oktober 1864, dass sich die Arbeiter von Lan- cashire benommen haben wie die antiken Philosophen (Stoiker). Nicht wie Schafe?
Gesetzt, wie in diesem Abschnitt unterstellt, die in jeder be- sondren Produktionssphäre angeeignete Profitmasse sei gleich der Summe des Mehrwerths, den das in dieser Sphäre angelegte Ge- sammtkapital erzeugt. So wird der Bourgeois den Profit doch nicht als identisch mit dem Mehrwerth, d. h. mit unbezahlter Mehrarbeit, auffassen, und zwar aus folgenden Gründen nicht:
1) In dem Process der Cirkulation vergisst er den Produktions- process. Das Realisiren des Werths der Waaren — worin das Realisiren ihres Mehrwerths eingeschlossen — gilt ihm als Machen
dieses Mehrwerths. [Eine leergelassene Lücke im Manuskript deutet an, dass Marx diesen Punkt näher zu entwickeln vorhatte. F. E.]
2) Denselben Exploitationsgrad der Arbeit vorausgesetzt, hat sich gezeigt, dass, abgesehn von allen durch das Kreditsystem hereingebrachten Modifikationen, von aller wechselseitigen Ueber- vortheilung und Prellerei der Kapitalisten unter einander, ferner von aller günstigen Wahl des Markts, die Profitrate sehr ver- schieden sein kann, je nachdem der Rohstoff wohlfeiler oder min- der wohlfeil, mit mehr oder minder Sachkenntniss angekauft; je nachdem die angewandte Maschinerie produktiv, zweckmäßig und wohlfeil; je nachdem die Gesammteinrichtung der verschiednen Stufen des Produktionsprocesses mehr oder minder vollkommen, die Stoffvergeudung beseitigt, die Leitung und Aufsicht einfach und wirksam ist u. s. w. Kurz, den Mehrwerth für ein bestimmtes variables Kapital gegeben, so hängt es noch sehr von der indivi- duellen Geschäftstüchtigkeit, sei es des Kapitalisten selbst, sei es seiner Unteraufseher und Kommis ab, ob sich dieser selbe Mehr- werth in einer grössern oder kleinern Profitrate ausdrückt, und daher ob er eine grössere oder kleinere Profitmasse liefert. Der- selbe Mehrwerth von 1000 £, das Produkt von 1000 £ Arbeits- lohn, sei im Geschäft A auf 9000 £, und in dem andern Ge- schäft B auf 11000 £ konstantes Kapital bezogen. Im Fall A haben wir p' = = 10 %. In dem Fall B haben wir p' = = 8⅓ %. Das Gesammtkapital producirt bei A verhältniss- mäßig mehr Profit als bei B, weil dort die Profitrate höher als hier, obgleich in beiden Fällen das vorgeschossne variable Kapital = 1000, und der aus demselben geschlagne Mehrwerth ebenfalls = 1000 ist, also in beiden Fällen gleich grosse Exploitation von gleich vielen Arbeitern stattfindet. Diese Verschiedenheit der Darstellung derselben Masse Mehrwerths, oder die Verschiedenheit der Profitraten, und daher der Profite selbst, bei gleicher Exploi- tation der Arbeit, kann auch aus andren Quellen herstammen; sie kann aber auch einzig und allein entspringen aus der Verschieden- heit in dem Geschäftsgeschick, womit beide Geschäfte geführt sind. Und dieser Umstand verleitet den Kapitalisten — überzeugt ihn — dass sein Profit geschuldet ist, nicht der Exploitation der Arbeit, sondern wenigstens theilweise auch andern, davon unab- hängigen Umständen, namentlich aber seiner individuellen That.
Aus dem in diesem ersten Abschnitt Entwickelten folgt die Falschheit der Ansicht (Rodbertus), wonach (im Unterschied von der Grundrente, wo z. B. das Bodenareal dasselbe bleibe während die Rente wachse) ein Grössenwechsel des Kapitals ohne Einfluss auf das Verhältniss zwischen Profit und Kapital, und daher auf die Profitrate bleibe, weil, wenn die Masse des Profits wächst, auch die Masse des Kapitals wächst, auf das er berechnet wird und umgekehrt.
Dies ist nur wahr in zwei Fällen. Erstens wenn, alle andern Umstände, also namentlich die Rate des Mehrwerths, als gleich- bleibend vorausgesetzt, ein Werthwechsel der Waare eintritt, welche die Geldwaare ist. (Dasselbe findet statt bei dem nur nominellen Werthwechsel, Steigen oder Fallen von Werthzeichen bei sonst gleichen Umständen.) Das Gesammtkapital sei = 100 £, und der Profit = 20 £, die Profitrate also = 20 %. Steigt oder fällt das Gold nun um 100 %, so wird im ersten Fall dasselbe Kapital 200 £ werth sein, das früher 100 £ werth war, und der Profit wird einen Werth von 40 £ haben, d. h. sich in diesem Geld- ausdruck darstellen, statt früher in 20 £. Im zweiten Fall sinkt das Kapital auf einen Werth von 50 £, und der Profit stellt sich dar in einem Produkt zum Werth von 10 £. Aber in beiden Fällen ist 200 : 40 = 50 : 10 = 100 : 20 = 20 %. In allen diesen Fällen wäre jedoch in der That kein Grössenwechsel im Kapitalwerth, sondern nur im Geldausdruck desselben Werths und desselben Mehr- werths vorgegangen. Es könnte also auch oder die Profitrate nicht afficirt werden.
Der andre Fall ist der, wenn wirklicher Grössenwechsel des Werths stattfindet, aber dieser Grössenwechsel nicht begleitet ist von einem Wechsel im Verhältniss von v: c, d. h. wenn bei kon- stanter Rate des Mehrwerths das Verhältniss des in Arbeitskraft ausgelegten Kapitals (das variable Kapital als Index der in Be- wegung gesetzten Arbeitskraft betrachtet) zu dem in Produktions- mitteln ausgelegten Kapital dasselbe bleibt. Unter diesen Umständen, ob wir C oder nC oder haben, z. B. 1000 oder 2000 oder 500, wird der Profit, bei 20 % Profitrate, im ersten Fall = 200, im zweiten = 400, im dritten = 100 sein; aber = = = 20 %. D. h. die Profitrate bleibt hier unverändert, weil die Zu- sammensetzung des Kapitals dieselbe bleibt und von seinem Grössenwechsel nicht berührt wird. Zunahme oder Abnahme der
Profitmasse zeigt daher hier nur an Zunahme oder Abnahme in der Grösse des angewandten Kapitals.
Im ersten Fall findet also nur ein scheinbarer Grössenwechsel des angewandten Kapitals statt, im zweiten Fall findet ein wirk- licher Grössenwechsel statt, aber kein Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals, in dem Verhältniss seines variablen Theils zu seinem konstanten. Aber diese beiden Fälle ausgenommen, ist der Grössenwechsel des angewandten Kapitals entweder Folge eines vorhergegangnen Werthwechsels in einem seiner Bestand- theile, und daher (sofern nicht mit dem variablen Kapital der Mehrwerth selbst wechselt) eines Wechsels in der relativen Grösse seiner Bestandtheile; oder dieser Grössenwechsel (wie bei Arbeiten auf grosser Stufenleiter, Einführung neuer Maschinerie etc.) ist die Ursache eines Wechsels in der relativen Grösse seiner beiden organischen Bestandtheile. In allen diesen Fällen muss daher bei sonst gleichen Umständen der Grössenwechsel des angewandten Kapitals begleitet sein von einem gleichzeitigen Wechsel der Profitrate.
Die Vermehrung der Profitrate stammt stets daher, dass der Mehrwerth relativ oder absolut im Verhältniss zu seinen Produktions- kosten, d. h. zum vorgeschossnen Gesammtkapital, vermehrt wird, oder die Differenz zwischen Rate des Profits und Rate des Mehr- werths vermindert wird.
Schwankungen in der Rate des Profits, unabhängig vom Wechsel in den organischen Bestandtheilen des Kapitals oder von der ab- soluten Grösse des Kapitals, sind dadurch möglich, dass der Werth des vorgeschossnen Kapitals, in welcher Form, fix oder cirkulirend, es existire, steigt oder fällt in Folge einer, von dem schon existirenden Kapital unabhängigen, Erhöhung oder Erniedrigung der zu seiner Reproduktion nöthigen Arbeitszeit. Der Werth jeder Waare — also auch der Waaren, woraus das Kapital besteht — ist bedingt, nicht durch die in ihr selbst enthaltne nothwendige Arbeitszeit, sondern durch die gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit, die zu ihrer Reproduktion erheischt ist. Diese Reproduktion kann erfolgen unter erschwerenden oder unter erleichternden Umständen, verschieden von den Bedingungen der ursprünglichen Produktion. Bedarf es unter den veränderten Umständen allgemein doppelt so vieler, oder umgekehrt halb so vieler Zeit, um dasselbe sachliche Kapital zu reproduciren, so würde bei unverändertem Werth des Geldes, wenn es früher 100 £ werth, jetzt 200 £, bezw. 50 £ werth sein. Träfe diese Wertherhöhung oder Entwerthung alle
Theile des Kapitals gleichmäßig, so würde sich auch der Profit entsprechend in der doppelten oder nur in der halben Geldsumme ausdrücken. Schliesst sie aber eine Aenderung in der organischen Zusammensetzung des Kapitals ein, steigert oder senkt sie das Verhältniss des variablen zum konstanten Kapitaltheil, so wird die Profitrate bei sonst gleichen Umständen wachsen mit relativ wach- sendem, fallen bei relativ sinkendem variablem Kapital. Steigt oder fällt nur der Geldwerth (in Folge einer Werthänderung des Geldes) des vorgeschossnen Kapitals, so steigt oder fällt im selben Ver- hältniss der Geldausdruck des Mehrwerths. Die Profitrate bleibt unverändert.
Im vorigen Abschnitt wurde unter anderm nachgewiesen, wie bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths die Profitrate variiren, steigen oder fallen kann. In diesem Kapitel wird nun voraus- gesetzt, dass der Exploitationsgrad der Arbeit, und daher die Rate des Mehrwerths und die Länge des Arbeitstags in allen Produktions- sphären, worin sich die gesellschaftliche Arbeit in einem gegebnen Lande spaltet, von gleicher Grösse, gleich hoch ist. Von vielen Verschiedenheiten in der Exploitation der Arbeit in verschiednen Produktionssphären hat schon A. Smith ausführlich nachgewiesen, dass sie sich durch allerlei wirkliche oder vom Vorurtheil accep- tirte Kompensationsgründe ausgleichen, und daher, als nur schein- bare und verschwindende Verschiedenheiten, für die Untersuchung der allgemeinen Verhältnisse nicht in Rechnung kommen. Andre Unterschiede, z. B. in der Höhe des Arbeitslohns, beruhen grossen- theils auf dem schon im Eingang zu Buch I, S. 19 erwähnten Unterschied zwischen einfacher und komplicirter Arbeit und be- rühren, obgleich sie das Loos der Arbeiter in verschiednen Pro- duktionssphären sehr verungleichen, keineswegs den Exploitations- grad der Arbeit in diesen verschiednen Sphären. Wird z. B. die Arbeit eines Goldschmieds theurer bezahlt, als die eines Taglöhners, so stellt die Mehrarbeit des Goldschmieds in demselben Verhältniss auch grössern Mehrwerth her als die des Taglöhners. Und wenn die Ausgleichung der Arbeitslöhne und Arbeitstage, und daher der Rate des Mehrwerths, zwischen verschiednen Produktionssphären, ja selbst zwischen verschiednen Kapitalanlagen in derselben Pro- duktionssphäre durch vielerlei lokale Hindernisse aufgehalten wird, so vollzieht sie sich doch mehr und mehr mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion und der Unterordnung aller ökonomischen Verhältnisse unter diese Produktionsweise. So wichtig das Studium
solcher Friktionen für jede Specialarbeit über den Arbeitslohn, so sind sie doch für die allgemeine Untersuchung der kapitalistischen Produktion als zufällig und unwesentlich zu vernachlässigen. In solcher allgemeinen Untersuchung wird überhaupt immer voraus- gesetzt, dass die wirklichen Verhältnisse ihrem Begriff entsprechen, oder was dasselbe, werden die wirklichen Verhältnisse nur darge- stellt, soweit sie ihren eignen allgemeinen Typus ausdrücken.
Der Unterschied der Raten des Mehrwerths in verschiednen Ländern, und daher der nationalen Exploitationsgrade der Arbeit ist für die vorliegende Untersuchung durchaus gleichgültig. Wir wollen ja eben in diesem Abschnitt darstellen, in welcher Weise eine allgemeine Profitrate innerhalb eines Landes hergestellt wird. Es ist jedoch klar, dass man bei Vergleichung der verschiednen nationalen Profitraten nur das früher Entwickelte mit dem hier zu Entwickelnden zusammenzustellen hat. Erst betrachte man die Verschiedenheit in den nationalen Raten des Mehrwerths, und dann vergleiche man, auf Grundlage dieser gegebnen Raten des Mehr- werths, die Verschiedenheit der nationalen Profitraten. Soweit ihre Verschiedenheit nicht aus der Verschiedenheit der nationalen Raten des Mehrwerths resultirt, muss sie Umständen geschuldet sein, worin, wie in der Untersuchung in diesem Kapitel, der Mehrwerth als überall gleich, als konstant vorausgesetzt wird.
Es wurde im vorigen Kapitel gezeigt, dass, die Rate des Mehr- werths als konstant vorausgesetzt, die Profitrate, die ein bestimmtes Kapital abwirft, steigen oder fallen kann in Folge von Umständen, die den Werth eines oder des andern Theils des konstanten Kapitals erhöhen oder erniedrigen, und dadurch überhaupt das Verhältniss zwischen den konstanten und variablen Bestandtheilen des Kapitals afficiren. Es wurde ferner bemerkt, dass Umstände, welche die Umschlagszeit eines Kapitals verlängern oder verkürzen, in ähn- licher Weise die Profitrate afficiren können. Da die Masse des Profits identisch ist mit der Masse des Mehrwerths, mit dem Mehr- werth selbst, so zeigte sich auch, dass die Masse des Profits — im Unterschied von der Profitrate — nicht von den eben erwähnten Werthschwankungen betroffen wird. Sie modificirten nur die Rate, worin sich ein gegebner Mehrwerth und daher auch ein Profit von gegebner Grösse ausdrückt, d. h. seine verhältnissmäßige Grösse, seine Grösse verglichen mit der Grösse des vorgeschossnen Kapitals. Insofern in Folge jener Werthschwankungen Bindung oder Frei- setzung von Kapital stattfand, konnte auf diesem indirekten Weg nicht nur die Profitrate, sondern der Profit selbst afficirt werden.
Indess galt dies dann immer nur von bereits engagirtem Kapital, nicht von neuer Kapitalanlage; und ausserdem hing die Vergrösserung oder Verringerung des Profits selbst immer davon ab, in wie fern in Folge jener Werthschwankungen mit demselben Kapital mehr oder weniger Arbeit in Bewegung gesetzt werden konnte, also mit demselben Kapital — bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths — eine grössre oder geringre Masse von Mehrwerth producirt werden konnte. Weit entfernt dem allgemeinen Gesetz zu widersprechen oder eine Ausnahme davon zu bilden, war diese scheinbare Aus- nahme in der That nur ein besondrer Fall der Anwendung des allgemeinen Gesetzes.
Wenn sich im vorigen Abschnitt zeigte, dass bei konstantem Exploitationsgrad der Arbeit, mit Werthwechsel der Bestandtheile des konstanten Kapitals und ebenso mit Wechsel in der Umschlags- zeit des Kapitals, die Profitrate sich änderte, so folgt daraus von selbst, dass die Profitraten verschiedner gleichzeitig nebeneinander existirenden Produktionssphären verschieden sein werden, wenn bei sonst gleichbleibenden Umständen die Umschlagszeit der angewandten Kapitale eine verschiedne, oder wenn das Werthverhältniss zwischen den organischen Bestandtheilen dieser Kapitale in den verschiednen Produktionszweigen verschieden ist. Was wir früher betrachteten als Aenderungen, die zeitlich nach einander mit demselben Kapital vorgingen, betrachten wir jetzt als gleichzeitig vorhandne Unter- schiede zwischen nebeneinander bestehenden Kapitalanlagen in ver- schiednen Produktionssphären.
Wir werden hierbei zu untersuchen haben: 1) die Verschieden- heit in der organischen Zusammensetzung der Kapitale, 2) die Verschiedenheit ihrer Umschlagszeit.
Die Voraussetzung bei dieser ganzen Untersuchung ist selbst- verständlich die, dass wenn wir von Zusammensetzung oder Um- schlag des Kapitals in einem bestimmten Produktionszweig sprechen, immer das durchschnittliche Normalverhältniss des in diesem Pro- duktionszweig angelegten Kapitals gemeint, überhaupt von dem Durchschnitt des in der bestimmten Sphäre angelegten Gesammt- kapitals, nicht von den zufälligen Unterschieden der in dieser Sphäre angelegten Einzelkapitale die Rede ist.
Da ferner unterstellt ist, dass Rate des Mehrwerths und Arbeits- tag konstant, und da diese Unterstellung ebenfalls Konstanz des Arbeitslohns einschliesst, so drückt ein gewisses Quantum variables Kapital ein gewisses Quantum in Bewegung gesetzter Arbeitskraft und daher ein bestimmtes Quantum sich vergegenständlichender
Arbeit aus. Wenn also 100 £ den Wochenlohn von 100 Arbeitern ausdrückt, also in der That 100 Arbeiterkraft anzeigt, so n × 100 £ die von n × 100 Arbeitern und die von Arbeitern. Das variable Kapital dient hier also (wie bei gegebnem Arbeitslohn stets der Fall) als Index der Masse der, von einem bestimmten Gesammtkapital in Bewegung gesetzten, Arbeit; Verschiedenheiten in der Grösse des angewandten variablen Kapitals dienen daher als Indices der Verschiedenheit in der Masse der angewandten Arbeits- kraft. Wenn 100 £ 100 Arbeiter wöchentlich darstellen, und daher bei 60 Stunden wöchentlicher Arbeit 6000 Arbeitsstunden repräsen- tiren, so 200 £ 12000 und 50 £ nur 3000 Arbeitsstunden.
Unter Zusammensetzung des Kapitals verstehn wir, wie schon in Buch I gesagt, das Verhältniss seines aktiven und seines passiven Bestandtheils, des variabeln und des konstanten Kapitals. Es kommen hierbei zwei Verhältnisse in Betracht, die nicht von gleicher Wich- tigkeit sind, obgleich sie unter gewissen Umständen gleiche Wir- kung hervorbringen können.
Das erste Verhältniss beruht auf technischer Grundlage und ist auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Produktivkraft als ge- geben zu betrachten. Eine bestimmte Masse Arbeitskraft, dargestellt durch eine bestimmte Anzahl Arbeiter, ist erheischt um eine be- stimmte Masse Produkt, z. B. in einem Tag, zu produciren, und daher — was darin eingeschlossen — eine bestimmte Masse Pro- duktionsmittel, Maschinerie, Rohstoffe etc. in Bewegung zu setzen, produktiv zu konsumiren. Es kommt eine bestimmte Anzahl Arbeiter auf ein bestimmtes Quantum Produktionsmittel, und daher ein bestimmtes Quantum lebendiger Arbeit auf ein bestimmtes Quantum von, in den Produktionsmitteln bereits vergegenständlichter Arbeit. Dies Verhältniss ist sehr verschieden in verschiednen Pro- duktionssphären, oft zwischen den verschiednen Zweigen einer und derselben Industrie, obgleich es zufällig wieder in sehr weit aus- einanderliegenden Industriezweigen ganz oder annähernd dasselbe sein kann.
Dies Verhältniss bildet die technische Zusammensetzung des Kapitals und ist die eigentliche Grundlage seiner organischen Zu- sammensetzung.
Es ist aber auch möglich, dass jenes Verhältniss in verschiednen Industriezweigen dasselbe sei, soweit das variable Kapital blosser Index von Arbeitskraft und das konstante Kapital blosser Index der von der Arbeitskraft in Bewegung gesetzten Masse von Pro-
duktionsmitteln ist. Z. B. gewisse Arbeiten in Kupfer und Eisen mögen gleiches Verhältniss zwischen Arbeitskraft und Masse von Produktionsmitteln voraussetzen. Da aber Kupfer theurer als Eisen, wird das Werthverhältniss zwischen variablem und konstantem Kapital in beiden Fällen verschieden sein, und damit auch die Werthzusammensetzung der beiden Gesammtkapitale. Der Unter- schied zwischen der technischen Zusammensetzung und der Werth- zusammensetzung zeigt sich in jedem Industriezweig darin, dass bei konstanter technischer Zusammensetzung das Werthverhältniss der beiden Kapitaltheile wechseln und bei veränderter technischer Zu- sammensetzung das Werthverhältniss dasselbe bleiben kann; letztres natürlich nur, wenn der Wechsel in dem Verhältniss der ange- wandten Massen von Produktionsmitteln und Arbeitskraft durch entgegengesetzten Wechsel in ihren Werthen ausgeglichen wird.
Die Werthzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und diese wiederspiegelt, nennen wir die organische Zusammensetzung des Kapitals.(FN20)
Bei dem variablen Kapital setzen wir also voraus, dass es Index einer bestimmten Menge Arbeitskraft, bestimmter Anzahl Arbeiter oder bestimmter Massen in Bewegung gesetzter lebendiger Arbeit ist. Man hat im vorigen Abschnitt gesehn, dass Wechsel in der Werthgrösse des variablen Kapitals möglicher Weise nichts darstellt als grössern oder geringern Preis derselben Arbeitsmasse; aber hier, wo Mehrwerthsrate und Arbeitstag als konstant, der Arbeitslohn für bestimmte Arbeitszeit als gegeben betrachtet wird, fällt dies fort. Dagegen kann ein Unterschied in der Grösse des konstanten Kapitals zwar auch Index sein eines Wechsels in der Masse der von einem bestimmten Quantum Arbeitskraft in Bewegung gesetzten Produktionsmittel; aber er kann auch herrühren von dem Unter- schied im Werth, den die in Bewegung gesetzten Produktionsmittel in einer Produktionssphäre, als unterschieden von der andren haben. Beide Gesichtspunkte kommen daher hier in Erwägung.
Endlich ist folgendes Wesentliche zu bemerken:
Gesetzt 100 £ sei der Wochenlohn von 100 Arbeitern. Gesetzt die wöchentliche Arbeitszeit sei = 60 Stunden. Gesetzt ferner die Rate des Mehrwerths sei = 100 %. In diesem Falle arbeiten die Arbeiter von den 60 Stunden 30 für sich selbst und 30 umsonst
für den Kapitalisten. In den 100 £ Arbeitslohn sind in der That nur 30 Arbeitsstunden der 100 Arbeiter oder zusammen 3000 Arbeits- stunden verkörpert, während die andren 3000 Stunden, die sie arbeiten, verkörpert sind in den 100 £ Mehrwerth, resp. Profit, den der Kapitalist einsteckt. Obgleich der Arbeitslohn von 100 £ daher nicht den Werth ausdrückt, worin sich die Wochenarbeit der 100 Arbeiter vergegenständlicht, so zeigt er doch an (da Länge des Arbeitstags und Rate des Mehrwerths gegeben) dass von diesem Kapital 100 Arbeiter während zusammen 6000 Arbeitsstunden in Bewegung gesetzt worden sind. Das Kapital von 100 £ zeigt dies an, weil es erstens die Anzahl der in Bewegung gesetzten Arbeiter anzeigt, indem 1 £ = 1 Arbeiter per Woche, also 100 £ = 100 Arbeiter; und zweitens, weil jeder in Bewegung gesetzte Arbeiter, bei der gegebnen Mehrwerthsrate von 100 %, noch einmal so viel Arbeit verrichtet als in seinem Lohn enthalten ist, also 1 £, sein Lohn, der der Ausdruck einer halben Woche Arbeit, eine ganze Woche Arbeit in Bewegung setzt, und ebenso 100 £, obgleich sie nur 50 Wochen Arbeit enthalten. 100 Arbeitswochen. Es ist da also ein sehr wesentlicher Unterschied zu machen zwischen dem variablen, in Arbeitslohn ausgelegten Kapital, soweit sein Werth, die Summe der Arbeitslöhne, ein bestimmtes Quantum vergegen- ständlichter Arbeit darstellt, und soweit sein Werth blosser Index ist der Masse lebendiger Arbeit, die es in Bewegung setzt. Diese letztre ist immer grösser als die in ihm enthaltne Arbeit, und stellt sich daher auch in einem höhern Werth dar, als dem des variablen Kapitals; in einem Werth, der bestimmt ist einerseits durch die Anzahl der vom variablen Kapital in Bewegung gesetzten Arbeiter, und andrerseits durch das Quantum Mehrarbeit, das sie verrichten.
Es folgt aus dieser Betrachtungsweise des variablen Kapitals:
Wenn eine Kapitalanlage in der Produktionssphäre A auf je 700 des Gesammtkapitals nur 100 in variablem Kapital verausgabt und 600 in konstantem, während in der Produktionssphäre B 600 in variablem und nur 100 in konstantem verausgabt werden, so wird jenes Gesammtkapital A von 700 nur eine Arbeitskraft von 100 in Bewegung setzen, also unter der frühern Annahme nur 100 Arbeitswochen oder 6000 Stunden lebendiger Arbeit, während das gleich grosse Gesammtkapital B 600 Arbeitswochen und daher 36,000 Stunden lebendiger Arbeit in Bewegung setzt. Das Kapital in A würde daher nur 50 Arbeitswochen oder 3000 Stunden Mehr- arbeit aneignen, während das gleich grosse Kapital in B 300 Arbeits-
wochen oder 18,000 Stunden. Das variable Kapital ist der Index nicht nur der in ihm selbst enthaltnen Arbeit, sondern, bei gegebner Mehrwerthsrate, zugleich der von ihm über dies Maß hinaus in Bewegung gesetzten überschüssigen oder Mehrarbeit. Bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit wäre der Profit im ersten Fall = = 14 % und im zweiten = = 85 %, die sechs- fache Profitrate. Aber in der That wäre in diesem Fall der Profit selbst sechsmal grösser, 600 für B gegen 100 für A, weil sechsmal soviel lebendige Arbeit mit demselben Kapital in Bewegung gesetzt, also bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit auch sechsmal soviel Mehrwerth, daher sechsmal soviel Profit gemacht wird.
Würden in A nicht 700 sondern 7000 £, in B dagegen nur 700 £ Kapital angewandt, so würde das Kapital A, bei gleich- bleibender organischer Zusammensetzung, 1000 £ von den 7000 £ als variables Kapital anwenden, also 1000 Arbeiter wöchentlich = 60,000 Stunden lebendiger Arbeit, wovon 30,000 Stunden Mehr- arbeit. Aber nach wie vor würde A mit je 700 £ nur ⅙ soviel lebendige Arbeit, und daher auch nur ⅙ soviel Mehrarbeit in Be- wegung setzen wie B, also damit auch nur ⅙ soviel Profit pro- duciren. Wird die Profitrate betrachtet, so ist = = 14 % gegen oder 85 % des Kapitals B. Gleich grosse Kapital- beträge genommen, ist hier die Profitrate verschieden, weil bei gleicher Mehrwerthsrate, in Folge der verschiednen Massen in Be- wegung gesetzter lebendiger Arbeit, die Massen der producirten Mehrwerthe und daher die Profite verschieden sind.
Dasselbe Resultat folgt thatsächlich, wenn die technischen Ver- hältnisse in der einen Produktionssphäre dieselben sind wie in der andern, aber der Werth der angewandten konstanten Kapitalelemente grösser oder kleiner ist. Nehmen wir an, beide wenden 100 £ als variables Kapital an und brauchen also 100 Arbeiter wöchent- lich, um dasselbe Quantum Maschinerie und Rohstoff in Bewegung zu setzen, aber letztre seien theurer in B als in A. In diesem Falle kämen auf 100 £ variables Kapital in A z. B. 200 £ kon- stantes und in B 400. Dann ist bei einer Mehrwerthsrate von 100 % der producirte Mehrwerth beidemal gleich 100 £; also auch der Profit beidemal gleich 100 £. Aber in A + 100v = ⅓ = 33⅓ %; dagegen in B + 100v = ⅕ = 20 %. In der
That, nehmen wir in beiden Fällen einen bestimmten aliquoten Theil des Gesammtkapitals, so bildet in B von je 100 £ nur 20 £ oder ⅕ variables Kapital, während in A von ie 100 £ 33⅓ £ oder ⅓ variables Kapital ist. B producirt auf je 100 £ weniger Profit, weil es weniger lebendige Arbeit in Bewegung setzt als A. Die Verschiedenheit der Profitraten löst sich hier also wieder auf in Verschiedenheit der auf je 100 der Kapitalanlagen erzeugten Profit- massen, weil Massen des Mehrwerths.
Der Unterschied dieses zweiten Beispiels vom vorhergehenden ist nur der: Die Ausgleichung zwischen A und B würde im zweiten Fall nur einen Werthwechsel des konstanten Kapitals, sei es von A oder B, bei gleichbleibender technischer Grundlage erfordern; im ersten Fall dagegen ist die technische Zusammensetzung selbst in den beiden Produktionssphären verschieden und müsste zur Aus- gleichung umgewälzt werden.
Die verschiedne organische Zusammensetzung der Kapitale ist also unabhängig von ihrer absoluten Grösse. Es fragt sich stets nur, wieviel von je 100 variables und wieviel konstantes Kapital ist.
Kapitale von verschiedner Grösse procentig berechnet, oder was hier auf dasselbe herauskommt, Kapitale von gleicher Grösse er- zeugen also bei gleichem Arbeitstag und gleichem Exploitations- grad der Arbeit sehr verschiedne Mengen von Profit, weil von Mehrwerth, und zwar weil, nach der verschiednen organischen Kapital-Zusammensetzung in verschiednen Produktionssphären ihr variabler Theil verschieden ist, also die Quanta der von ihnen in Bewegung gesetzten lebendigen Arbeit verschieden, also auch die Quanta der von ihnen angeeigneten Mehrarbeit, der Substanz des Mehrwerths und daher des Profits. Gleich grosse Stücke des Ge- sammtkapitals in den verschiednen Produktionssphären schliessen ungleich grosse Quellen des Mehrwerths ein, und die einzige Quelle des Mehrwerths ist die lebendige Arbeit. Bei gleichem Exploi- tationsgrad der Arbeit hängt die Masse der von einem Kapital = 100 in Bewegung gesetzten Arbeit, und daher auch der von ihm angeeigneten Mehrarbeit, von der Grösse seines variablen Be- standtheils ab. Wenn ein Kapital, das procentig aus 90c + 10v besteht, bei gleichem Exploitationsgrad der Arbeit ebensoviel Mehr- werth oder Profit erzeugte wie ein Kapital, das aus 10c + 90v besteht, dann wäre es sonnenklar, dass der Mehrwerth und daher der Werth überhaupt eine ganz andre Quelle haben müsste als die Arbeit, und dass damit jede rationelle Grundlage der politischen Oekonomie wegfiele. Setzen wir fortwährend 1 £ gleich dem
Wochenlohn eines Arbeiters für 60 Arbeitsstunden, und die Mehr- werthsrate = 100 %, so ist klar, dass das Gesammt-Werthprodukt, das ein Arbeiter in einer Woche liefern kann = 2 £; 10 Arbeiter könnten also nicht mehr liefern als 20 £; und da von diesen 20 £ 10 £ den Arbeitslohn ersetzen, so könnten die 10 keinen grössern Mehrwerth schaffen als 10 £; während die 90, deren Gesammt- produkt = 180 £, und deren Arbeitslohn = 90 £, einen Mehrwerth von 90 £ schüfen. Die Profitrate wäre also im einen Fall 10 %, im andern 90 %. Sollte es anders sein, so müssten Werth und Mehrwerth etwas andres sein als vergegenständlichte Arbeit. Da also Kapitale in verschiednen Produktionssphären, procentig be- trachtet — oder gleich grosse Kapitale — sich ungleich eintheilen in konstantes und variables Element, ungleich viel lebendige Arbeit in Bewegung setzen und daher ungleich viel Mehrwerth, also Profit erzeugen, so ist die Rate des Profits, die eben in der procentigen Berechnung des Mehrwerths auf das Gesammtkapital besteht, in ihnen verschieden.
Wenn aber die Kapitale verschiedner Produktionssphären, pro- centig berechnet, also gleich grosse Kapitale in verschiednen Pro- duktionssphären ungleiche Profite erzeugen, in Folge ihrer ver- schiednen organischen Zusammensetzung, so folgt, dass die Profite ungleicher Kapitale in verschiednen Produktionssphären nicht im Verhältniss zu ihren respektiven Grössen stehn können, dass also die Profite in verschiednen Produktionssphären nicht den Grössen der respektive in ihnen angewandten Kapitale proportional sind. Denn solches Wachsen des Profits pro rata der Grösse des ange- wandten Kapitals würde unterstellen, dass procentig betrachtet die Profite gleich sind, dass also gleich grosse Kapitale in verschiednen Produktionssphären gleiche Profitraten haben, trotz ihrer ver- schiednen organischen Zusammensetzung. Nur innerhalb derselben Produktionssphäre, wo also die organische Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist, oder zwischen verschiednen Produktionssphären von gleicher organischer Zusammensetzung des Kapitals, stehn die Massen der Profite in geradem Verhältniss zur Masse der ange- wandten Kapitale. Dass die Profite ungleich grosser Kapitale im Verhältniss ihrer Grössen sind, heisst überhaupt nichts als dass gleich grosse Kapitale gleich grosse Profite abwerfen, oder dass die Profitrate für alle Kapitale gleich ist, welches immer ihre Grösse und ihre organische Zusammensetzung.
Es findet das Entwickelte statt unter der Voraussetzung, dass die Waaren zu ihren Werthen verkauft werden. Der Werth einer
Waare ist gleich dem Werth des in ihr enthaltnen konstanten Kapitals, plus dem Werth des in ihr reproducirten variablen Kapitals, plus dem Inkrement dieses variablen Kapitals, dem pro- ducirten Mehrwerth. Bei gleicher Rate des Mehrwerths hängt seine Masse offenbar ab von der Masse des variablen Kapitals. Der Werth des Produkts des Kapitals von 100 ist in dem einen Fall 90c + 10v + 10m = 110; im andern Fall 10c + 90v + 90m = 190. Werden die Waaren zu ihren Werthen verkauft, so das erste Produkt zu 110, wovon 10 Mehrwerth oder unbezahlte Arbeit darstellt; das zweite Produkt dagegen zu 190, wovon 90 Mehr- werth oder unbezahlte Arbeit.
Es ist dies namentlich wichtig, wenn internationale Profitraten mit einander verglichen werden. In einem europäischen Land sei die Rate dss Mehrwerths 100 %, d. h. der Arbeiter arbeite den halben Tag für sich und den halben Tag für seinen Beschäftiger; in einem asiatischen Land sei sie = 25 %, d. h. der Arbeiter arbeite ⅘ des Tages für sich und ⅕ für seinen Beschäftiger. In dem europäischen Land aber sei die Zusammensetzung des nationalen Kapitals 84c + 16v, und im asiatischen Land, wo wenig Maschi- nerie etc. angewandt, und in einer gegebnen Zeit von einer gegebnen Menge Arbeitskraft relativ wenig Rohmaterial produktiv konsumirt wird, sei die Zusammensetzung 16c + 84v. Wir haben dann folgende Rechnung:
Im europäischen Land Produktwerth = 84c + 16v + 16m = 116 Profitrate = = 16 %.
Im asiatischen Land Produktwerth = 16c + 84v + 21m = 121; Profitrate = = 21 %.
Die Profitrate ist also im asiatischen Land um mehr als 25 % grösser als im europäischen, obgleich die Mehrwerthsrate in jenem viermal kleiner ist als in diesem. Die Careys, Bastiats und tutti quanti werden gerade auf das Umgekehrte schliessen.
Dies beiläufig; verschiedne nationale Profitraten werden meist auf verschiednen nationalen Mehrwerthsraten beruhen; wir ver- gleichen aber in diesem Kapitel ungleiche Profitraten, die aus einer und derselben Mehrwerthsrate entspringen.
Ausser der verschiednen organischen Zusammensetzung der Kapi- tale, also ausser den verschiednen Massen von Arbeit und damit auch, bei sonst gleichen Umständen, von Mehrarbeit, die Kapitale von gleicher Grösse in verschiednen Produktionssphären in Be- wegung setzen, besteht noch eine andre Quelle der Ungleichheit der Profitraten: die Verschiedenheit in der Länge des Umschlags
des Kapitals in den verschiednen Produktionssphären. Wir haben im IV. Kapitel gesehn, dass bei gleicher Zusammensetzung der Kapitale und bei sonst gleichen Umständen die Profitraten sich umgekehrt verhalten wie die Umschlagszeiten, und ebenso dass dasselbe variable Kapital, wenn es in verschiednen Zeiträumen um- schlägt, ungleiche Massen von jährlichem Mehrwerth zu Wege bringt. Die Verschiedenheit der Umschlagszeiten ist also ein andrer Grund, warum gleich grosse Kapitale in verschiednen Produktions- sphären nicht gleich grosse Profite in gleichen Zeiträumen produ- ciren, und warum daher die Profitraten in diesen verschiednen Sphären verschieden sind.
Was dagegen das Verhältniss der Zusammensetzung der Kapitale aus fixem und cirkulirendem Kapital betrifft, so afficirt es, an und für sich betrachtet, die Profitrate durchaus nicht. Es kann sie nur afficiren, wenn entweder diese verschiedne Zusammensetzung zusammenfällt mit verschiednem Verhältniss zwischen dem variablen und konstanten Theil, wo also diesem Unterschied, und nicht dem von cirkulirendem und fixem, die Verschiedenheit der Profitrate geschuldet ist; oder wenn das verschiedne Verhältniss zwischen fixen und cirkulirenden Bestandtheilen eine Verschiedenheit bedingt in der Umschlagszeit, während welcher ein bestimmter Profit reali- sirt wird. Wenn Kapitale in verschiedner Proportion in fixes und cirkulirendes zerfallen, wird dies zwar stets Einfluss auf ihre Um- schlagszeit haben und eine Verschiedenheit derselben hervorrufen; es folgt daraus aber nicht, dass die Umschlagszeit, worin dieselben Kapitale Profit realisiren, verschieden ist. Ob A z. B. beständig einen grössern Theil des Produkts in Rohstoff etc umsetzen muss, während B für längre Zeit dieselben Maschinen etc. bei weniger Rohstoff braucht, beide haben, soweit sie produciren, stets einen Theil ihres Kapitals engagirt; der eine in Rohstoff, also cirkulirendem Kapital, der andre in Maschinen etc. also in fixem Kapital. A ver- wandelt beständig einen Theil seines Kapitals aus Waarenform in Geldform und aus dieser zurück in die Form des Rohstoffs; während B einen Theil seines Kapitals ohne solche Veränderung für längren Zeitraum als Arbeitsinstrument benutzt. Wenn beide gleich viel Arbeit anwenden, so werden sie im Lauf des Jahrs zwar Produkten- massen von ungleichem Werth verkaufen, aber beide Produkten- massen werden gleich viel Mehrwerth enthalten, und ihre Profit- raten, die auf das gesammte vorgeschossne Kapital berechnet werden, sind dieselben, obgleich ihre Zusammensetzung aus fixem und cirkulirendem Kapital und ebenso ihre Umschlagszeit verschieden
ist. Beide Kapitale realisiren in gleichen Zeiten gleiche Profite, obgleich sie in verschiednen Zeiten umschlagen.(FN21) Die Ver- schiedenheit der Umschlagszeit hat an und für sich nur Bedeutung, soweit sie die Masse der Mehrarbeit afficirt, die von demselben Kapital in einer gegebnen Zeit angeeignet und realisirt werden kann. Wenn also eine ungleiche Zusammensetzung aus cirkulirendem und fixem Kapital nicht nothwendig eine Ungleichheit der Um- schlagszeit einschliesst, die ihrerseits Ungleichheit der Profitrate bedingt, so ist klar, dass soweit letztre stattfindet, dies nicht aus der ungleichen Zusammensetzung von cirkulirendem und fixem Kapital an sich herrührt, sondern vielmehr daraus, dass diese letztre hier nur eine die Profitrate afficirende Ungleichheit der Um- schlagszeiten anzeigt.
Die verschiedne Zusammensetzung des konstanten Kapitals aus cirkulirendem und fixem in verschiednen Industriezweigen hat an sich also keine Bedeutung für die Profitrate, da das Verhältniss des variablen Kapitals zum konstanten entscheidet, und der Werth des konstanten Kapitals, also auch seine relative Grösse im Ver- hältniss zum variablen, durchaus unabhängig ist von dem fixen oder cirkulirenden Charakter seiner Bestandtheile. Wohl aber wird sich finden — und dies leitet mit zu falschen Schlüssen — dass da wo das fixe Kapital bedeutend entwickelt, dies nur Aus- druck davon ist, dass die Produktion auf grosser Stufenleiter be- trieben wird, und daher das konstante Kapital sehr überwiegt über das variable, oder dass die angewandte lebendige Arbeitskraft gering ist im Verhältniss zur Masse der von ihr in Bewegung gesetzten Produktionsmittel.
Wir haben also gezeigt: dass in verschiednen Industriezweigen, entsprechend der verschiednen organischen Zusammensetzung der Kapitale, und innerhalb der angegebnen Grenzen auch entsprechend ihren verschiednen Umschlagszeiten, ungleiche Profitraten herrschen,
und dass daher auch bei gleicher Mehrwerthsrate nur für Kapitale von gleicher organischer Zusammensetzung — gleiche Umschlags- zeiten vorausgesetzt — das Gesetz (der allgemeinen Tendenz nach) gilt, dass die Profite sich verhalten wie die Grössen der Kapitale, und daher gleich grosse Kapitale in gleichen Zeiträumen gleich grosse Profite abwerfen. Das Entwickelte gilt auf der Basis, welche überhaupt bisher die Basis unsrer Entwicklung war: dass die Waaren zu ihren Werthen verkauft werden. Andrerseits unterliegt es keinem Zweifel, dass in der Wirklichkeit, von unwesentlichen, zufälligen und sich ausgleichenden Unterschieden abgesehn, die Verschiedenheit der durchschnittlichen Profitraten für die verschiednen Industriezweige nicht existirt und nicht existiren könnte, ohne das ganze System der kapitalistischen Produktion aufzuheben. Es scheint also, dass die Werththeorie hier unvereinbar ist mit der wirklichen Bewegung, unvereinbar mit den thatsächlichen Er- scheinungen der Produktion, und dass daher überhaupt darauf ver- zichtet werden muss die letztren zu begreifen.
Aus dem ersten Abschnitt dieses Buchs ergibt sich, dass die Kostpreise dieselben sind für Produkte verschiedner Produktions- sphären, in deren Produktion gleichgrosse Kapitaltheile vorge- schossen sind, wie verschieden immer die organische Zasammen- setzung dieser Kapitale sein möge. Im Kostpreis fällt der Unter- schied von variablem und konstantem Kapital für den Kapitalisten fort. Ihm kostet eine Waare, zu deren Produktion er 100 £ auslegen muss, gleich viel, lege er nun 90c + 10v oder 10c + 90v aus. Sie kostet ihm stets 100 £, weder mehr noch weniger. Die Kostpreise sind dieselben für gleich grosse Kapitalauslagen in ver- schiednen Sphären, so sehr auch die producirten Werthe und Mehr- werthe verschieden sein mögen. Diese Gleichheit der Kostpreise bildet die Basis der Konkurrenz der Kapitalanlagen, wodurch der Durchschnittsprofit hergestellt wird.
Die organische Zusammensetzung des Kapitals hängt in jedem aktuellen Moment von zwei Umständen ab: Erstens vom technischen
Verhältniss der angewandten Arbeitskraft zur Masse der ange- wandten Produktionsmittel; zweitens vom Preis dieser Produktions- mittel. Sie muss, wie wir gesehn, nach ihrem Procentverhältniss betrachtet werden. Die organische Zusammensetzung eines Kapitals, das aus ⅘ konstantem und ⅕ variablem Kapital besteht, drücken wir aus durch die Formel 80c + 20v. Ferner wird bei der Ver- gleichung eine unveränderliche Rate des Mehrwerths angenommen, und zwar eine irgend beliebige Rate, z. B. 100 %. Das Kapital von 80c + 20v wirft also einen Mehrwerth von 20m ab, was auf das Gesammtkapital eine Profitrate von 20 % bildet. Wie gross nun der wirkliche Werth seines Produkts, hängt davon ab, wie gross der fixe Theil des konstanten Kapitals, und wieviel davon als Verschleiss in das Produkt eingeht, wieviel nicht. Da dieser Um- stand aber völlig gleichgültig für die Profitrate und also für die vorliegende Untersuchung, wird der Vereinfachung halber ange- nommen, dass das konstante Kapital überall gleichmäßig ganz in das jährliche Produkt dieser Kapitale eingeht. Es wird ferner angenommen, dass die Kapitale in den verschiednen Produktions- sphären, im Verhältniss zur Grösse ihres variablen Theils, jährlich gleich viel Mehrwerth realisiren; es wird also vorläufig abgesehn von dem Unterschied, den die Verschiedenheit der Umschlagszeiten in dieser Beziehung hervorbringen kann. Dieser Punkt wird später behandelt.
Nehmen wir fünf verschiedne Produktionssphären mit jedesmal verschiedner organischer Zusammensetzung der in ihnen angelegten Kapitale, etwa wie folgt:
Wir haben hier für verschiedne Produktionssphären bei gleich- mäßiger Exploitation der Arbeit sehr verschiedne Profitraten, ent- sprechend der verschiednen organischen Zusammensetzung der Kapitale.
Die Gesammtsumme der in den fünf Sphären angelegten Kapitale ist = 500; die Gesammtsumme des von ihnen producirten Mehr-
werths = 110; der Gesammtwerth der von ihnen producirten Waaren = 610. Betrachten wir die 500 als ein einziges Kapital, von dem I—V nur verschiedne Theile bilden (wie etwa in einer Baumwoll- fabrik in den verschiednen Abtheilungen, im Kardirraum, Vor- spinnraum, Spinnsaal und Websaal verschiednes Verhältniss von variablem und konstantem Kapital existirt und das Durchschnitts- verhältniss für die ganze Fabrik erst berechnet werden muss), so wäre erstens die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals von 500 = 390c + 110v, oder procentig 78c + 22v. Jedes der Kapi- tale von 100 nur als ⅕ des Gesammtkapitals betrachtet, wäre seine Zusammensetzung diese durchschnittliche von 78c + 22v; ebenso fielen auf jedes 100 als durchschnittlicher Mehrwerth 22; daher wäre die Durchschnittsrate des Profits = 22 %, und endlich wäre der Preis von jedem Fünftel des von den 500 producirten Gesammtprodukts = 122. Das Produkt von jedem Fünftel des vorgeschossnen Gesammtkapitals müsste also zu 122 verkauft werden.
Es ist jedoch, um nicht zu ganz falschen Schlüssen zu kommen, nöthig, nicht alle Kostpreise = 100 anzurechnen.
Bei 80c + 20v und Mehrwerthsrate = 100 % wäre der Total- werth der vom Kapital I = 100 producirten Waare = 80c + 20v + 20m = 120, wenn das gesammte konstante Kapital in das jähr- liche Produkt einginge. Nun kann dies wohl unter Umständen in gewissen Produktionssphären der Fall sein. Schwerlich jedoch da, wo das Verhältniss c:v = 4:1. Es ist also bei den Werthen der Waaren, die von je 100 der verschiednen Kapitale producirt werden zu erwägen, dass sie verschieden sein werden je nach der verschiednen Zusammensetzung von c aus fixen und cirkulirenden Bestandtheilen, und dass die fixen Bestandtheile verschiedner Kapi- tale selbst wieder rascher oder langsamer verschleissen, also in gleichen Zeiten ungleiche Werthquanta dem Produkt zusetzen. Für die Profitrate ist dies aber gleichgültig. Ob die 80c den Werth von 80 oder 50 oder 5 an das Jahresprodukt abgeben, ob also das jährliche Produkt = 80c + 20v + 20m = 120, oder = 50c + 20v + 20m = 90, oder = 5c + 20v + 20m = 45 ist, in allen diesen Fällen ist der Ueberschuss des Werths des Produkts über seinen Kostpreis = 20, und in allen diesen Fällen werden, bei Feststellung der Profitrate, diese 20 auf ein Kapital von 100 berechnet; die Profitrate des Kapital I ist also in allen Fällen = 20 %. Um dies noch deutlicher zu machen, lassen wir in der folgenden Tabelle für dieselben fünf Kapitale wie oben, verschiedne Theile des kon- stanten Kapitals in den Werth des Produkts eingehn.
Betrachtet man die Kapitale I—V wieder als ein einziges Ge- sammtkapital, so sieht man, dass auch in diesem Fall die Zusammen- setzung der Summen der fünf Kapitale = 500 = 390c + 110v, also die Durchschnittszusammensetzung = 78c + 22v dieselbe bleibt; ebenso der Durchschnittsmehrwerth = 22 %. Diesen Mehrwerth gleichmäßig auf I—V vertheilt, kämen folgende Waarenpreise heraus:
Zusammengenommen werden die Waaren verkauft 2 + 7 + 17 = 26 über und 8 + 18 = 26 unter dem Werth, sodass die Preis- abweichungen durch gleichmäßige Vertheilung des Mehrwerths oder durch Zuschlag des durchschnittlichen Profits von 22 auf 100 vorgeschossnes Kapital zu den respektiven Kostpreisen der Waaren I—V sich gegenseitig aufheben; in demselben Verhältniss, worin ein Theil der Waaren über, wird ein andrer unter seinem Werth verkauft. Und nur ihr Verkauf zu solchen Preisen ermöglicht, dass die Profitrate für I—V gleichmäßig ist, 22 %, ohne Rück- sicht auf die verschiedne organische Komposition der Kapitale I—V. Die Preise, die dadurch entstehn, dass der Durchschnitt der ver- schiednen Profitraten der verschiednen Produktionssphären gezogen und dieser Durchschnitt den Kostpreisen der verschiednen Produk- tionssphären zugesetzt wird, sind die Produktionspreise. Ihre Voraussetzung ist die Existenz einer allgemeinen Profitrate, und diese setzt wiederum voraus, dass die Profitraten in jeder besondren Produktionssphäre für sich genommen, bereits auf ebensoviel Durch- schnittsraten reducirt sind. Diese besondren Profitraten sind in jeder Produktionssphäre = , und sind, wie dies im ersten Ab-
schnitt dieses Buchs geschehn, aus dem Werth der Waare zu ent- wickeln. Ohne diese Entwicklung bleibt die allgemeine Profitrate (und daher auch der Produktionspreis der Waare) eine sinn- und begriffslose Vorstellung. Der Produktionspreis der Waare ist also gleich ihrem Kostpreis plus dem, entsprechend der allgemeinen Profitrate, procentig ihm zugesetzten Profit, oder gleich ihrem Kost- preis plus dem Durchschnittsprofit.
In Folge der verschiednen organischen Zusammensetzung der in verschiednen Produktionszweigen angelegten Kapitale; in Folge daher des Umstandes, dass je nach dem verschiednen Procentsatz, den der variable Theil in einem Gesammtkapital von gegebner Grösse hat, sehr verschiedne Quanta Arbeit von Kapitalen gleicher Grösse in Bewegung gesetzt werden, werden auch sehr verschiedne Quanta Mehrarbeit von ihnen angeeignet oder sehr verschiedne Massen Mehrwerth von ihnen producirt. Demgemäß sind die Profitraten, die in verschiednen Produktionszweigen herrschen, ursprünglich sehr verschieden. Diese verschiednen Profitraten werden durch die Konkurrenz zu einer allgemeinen Profitrate ausgeglichen, welche der Durchschnitt aller dieser verschiednen Profitraten ist. Der Profit, der entsprechend dieser allgemeinen Profitrate auf ein Kapital von gegebner Grösse fällt, welches immer seine organische Zusammensetzung, heisst der Durchschnittsprofit. Der Preis einer Waare, welcher gleich ist ihrem Kostpreis plus dem, im Verhält- niss ihrer Umschlagsbedingungen auf sie fallenden Theil des jähr- lichen Durchschnittsprofits auf das in ihrer Produktion angewandte (nicht bloss das in ihrer Produktion konsumirte) Kapital, ist ihr Produktionspreis. Nehmen wir z. B. ein Kapital von 500, davon 100 fixes Kapital, wovon 10 % Verschleiss während einer Um- schlagsperiode des cirkulirenden Kapitals von 400. Der Durch- schnittsprofit für die Dauer dieser Umschlagsperiode sei 10 %. Dann wird der Kostpreis des während dieses Umschlags her- gestellten Produkts sein: 10c für Verschleiss, plus 400 (c + v) cirkulirendes Kapital = 410, und ihr Produktionspreis: 410 Kost- preis plus (10 % Profit auf 500) 50 = 460.
Obgleich daher die Kapitalisten der verschiednen Produktions- sphären beim Verkauf ihrer Waaren die in der Produktion dieser Waaren verbrauchten Kapitalwerthe zurückziehn, so lösen sie nicht den in ihrer eignen Sphäre bei der Produktion dieser Waaren producirten Mehrwerth und daher Profit ein, sondern nur soviel Mehrwerth und daher Profit, als vom Gesammtmehrwerth oder Gesammtprofit, der vom Gesammtkapital der Gesellschaft in allen
Produktionssphären zusammengenommen, in einem gegebnen Zeit- abschnitt producirt wird, bei gleicher Vertheilung auf jeden ali- quoten Theil des Gesammtkapitals fällt. Pro 100 zieht jedes vorgeschossne Kapital, welches immer seine Zusammensetzung, in jedem Jahr oder andern Zeitabschnitt den Profit, der für diesen Zeitabschnitt auf 100 als den sovielsten Theil des Gesammtkapitals kommt. Die verschiednen Kapitalisten verhalten sich hier, soweit der Profit in Betracht kommt, als blosse Aktionäre einer Aktien- gesellschaft, worin die Antheile am Profit gleichmäßig pro 100 vertheilt werden, und daher für die verschiednen Kapitalisten sich nur unterscheiden nach der Grösse des von jedem in das Gesammt- unternehmen gesteckten Kapitals, nach seiner verhältnissmäßigen Betheiligung am Gesammtunternehmen, nach der Zahl seiner Aktien. Während sich also der Theil dieses Waarenpreises, der die in der Produktion der Waaren verzehrten Werththeile des Kapitals er- setzt, und mit dem daher diese verzehrten Kapitalwerthe rückge- kauft werden müssen, während dieser Theil, der Kostpreis, sich ganz nach der Auslage innerhalb der respektiven Produktionssphären richtet, richtet sich der andre Bestandtheil des Waarenpreises, der auf diesen Kostpreis zugeschlagne Profit, nicht nach der Masse Profit, die von diesem bestimmten Kapital in dieser bestimmten Produktionssphäre während einer gegebnen Zeit producirt wird, sondern nach der Masse Profit, die auf jedes angewandte Kapital, als aliquoten Theil des in der Gesammtproduktion angewandten gesellschaftlichen Gesammtkapitals, während eines gegebnen Zeit- raums im Durchschnitt fällt.(FN22)
Wenn ein Kapitalist also seine Waare zu ihrem Produktionspreis verkauft, so zieht er Geld zurück im Verhältniss zur Werthgrösse des in der Produktion von ihm verzehrten Kapitals und schlägt Profit heraus im Verhältniss zu seinem vorgeschossnen Kapital als blossem aliquoten Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals. Seine Kostpreise sind specifisch. Der Profitzuschlag auf diesen Kostpreis ist unabhängig von seiner besondren Produktionssphäre, ist einfacher Durchschnitt pro 100 des vorgeschossnen Kapitals.
Unterstellen wir, die fünf verschiednen Kapitalanlagen I—V im vorigen Beispiel gehörten einem Mann. Wieviel in jeder einzelnen Anlage von I—V auf je 100 des angewandten Kapitals an vari- ablem und konstantem Kapital konsumirt würde in der Produktion der Waaren, wäre gegeben, und dieser Werththeil der Waaren I—V
würde selbstredend einen Theil ihres Preises bilden, da mindestens dieser Preis erheischt ist zum Ersatz des vorgeschossnen und kon- sumirten Kapitaltheils. Diese Kostpreise wären also für jede Waarengattung von I—V verschieden und würden als solche von dem Besitzer verschieden fixirt werden. Was aber die in I—V producirten verschiednen Massen von Mehrwerth oder Profit be- träfe, so könnte der Kapitalist sie sehr gut als Profit seines vor- geschossnen Gesammtkapitals rechnen, sodass auf je 100 Kapital ein bestimmter aliquoter Theil fiele. Verschieden also wären bei den in den einzelnen Anlagen I—V producirten Waaren die Kost- preise; aber gleich bei allen diesen Waaren wäre der Theil des Verkaufspreises, der aus dem zugesetzten Profit von je 100 Kapital käme. Der Gesammtpreis der Waaren I—V wäre also gleich ihrem Gesammtwerth, d. h. gleich Summe der Kostpreise I—V plus Summe des in I—V producirten Mehrwerths oder Profits; in der That also Geldausdruck für das Gesammtquantum Arbeit, ver- gangner und neu zugesetzter, enthalten in den Waaren I—V. Und in dieser Weise ist in der Gesellschaft selbst — die Totalität aller Produktionszweige betrachtet — die Summe der Produktionspreise der producirten Waaren gleich der Summe ihrer Werthe.
Diesem Satz scheint die Thatsache zu widersprechen, dass in der kapitalistischen Produktion die Elemente des produktiven Kapitals in der Regel auf dem Markt gekauft sind, ihre Preise also einen bereits realisirten Profit enthalten und hiernach der Produktionspreis eines Industriezweigs sammt dem in ihm enthaltnen Profit, dass also der Profit des einen Industriezweigs in den Kost- preis des andern eingeht. Aber wenn wir die Summe der Kost- preise der Waaren des ganzen Landes auf die eine Seite, und die Summe seiner Profite oder Mehrwerthe auf die andre stellen, so ist klar, dass die Rechnung sich richtig stellen muss. Z. B. nehmen wir eine Waare A; ihr Kostpreis mag die Profite von B, C, D eingeschlossen enthalten, wie bei B, C, D etc. wieder die Profite von A in ihre Kostpreise eingehn mögen. Stellen wir also die Rechnung auf, so fehlt der Profit von A in seinem eignen Kostpreis und ebenso fehlen die Profite von B, C, D etc. in ihren eignen Kostpreisen. Keiner rechnet seinen eignen Profit in seinen Kostpreis ein. Gibt es also z. B. n Sphären der Produktion, und wird in jeder ein Profit gleich p gemacht, so ist in allen zusammen der Kostpreis = k—np. Die Gesammtrechnung betrachtet, soweit die Profite einer Produktionssphäre eingehn in den Kostpreis der andren, soweit sind also diese Profite bereits in Rechnung gebracht
für den Gesammtpreis des schliesslichen Endprodukts, und können nicht zum zweiten Mal auf der Profitseite erscheinen. Erscheinen sie aber auf dieser Seite, so nur, weil die Waare selbst End- produkt war, ihr Produktionspreis also nicht in den Kostpreis einer andern Waare eingeht.
Wenn in den Kostpreis einer Waare eine Summe eingeht = p für die Profite der Producenten der Produktionsmittel, und auf diesen Kostpreis ein Profit geschlagen wird = p1, so ist der Ge- sammtprofit P = p+p1. Der Gesammtkostpreis der Waare, ab- strahirt von allen für Profit eingehenden Preistheilen, ist dann ihr eigner Kostpreis minus P. Heisst dieser Kostpreis k, so ist offenbar k + P = k + p + p1. Man hat bei Behandlung des Mehr- werths in Buch I, Kap. VII, 2, p. 211/203, gesehn, dass das Pro- dukt jedes Kapitals so behandelt werden kann, als ob ein Theil bloss Kapital ersetzt, der andre nur Mehrwerth ausdrückt. Diese Berechnung auf das Gesammtprodukt der Gesellschaft angewandt, finden Rektifikationen statt, indem, die ganze Gesellschaft betrachtet, z. B. der im Preis des Flachses enthaltne Profit nicht zweimal figuriren kann, nicht als Theil zugleich des Preises der Leinwand und des Profits des Flachsproducenten.
Es findet insofern kein Unterschied statt zwischen Profit und Mehrwerth, als z. B. der Mehrwerth von A in das konstante Kapital von B eingeht. Für den Werth der Waaren ist es ja völlig gleichgültig, ob die in ihnen enthaltne Arbeit aus bezahlter oder unbezahlter Arbeit besteht. Dies zeigt nur, dass B den Mehrwerth von A zahlt. In der Gesammtrechnung kann der Mehrwerth von A nicht zweimal zählen.
Aber der Unterschied ist der: Ausser dass der Preis des Pro- dukts z. B. von Kapital B abweicht von seinem Werth, weil der in B realisirte Mehrwerth grösser oder kleiner sein mag als der im Preis der Produkte von B zugeschlagne Profit, so gilt auch derselbe Umstand wieder für die Waaren, die den konstanten Theil des Kapitals B, und indirekt, als Lebensmittel der Arbeiter, auch seinen variablen Theil bilden. Was den konstanten Theil betrifft, so ist er selbst gleich Kostpreis plus Mehrwerth, also jetzt gleich Kostpreis plus Profit, und dieser Profit kann wieder grösser oder kleiner sein als der Mehrwerth, an dessen Stelle er steht. Was das variable Kapital angeht, so ist der durchschnittliche täg- liche Arbeitslohn zwar stets gleich dem Werthprodukt der Stunden- zahl, die der Arbeiter arbeiten muss, um die nothwendigen Lebens- mittel zu produciren; aber diese Stundenzahl ist selbst wieder
verfälscht durch die Abweichung der Produktionspreise der noth- wendigen Lebensmittel von ihren Werthen. Indess löst sich dies immer dahin auf, dass was in der einen Waare zuviel, in der andren zu wenig für Mehrwerth eingeht, und dass daher auch die Abweichungen vom Werth, die in den Produktionspreisen der Waaren stecken, sich gegeneinander aufheben. Es ist überhaupt bei der ganzen kapitalistischen Produktion immer nur in einer sehr verwickelten und annähernden Weise, als nie festzustellender Durchschnitt ewiger Schwankungen, dass sich das allgemeine Gesetz als die beherrschende Tendenz durchsetzt.
Da die allgemeine Profitrate gebildet wird durch den Durch- schnitt der verschiednen Profitraten auf je 100 vom vorgeschossnen Kapital in einem bestimmten Zeitraum, sage einem Jahr, so ist darin auch der durch den Unterschied der Umschlagszeiten für verschiedne Kapitale hervorgebrachte Unterschied ausgelöscht. Aber diese Unterschiede gehn bestimmend ein in die verschiednen Profitraten der verschiednen Produktionssphären, durch deren Durchschnitt die allgemeine Profitrate gebildet wird.
Es ist bei der vorigen Illustration zur Bildung der allgemeinen Profitrate jedes Kapital in jeder Produktionssphäre = 100 ange- setzt, und zwar ist dies geschehn, um den procentigen Unterschied der Profitrate klarzumachen und daher auch den Unterschied in den Werthen der Waaren, die von gleich grossen Kapitalen pro- ducirt werden. Aber es versteht sich: die wirklichen Massen des Mehrwerths, die in jeder besondren Produktionssphäre erzeugt werden, hängen, da in jeder solchen gegebnen Produktionssphäre die Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist, von der Grösse der angewandten Kapitale ab. Indess die besondre Profitrate einer einzelnen Produktionssphäre wird nicht davon berührt, ob ein Kapital von 100, m × 100 oder xm × 100 angewandt wird. Die Profitrate bleibt 10 %, ob der Gesammtprofit 10:100 oder 1000:10000 beträgt.
Da aber die Profitraten in den verschiednen Produktionssphären verschieden sind, indem in denselben, je nach dem Verhältniss des variablen Kapitals zum Gesammtkapital, sehr verschiedne Massen Mehrwerth und daher Profit producirt werden, so ist klar, dass der Durchschnittsprofit pro 100 des gesellschaftlichen Kapitals, und daher die Durchschnittsprofitrate oder allgemeine Profitrate sehr verschieden sein wird, je nach den respektiven Grössen der in den verschiednen Sphären angelegten Kapitale. Nehmen wir vier Kapitale A, B, C, D. Die Mehrwerthsrate sei für alle = 100 %.
Auf jede 100 vom Gesammtkapital sei das variable Kapital für A = 25, für B = 40, für C = 15, für D = 10. Auf jede 100 vom Gesammtkapital fiele dann ein Mehrwerth oder Profit von A = 25, B = 40, C = 15, D = 10; zusammen = 90, also, wenn die vier Kapitale gleich gross sind, Durchschnittsprofitrate = 22½ %.
Wenn aber die Gesammtkapitalgrössen sind wie folgt: A = 200, B = 300, C = 1000, D = 4000, so würden die producirten Pro- fite sein resp. 50, 120, 150 und 400. Zusammen auf 5500 Kapital ein Profit von 720 oder eine Durchschnittsprofitrate von 13 %.
Die Massen des producirten Gesammtwerths sind verschieden je nach den verschiednen Grössen der in A, B, C, D respektive vor- geschossnen Gesammtkapitale. Bei Bildung der allgemeinen Profit- rate handelt es sich daher nicht nur um den Unterschied der Profitraten in den verschiednen Produktionssphären, deren einfacher Durchschnitt zu ziehn wäre, sondern um das relative Gewicht, womit diese verschiednen Profitraten in die Bildung des Durch- schnitts eingehn. Dies aber hängt ab von der verhältnissmäßigen Grösse des in jeder besondren Sphäre angelegten Kapitals, oder davon, welchen aliquoten Theil des gesellschaftlichen Gesammt- kapitals das in jeder besondren Produktionssphäre angelegte Kapital bildet. Es muss natürlich ein sehr grosser Unterschied stattfinden, je nachdem ein grössrer oder geringrer Theil des Gesammtkapitals eine höhere oder niedere Profitrate abwirft. Und dies hängt wieder davon ab, wie viel Kapital in den Sphären angelegt ist, wo das variable Kapital relativ zum Gesammtkapital gross oder klein ist. Es ist ganz damit wie mit dem Durchschnittszinsfuss, den ein Wucherer macht, der verschiedne Kapitalien zu verschiednen Zins- raten ausleiht, z. B. zu 4, 5, 6, 7 % etc. Die Durchschnittsrate hängt ganz davon ab, wieviel von seinem Kapital er zu jeder der verschiednen Zinsraten ausgeliehen hat.
Die allgemeine Profitrate ist also durch zwei Faktoren bestimmt:
1) Durch die organische Zusammensetzung der Kapitale in den verschiednen Sphären der Produktion, also durch die verschiednen Profitraten der einzelnen Sphären;
2) Durch die Vertheilung des gesellschaftlichen Gesammtkapitals auf diese verschiednen Sphären, also durch die relative Grösse des in jeder besondren Sphäre, und daher zu einer besondren Profit- rate, angelegten Kapitals; d. h. durch den verhältnissmäßigen Massenantheil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals, den jede besondre Produktionssphäre verschluckt.
Wir hatten es in Buch I und II nur mit den Werthen der Waaren zu thun. Einerseits hat sich jetzt abgesondert als ein Theil dieses Werths der Kostpreis, andrerseits hat sich entwickelt als eine verwandelte Form des Werths der Produktionspreis der Waare.
Gesetzt die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Durchschnitts- kapitals sei 80c + 20v und die Rate des jährlichen Mehrwerths m' = 100 %, so wäre der jährliche Durchschnittsprofit für ein Kapital von 100 = 20, und die allgemeine jährliche Profitrate = 20 %. Welches nun immer der Kostpreis k der von einem Kapital von 100 jährlich producirten Waaren, ihr Produktionspreis wäre = k + 20. In den Produktionssphären, wo die Zusammen- setzung des Kapitals = (80 — x)c + (20 + x)v, wäre der wirk- lich erzeugte Mehrwerth, resp. der innerhalb dieser Sphäre produ- cirte jährliche Profit, = 20 + x, also grösser als 20, und der producirte Waarenwerth = k + 20 + x, grösser als k + 20 oder grösser als ihr Produktionspreis. In den Sphären wo die Zu- sammensetzung des Kapitals (80 + x)c + (20 — x)v, wäre der jährlich erzeugte Mehrwerth oder Profit = 20 — x, also kleiner als 20, und daher der Waarenwerth k + 20 — x kleiner als der Pro- duktionspreis, der = k + 20. Abgesehn von etwaigen Unter- schieden in der Umschlagszeit, wäre der Produktionspreis der Waaren gleich mit ihrem Werth nur in den Sphären, wo die Zusammensetzung des Kapitals zufällig = 80c + 20v wäre.
Die specifische Entwicklung der gesellschaftlichen Produktiv- kraft der Arbeit ist in jeder besondren Produktionssphäre dem Grade nach verschieden, höher oder niedriger, im Verhältniss wie das von einem bestimmten Quantum Arbeit, also bei gegebnem Arbeitstag von einer bestimmten Anzahl Arbeiter, in Bewegung gesetzte Quantum von Produktionsmitteln gross, und daher das, für ein bestimmtes Quantum Produktionsmittel erheischte Quantum Arbeit klein ist. Wir nennen daher Kapitale, die procentig mehr konstantes, also weniger variables, Kapital enthalten als das ge- sellschaftliche Durchschnittskapital: Kapitale von höherer Zu- sammensetzung. Umgekehrt solche, wo das konstante Kapital einen relativ kleinern, und das variable einen grössern Raum ein- nimmt als beim gesellschaftlichen Durchschnittskapital, nennen wir: Kapitale von niedrigerer Zusammensetzung. Kapitale von durch- schnittlicher Zusammensetzung endlich nennen wir solche, deren Zusammensetzung mit der des gesellschaftlichen Durchschnitts- kapitals zusammenfällt. Ist das gesellschaftliche Durchschnitts-
kapital procentig zusammengesetzt aus 80c + 20v, so steht ein Kapital von 90c + 10v über, eins von 70c + 30v unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt. Allgemein, bei Zusammensetzung des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals = mc + nv, wo m und n konstante Grössen und m + n = 100, repräsentirt (m + x)c + (n — x)v die höhere, (m — x)c + (n + x)v die niedrigere Zu- sammensetzung eines einzelnen Kapitals oder einer Kapitalgruppe. Wie diese Kapitale fungiren, nach Herstellung der Durchschnitts- profitrate, unter Voraussetzung einmaligen Umschlags im Jahr, zeigt folgende Uebersicht, worin I die Durchschnittszusammensetzung vorstellt und die Durchschnittsprofitrate somit = 20 % ist:
Für die von Kapital II producirten Waaren wäre also ihr Werth kleiner als ihr Produktionspreis, für die des Kapital III der Pro- duktionspreis kleiner als der Werth, und nur für die Kapitale I der Produktionszweige, deren Zusammensetzung zufällig die des gesellschaftlichen Durchschnitts ist, wären Werth und Produktions- preis gleich. Uebrigens muss bei Anwendung dieser Bezeichnungen auf bestimmte Fälle natürlich in Rechnung gebracht werden, wie weit etwa, nicht ein Unterschied in der technischen Zusammen- setzung, sondern blosser Werthwechsel der Elemente des konstanten Kapitals das Verhältniss zwischen c und v vom allgemeinen Durch- schnitt abweichen macht.
Es ist durch die jetzt gegebne Entwicklung allerdings eine Modifikation eingetreten bezüglich der Bestimmung des Kostpreises der Waaren. Ursprünglich wurde angenommen, dass der Kostpreis einer Waare gleich sei dem Werth der in ihrer Produktion kon- sumirten Waaren. Der Produktionspreis einer Waare ist aber für den Käufer derselben ihr Kostpreis, und kann somit als Kostpreis in die Preisbildung einer andren Waare eingehn. Da der Pro- duktionspreis abweichen kann vom Werth der Waare, so kann auch der Kostpreis einer Waare, worin dieser Produktionspreis andrer Waare eingeschlossen, über oder unter dem Theil ihres Gesammtwerths stehn, der durch den Werth der in sie eingehenden Produktionsmittel gebildet wird. Es ist nöthig sich an diese modificirte Bedeutung des Kostpreises zu erinnern und sich daher
zu erinnern, dass wenn in einer besondren Produktionssphäre der Kostpreis der Waare dem Werth der in ihrer Produktion ver- brauchten Produktionsmittel gleich gesetzt wird, stets ein Irrthum möglich ist. Für unsre gegenwärtige Untersuchung ist nicht nöthig, näher auf diesen Punkt einzugehn. Dabei bleibt immer der Satz richtig, dass der Kostpreis der Waaren stets kleiner als ihr Werth. Denn wie auch der Kostpreis der Waare von dem Werth der in ihr konsumirten Produktionsmittel abweichen mag, für den Kapitalisten ist dieser vergangne Irrthum gleichgültig. Der Kostpreis der Waare ist ein gegebner, ist eine von seiner, des Kapitalisten, Produktion unabhängige Voraussetzung, während das Resultat seiner Produktion eine Waare ist, die Mehrwerth enthält, also einen Werthüberschuss über ihren Kostpreis. Sonst hat der Satz, dass der Kostpreis kleiner ist als der Werth der Waare, sich jetzt praktisch in den Satz verwandelt, dass der Kostpreis kleiner ist als der Produktionspreis. Für das gesellschaftliche Gesammt- kapital, wo Produktionspreis gleich Werth, ist dieser Satz identisch mit dem frühern, dass der Kostpreis kleiner ist als der Werth. Obgleich er für die besondren Produktionssphären abweichenden Sinn hat, so bleibt ihm immer die Thatsache zu Grunde liegen, dass, das gesellschaftliche Gesammtkapital betrachtet, der Kostpreis der von diesem producirten Waaren kleiner als der Werth oder der, hier, für die Gesammtmasse der producirten Waaren, mit diesem Werth identische Produktionspreis. Der Kostpreis einer Waare be- zieht sich nur auf das Quantum der in ihr enthaltnen bezahlten Ar- beit, der Werth auf das Gesammtquantum der in ihr enthaltnen be- zahlten und unbezahlten Arbeit; der Produktionspreis auf die Summe der bezahlten Arbeit plus einem, für die besondre Produktionssphäre unabhängig von ihr selbst, bestimmten Quantum unbezahlter Arbeit.
Die Formel, dass der Produktionspreis einer Waare = k + p, gleich Kostpreis plus Profit ist, hat sich jetzt näher dahin bestimmt, dass p = kp' ist (wo p' die allgemeine Profitrate), und daher der Produktionspreis = k + kp'. Ist k = 300 und p' = 15 %, so ist der Produktionspreis k + kp' = 300 + 300 = 345.
Der Produktionspreis der Waaren in jeder besondren Produktions- sphäre kann Grössenwechsel erfahren.
1) bei gleichbleibendem Werth der Waaren (sodass also nach wie vor dasselbe Quantum todter und lebendiger Arbeit in ihre Produktion eingeht) in Folge eines von der besondren Sphäre un- abhängigen Wechsels in der allgemeinen Profitrate.
2) bei gleichbleibender allgemeiner Profitrate durch Werth- wechsel, sei es in der besondren Produktionssphäre selbst, in Folge technischer Aenderung, sei es in Folge eines Werthwechsels der Waaren, die als Bildungselemente in ihr konstantes Kapital eingehn;
3) endlich durch Zusammenwirkung dieser beiden Umstände.
Trotz der grossen Wechsel, die beständig — wie sich weiter zeigen wird — in den thatsächlichen Profitraten der besondren Produktionssphären vorgehn, ist eine wirkliche Aenderung in der allgemeinen Profitrate, soweit nicht durch ausserordentliche öko- nomische Ereignisse ausnahmsweise ins Werk gesetzt, das sehr späte Werk einer Reihe über sehr lange Zeiträume sich erstreckender Schwingungen, d. h. von Schwingungen, die viel Zeit brauchen, bis sie sich zu einer Aenderung der allgemeinen Profitrate kon- solidiren und ausgleichen. Bei allen kürzern Perioden (ganz ab- gesehn von Schwankungen der Marktpreise) ist daher eine Aende- rung in den Produktionspreisen prima facie stets aus einem wirk- lichen Werthwechsel der Waaren zu erklären, d. h. aus einem Wechsel in der Gesammtsumme der zu ihrer Produktion nöthigen Arbeitszeit. Blosser Wechsel im Geldausdruck derselben Werthe kommt hier selbstredend gar nicht in Betracht.(FN23)
Es ist andrerseits klar: das gesellschaftliche Gesammtkapital betrachtet, ist die Werthsumme der von ihm producirten Waaren (oder in Geld ausgedrückt ihr Preis) = Werth des konstanten Kapitals + Werth des variablen Kapitals + Mehrwerth. Den Exploitationsgrad der Arbeit als konstant angenommen, kann die Profitrate hier nur wechseln, bei gleichbleibender Masse des Mehr- werths, wenn entweder der Werth des konstanten Kapitals wechselt, oder der Werth des variablen wechselt, oder beide wechseln, sodass C sich ändert und dadurch , die allgemeine Profitrate. In jedem Falle also unterstellt ein Wechsel in der allgemeinen Profitrate Wechsel im Werth der Waaren, die als Bildungselemente in das konstante Kapital, oder in das variable, oder in beide gleichzeitig eingehn.
Oder die allgemeine Profitrate kann wechseln bei gleichbleiben- dem Werth der Waaren, wenn der Exploitationsgrad der Arbeit wechselt.
Oder bei gleichbleibendem Exploitationsgrad der Arbeit kann die allgemeine Profitrate wechseln, wenn die Summe der ange- wandten Arbeit wechselt relativ zum konstanten Kapital, in Folge
technischer Aenderungen im Arbeitsprocess. Aber solche technischen Aenderungen müssen sich stets zeigen in, und daher begleitet sein von, einem Werthwechsel der Waaren, deren Produktion jetzt gegen früher mehr oder minder viel Arbeit erfordern würde.
Man hat im ersten Abschnitt gesehn: Mehrwerth und Profit waren identisch, der Masse nach betrachtet. Die Profitrate jedoch ist von vornherein unterschieden von der Rate des Mehrwerths, was zunächst nur als andre Form der Berechnung erscheint; was aber ebenso von vornherein, da die Rate des Profits steigen oder fallen kann bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths und umge- kehrt, und da allein die Rate des Profits den Kapitalisten prak- tisch interessirt, durchaus den wirklichen Ursprung des Mehrwerths verdunkelt und mystificirt. Ein Grössenunterschied jedoch war nur zwischen Mehrwerthsrate und Profitrate, nicht zwischen Mehrwerth und Profit selbst. Da in der Profitrate der Mehrwerth auf das Gesammtkapital berechnet und auf es als sein Maß bezogen wird, so erscheint der Mehrwerth selbst dadurch als aus dem Gesammt- kapital und zwar gleichmäßig aus allen seinen Theilen entsprungen, sodass der organische Unterschied zwischen konstantem und vari- ablem Kapital im Begriff des Profits ausgelöscht ist; in der That daher, in dieser seiner verwandelten Gestalt als Profit, der Mehr- werth selbst seinen Ursprung verleugnet, seinen Charakter verloren hat, unerkennbar geworden ist. Soweit jedoch bezog sich der Unterschied zwischen Profit und Mehrwerth nur auf eine qualitative Aenderung, einen Formwechsel, während wirklicher Grössenunter- schied auf dieser ersten Stufe der Verwandlung nur noch zwischen Profitrate und Mehrwerthsrate, noch nicht zwischen Profit und Mehrwerth existirt.
Anders verhält es sich, sobald eine allgemeine Profitrate, und durch selbe ein der, in den verschiednen Produktionssphären ge- gebnen, Grösse des angewandten Kapitals entsprechender Durch- schnittsprofit hergestellt ist.
Es ist jetzt nur noch Zufall, wenn der in einer besondren Pro- duktionssphäre wirklich erzeugte Mehrwerth und daher Profit mit dem im Verkaufspreis der Waare enthaltnen Profit zusammenfällt. In der Regel sind Profit und Mehrwerth, und nicht bloss ihre Raten nun wirklich verschiedne Grössen. Bei gegebnem Exploi- tationsgrad der Arbeit ist jetzt die Masse des Mehrwerths, die in einer besondren Produktionssphäre erzeugt wird, wichtiger für den Gesammt-Durchschnittsprofit des gesellschaftlichen Kapitals, also für die Kapitalistenklasse überhaupt, als direkt für den Kapitalisten
innerhalb jedes besondren Produktionszweigs. Für ihn nur,(FN24) so- fern das in seiner Branche erzeugte Quantum Mehrwerth mitbe- stimmend eingreift in die Reglung des Durchschnittsprofits. Aber dies ist ein Process, der hinter seinem Rücken vorgeht, den er nicht sieht, nicht versteht, und der ihn in der That nicht interessirt. Der wirkliche Grössenunterschied zwischen Profit und Mehrwerth — nicht nur zwischen Profitrate und Mehrwerthsrate — in den besondren Produktionssphären versteckt nun völlig die wahre Natur und den Ursprung des Profits, nicht nur für den Kapitalisten, der hier ein besondres Interesse hat sich zu täuschen, sondern auch für den Arbeiter. Mit der Verwandlung der Werthe in Produk- tionspreise wird die Grundlage der Werthbestimmung selbst dem Auge entrückt. Endlich: wenn bei der blossen Verwandlung von Mehrwerth in Profit der Werththeil der Waaren, der den Profit bildet, dem andren Werththeil gegenübertritt als dem Kostpreis der Waare, so dass hier schon der Begriff des Werths dem Kapitalisten abhanden kommt, weil er nicht die Gesammtarbeit vor sich hat, die die Produktion der Waare kostet, sondern nur den Theil der Gesammtarbeit, den er in der Form von Produktionsmitteln, lebendigen oder todten, bezahlt hat, und ihm so der Profit als etwas ausserhalb des immanenten Werths der Waare stehendes erscheint — so wird jetzt diese Vorstellung vollständig bestätigt, befestigt, verknöchert, indem der zum Kostpreis zugeschlagne Profit in der That, wenn man die besondre Produktionssphäre be- trachtet, nicht durch die Grenzen der in ihr selbst vorgehenden Werthbildung bestimmt, sondern ganz äusserlich dagegen festge- setzt ist.
Der Umstand, dass hier zum erstenmal dieser innere Zusammen- hang enthüllt ist; dass wie man aus dem Folgenden und aus Buch IV sehn wird, die bisherige Oekonomie entweder gewaltsam von den Unterschieden zwischen Mehrwerth und Profit, Mehrwerths- rate und Profitrate abstrahirte, um die Werthbestimmung als Grundlage festhalten zu können, oder aber mit dieser Werthbe- stimmung allen Grund und Boden wissenschaftlichen Verhaltens aufgab, um an jenen in der Erscheinung auffälligen Unterschieden festzuhalten — diese Verwirrung der Theoretiker zeigt am besten, wie der im Konkurrenzkampf befangne, seine Erscheinungen in keiner Art durchdringende praktische Kapitalist durchaus unfähig
sein muss, durch den Schein hindurch das innere Wesen und die innere Gestalt dieses Processes zu erkennen.
Alle im ersten Abschnitt entwickelten Gesetze über Steigen und Fallen der Profitrate haben in der That die folgende doppelte Be- deutung:
1) Einerseits sind sie die Gesetze der allgemeinen Profitrate. Bei den vielen verschiednen Ursachen, welche nach dem Entwickelten die Profitrate steigen oder fallen machen, sollte man glauben, dass die allgemeine Profitrate jeden Tag wechseln müsste. Aber die Bewegung in einer Produktionssphäre wird die in der andern auf- heben, die Einflüsse kreuzen und paralysiren sich. Wir werden später untersuchen, nach welcher Seite die Schwankungen in letzter Instanz hinstreben; aber sie sind langsam; die Plötzlichkeit, Viel- seitigkeit und verschiedne Dauer der Schwankungen in den einzelnen Produktionssphären macht, dass sie sich zum Theil in ihrer Reihen- folge in der Zeit kompensiren, sodass Preisfall auf Preissteigerung folgt und umgekehrt, dass sie also lokal, d. h. auf die besondre Produktionssphäre beschränkt bleiben; endlich dass die verschiednen lokalen Schwankungen sich wechselseitig neutralisiren. Es finden innerhalb jeder besondren Produktionssphäre Wechsel statt, Ab- weichungen von der allgemeinen Profitrate, die sich einerseits in einem bestimmten Zeitraum ausgleichen und daher nicht auf die allgemeine Profitrate zurückwirken; und die andrerseits wieder nicht auf sie zurückwirken, weil sie durch andre gleichzeitige lo- kale Schwankungen aufgehoben werden. Da die allgemeine Profit- rate bestimmt ist nicht nur durch die Durchschnittsprofitrate in jeder Sphäre, sondern auch durch die Vertheilung des Gesammt- kapitals auf die verschiednen besondren Sphären, und da diese Vertheilung beständig wechselt, so ist dies wieder eine beständige Ursache des Wechsels in der allgemeinen Profitrate — aber eine Ur- sache des Wechsels, die wiederum, bei der Unterbrochenheit und All- seitigkeit dieser Bewegung, grossentheils sich selbst wieder paralysirt.
2) Innerhalb jeder Sphäre ist ein Spielraum gegeben für kürzere oder längere Epoche, wo die Profitrate dieser Sphäre schwankt, bevor sich dies Schwanken, nach Steigen oder Fallen, hinreichend konsolidirt um Zeit zu gewinnen zur Einwirkung auf die allgemeine Profitrate, und daher zur Erreichung von mehr als lokaler Bedeutung. Innerhalb solcher räumlichen und zeitlichen Grenzen gelten daher ebenfalls die im ersten Abschnitt dieses Buchs ent- wickelten Gesetze der Profitrate.
Die theoretische Ansicht — bei der ersten Verwandlung des
Mehrwerths in Profit — dass jeder Theil des Kapitals gleichmäßig Profit abwerfe,(FN25) drückt eine praktische Thatsache aus. Wie immer das industrielle Kapital zusammengesetzt sei, ob es ein- viertel todte Arbeit und dreiviertel lebendige Arbeit, oder drei- viertel todte Arbeit und einviertel lebendige Arbeit in Bewegung setzt, ob es in dem einen Fall dreimal soviel Mehrarbeit einsaugt oder Mehrwerth producirt als in dem andren — bei gleichem Ex- ploitationsgrad der Arbeit und abgesehn von individuellen Unter- schieden, die ohnehin verschwinden, weil wir beidemale nur die Durchschnittszusammensetzung der ganzen Produktionssphäre vor uns haben — in beiden Fällen wirft es gleich viel Profit ab. Der einzelne Kapitalist (oder auch die Gesammtheit der Kapitalisten in jeder besondren Produktionssphäre) dessen Blick bornirt ist, glaubt mit Recht, dass sein Profit nicht allein aus der von ihm oder in seinem Zweig beschäftigten Arbeit herstamme. Es ist dies ganz richtig für seinen Durchschnittsprofit. Wie weit dieser Profit vermittelt ist durch die Gesammtexploitation der Arbeit durch das Gesammtkapital, d. h. durch alle seine Kapitalisten- genossen, dieser Zusammenhang ist ihm ein vollständiges Mysterium, um so mehr als selbst die Bourgeoistheoretiker, die politischen Oekonomen, es bis jetzt nicht enthüllt hatten. Ersparung an Arbeit — nicht nur an der Arbeit, nothwendig um ein bestimmtes Produkt zu produciren, sondern auch an der Anzahl der beschäf- tigten Arbeiter — und grössre Anwendung todter Arbeit (kon- stantes Kapital), erscheint als ökonomisch ganz richtige Operation und scheint von vornherein in keiner Weise die allgemeine Profit- rate und den Durchschnittsprofit anzugreifen. Wie sollte daher die lebendige Arbeit ausschliessliche Quelle des Profits sein, da Verminderung der zur Produktion nöthigen Menge Arbeit nicht nur nicht den Profit anzugreifen scheint, sondern vielmehr unter gewissen Umständen als nächste Quelle zur Vermehrung des Pro- fits erscheint, wenigstens für den einzelnen Kapitalisten?
Wenn in einer gegebnen Produktionssphäre der Theil des Kost- preises steigt oder fällt, der den Werth des konstanten Kapitals repräsentirt, so kommt dieser Theil aus der Cirkulation her, und geht von vornherein vergrössert oder verkleinert in den Produk- tionsprocess der Waare ein. Wenn andrerseits die angewandte Arbeiteranzahl in derselben Zeit mehr oder weniger producirt, also bei gleichbleibender Arbeiteranzahl das zur Produktion einer be-
stimmten Waarenmenge erheischte Arbeitsquantum wechselt, so mag der Theil des Kostpreises, der den Werth des variablen Kapitals repräsentirt, derselbe bleiben, also mit gleicher Grösse in den Kostpreis des Gesammtprodukts eingehn. Aber auf jede einzelne von den Waaren, deren Summe das Gesammtprodukt aus- macht, fällt mehr oder weniger Arbeit (bezahlte und daher auch unbezahlte), also auch mehr oder weniger von der Ausgabe für diese Arbeit, grösseres oder kleineres Stück des Lohns. Der vom Kapitalisten gezahlte Gesammtlohn bleibt derselbe, aber er ist ein andrer, auf jedes Stück Waare berechnet. Hier träte also Aen- derung ein in diesem Theil des Kostpreises der Waare. Ob nun der Kostpreis der einzelnen Waare in Folge solcher Werthver- änderungen, sei es in ihr selbst, sei es in ihren Waarenelementen (oder auch der Kostpreis der Summe der von einem Kapital von gegebner Grösse producirten Waaren) steigt oder fällt: ist der Durchschnittsprofit z. B. 10 %, so bleibt er 10 %; obgleich 10 %, die einzelne Waare betrachtet, eine sehr verschiedne Grösse dar- stellt, je nach dem, durch den vorausgesetzten Werthwechsel hervor- gebrachten, Grössenwechsel im Kostpreis der einzelnen Waare.(FN26)
Mit Bezug auf das variable Kapital — und dies ist das wich- tigste, weil es die Quelle des Mehrwerths, und weil alles, was sein Verhältniss zur Bereicherung des Kapitalisten verdeckt, das ganze System mystificirt — vergröbert sich die Sache oder erscheint sie dem Kapitalisten so: ein variables Kapital von 100 £ stelle z. B. den Wochenlohn von 100 Arbeitern vor. Wenn diese 100, bei gegebnem Arbeitstag, ein wöchentliches Produkt von 200 Stück Waaren produciren = 200 W, so kostet 1 W — abstrahirt von dem Theil des Kostpreises, den das konstante Kapital zusetzt — da 100 £ = 200 W, 1 W = = 10 Schill. Gesetzt nun, es träte Wechsel in der Produktionskraft der Arbeit ein; sie verdopple sich, dieselbe Anzahl Arbeiter producire in derselben Zeit zweimal 200 W, worin sie früher 200 W producirte. In diesem Fall kostet (soweit der Kostpreis aus blossem Arbeitslohn besteht), da jetzt 100 £ = 400 W, 1 W = = 5 Schill. Verminderte sich die Produktivkraft um die Hälfte, so würde dieselbe Arbeit nur noch produciren; und da 100 £ = , nun 1 W = = 1 £. Die Wechsel in der zur Produktion der Waaren erheischten Arbeits-
zeit, und daher in ihrem Werth, erscheinen jetzt mit Bezug auf den Kostpreis und daher auch dem Produktionspreis, als verschiedne Vertheilung desselben Arbeitslohns über mehr oder weniger Waaren, je nachdem in derselben Arbeitszeit für denselben Arbeitslohn mehr oder weniger Waaren producirt werden. Was der Kapitalist, und daher auch der politische Oekonom sieht, ist, dass der Theil der bezahlten Arbeit, der auf die Waare per Stück fällt, sich mit der Produktivität der Arbeit ändert, und damit auch der Werth jedes einzelnen Stücks; er sieht nicht, dass dies ebenfalls der Fall ist mit der in jedem Stück enthaltnen unbezahlten Arbeit, um so weniger da der Durchschnittsprofit in der That durch die in seiner Sphäre absorbirte unbezahlte Arbeit nur zufällig bestimmt ist. Nur in solch vergröberter und begriffsloser Form scheint jetzt noch die Thatsache durch, dass der Werth der Waaren durch die in ihnen enthaltne Arbeit bestimmt ist.
Ein Theil der Produktionssphären hat eine mittlere oder Durch- schnittszusammensetzung des in ihnen angewandten Kapitals, d. h. ganz oder annähernd die Zusammensetzung des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals.
In diesen Sphären fällt der Produktionspreis der producirten Waaren mit ihrem in Geld ausgedrückten Werth ganz oder an- nähernd zusammen. Wenn auf keine andre Weise zur mathe- matischen Grenze zu gelangen, so wäre es auf diese. Die Kon- kurrenz vertheilt das Gesellschaftskapital so zwischen die ver- schiednen Produktionssphären, dass die Produktionspreise in einer jeden Sphäre gebildet werden nach dem Muster der Produktions- preise in diesen Sphären der mittleren Komposition, d. h. = k + kp' (Kostpreis plus dem Produkt der Durchschnittsprofitrate in den Kostpreis). Diese Durchschnittsprofitrate ist aber nichts andres als der procentig berechnete Profit in jener Sphäre der mittlern Komposition, wo also der Profit zusammenfällt mit dem Mehrwerth. Die Profitrate ist also in allen Produktionssphären dieselbe, näm- lich ausgeglichen auf diejenige dieser mittleren Produktionssphären, wo die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals herrscht. Hier- nach muss die Summe der Profite aller verschiednen Produktions-
sphären gleich sein der Summe der Mehrwerthe, und die Summe der Produktionspreise des gesellschaftlichen Gesammtprodukts gleich der Summe seiner Werthe. Es ist aber klar, dass die Ausgleichung zwischen den Produktionssphären von verschiedner Zusammen- setzung immer dahin streben muss, sie zu egalisiren mit den Sphären von mittlerer Zusammensetzung, sei es nun, dass diese exakt, sei es dass sie nur annähernd dem gesellschaftlichen Durchschnitt entsprechen. Zwischen den mehr oder minder Annähernden findet selbst wieder Tendenz nach Ausgleichung statt, die der idealen, d. h. in der Wirklichkeit nicht vorhandnen Mittelposition zustrebt, d. h. die Tendenz hat sich um sie herum zu normiren. In dieser Weise herrscht also nothwendig die Tendenz, die Produktionspreise zu bloss verwandelten Formen des Werths zu machen, oder die Profite in blosse Theile des Mehrwerths zu verwandeln, die aber vertheilt sind, nicht im Verhältniss zum Mehrwerth, der in jeder besondren Produktionssphäre erzeugt ist, sondern im Verhältniss zur Masse des in jeder Produktionssphäre angewandten Kapitals, sodass auf gleich grosse Kapitalmassen, wie immer zusammen- gesetzt, gleich grosse Antheile (aliquote Theile) der Totalität des vom gesellschaftlichen Gesammtkapital erzeugten Mehrwerths fallen.
Für die Kapitale von mittlerer oder annähernd mittlerer Zu- sammensetzung fällt der Produktionspreis also mit dem Werth ganz oder annähernd zusammen, und der Profit mit dem von ihnen erzeugten Mehrwerth. Alle andren Kapitale, welches immer ihre Zusammensetzung, streben unter dem Druck der Konkurrenz, sich mit diesen auszugleichen. Da aber die Kapitale mittlerer Zu- sammensetzung gleich oder annähernd gleich dem gesellschaftlichen Durchschnittskapital, so streben alle Kapitale, welches immer der von ihnen selbst erzeugte Mehrwerth, an Stelle dieses Mehrwerths den Durchschnittsprofit durch die Preise ihrer Waaren zu reali- siren, d. h. also die Produktionspreise zu realisiren.
Es kann andrerseits gesagt werden, dass überall, wo ein Durch- schnittsprofit hergestellt wird, also eine allgemeine Profitrate — in welcher Weise auch immer dies Resultat hervorgebracht worden sei — dieser Durchschnittsprofit nichts andres sein kann, als der Profit auf das gesellschaftliche Durchschnittskapital, dessen Summe gleich der Summe der Mehrwerthe, und dass die durch Zuschlag dieses Durchschnittsprofits auf die Kostpreise hervorgebrachten Preise nichts andres sein können als die in Produktionspreise verwandelten Werthe. Es würde nichts ändern, wenn Kapitale in bestimmten Produktionssphären aus irgend welchen Gründen nicht
dem Process der Ausgleichung unterworfen würden. Der Durch- schnittsprofit wäre dann berechnet auf den Theil des Gesellschafts- kapitals, der in den Ausgleichungsprocess eingeht. Es ist klar, dass der Durchschnittsprofit nichts sein kann, als die Gesammt- masse des Mehrwerths, vertheilt auf die Kapitalmassen in jeder Produktionssphäre nach Verhältniss ihrer Grössen. Es ist das Ganze der realisirten unbezahlten Arbeit, und diese Gesammtmasse stellt sich dar, ebensogut wie die bezahlte, todte und lebendige Arbeit, in der Gesamtmasse von Waaren und Geld, die den Kapi- talisten zufällt.
Die eigentlich schwierige Frage ist hier die: wie diese Aus- gleichung der Profite zur allgemeinen Profitrate vorgeht, da sie offenbar ein Resultat ist, und nicht ein Ausgangspunkt sein kann.
Es ist zunächst klar, dass eine Schätzung der Waarenwerthe, z. B. in Geld, nur das Resultat ihres Austausches sein kann, und dass, wenn wir daher solche Schätzung voraussetzen, wir sie als das Ergebniss wirklicher Austausche von Waarenwerth gegen Waarenwerth zu betrachten haben. Aber wie soll dieser Aus- tausch der Waaren zu ihren wirklichen Werthen zu Stande ge- kommen sein?
Nehmen wir zuerst an, dass alle Waaren in den verschiednen Produktionssphären zu ihren wirklichen Werthen verkauft würden. Was wäre dann der Fall? Es würden nach dem früher Ent- wickelten sehr verschiedne Profitraten in den verschiednen Produk- tionssphären herrschen. Es sind prima facie zwei ganz verschiedne Dinge, ob Waaren zu ihren Werthen verkauft werden (d. h. ob sie im Verhältniss des in ihnen enthaltnen Werths, zu ihren Werth- preisen, mit einander ausgetauscht werden) oder ob sie zu solchen Preisen verkauft werden, dass ihr Verkauf gleich grosse Profite auf gleiche Massen der zu ihrer respektiven Produktion vorge- schossnen Kapitale abwirft.
Dass Kapitale, die ungleich viel lebendige Arbeit in Bewegung setzen, ungleich viel Mehrwerth produciren, setzt wenigstens bis zu einem gewissen Grad voraus, dass der Exploitationsgrad der Arbeit oder die Rate des Mehrwerths dieselbe, oder dass die darin existirenden Unterschiede als durch wirkliche oder eingebildete (konventionelle) Kompensationsgründe ausgeglichen gelten. Dies setzt Konkurrenz unter den Arbeitern voraus und Ausgleichung durch ihre beständige Auswanderung aus einer Produktionssphäre in die andre. Solch eine allgemeine Rate des Mehrwerths — der Tendenz nach, wie alle ökonomischen Gesetze — ist von uns als
theoretische Vereinfachung vorausgesetzt; in Wirklichkeit aber ist sie thatsächliche Voraussetzung der kapitalistischen Produktions- weise, obgleich mehr oder minder gehemmt durch praktische Frik- tionen, die mehr oder minder bedeutende lokale Differenzen her- vorbringen, wie z. B. die Heimathsgesetzgebung (settlement laws) für die Ackerbautaglöhner in England. Aber in der Theorie wird vorausgesetzt, dass die Gesetze der kapitalistischen Produktions- weise sich rein entwickeln. In der Wirklichkeit besteht immer nur Annäherung; aber diese Annäherung ist um so grösser, je mehr die kapitalistische Produktionsweise entwickelt und je mehr ihre Verunreinigung und Verquickung mit Resten früherer ökono- mischer Zustände beseitigt ist.
Die ganze Schwierigkeit kommt dadurch hinein, dass die Waaren nicht einfach als Waaren ausgetauscht werden, sondern als Pro- dukte von Kapitalen, die im Verhältniss zu ihrer Grösse, oder bei gleicher Grösse, gleiche Theilnahme an der Gesammtmasse des Mehrwerths beanspruchen. Und der Gesammtpreis der von einem gegebnen Kapital in einer gegebnen Zeitfrist producirten Waaren soll diese Forderung befriedigen. Der Gesammtpreis dieser Waaren ist aber bloss die Summe der Preise der einzelnen Waaren, die das Produkt des Kapitals bilden.
Das punctum saliens wird zumeist heraustreten, wenn wir die Sache so fassen: Unterstelle, die Arbeiter selbst seien im Besitz ihrer respektiven Produktionsmittel und tauschten ihre Waaren mit einander aus. Diese Waaren wären dann nicht Produkte des Kapitals. Je nach der technischen Natur ihrer Arbeiten wäre der Werth der in den verschiednen Arbeitszweigen angewandten Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe verschieden; ebenso wäre, ab- gesehn von dem ungleichen Werth der angewandten Produk- tionsmittel, verschiedne Masse derselben erheischt für gegebne Arbeitsmasse, je nachdem eine bestimmte Waare in einer Stunde fertig gemacht werden kann, eine andre erst in einem Tag etc. Unterstelle ferner, dass diese Arbeiter im Durchschnitt gleich viel Zeit arbeiten, die Ausgleichungen eingerechnet, die aus verschiedner Intensität etc. der Arbeit hervorgehn. Zwei Arbeiter hätten dann beide in den Waaren, die das Produkt ihrer Tagesarbeit bilden, erstens ersetzt ihre Auslagen, die Kostpreise der verbrauchten Produktions- mittel. Diese wären verschieden je nach der technischen Natur ihrer Arbeitszweige. Beide hätten zweitens gleich viel Neuwerth geschaffen, nämlich den, den Produktionsmitteln zugesetzten Arbeits- tag. Es schlösse dies ein ihren Arbeitslohn plus dem Mehrwerth,
der Mehrarbeit über ihre nothwendigen Bedürfnisse hinaus, deren Resultat aber ihnen selbst gehörte. Wenn wir uns kapitalistisch ausdrücken, so erhalten beide denselben Arbeitslohn plus denselben Profit, aber auch den Werth, ausgedrückt z. B. im Produkt eines zehn- stündigen Arbeitstags. Aber erstens wären die Werthe ihrer Waaren verschieden. In der Waare I z. B. wäre mehr Werth- theil für die aufgewandten Produktionsmittel enthalten als in der Waare II, und um gleich alle möglichen Unterschiede hineinzu- bringen, Waare I absorbire mehr lebendige Arbeit, erfordre also längere Arbeitszeit in ihrer Herstellung als Waare II. Der Werth dieser Waaren I und II ist also sehr verschieden. Ebenso die Summen der Waarenwerthe, die das Produkt der von Arbeiter I und der von Arbeiter II in einer gegebnen Zeit verrichteten Arbeit. Die Profitraten wären auch sehr verschieden für I und II, wenn wir hier das Verhältniss des Mehrwerths zum Gesammtwerth der ausgelegten Produktionsmittel die Profitrate nennen. Die Lebensmittel, die I und II während der Produktion täglich ver- zehren und die den Arbeitslohn vertreten, werden hier den Theil der vorgeschossnen Produktionsmittel bilden, den wir sonst variables Kapital nennen. Aber die Mehrwerthe wären für gleiche Arbeitszeit dieselben für I und II, oder noch genauer, da I und II jeder den Werth des Produkts eines Arbeitstags erhalten, erhalten sie, nach Abzug des Werths der vorgeschossnen „konstanten“ Elemente, gleiche Werthe, wovon ein Theil als Ersatz der in der Produktion verzehrten Lebensmittel, der andre als darüber hinaus überschüssiger Mehrwerth betrachtet werden kann. Hat I mehr Auslagen, so sind diese ersetzt durch den grössern Werththeil seiner Waare, der diesen „konstanten“ Theil ersetzt, und er hat daher auch wieder einen grössern Theil des Gesammtwerths seines Produkts rückzuverwandeln in die stofflichen Elemente dieses kon- stanten Theils, während II, wenn er weniger dafür einkassirt, dafür auch um so weniger rückzuverwandeln hat. Die Verschiedenheit der Profitraten wäre unter dieser Voraussetzung also ein gleich- gültiger Umstand, ganz wie es heute für den Lohnarbeiter ein gleichgültiger Umstand ist, in welcher Profitrate das ihm abge- presste Quantum Mehrwerth sich ausdrückt, und ganz wie im in- ternationalen Handel die Verschiedenheit der Profitraten bei den verschiednen Nationen für ihren Waarenaustausch ein gleichgültiger Umstand ist.
Der Austausch von Waaren zu ihren Werthen, oder annähernd zu ihren Werthen, erfordert also eine viel niedrigre Stufe als der
Austausch zu Produktionspreisen, wozu eine bestimmte Höhe kapi- talistischer Entwicklung nöthig ist.
In welcher Weise immer die Preise der verschiednen Waaren zuerst gegeneinander festgesetzt oder geregelt sein mögen, das Werthgesetz beherrscht ihre Bewegung. Wo die zu ihrer Pro- duktion erheischte Arbeitszeit fällt, fallen die Preise; wo sie steigt, steigen die Preise, bei sonst gleichbleibenden Umständen.
Abgesehn von der Beherrschung der Preise und der Preisbe- wegung durch das Werthgesetz, ist es also durchaus sachgemäß, die Werthe der Waaren nicht nur theoretisch, sondern historisch als das prius der Produktionspreise zu betrachten. Es gilt dies für Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören, und dieser Zustand findet sich, in der alten wie in der modernen Welt, beim selbstarbeitenden grundbesitzenden Bauer und beim Hand- werker. Es stimmt dies auch mit unsrer früher ausgesprochnen Ansicht(FN27), dass die Entwicklung der Produkte zu Waaren entspringt durch den Austausch zwischen verschiednen Gemeinwesen, nicht zwischen den Gliedern einer und derselben Gemeinde. Wie für diesen ursprünglichen Zustand, so gilt es für die späteren Zu- stände, die auf Sklaverei und Leibeigenschaft gegründet sind, und für die Zunftorganisation des Handwerks, so lange die in jedem Produktionszweig festgelegten Produktionsmittel nur mit Schwierig- keit aus der einen Sphäre in die andre übertragbar sind, und die verschiednen Produktionssphären sich daher innerhalb gewisser Grenzen zu einander verhalten, wie fremde Länder oder kommu- nistische Gemeinwesen.
Damit die Preise, wozu Waaren sich gegeneinander austauschen, ihren Werthen annähernd entsprechen, ist nichts nöthig als dass 1) der Austausch der verschiednen Waaren aufhört ein rein zu- fälliger oder nur gelegentlicher zu sein; 2) dass, soweit wir den direkten Waarenaustausch betrachten, diese Waaren beiderseits in den annähernd dem wechselseitigen Bedürfniss entsprechenden Verhältnissmengen producirt werden, was die wechselseitige Er- fahrung des Absatzes mitbringt, und was so als Resultat aus dem fortgesetzten Austausch selbst herauswächst; und 3), soweit wir vom Verkauf sprechen, dass kein natürliches oder künstliches Monopol eine der kontrahirenden Seiten befähige, über den Werth zu ver- kaufen, oder sie zwinge, unter ihm loszuschlagen. Unter zufälligem
Monopol verstehn wir das Monopol, das dem Käufer oder Verkäufer erwächst aus dem zufälligen Stand von Nachfrage und Angebot.
Die Annahme, dass die Waaren der verschiednen Produktions- sphären sich zu ihren Werthen verkaufen, bedeutet natürlich nur, dass ihr Werth der Gravitationspunkt ist, um den ihre Preise sich drehn, und zu dem ihre beständigen Hebungen und Senkungen sich ausgleichen. Es wird dann ausserdem immer ein Markt- werth — worüber später — zu unterscheiden sein von dem in- dividuellen Werth der einzelnen Waaren, die von den verschiednen Producenten producirt werden. Der individuelle Werth einiger dieser Waaren wird unter dem Marktwerth stehn (d. h. es ist weniger Arbeitszeit für ihre Produktion erheischt als der Markt- werth ausdrückt), der andre darüber. Der Marktwerth wird einer- seits zu betrachten sein als der Durchschnittswerth der in einer Sphäre producirten Waaren, andrerseits als der individuelle Werth der Waaren, die unter den durchschnittlichen Bedingungen der Sphäre producirt werden und die die grosse Masse der Produkte derselben bilden. Es sind nur ausserordentliche Kombinationen, unter denen die unter den schlechtesten Bedingungen oder die unter den bevorzugtesten Bedingungen producirten Waaren den Marktwerth regeln, der seinerseits das Schwankungscentrum bildet, für die Marktpreise — die aber dieselben sind für die Waaren derselben Art. Wenn die Zufuhr der Waaren zu dem Durch- schnittswerth, also zu dem mittleren Werth der Masse, die zwischen den beiden Extremen liegt, die gewöhnliche Nachfrage befriedigt, so realisiren die Waaren, deren individueller Werth unter dem Marktwerth steht, einen Extramehrwerth oder Surplusprofit, während die, deren individueller Werth über dem Marktwerth steht, einen Theil des in ihnen enthaltnen Mehrwerths nicht realisiren können.
Es hilft nichts zu sagen, dass der Verkauf der unter den schlech- testen Bedingungen producirten Waaren beweist, dass sie zur Deckung der Zufuhr erheischt sind. Wäre der Preis höher in dem unterstellten Fall als der mittlere Marktwerth, so wäre die Nachfrage grösser. Zu gewissen Preisen kann eine Waarenart einen gewissen Raum im Markt einnehmen; der Raum bleibt nur dann derselbe bei Wechsel der Preise, wenn der höhere Preis mit geringrem Waarenquantum, und der niedrigere Preis mit grössrem Waarenquantum zusammenfällt. Ist dagegen die Nach- frage so stark, dass sie sich nicht kontrahirt, wenn der Preis ge- regelt wird durch den Werth der unter den schlechtesten Bedin- gungen producirten Waaren, so bestimmen diese den Marktwerth.
Es ist dies nur möglich, wenn die Nachfrage die gewöhnliche übersteigt, oder die Zufuhr unter die gewöhnliche fällt. Endlich, wenn die Masse der producirten Waaren grösser ist, als zu den mittlern Marktwerthen Absatz findet, so regeln die unter den besten Bedingungen producirten Waaren den Marktwerth. Sie können z. B. ihre Waaren ganz oder annähernd zu ihrem individuellen Werth verkaufen, wobei es passiren kann, dass die unter den schlechtesten Bedingungen producirten Waaren vielleicht nicht ein- mal ihre Kostpreise realisiren, während die des mittlern Durch- schnitts nur einen Theil des in ihnen enthaltnen Mehrwerths reali- siren können. Was hier vom Marktwerth gesagt, gilt vom Pro- duktionspreis, sobald er an die Stelle des Marktwerths getreten. Der Produktionspreis ist in jeder Sphäre regulirt, und ebenso nach den besondren Umständen regulirt. Er selbst aber ist wieder das Centrum, warum sich die täglichen Marktpreise drehn und wozu sie sich in bestimmten Perioden ausgleichen. (S. Ricardo, über die Bestimmung des Produktionspreises durch die unter den schlech- testen Bedingungen arbeitenden.)
Wie immer die Preise geregelt seien, es ergibt sich:
1) Das Werthgesetz beherrscht ihre Bewegung, indem Ver- minderung oder Vermehrung der zur Produktion erheischten Arbeits- zeit die Produktionspreise steigen oder fallen macht. Es ist in diesem Sinne, dass Ricardo sagt (der wohl fühlt, dass seine Pro- duktionspreise von den Werthen der Waaren abweichen), dass the inquiry to which he wishes to draw the reader’s attention, relates to the effect of the variations in the relative value of commodities, and not in their absolute value.
2) Der Durchschnittsprofit, der die Produktionspreise bestimmt, muss immer annähernd gleich sein dem Quantum Mehrwerth, das auf ein gegebnes Kapital als aliquoten Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals fällt. Gesetzt, die allgemeine Profitrate und daher der Durchschnittsprofit sei in einem Geldwerth ausgedrückt, höher als der wirkliche Durchschnittsmehrwerth, seinem Geldwerth nach berechnet. Soweit die Kapitalisten dann in Betracht kommen, ist es gleichgültig, ob sie sich wechselseitig 10 oder 15 % Profit an- rechnen. Der eine Procentsatz deckt nicht mehr wirklichen Waaren- werth als der andre, indem die Uebertreibung des Geldausdrucks wechselseitig ist. Was aber die Arbeiter angeht (da vorausgesetzt ist, dass sie ihren normalen Arbeitslohn erhalten, die Heraufsetzung des Durchschnittsprofits also nicht einen wirklichen Abzug vom Arbeitslohn, d. h. etwas ganz andres als normalen Mehrwerth des
Kapitalisten ausdrückt), so muss der durch die Heraufsetzung des Durchschnittsprofits entstehenden Erhöhung der Waarenpreise eine Erhöhung im Geldausdruck des variablen Kapitals entsprechen. In der That ist solche allgemeine nominelle Erhöhung der Profit- rate und des Durchschnittsprofits über den durch das Verhältniss des wirklichen Mehrwerths zum vorgeschossnen Gesammtkapital gegebnen Satz nicht möglich, ohne Erhöhung des Arbeitslohns nach sich zu ziehn, und ebenso Erhöhung der Preise der Waaren, die das konstante Kapital bilden. Ebenso umgekehrt bei Ernied- rigung. Da nun der Gesammtwerth der Waaren den Gesammt- mehrwerth, dieser aber die Höhe des Durchschnittsprofits und daher der allgemeinen Profitrate regelt — als allgemeines Gesetz oder als das die Schwankungen Beherrschende — so regulirt das Werthgesetz die Produktionspreise.
Was die Konkurrenz, zunächst in einer Sphäre, fertig bringt, ist die Herstellung eines gleichen Marktwerths und Marktpreises aus den verschiednen individuellen Werthen der Waaren. Die Kon- kurrenz der Kapitale in den verschiednen Sphären aber bringt erst hervor den Produktionspreis, der die Profitraten zwischen den verschiednen Sphären egalisirt. Zu dem letztren ist höhere Ent- wicklung der kapitalistischen Produktionsweise erheischt als zu dem frühern.
Damit Waaren derselben Produktionssphäre, derselben Art und annähernd derselben Qualität zu ihren Werthen verkauft werden, ist zweierlei nöthig:
Erstens müssen die verschiednen individuellen Werthe zu einem gesellschaftlichem Werth, dem oben dargestellten Markt- werth, ausgeglichen sein, und dazu ist eine Konkurrenz unter den Producenten derselben Art Waaren erfordert, ebenso wie das Vorhandensein eines Markts, auf dem sie gemeinsam ihre Waaren ausbieten. Damit der Marktpreis identischer Waaren, die aber jede unter Umständen von verschiedner individueller Färbung produ- cirt sind, dem Marktwerth entspreche, nicht von ihm abweiche weder durch Erhöhung über, noch durch Senkung unter ihn, ist erfordert, dass der Druck, den die verschiednen Verkäufer auf ein- ander ausüben, gross genug ist, um die Masse Waaren auf den Markt zu werfen, die das gesellschaftliche Bedürfniss erheischt, d. h. die Quantität, wofür die Gesellschaft fähig ist, den Markt- werth zu zahlen. Ueberträfe die Produktenmasse dies Bedürfniss, so müssten die Waaren unter ihrem Marktwerth verkauft werden; umgekehrt über ihrem Marktwerth, wenn die Produktenmasse nicht
gross genug wäre oder, was dasselbe, wenn der Druck der Kon- kurrenz unter den Verkäufern nicht stark genug wäre, sie zu zwingen, diese Waarenmasse auf den Markt zu bringen. Aenderte sich der Marktwerth, so würden sich auch die Bedingungen ändern, wozu die Gesammtwaarenmasse verkauft werden könnte. Fällt der Marktwerth, so erweitert sich im Durchschnitt das gesellschaft- liche Bedürfniss (welches hier immer zahlungsfähiges Bedürfniss ist) und kann innerhalb gewisser Grenzen grössre Massen Waare absorbiren. Steigt der Marktwerth, so kontrahirt sich das gesell- schaftliche Bedürfniss für die Waare und geringre Massen davon werden absorbirt. Wenn daher Nachfrage und Zufuhr den Markt- preis reguliren, oder vielmehr die Abweichungen der Marktpreise vom Marktwerth, so regulirt andrerseits der Marktwerth das Ver- hältniss von Nachfrage und Zufuhr oder das Centrum, um das die Schwankungen der Nachfrage und Zufuhr die Marktpreise oscilliren machen.
Betrachtet man die Sache näher, so findet man, dass die Be- dingungen, die für den Werth der einzelnen Waare gelten, sich hier reproduciren als Bedingungen für den Werth der Gesammtsumme einer Art; wie denn die kapitalistische Produktion von vornherein Massenproduktion ist, und wie auch andre, weniger entwickelte Produktionsweisen — wenigstens bei den Hauptwaaren — das in kleinern Massen Producirte als gemeinschaftliches Produkt, wenn auch vieler kleiner Detailproducenten, in grossen Massen in den Händen relativ weniger Kaufleute auf dem Markt koncentriren, aufhäufen und zum Verkauf bringen; als gemeinschaftliches Pro- dukt eines ganzen Produktionszweigs oder eines grössern oder kleinern Kontingents davon.
Es sei hier ganz im Vorbeigehn bemerkt, dass das „gesellschaft- liche Bedürfniss“, d. h. das was das Princip der Nachfrage regelt, wesentlich bedingt ist durch das Verhältniss der verschiednen Klassen zu einander und durch ihre respektive ökonomische Position, namentlich also erstens durch das Verhältniss des Gesammtmehr- werths zum Arbeitslohn und zweitens durch das Verhältniss der verschiednen Theile, worin sich der Mehrwerth spaltet (Profit, Zins, Grundrente, Steuern u. s. w.); und so zeigt sich auch hier wieder, wie absolut nichts aus dem Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden kann, bevor die Basis entwickelt ist, worauf dies Verhältniss spielt.
Obgleich beide, Waare und Geld, Einheiten von Tauschwerth und Gebrauchswerth, sahen wir doch schon (Buch I, Kap. I, 3)
wie in Kauf und Verkauf beide Bestimmungen an die beiden Ex- treme polarisch vertheilt sind, sodass die Waare (Verkäufer) den Gebrauchswerth, und das Geld (Käufer) den Tauschwerth repräsen- tirt. Dass die Waare Gebrauchswerth habe, also ein gesellschaft- liches Bedürfniss befriedige, war die eine Voraussetzung des Ver- kaufs. Die andre war, dass das in der Waare enthaltne Quantum Arbeit gesellschaftlich nothwendige Arbeit repräsentire, der indi- viduelle Werth (und was unter dieser Voraussetzung dasselbe, der Verkaufspreis) der Waare daher mit ihrem gesellschaftlichen Werth zusammenfalle.(FN28)
Wenden wir dies an auf die auf dem Markt befindliche Waaren- masse, die das Produkt einer ganzen Sphäre bildet.
Die Sache wird am leichtesten dargestellt, wenn wir die ganze Waarenmasse, zunächst also eines Produktionszweigs, als eine Waare, und die Summe der Preise der vielen identischen Waaren als in einen Preis zusammenaddirt auffassen. Was dann für die einzelne Waare gesagt worden, gilt nun wörtlich für die auf dem Markt befindliche Waarenmasse eines bestimmten Produktionszweigs. Dass der individuelle Werth der Waare ihrem gesellschaftlichen Werth entspreche, ist jetzt dahin verwirklicht, oder weiter be- stimmt, dass das Gesammtquantum die zu seiner Produktion noth- wendige gesellschaftliche Arbeit enthält, und dass der Werth dieser Masse = ihrem Marktwerth.
Nimm nun an, die grosse Masse dieser Waaren sei ungefähr unter denselben normalen gesellschaftlichen Bedingungen producirt, sodass dieser Werth zugleich der individuelle Werth der diese Masse bildenden einzelnen Waaren. Wenn nun ein relativ kleiner Theil unter, ein andrer über diesen Bedingungen producirt worden, sodass der individuelle Werth des einen Theils grösser, der des andren kleiner als der mittlere Werth des grossen Theils der Waaren, diese beiden Extreme aber sich ausgleichen, sodass der Durchschnittswerth der ihnen angehörigen Waaren gleich dem Werth der der mittlern Masse angehörigen Waaren, dann ist der Marktwerth bestimmt durch den Werth der unter mittlern Be- dingungen producirten Waaren.(FN29) Der Werth der gesammten Waarenmasse ist gleich der wirklichen Summe der Werthe aller einzelnen Waaren zusammengenommen, sowohl deren die innerhalb der mittlern Bedingungen, als deren die unter oder über ihnen
producirt sind. In diesem Fall ist der Marktwerth oder der ge- sellschaftliche Werth der Waarenmasse — die nothwendig in ihnen enthaltne Arbeitszeit — bestimmt durch den Werth der grossen mittlern Masse.
Nimm dagegen an, die Gesammtmenge der auf den Markt ge- brachten fraglichen Waare bleibe dieselbe, aber der Werth der unter den schlechtern Bedingungen producirten Waaren gleiche sich nicht aus mit dem Werth der unter den bessern Bedingungen producirten, sodass der unter den schlechtern Bedingungen pro- ducirte Massentheil eine relativ bedeutende Grösse bilde, sowohl gegen die mittlere Masse wie gegen das andre Extrem: dann regelt die unter den schlechtern Bedingungen producirte Masse den Markt- werth oder den gesellschaftlichen Werth.
Nimm endlich an, die unter bessern als den mittlern Bedingungen producirte Waarenmasse übertreffe bedeutend die unter den schlech- tern Bedingungen producirte und bilde selbst eine bedeutende Grösse gegen die unter mittlern Verhältnissen producirte; dann regulirt der unter den besten Bedingungen producirte Theil den Marktwerth. Es wird hier abgesehn von Ueberführung des Marktes, wo immer der unter den besten Bedingungen producirte Theil den Marktpreis regelt; aber hier haben wir es nicht mit dem Markt- preis zu thun, soweit er verschieden von dem Marktwerth, sondern mit den verschiednen Bestimmungen des Marktwerths selbst.(FN30)
In der That, ganz streng genommen (was natürlich in der Wirk- lichkeit nur annähernd und tausendfach modificirt vorkommt) ist im Fall I der durch die mittlern Werthe geregelte Marktwerth der ganzen Masse gleich der Summe ihrer individuellen Werthe;
obgleich für die an den Extremen producirten Waaren dieser Werth sich als ihnen aufgedrungner Durchschnittswerth aufstellt. Die am schlechtesten Extrem Producirenden müssen ihre Waaren dann unter dem individuellen Werth verkaufen; die am besten Extrem verkaufen sie darüber.
Im Fall II gleichen sich die unter beiden Extremen producirten individuellen Werthmassen nicht aus, sondern gibt die unter den schlechtern Bedingungen producirte den Ausschlag. Streng ge- nommen wäre der Durchschnittspreis oder der Marktwerth jeder einzelnen Waare oder jedes aliquoten Theils der Gesammtmasse nun bestimmt durch den Gesammtwerth der Masse, der durch Ad- dition der Werthe der unter den verschiednen Bedingungen pro- ducirten Waaren herauskäme, und durch den aliquoten Theil, der von diesem Gesammtwerth auf die einzelne Waare fiele. Der so erhaltne Marktwerth stände über dem individuellen Werth nicht nur der dem günstigen Extrem, sondern auch der der mittlern Schicht angehörigen Waaren; er stände aber immer noch niedriger als der individuelle Werth der auf dem ungünstigen Extrem pro- ducirten Waaren. Wie weit er sich diesem nähert, oder mit ihm endlich zusammenfällt, hängt ganz ab von dem Umfang, den die am ungünstigen Extrem producirte Waarenmasse in der fraglichen Waarensphäre einnimmt. Ist die Nachfrage nur wenig überwiegend, so regelt der individuelle Werth der ungünstig producirten Waaren den Marktpreis.
Nimmt endlich, wie in Fall III, das am günstigen Extrem pro- ducirte Waarenquantum grössern Raum ein, nicht nur verglichen mit dem andren Extrem, sondern mit den mittlern Bedingungen, so fällt der Marktwerth unter den mittlern Werth. Der Durch- schnittswerth, berechnet durch Addirung der Werthsummen der beiden Extreme und der Mitte, steht hier unter dem Werth der Mitte, und nähert oder entfernt sich von ihm je nach dem relativen Raum, den das günstige Extrem einnimmt. Ist die Nachfrage schwach gegen die Zufuhr, so nimmt der günstig gestellte Theil, wie gross er immer sei, gewaltsam Raum ein durch Zusammen- ziehung seines Preises auf seinen individuellen Werth. Mit diesem individuellen Werth der unter den besten Bedingungen producirten Waaren kann der Marktwerth nie zusammenfallen, ausser bei sehr starkem Ueberwiegen der Zufuhr über die Nachfrage.
Diese, hier abstrakt dargestellte, Festsetzung des Marktwerths wird auf dem wirklichen Markt vermittelt durch die Konkurrenz unter den Käufern, vorausgesetzt, dass die Nachfrage gerade so
gross ist, um die Waarenmasse zu ihrem so festgesetzten Werthe zu absorbiren. Und hier kommen wir auf den andren Punkt.
Zweitens. Dass die Waare Gebrauchswerth hat, heisst nur, dass sie irgend ein gesellschaftliches Bedürfniss befriedigt. Solange wir nur von den einzelnen Waaren handelten, konnten wir unter- stellen, dass das Bedürfniss für diese bestimmte Waare — in den Preis schon ihr Quantum eingeschlossen — vorhanden sei, ohne uns auf das Quantum des zu befriedigenden Bedürfnisses weiter einzulassen. Dies Quantum wird aber ein wesentliches Moment, sobald das Produkt eines ganzen Produktionszweigs auf der einen Seite, und das gesellschaftliche Bedürfniss auf der andern Seite steht. Es wird jetzt nothwendig, das Maß, d. h. das Quantum dieses gesellschaftlichen Bedürfnisses zu betrachten.
In den vorhin gegebnen Bestimmungen über den Marktwerth ist unterstellt, dass die Masse der producirten Waaren dieselbe bleibt, eine gegebne ist; dass nur Wechsel stattfindet im Verhält- niss der Bestandtheile dieser Masse, die unter verschiednen Be- dingungen producirt sind, und dass daher der Marktwerth derselben Masse von Waaren verschieden geregelt wird. Gesetzt, diese Masse sei das gewöhnliche Quantum der Zufuhr, wobei wir absehn von der Möglichkeit, dass ein Theil der producirten Waaren zeitweise dem Markt entzogen werden kann. Bleibt nun die Nachfrage für diese Masse auch die gewöhnliche, so wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft, welcher der drei vorhin untersuchten Fälle auch diesen Marktwerth reguliren möge. Die Waarenmasse be- friedigt nicht nur ein Bedürfniss, sondern sie befriedigt es in seinem gesellschaftlichen Umfang. Ist dagegen das Quantum kleiner oder grösser als die Nachfrage dafür, so finden Abweichungen des Marktpreises vom Marktwerth statt. Und die erste Abweichung ist, dass wenn das Quantum zu klein, stets die unter den schlech- testen Bedingungen producirte Waare den Marktwerth regulirt, und wenn zu gross, stets die unter den besten Bedingungen pro- ducirte; dass also eins der Extreme den Marktwerth bestimmt, trotzdem, dass nach dem blossen Verhältniss der Massen, die unter den verschiednen Bedingungen producirt sind, ein andres Resultat stattfinden müsste. Ist die Differenz zwischen Nachfrage und Produktenquantum bedeutender, so wird der Marktpreis ebenfalls noch bedeutender vom Marktwerth nach oben oder nach unten abweichen. Die Differenz zwischen dem Quantum der producirten Waaren, und dem Quantum, wobei die Waaren zu ihrem Markt- werth verkauft werden, kann aber aus doppelter Ursache entstehn.
Entweder wechselt dies Quantum selbst, wird zu klein oder zu gross, sodass also die Reproduktion auf einem andren Maßstab stattgefunden hätte, als dem, der den gegebnen Marktwerth regu- lirte. In diesem Fall hat sich die Zufuhr verändert, obgleich die Nachfrage dieselbe blieb, und dadurch ist relative Ueberproduktion oder Unterproduktion eingetreten. Oder aber die Reproduktion, d. h. die Zufuhr bleibt dieselbe, aber die Nachfrage ist gefallen oder gestiegen, was aus verschiednen Gründen geschehn kann. Obgleich hier die absolute Grösse der Zufuhr dieselbe geblieben, hat ihre relative Grösse, ihre Grösse verglichen mit, oder gemessen an, dem Bedürfniss sich verändert. Die Wirkung ist dieselbe wie im ersten Fall, nur in umgekehrter Richtung. Endlich: wenn Veränderungen auf beiden Seiten stattfinden, aber entweder in entgegengesetzter Richtung, oder wenn in derselben Richtung, nicht in demselben Maß, wenn also in einem Wort doppelseitige Aen- derungen stattfinden, die aber die frühere Proportion zwischen den beiden Seiten ändern, so muss das Endresultat immer auf einen der zwei oben betrachteten Fälle herauskommen.
Die eigentliche Schwierigkeit bei der allgemeinen Begriffsbe- stimmung der Nachfrage und Zufuhr ist die, dass sie auf Tauto- logie hinauszulaufen scheint. Betrachten wir zunächst die Zufuhr, das auf dem Markt befindliche Produkt, oder das für ihn geliefert werden kann. Um nicht in hier ganz nutzlose Details einzugehn, denken wir hier an die Masse der jährlichen Reproduktion in jedem bestimmten Industriezweig und sehn dabei ab von der grössern oder geringern Fähigkeit, die verschiedne Waaren besitzen, dem Markt entzogen und für die Konsumtion, sage des nächsten Jahres, aufgespeichert zu werden. Diese jährliche Reproduktion drückt zunächst ein bestimmtes Quantum aus, Maß oder Anzahl, je nachdem die Waarenmasse als diskrete oder kontinuirliche ge- messen wird; es sind nicht nur Gebrauchswerthe, die menschliche Bedürfnisse befriedigen, sondern diese Gebrauchswerthe befinden sich auf dem Markt in einem gegebnen Umfang. Zweitens aber hat diese Waarenmenge einen bestimmten Marktwerth, den man ausdrücken kann in einen Multipel des Marktwerths der Waare oder des Waarenmaßes, die als Einheiten dienen. Zwischen dem quantitativen Umfang der auf dem Markt befindlichen Waaren und ihrem Marktwerth existirt daher kein nothwendiger Zusammen- hang, indem z. B. manche Waaren specifisch hohen Werth haben, andre specifisch niedrigen Werth, sodass eine gegebne Werthsumme sich in einem sehr grossen Quantum der einen und einem sehr
geringen Quantum der andren Waare darstellen kann. Zwischen dem Quantum der auf dem Markt befindlichen Artikel und dem Marktwerth dieser Artikel findet nur dieser Zusammenhang statt: Auf einer gegebnen Basis der Produktivität der Arbeit erheischt in jeder besondren Produktionssphäre die Herstellung eines be- stimmten Quantums Artikel ein bestimmtes Quantum gesellschaft- licher Arbeitszeit, obgleich dies Verhältniss in verschiednen Pro- duktionssphären durchaus verschieden ist, und in keinem innern Zusammenhang mit der Nützlichkeit dieser Artikel oder der be- sondren Natur ihrer Gebrauchswerthe steht. Alle andren Umstände gleichgesetzt: Wenn das Quantum a einer Waarensorte b Arbeits- zeit kostet, so kostet das Quantum na nb Arbeitszeit. Ferner: Soweit die Gesellschaft Bedürfnisse befriedigen, einen Artikel zu diesem Zweck producirt haben will, so muss sie ihn zahlen. In der That, da bei der Waarenproduktion Theilung der Arbeit vorausgesetzt ist, kauft die Gesellschaft diese Artikel, indem sie auf ihre Produktion einen Theil ihrer disponiblen Arbeitszeit ver- wendet, kauft sie sie also durch ein bestimmtes Quantum der Arbeits- zeit, worüber diese gegebne Gesellschaft verfügen kann. Der Theil der Gesellschaft, dem es durch die Theilung der Arbeit zufällt, seine Arbeit in der Produktion dieser bestimmten Artikel zu ver- wenden, muss ein Aequivalent erhalten durch gesellschaftliche Arbeit, dargestellt in den Artikeln, die seine Bedürfnisse befriedigen. Aber es existirt kein nothwendiger, sondern nur zufälliger Zu- sammenhang zwischen dem Gesammtquantum der gesellschaftlichen Arbeit, das auf einen gesellschaftlichen Artikel verwandt ist, d. h. zwischen dem aliquoten Theil ihrer Gesammtarbeitskraft, den die Gesellschaft auf die Produktion dieses Artikels verwendet, also zwischen dem Umfang, den die Produktion dieses Artikels in der Gesammtproduktion einnimmt, einerseits, und zwischen dem Um- fang andrerseits, worin die Gesellschaft Befriedigung des durch jenen bestimmten Artikel gestillten Bedürfnisses verlangt. Obgleich jeder einzelne Artikel oder jedes bestimmte Quantum einer Waaren- sorte nur die zu seiner Produktion erheischte gesellschaftliche Arbeit enthalten mag, und von dieser Seite her betrachtet der Marktwerth dieser gesammten Waarensorte nur nothwendige Arbeit darstellt, so ist doch, wenn die bestimmte Waare in einem das gesellschaftliche Bedürfniss dermalen überschreitendem Maß pro- ducirt worden, ein Theil der gesellschaftlichen Arbeitszeit vergeudet, und die Waarenmasse repräsentirt dann auf dem Markt ein viel kleineres Quantum gesellschaftlicher Arbeit, als wirklich in ihr ent-
halten ist. (Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbe- stimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesell- schaftlichen Bedürfnisses.) Daher müssen diese Waaren unter ihrem Marktwerth losgeschlagen, ein Theil davon kann selbst ganz unverkäuflich werden. — Umgekehrt, wenn der Umfang der auf die Produktion einer bestimmten Waarensorte verwandten gesell- schaftlichen Arbeit zu klein für den Umfang des durch das Produkt zu befriedigenden besondren gesellschaftlichen Bedürfnisses. — Entspricht aber der Umfang der gesellschaftlichen Arbeit, die zur Produktion eines bestimmten Artikels verwandt, dem Umfang des zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses, sodass also die producirte Masse dem gewöhnlichen Maßstab der Reproduktion bei unveränderter Nachfrage entspricht, so wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft. Der Austausch oder Verkauf der Waaren zu ihrem Werth ist das Rationelle, das natürliche Gesetz ihres Gleichgewichts; von ihm ausgehend, sind die Abweichungen zu erklären, nicht umgekehrt aus den Abweichungen das Gesetz selbst.
Sehn wir uns nach der andren Seite um, der Nachfrage.
Waaren werden gekauft als Produktionsmittel oder als Lebens- mittel, — wobei es nichts ändert, dass manche Sorten Waaren beiden Zwecken dienen können — um in die produktive oder in- dividuelle Konsumtion einzugehn. Es findet also Nachfrage für sie statt von den Producenten (hier Kapitalisten, da unterstellt, dass die Produktionsmittel in Kapital verwandelt sind) und von den Konsumenten. Beides scheint zunächst zu unterstellen, auf Seite der Nachfrage ein gegebnes Quantum gesellschaftlicher Be- dürfnisse, dem auf der andren Seite bestimmte Quanta gesell- schaftlicher Produktion in den verschiednen Produktionszweigen entsprechen. Soll die Baumwollindustrie ihre jährliche Repro- duktion auf gegebner Stufenleiter wieder ausführen, so ist dazu das herkömmliche Maß, und mit Betracht auf die jährliche Aus- weitung der Reproduktion, in Folge von Kapitalakkumulation, bei sonst gleichbleibenden Umständen, ein zusätzliches Quantum von Baumwolle erforderlich. Ebenso mit Bezug auf die Lebensmittel. Die Arbeiterklasse muss wenigstens dasselbe Quantum nothwendiger Lebensmittel, obgleich vielleicht mehr oder minder anders vertheilt unter die verschiednen Sorten, wieder vorfinden, soll sie in herge-
brachter Durchschnittsweise fortleben; und in Anbetracht des jähr- lichen Wachsthums der Bevölkerung, ein zusätzliches Quantum; und so, mit mehr oder minder Modifikation, für die andren Klassen.
Es scheint also, dass auf Seite der Nachfrage eine gewisse Grösse von bestimmtem gesellschaftlichem Bedürfniss steht, das zu seiner Löschung bestimmte Menge eines Artikels auf dem Markt erheischt. Aber die quantitative Bestimmtheit dieses Bedürfnisses ist durchaus elastisch und schwankend. Seine Fixität ist Schein. Wären die Lebensmittel wohlfeiler oder der Geldlohn höher, so würden die Arbeiter mehr davon kaufen, und es würde sich grössres „gesellschaftliches Bedürfniss“ für diese Waarensorten zeigen, ganz abgesehn von den Paupers etc., deren „Nachfrage“ noch unter den engsten Schranken ihres physischen Bedürfnisses steht. Wäre andrerseits z. B. die Baumwolle wohlfeiler, so würde die Nach- frage der Kapitalisten nach Baumwolle wachsen, es würde mehr zuschüssiges Kapital in die Baumwollindustrie geworfen etc. Es muss hierbei überhaupt nicht vergessen werden, dass die Nach- frage für produktive Konsumtion unter unsrer Voraussetzung die Nachfrage des Kapitalisten, und dass dessen eigentlicher Zweck die Produktion von Mehrwerth ist, sodass er nur zu diesem Behuf eine gewisse Sorte von Waaren producirt. Andrerseits hindert dies nicht, dass soweit er als Käufer z. B. von Baumwolle auf dem Markt steht, er das Bedürfniss für Baumwolle repräsentirt, wie es dem Baumwollverkäufer ja auch gleichgültig ist, ob der Käufer die Baumwolle in Hemdenzeug oder Schiesswolle verwandelt, oder sich und der Welt die Ohren damit zu verstopfen gedenkt. Allerdings übt dies aber grossen Einfluss aus auf die Art, worin er Käufer ist. Sein Bedürfniss für Baumwolle ist wesentlich durch den Umstand modificirt, dass es in Wirklichkeit nur sein Bedürf- niss des Profitmachens verkleidet. — Die Grenzen, worin das auf dem Markt repräsentirte Bedürfniss für Waaren — die Nachfrage — quantitativ verschieden ist von dem wirklichen gesellschaft- lichen Bedürfniss, ist natürlich für verschiedne Waaren sehr verschieden; ich meine die Differenz zwischen dem verlangten Quantum Waaren und dem Quantum, das verlangt würde mit andren Geldpreisen der Waare oder andren Geld- resp. Lebens- verhältnissen der Käufer.
Es ist nichts leichter, als die Ungleichmäßigkeiten von Nach- frage und Zufuhr einzusehn und die daraus folgende Abweichung der Marktpreise von den Marktwerthen. Die eigentliche Schwierig-
keit besteht in der Bestimmung dessen, was unter Deckung von Nachfrage und Zufuhr zu verstehn ist.
Nachfrage und Zufuhr decken sich, wenn sie in solchem Ver- hältniss stehn, dass die Waarenmasse eines bestimmten Produk- tionszweigs zu ihrem Marktwerth verkauft werden kann, weder darüber noch darunter. Das ist das erste, was wir hören.
Das zweite: Wenn die Waaren zu ihrem Marktwerth verkauf- bar, decken sich Nachfrage und Zufuhr.
Wenn Nachfrage und Zufuhr sich decken, hören sie auf zu wirken, und eben desswegen wird die Waare zu ihrem Marktwerth verkauft. Wenn zwei Kräfte in entgegengesetzter Richtung gleich- mäßig wirken, heben sie einander auf, wirken sie gar nicht nach aussen, und Erscheinungen, die unter dieser Bedingung vorgehn, müssen anders als durch das Eingreifen dieser beiden Kräfte er- klärt werden. Wenn Nachfrage und Zufuhr sich gegenseitig auf- heben, hören sie auf irgend etwas zu erklären, wirken sie nicht auf den Marktwerth, und lassen uns erst recht im Dunkeln dar- über, wesshalb der Marktwerth sich grade in dieser Summe Geld ausdrückt und in keiner andern. Die wirklichen innern Gesetze der kapitalistischen Produktion können offenbar nicht aus der Wechselwirkung von Nachfrage und Zufuhr erklärt werden (ganz abgesehn von tieferer, hier nicht angebrachter Analyse dieser beiden gesellschaftlichen Triebkräfte), da diese Gesetze nur dann rein ver- wirklicht erscheinen, sobald Nachfrage und Zufuhr aufhören zu wirken, d. h. sich decken. Nachfrage und Zufuhr decken sich in der That niemals, oder wenn sie sich einmal decken, so ist es zu- fällig, also wissenschaftlich = 0 zu setzen, als nicht geschehn zu betrachten. In der politischen Oekonomie wird aber unterstellt, dass sie sich decken, warum? Um die Erscheinungen in ihrer gesetzmäßigen, ihrem Begriff entsprechenden Gestalt zu betrachten, d. h. sie zu betrachten unabhängig von dem durch die Bewegung von Nachfrage und Zufuhr hervorgebrachten Schein. Andrerseits, um die wirkliche Tendenz ihrer Bewegung aufzufinden, gewisser- massen zu fixiren. Denn die Ungleichheiten sind entgegengesetzter Natur, und da sie einander beständig folgen, gleichen sie sich durch ihre entgegengesetzten Richtungen, durch ihren Widerspruch unter einander aus. Wenn also in keinem einzigen gegebnen Fall Nachfrage und Zufuhr sich decken, so folgen sich ihre Un- gleichheiten so — und es ist das Resultat der Abweichung in einer Richtung, eine andre Abweichung in einer entgegengesetzten Richtung hervorzurufen — dass wenn das Ganze einer grössern oder
kleinern Zeitperiode betrachtet wird, sich Zufuhr und Nachfrage be- ständig decken; aber nur als Durchschnitt der verflossenen Bewegung und nur als beständige Bewegung ihres Widerspruchs. Dadurch gleichen sich die von den Marktwerthen abweichenden Marktpreise, ihrer Durchschnittszahl nach betrachtet, zu Marktwerthen aus, indem sich die Abweichungen von den letztren aufheben als Plus und Minus. Und diese Durchschnittszahl ist keineswegs von bloss theo- retischer Wichtigkeit, sondern von praktischer für das Kapital, dessen Anlage auf die Schwankungen und Ausgleichungen in mehr oder minder bestimmter Zeitperiode berechnet ist.
Das Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr erklärt daher einer- seits nur die Abweichungen der Marktpreise von den Marktwerthen, und andrerseits die Tendenz zur Aufhebung dieser Abweichung, d. h. zur Aufhebung der Wirkung des Verhältnisses von Nach- frage und Zufuhr. (Die Ausnahmen von Waaren, die Preise haben ohne Werth zu haben, sind hier nicht zu betrachten.) Nachfrage und Zufuhr können die Aufhebung der durch ihre Ungleichheit hervorgebrachten Wirkung in sehr verschiedner Form durchführen. Z. B. fällt die Nachfrage und daher der Marktpreis, so kann das dazu führen, dass Kapital entzogen und so die Zufuhr vermindert wird. Es kann aber auch dazu führen, dass der Marktwerth selbst durch Erfindungen, die die nothwendige Arbeitszeit verkürzen, er- niedrigt und dadurch mit dem Marktpreis ausgeglichen wird. Um- gekehrt: Steigt die Nachfrage und damit der Marktpreis über den Marktwerth, so kann dies dazu führen, dass diesem Produktions- zweig zu viel Kapital zugeführt und die Produktion so gesteigert wird, dass der Marktpreis selbst unter den Marktwerth fällt; oder es kann andrerseits zu einer Preissteigerung führen, die die Nach- frage selbst zurücktreibt. Es mag auch in diesem oder jenem Produktionszweig dazu führen, dass der Marktwerth selbst für kürzre oder längre Perioden steigt, indem ein Theil der verlangten Produkte während dieser Zeit unter schlechtern Bedingungen pro- ducirt werden muss.
Bestimmt Nachfrage und Zufuhr den Marktpreis, so andrerseits der Marktpreis, und in weitrer Analyse der Marktwerth die Nach- frage und Zufuhr. Bei der Nachfrage ist dies augenscheinlich, da diese sich in umgekehrter Richtung zum Preise bewegt, zunimmt, wenn dieser fällt, und umgekehrt. Aber auch bei der Zufuhr. Denn die Preise der Produktionsmittel, die in die zugeführte Waare eingehn, bestimmen die Nachfrage nach diesen Produktions- mitteln und daher auch die Zufuhr der Waaren, deren Zufuhr die
Nachfrage nach jenen Produktionsmitteln einschliesst. Die Baum- wollpreise sind bestimmend für die Zufuhr von Baumwollstoffen.
Zu dieser Konfusion — Bestimmung der Preise durch Nach- frage und Zufuhr und daneben Bestimmung der Nachfrage und Zufuhr durch die Preise — kommt hinzu, dass die Nachfrage die Zufuhr, und umgekehrt die Zufuhr die Nachfrage bestimmt, die Produktion den Markt und der Markt die Produktion.(FN31)
Selbst der ordinäre Oekonom (S. Note) sieht ein, dass ohne einen durch äussere Umstände herbeigeführten Wechsel der Zu- fuhr oder des Bedarfs das Verhältniss beider wechseln kann in Folge eines Wechsels im Marktwerth der Waaren. Selbst er muss zugeben, dass, welches immer der Marktwerth, Nachfrage und Zu- fuhr sich ausgleichen müssen, um ihn herauszubekommen. D. h. das Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr erklärt nicht den Marktwerth, sondern dieser umgekehrt erklärt die Schwankungen von Nachfrage und Zufuhr. Der Verfasser der Observations fährt nach der in der Note citirten Stelle fort: This proportion (zwischen
Nachfrage und Zufuhr), however, if we still mean by „demand“ and „natural price“, what we meant just now, when referring to Adam Smith, must always be a proportion of equality; for it is only when the supply is equal to the effectual demand, that is, to that demand, which will pay neither more nor less than the na- tural price, that the natural price is in fact paid; consequently, there may be two very different natural prices, at different times, for the same commodity, and yet the proportion which the supply bears to the demand, be in both cases the same, namely the pro- portion of equality. Es wird also zugegeben, dass bei zwei ver- schiednen natural prices derselben Waare zu verschiedner Zeit Nach- frage und Zufuhr jedesmal sich decken können und decken müssen, soll die Waare beidemale zu ihrem natural price verkauft werden. Da nun beidemale kein Unterschied im Verhältniss von Nach- frage und Zufuhr ist, wohl aber ein Unterschied in der Grösse des natural price selbst, so ist dieser offenbar unabhängig von Nachfrage und Zufuhr bestimmt, und kann also am wenigsten durch diese bestimmt werden.
Damit eine Waare zu ihrem Marktwerth verkauft wird, d. h. im Verhältniss zu der in ihr enthaltnen gesellschaftlich nothwen- digen Arbeit, muss das Gesammtquantum gesellschaftlicher Arbeit, welches auf die Gesammtmasse dieser Waarenart verwandt wird, dem Quantum des gesellschaftlichen Bedürfnisses für sie ent- sprechen, d. h. des zahlungsfähigen gesellschaftlichen Bedürfnisses. Die Konkurrenz, die Schwankungen der Marktpreise, die den Schwankungen des Verhältnisses von Nachfrage und Zufuhr ent- sprechen, suchen beständig das Gesammtquantum der auf jede Waarenart verwandten Arbeit auf dieses Maß zu reduciren.
In dem Verhältniss von Nachfrage und Zufuhr der Waaren wiederholt sich erstens das Verhältniss von Gebrauchswerth und Tauschwerth, von Waare und Geld, von Käufer und Verkäufer; zweitens das von Producent und Konsument, obgleich beide durch dritte Kaufleute vertreten sein mögen. Bei der Betrachtung des Käufers und Verkäufers ist es hinreichend sie einzeln gegenüber zu stellen, um das Verhältniss zu entwickeln. Drei Personen ge- nügen für die vollständige Metamorphose der Waare, und daher für das Ganze des Verkaufs und Kaufs. A verwandelt seine Waare in das Geld von B, an den er die Waare verkauft, und er rückverwandelt sein Geld wieder in Waare, die er damit von C kauft; der ganze Process geht zwischen diesen dreien vor. Ferner: Bei Betrachtung des Geldes war angenommen, dass die Waaren
zu ihrem Werth verkauft werden, weil durchaus kein Grund vor- handen war, von dem Werth abweichende Preise zu betrachten, da es sich nur um die Formveränderungen handelte, welche die Waare bei ihrer Geldwerdung und Rückverwandlung aus Geld in Waare durchläuft. Sobald die Waare überhaupt verkauft und mit dem Erlös eine neue Waare gekauft wird, liegt die ganze Meta- morphose vor uns, und es ist für sie, als solche betrachtet, gleich- gültig ob der Preis der Waare unter oder über ihrem Werth steht. Der Werth der Waare als Grundlage bleibt wichtig, weil das Geld nur aus diesem Fundament heraus begrifflich zu ent- wickeln, und der Preis seinem allgemeinen Begriff nach zunächst nur der Werth in Geldform ist. Allerdings wird bei Betrachtung des Geldes als Circulationsmittel unterstellt, dass nicht nur eine Metamorphose einer Waare vorgeht. Es wird vielmehr die gesell- schaftliche Verschlingung dieser Metamorphosen betrachtet. Nur so kommen wir zum Umlauf des Geldes und zur Entwicklung seiner Funktion als Cirkulationsmittel. Aber so wichtig dieser Zusammenhang für den Uebergang des Geldes in die Funktion als Cirkulationsmittel, und für seine daraus folgende veränderte Gestalt, so gleichgültig ist er für die Transaktion zwischen den einzelnen Käufern und Verkäufern.
Dagegen bei Zufuhr und Nachfrage ist die Zufuhr gleich der Summe der Verkäufer oder Producenten einer bestimmten Waaren- art, und die Nachfrage gleich der Summe der Käufer oder Kon- sumenten (individueller oder produktiver) derselben Waarenart. Und zwar wirken die Summen auf einander als Einheiten, als Aggregatkräfte. Der Einzelne wirkt hier nur als Theil einer ge- sellschaftlichen Macht, als Atom der Masse, und es ist in dieser Form, dass die Konkurrenz den gesellschaftlichen Charakter der Produktion und Konsumtion geltend macht.
Die Seite der Konkurrenz, die momentan die schwächere, ist zugleich die, worin der Einzelne unabhängig von der Masse seiner Konkurrenten, und oft direkt gegen sie wirkt, und grade dadurch die Abhängigkeit des einen von dem andren fühlbar macht, während die stärkre Seite stets mehr oder minder als geschlossne Einheit dem Widerpart gegenübertritt. Ist für diese bestimmte Sorte Waaren die Nachfrage grösser als die Zufuhr, so überbietet — innerhalb gewisser Grenzen — ein Käufer den andren und vertheuert so die Waare für alle über den Marktpreis, während auf der andern Seite die Verkäufer gemeinsam zu einem hohen Marktpreis zu verkaufen suchen. Ist umgekehrt die Zufuhr grösser
als die Nachfrage, so fängt einer an wohlfeiler loszuschlagen und die andren müssen folgen, während die Käufer gemeinsam darauf hinarbeiten, den Marktpreis möglichst tief unter den Marktwerth herabzudrücken. Die gemeinsame Seite interessirt jeden nur, so lange er mehr mit ihr gewinnt als gegen sie. Und die Gemein- samkeit hört auf, sobald die Seite als solche die schwächere wird, wo dann jeder Einzelne auf eigne Hand sich möglichst gut her- auszuwinden sucht. Producirt ferner einer wohlfeiler und kann er mehr losschlagen, sich grössren Raums vom Markt bemächtigen, indem er unter dem laufenden Marktpreis oder Marktwerth ver- kauft, so thut er es, und so beginnt die Aktion, die nach und nach die andren zwingt, die wohlfeilere Produktionsart einzuführen, und die die gesellschaftlich nothwendige Arbeit auf ein neues geringres Maß reducirt. Hat eine Seite die Oberhand, so gewinnt jeder, der ihr angehört; es ist als hätten sie ein gemeinschaftliches Mo- nopol geltend zu machen. Ist eine Seite die schwächre, so kann jeder für seinen eignen Theil suchen der stärkre zu sein (z. B. wer mit weniger Produktionskosten arbeitet), oder wenigstens so gut wie möglich davon zu kommen, und hier schert er sich den Teufel um seinen Nebenmann, obgleich sein Wirken nicht nur ihn sondern auch alle seine Kumpane mit berührt.(FN32)
Nachfrage und Zufuhr unterstellen die Verwandlung des Werths in Marktwerth, und soweit sie auf kapitalistischer Basis vorgehn, soweit die Waaren Produkte des Kapitals sind, unterstellt sie kapi- talistische Produktionsprocesse, also ganz anders verwickelte Ver- hältnisse als den blossen Kauf und Verkauf der Waaren. Bei ihnen handelt es sich nicht um die formelle Verwandlung des Werths der Waaren in Preis, d. h. um blosse Formveränderung; es handelt sich um die bestimmten quantitativen Abweichungen der Marktpreise von den Marktwerthen und weiter von den Pro- duktionspreisen. Bei dem einfachen Kauf und Verkauf genügt es, Waarenproducenten als solche sich gegenüber zu haben. Nach- frage und Zufuhr, bei weitrer Analyse, unterstellen die Existenz der verschiednen Klassen und Klassenabtheilungen, welche die Ge-
sammtrevenue der Gesellschaft unter sich vertheilen und als Revenue unter sich konsumiren, die also die von der Revenue gebildete Nachfrage bilden; während sie andrerseits, zum Verständniss der durch die Producenten als solche unter sich gebildeten Nach- frage und Zufuhr, Einsicht in die Gesammtgestaltung des kapita- listischen Produktionsprocesses erheischen.
Bei der kapitalistischen Produktion handelt es sich nicht nur darum, für die in Waarenform in die Cirkulation geworfne Werth- masse eine gleiche Werthmasse in andrer Form — sei es des Geldes oder einer andren Waare — herauszuziehn, sondern es handelt sich darum, für das der Produktion vorgeschossne Kapital denselben Mehrwerth oder Profit herauszuziehn wie jedes andre Kapital von derselben Grösse, oder pro rata seiner Grösse, in welchem Produktionszweig es auch angewandt sei; es handelt sich also darum, wenigstens als Minimum, die Waaren zu Preisen zu verkaufen, die den Durchschnittsprofit liefern, d. h. zu Produktions- preisen. Das Kapital kommt sich in dieser Form selbst zum Be- wusstsein als eine gesellschaftliche Macht, an der jeder Ka- pitalist Theil hat im Verhältniss seines Antheils am gesellschaft- lichen Gesammtkapital.
Erstens ist die kapitalistische Produktion an und für sich gleich- gültig gegen den bestimmten Gebrauchswerth, überhaupt gegen die Besonderheit der Waare, die sie producirt. In jeder Produk- tionssphäre kommt es ihr nur darauf an, Mehrwerth zu produciren, im Produkt der Arbeit ein bestimmtes Quantum unbezahlter Arbeit sich anzueignen. Und es liegt ebenso in der Natur der dem Kapital unterworfnen Lohnarbeit, dass sie gleichgültig ist gegen den specifischen Charakter ihrer Arbeit, sich nach den Bedürfnissen des Kapitals umwandeln und sich von einer Produktionssphäre in die andre werfen lassen muss.
Zweitens ist in der That eine Produktionssphäre nun so gut und so schlecht wie die andre; jede wirft denselben Profit ab, und jede würde zwecklos sein, wenn die von ihr producirte Waare nicht ein gesellschaftliches Bedürfniss irgend einer Art be- friedigt.
Werden die Waaren aber zu ihren Werthen verkauft, so ent- stehn, wie entwickelt, sehr verschiedne Profitraten in den ver- schiednen Produktionssphären, je nach der verschiednen organischen Zusammensetzung der darin angelegten Kapitalmassen. Das Kapital entzieht sich aber einer Sphäre mit niedriger Profitrate, und wirft sich auf die andre, die höheren Profit abwirft. Durch diese be-
ständige Aus- und Einwandrung, mit einem Wort durch seine Vertheilung zwischen den verschiednen Sphären, je nachdem dort die Profitrate sinkt, hier steigt, bewirkt es solches Verhältniss der Zufuhr zur Nachfrage, dass der Durchschnittsprofit in den ver- schiednen Produktionssphären derselbe wird, und daher die Werthe sich in Produktionspreise verwandeln. Diese Ausgleichung gelingt dem Kapital mehr oder minder, je höher die kapitalistische Ent- wicklung in einer gegebnen nationalen Gesellschaft ist: d. h. je mehr die Zustände des betreffenden Landes der kapitalistischen Produktionsweise angepasst sind. Mit dem Fortschritt der kapi- talistischen Produktion entwickeln sich auch ihre Bedingungen, unterwirft sie das Ganze der gesellschaftlichen Voraussetzungen, innerhalb deren der Produktionsprocess vor sich geht, ihrem speci- fischen Charakter und ihren immanenten Gesetzen.
Die beständige Ausgleichung der beständigen Ungleichheiten vollzieht sich um so rascher, 1) je mobiler das Kapital, d. h. je leichter es übertragbar ist von einer Sphäre und von einem Ort zum andern; 2) je rascher die Arbeitskraft von einer Sphäre in die andre und von einem lokalen Produktionspunkt auf den andren werfbar ist. No. 1 unterstellt vollständige Handelsfreiheit im In- nern der Gesellschaft und Beseitigung aller Monopole ausser den natürlichen, nämlich aus der kapitalistischen Produktionsweise selbst entspringenden. Ferner Entwicklung des Kreditsystems, welches die unorganische Masse des disponiblen gesellschaftlichen Kapitals den einzelnen Kapitalisten gegenüber koncentrirt; endlich Unter- ordnung der verschiednen Produktionssphären unter Kapitalisten. Dies letztre ist schon in der Voraussetzung eingeschlossen, wenn angenommen wurde, dass es sich um Verwandlung der Werthe in Produktionspreise für alle kapitalistisch ausgebeuteten Produktions- sphären handelt; aber diese Ausgleichung selbst stösst auf grössre Hindernisse, wenn zahlreiche und massenhafte, nicht kapitalistisch betriebne Produktionssphären (z. B. Ackerbau durch Kleinbauern) sich zwischen die kapitalistischen Betriebe einschieben und mit ihnen verketten. Endlich grosse Dichtigkeit der Bevölkerung. — No. 2 setzt voraus Aufhebung aller Gesetze, welche die Arbeiter hindern, aus einer Produktionssphäre in die andre oder aus einem Lokalsitz der Produktion nach irgend einem andern überzusiedeln. Gleichgültigkeit des Arbeiters gegen den Inhalt seiner Arbeit. Möglichste Reducirung der Arbeit in allen Produktionssphären auf einfache Arbeit. Wegfall aller professionellen Vorurtheile bei den Arbeitern. Endlich und namentlich Unterwerfung des
Arbeiters unter die kapitalistische Produktionsweise. Weitre Aus- führungen hierüber gehören in die Specialuntersuchung der Kon- kurrenz.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass jeder einzelne Kapitalist, wie die Gesammtheit aller Kapitalisten jeder besondern Produk- tionssphäre, in der Exploitation der Gesammtarbeiterklasse durch das Gesammtkapital und in dem Grad dieser Exploitation nicht nur aus allgemeiner Klassensympathie, sondern direkt ökonomisch betheiligt ist, weil, alle andern Umstände, darunter den Werth des vorgeschossnen konstanten Gesammtkapitals als gegeben voraus- gesetzt, die Durchschnittsprofitrate abhängt von dem Exploitations- grad der Gesammtarbeit durch das Gesammtkapital.
Der Durchschnittsprofit fällt zusammen mit dem Durchschnitts- mehrwerth, den das Kapital pro 100 erzeugt, und mit Bezug auf den Mehrwerth ist das eben Gesagte von vornherein selbstver- ständlich. Beim Durchschnittsprofit kommt nur hinzu der Werth des vorgeschossnen Kapitals, als eines der Bestimmungsmomente der Profitrate. In der That ist das besondre Interesse, das ein Kapitalist, oder das Kapital einer bestimmten Produktionssphäre, an der Exploitation der direkt von ihm beschäftigten Arbeiter nimmt, darauf beschränkt, dass entweder durch ausnahmsweise Ueberarbeitung oder aber durch Herabsetzung des Lohns unter den Durchschnitt, oder durch ausnahmsweise Produktivität in der angewandten Arbeit ein Extraschnitt, ein über den Durchschnitts- profit übergreifender Profit gemacht werden kann. Hievon abge- sehn, wäre ein Kapitalist, der in seiner Produktionssphäre gar kein variables Kapital und darum gar keine Arbeiter anwendete (was in der That übertriebne Unterstellung) ganz eben so sehr in der Exploitation der Arbeiterklasse durch das Kapital interessirt, und leitete ganz eben so sehr seinen Profit von unbezahlter Mehr- arbeit ab, wie etwa ein Kapitalist, der (wieder übertriebne Voraus- setzung) nur variables Kapital anwendete, also sein ganzes Kapital in Arbeitslohn auslegte. Der Exploitationsgrad der Arbeit hängt aber bei gegebnem Arbeitstag von der durchschnittlichen Intensität der Arbeit, und bei gegebner Intensität von der Länge des Arbeits- tags ab. Von dem Exploitationsgrad der Arbeit hängt die Höhe der Mehrwerthsrate ab, also bei gegebner Gesammtmasse des variablen Kapitals, die Grösse des Mehrwerths, damit die Grösse des Profits. Das Specialinteresse, welches das Kapital einer Sphäre, im Unter- schied vom Gesammtkapital, an der Ausbeutung der von ihm speciell beschäftigten Arbeiter, hat der einzelne Kapitalist, im
Unterschied von seiner Sphäre, an der Ausbeutung der persönlich von ihm ausgebeuteten Arbeiter.
Andrerseits hat jede besondre Sphäre des Kapitals und jeder einzelne Kapitalist dasselbe Interesse an der Produktivität der vom Gesammtkapital angewandten gesellschaftlichen Arbeit. Denn da- von hängt zweierlei ab: Erstens die Masse der Gebrauchswerthe, worin sich der Durchschnittsprofit ausdrückt; und dies ist doppelt wichtig, soweit dieser sowohl als Akkumulationsfonds von neuem Kapital wie als Revenuefonds zum Genuss dient. Zweitens die Werthhöhe des vorgeschossnen Gesammtkapitals (konstanten und variablen) die, bei gegebner Grösse des Mehrwerths oder Profits der ganzen Kapitalistenklasse, die Profitrate, oder den Profit auf ein bestimmtes Quantum Kapital, bestimmt. Die besondre Pro- duktivität der Arbeit in einer besondren Sphäre oder in einem besondren Einzelgeschäft dieser Sphäre interessirt nur die direkt dabei betheiligten Kapitalisten, soweit sie die einzelne Sphäre gegenüber dem Gesammtkapital, oder den einzelnen Kapitalisten gegenüber seiner Sphäre, befähigt einen Extraprofit zu machen.
Man hat also hier den mathematisch exakten Nachweis, warum die Kapitalisten, so sehr sie in ihrer Konkurrenz unter einander sich als falsche Brüder bewähren, doch einen wahren Freimaurer- bund bilden gegenüber der Gesammtheit der Arbeiterklasse.
Der Produktionspreis schliesst den Durchschnittsprofit ein. Wir gaben ihm den Namen Produktionspreis; es ist thatsächlich das- selbe was A. Smith natural price nennt, Ricardo, price of produc- tion, cost of production, die Physiokraten prix nécessaire nennen — wobei keiner von ihnen den Unterschied des Produktionspreises vom Werth entwickelt hat — weil er auf die Dauer Bedingung der Zufuhr, der Reproduktion der Waare jeder besondren Produk- tionssphäre ist.(FN33) Man begreift auch, warum dieselben Oekonomen, die sich gegen die Bestimmung des Werths der Waaren durch die Arbeitszeit, durch das in ihnen enthaltne Quantum Arbeit sträuben, immer von den Produktionspreisen sprechen als von den Centren, um die die Marktpreise schwanken. Sie können sich das erlauben, weil der Produktionspreis eine schon ganz veräusserlichte und prima facie begriffslose Form des Waarenwerths ist, eine Form, wie sie in der Konkurrenz erscheint, also im Bewusstsein des vulgären Kapitalisten, also auch in dem der Vulgäröko- nomen vorhanden ist.
Aus der Entwicklung ergab sich, wie der Marktwerth (und alles darüber Gesagte gilt mit den nöthigen Einschränkungen für den Produktionspreis) einen Surplusprofit der unter den besten Bedin- gungen Producirenden in jeder besondren Produktionssphäre ein- schliesst. Fälle von Krisen und Ueberproduktion überhaupt aus- genommen, gilt dies von allen Marktpreisen, wie sehr sie auch abweichen mögen von den Marktwerthen oder den Marktproduk- tionspreisen. Im Marktpreis ist nämlich eingeschlossen, dass der- selbe Preis für Waaren derselben Art bezahlt wird, obgleich diese unter sehr verschiednen individuellen Bedingungen producirt sein, und daher sehr verschiedne Kostpreise haben mögen. (Von Sur- plusprofiten, die Folge von Monopolen im gewöhnlichen Sinn, künstlichen oder natürlichen, sprechen wir hier nicht.)
Ein Surplusprofit kann aber ausserdem noch entstehn, wenn gewisse Produktionssphären in der Lage sind, sich der Verwandlung ihrer Waarenwerthe in Produktionspreise, und daher der Reduktion ihrer Profite auf den Durchschnittsprofit zu entziehn. Im Ab- schnitt über die Grundrente werden wir die weitre Gestaltung dieser beiden Formen des Surplusprofits zu betrachten haben.
Die Durchschnittszusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals sei 80c + 20v, und der Profit 20 %. In diesem Fall ist die Rate des Mehrwerths 100 %. Eine allgemeine Erhöhung des Arbeits- lohns, alles andre gleichgesetzt, ist eine Erniedrigung der Rate des Mehrwerths. Für das Durchschnittskapital fallen Profit und Mehrwerth zusammen. Der Arbeitslohn steige um 25 %. Dieselbe Masse Arbeit, die es 20 kostete in Bewegung zu setzen, kostet es jetzt 25. Wir haben dann statt 80c + 20v + 20p, einen Um- schlagswerth von 80c + 25v + 15p. Die vom variablen Kapital in Bewegung gesetzte Arbeit producirt nach wie vor eine Werth- summe von 40. Steigt v von 20 auf 25, so ist der Ueberschuss m resp. p nur noch = 15. Der Profit von 15 auf 105 ist = 14 %, und dies wäre die neue Rate des Durchschnittsprofits. Da der Produktionspreis der vom Durchschnittskapital producirten Waaren zusammenfällt mit ihrem Werth, so hätte sich der Pro- duktionspreis dieser Waaren nicht verändert; die Erhöhung des
Arbeitslohns hätte daher wohl Erniedrigung des Profits, aber keinen Werth- und Preiswechsel der Waaren mit sich geführt.
Früher, wo der Durchschnittsprofit = 20 %, war der Produktions- preis der in einer Umschlagsperiode producirten Waaren gleich ihrem Kostpreis plus einem Profit von 20 % auf diesen Kostpreis, also = k + kp' = k + ; wo k variable Grösse, verschieden nach dem Werth der Produktionsmittel, die in die Waaren eingehn, und nach dem Maße des Verschleisses, den das in ihrer Produktion verwandte fixe Kapital an das Produkt abgibt. Jetzt betrüge der Produktionspreis k + .
Nehmen wir nun erst ein Kapital, dessen Zusammensetzung niedriger als die ursprüngliche des gesellschaftlichen Durchschnitts- kapitals 80c + 20v (die sich jetzt verwandelt hat in 76c + 23v); z. B. 50c + 50v. Hier betrug der Produktionspreis des Jahresprodukts, wenn wir der Vereinfachung halber annehmen, dass das ganze fixe Kapital in das jährliche Produkt als Verschleiss einging, und dass die Umschlagszeit dieselbe ist wie in Fall I, vor der Erhöhung des Arbeitslohns 50c + 50v + 20p = 120. Eine Erhöhung des Arbeitslohns um 25 % gibt für dasselbe Quantum in Bewegung gesetzter Arbeit eine Erhöhung des variablen Kapitals von 50 auf 62½. Würde das jährliche Produkt zum frühern Produktionspreis von 120 verkauft, so ergäbe dies 50c + 62½v + 7½p, also eine Profitrate von 6 %. Die neue Durchschnitts- profitrate ist aber 14 %, und da wir alle andren Umstände als gleichbleibend annehmen, wird dies Kapital von 50c + 62½v diesen Profit auch machen müssen. Ein Kapital von 112½ macht aber zur Profitrate von 14 einen Profit von rund 16. Der Pro- duktionspreis der davon producirten Waaren ist also jetzt 50c + 62½v + 16p = 128. In Folge der Lohnsteigerung um 25 % ist hier also der Produktionspreis desselben Quantums derselben Waare gestiegen von 120 auf 128, oder mehr als 6½ %.
Nehmen wir umgekehrt eine Produktionssphäre an von höherer Komposition als das Durchschnittskapital, z. B. 92c + 8v. Der ursprüngliche Durchschnittsprofit ist also auch hier = 20, und wenn wir wieder annehmen, dass das ganze fixe Kapital in das jährliche Produkt eingeht und die Umschlagszeit dieselbe ist wie in Fall I und II, so ist der Produktionspreis der Waare auch hier = 120.
In Folge der Steigerung des Arbeitslohns um 25 % wächst das
variable Kapital für gleichbleibende Arbeitsmenge von 8 auf 10, der Kostpreis der Waaren also von 100 auf 102, andrerseits ist die Durchschnittsprofitrate von 20 % gefallen auf 14 %. Es verhält sich aber 100:14 = 102:14 (annähernd). Der Profit, der nun auf 102 fällt, ist also 14. Und daher verkauft sich das Gesammtprodukt zu k + kp' = 102 + 14 = 116. Der Produktionspreis ist also gefallen von 120 auf 116, oder über 3 %.
In Folge der Erhöhung des Arbeitslohns um 25 % ist also:
1) mit Bezug auf das Kapital von gesellschaftlicher Durch- schnittskomposition der Produktionspreis der Waare unverändert geblieben.
2) Mit Bezug auf das Kapital niederer Zusammensetzung der Produktionspreis der Waare gestiegen, obgleich nicht im selben Verhältniss wie der Profit gefallen;
3) mit Bezug auf das Kapital höherer Zusammensetzung ist der Produktionspreis der Waare gefallen, obgleich auch nicht in dem- selben Verhältniss wie der Profit.
Da der Produktionspreis der Waaren des Durchschnittskapitals derselbe geblieben, gleich dem Werth des Produkts, ist auch die Summe der Produktionspreise der Produkte aller Kapitale derselbe geblieben, gleich der Summe der vom Gesammtkapital producirten Werthe; die Erhöhung auf der einen, die Senkung auf der andern Seite gleichen sich aus für das Gesammtkapital zum Niveau des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals.
Wenn der Produktionspreis der Waaren in Beispiel II steigt, in III fällt, so zeigt schon diese entgegengesetzte Wirkung, die der Fall in der Mehrwerthsrate oder das allgemeine Steigen des Arbeits- lohns hervorbringt, dass es sich hier nicht um eine Entschädigung im Preise für die Erhöhung des Arbeitslohns handeln kann, da in III das Fallen des Produktionspreises den Kapitalisten unmöglich entschädigen kann für das Fallen des Profits, und in II das Steigen des Preises den Fall des Profits nicht verhindert. Vielmehr ist beidemal, wo der Preis steigt und wo er fällt, der Profit derselbe wie im Durchschnittskapital, wo der Preis unverändert geblieben. Er ist für II wie für III derselbe, um 5 oder etwas über 25 % gefallne Durchschnittsprofit. Es folgt daraus, dass wenn der Preis in II nicht stiege und in III nicht fiele, II unter und III über dem neuen gefallnen Durchschnittsprofit verkaufen würde. Es ist an und für sich klar, dass je nachdem 50, 25 oder 10 pro 100 des Kapitals in Arbeit ausgelegt wird, eine Lohnerhöhung sehr verschieden wirken muss auf den, der , und auf den, der
¼ oder ½ seines Kapitals in Arbeitslohn auslegt. Die Erhöhung der Produktionspreise einerseits, ihre Senkung andrerseits, je nach- dem das Kapital unter oder über der gesellschaftlichen Durch- schnittszusammensetzung steht, wird nur bewirkt durch die Aus- gleichung zum neuen gefallnen Durchschnittsprofit. Es ist klar, dass wenn in Folge der Herstellung einer allgemeinen Profitrate für die Kapitale niedrer Zusammensetzung (wo v über dem Durch- schnitt) die Werthe bei ihrer Verwandlung in Produktionspreise herabgesenkt, sie für die Kapitale höherer Zusammensetzung er- höht werden.
Wie würde nun ein allgemeiner Fall des Arbeitslohns und ihm entsprechendes allgemeines Steigen der Profitrate und daher der Durchschnittsprofite wirken auf die Produktionspreise der Waaren, die das Produkt von Kapitalen, welche nach entgegengesetzten Richtungen von der gesellschaftlichen Durchschnittszusammen- setzung abweichen? Wir haben bloss die eben gegebne Ausführung umzudrehn, um das Resultat (das Ricardo nicht untersucht) zu erhalten.
I. Durchschnittskapital = 80c + 20v = 100; Mehrwerthsrate = 100 %; Produktionspreis = Waarenwerth = 80c + 20∆ + 20p = 120; Profitrate = 20 %. Es falle der Arbeitslohn um einviertel, so wird dasselbe konstante Kapital in Bewegung gesetzt von 15v statt von 20v. Wir haben also Waarenwerth = 80c + 15v + 25p = 120. Das von v producirte Quantum Arbeit bleibt unverändert, nur wird der dadurch geschaffne Neuwerth anders vertheilt zwischen Kapitalist und Arbeiter. Der Mehrwerth ist gestiegen von 20 auf 25 und die Rate des Mehrwerths von auf , also von 100 % auf 166⅔ %. Der Profit auf 95 ist jetzt = 25, also die Profitrate auf 100 = 26. Die neue procentige Zusammensetzung des Ka- pitals ist jetzt 84c + 15v = 100.
II. Niedrigere Zusammensetzung. Ursprünglich 50c + 50v wie oben. Durch den Fall des Arbeitslohnes um ¼ wird v auf 37½ reducirt, und damit das vorgeschossne Gesammtkapital auf 50c + 37½[∆] = 87½. Wenden wir hierauf die neue Profitrate von 26 % an, so: 100: 26 = 87½:23. Dieselbe Waarenmasse, die früher 120, kostet jetzt 87½ + 23 = 110; Preisfall von beinahe 10 %.
III. Höhere Zusammensetzung. Ursprünglich 92c + 8v = 100. Der Fall des Arbeitslohns um ¼ senkt 8v auf 6v, das Gesammt- kapital auf 98. Hiernach 100 : 26 = 98 : 25. Der Produk- tionspreis der Waare, früher 100 + 20 = 120 ist jetzt, nach dem Fall des Arbeitslohnes, 98 + 25 = 123; also gestiegen fast um 4 %.
Man sieht also, dass man nur dieselbe Entwicklung wie früher in umgekehrter Richtung zu verfolgen hat mit den erforderlichen Aenderungen; dass ein allgemeiner Fall des Arbeitslohns zur Folge hat ein allgemeines Steigen des Mehrwerths, der Rate des Mehr- werths, und bei sonst gleichbleibenden Umständen der Profitrate, wenn auch in andrer Proportion ausgedrückt; einen Fall der Pro- duktionspreise für die Waarenprodukte von Kapitalen niederer, und steigender Produktionspreise für Waarenprodukte von Kapi- talen höherer Zusammensetzung. Gerade das umgekehrte Resultat von dem, das sich herausstellte bei allgemeinem Steigen des Arbeitslohns.(FN34) Es ist in beiden Fällen — Steigen wie Fallen des Arbeitslohns — vorausgesetzt, dass der Arbeitstag gleich bleibt, ebenso die Preise aller nothwendigen Lebensmittel. Der Fall des Arbeitslohns ist hier also nur möglich, wenn der Lohn entweder vorher über dem normalen Preis der Arbeit stand, oder unter ihn herabgedrückt wird. Wie die Sache modificirt wird, wenn das Steigen oder Fallen des Arbeitslohns herrührt von einem Wechsel im Werthe, und daher im Produktionspreise der Waaren, die ge- wöhnlich in den Konsum des Arbeiters eingehn, wird zum Theil weiter untersucht werden im Abschnitt über die Grundrente. In- dess ist hier ein für allemal zu bemerken:
Rührt Steigen oder Fallen des Arbeitslohns her vom Werth- wechsel der nothwendigen Lebensmittel, so kann nur eine Modi- fikation des oben Gesagten eintreten, soweit die Waaren, deren Preisveränderung das variable Kapital erhöht oder erniedrigt, auch als konstituirende Elemente in das konstante Kapital eingehn, und daher nicht bloss auf den Arbeitslohn wirken. Soweit sie aber nur das letztre thun, enthält die bisherige Entwicklung alles was zu sagen ist.
In diesem ganzen Kapitel ist die Herstellung der allgemeinen Profitrate, des Durchschnittsprofits, und also auch die Verwandlung der Werthe in Produktionspreise als gegebne Thatsache unterstellt. Es fragte sich nur, wie eine allgemeine Erhöhung oder Senkung des Arbeitslohns auf die als gegeben vorausgesetzten Produktions- preise der Waaren wirkt. Es ist dies eine sehr sekundäre Frage,
verglichen mit den übrigen in diesem Abschnitt behandelten wich- tigen Punkten. Es ist aber die einzige hier einschlägige Frage, die Ricardo, und selbst noch einseitig und mangelhaft, wie man sehn wird, behandelt.
Der Produktionspreis einer Waare kann nur variiren aus zwei Ursachen:
Erstens. Die allgemeine Profitrate ändert sich. Dies ist nur dadurch möglich, dass sich die Durchschnittsrate des Mehrwerths selbst ändert, oder, bei gleichbleibender durchschnittlicher Mehr- werthsrate, das Verhältniss der Summe der angeeigneten Mehr- werthe zur Summe des vorgeschossnen gesellschaftlichen Gesammt- kapitals.
Soweit die Aenderung der Rate des Mehrwerths nicht auf Her- unterdrücken des Arbeitslohns unter, oder dessen Steigen über, seinen normalen Stand beruht — und derartige Bewegungen sind nur als oscillatorische zu betrachten — kann sie nur stattfinden entweder dadurch, dass der Werth der Arbeitskraft sank oder stieg; das eine so unmöglich wie das andre ohne Veränderung in der Produktivität der Arbeit, die Lebensmittel producirt, also ohne Wechsel im Werth der Waaren, die in den Konsum des Arbeiters eingehn.
Oder das Verhältniss der Summe des angeeigneten Mehrwerths zum vorgeschossnen Gesammtkapital der Gesellschaft ändert sich. Da der Wechsel hier nicht von der Rate des Mehrwerths ausgeht, so muss er ausgehn vom Gesammtkapital, und zwar von seinem konstanten Theil. Dessen Masse, technisch betrachtet, vermehrt oder vermindert sich im Verhältniss zu der vom variablen Kapital gekauften Arbeitskraft, und die Masse seines Werths wächst oder fällt so mit dem Wachsthum oder der Abnahme seiner Masse selbst; sie wächst oder fällt also ebenfalls im Verhältniss zur Werthmasse des variablen Kapitals. Setzt dieselbe Arbeit mehr konstantes Kapital in Bewegung, so ist die Arbeit produktiver geworden. Wenn umgekehrt, umgekehrt. Also hat Wechsel in
der Produktivität der Arbeit stattgefunden, und ein Wechsel muss vorgegangen sein im Werth gewisser Waaren.
Für beide Fälle also gilt dies Gesetz: Wechselt der Produk- tionspreis einer Waare in Folge eines Wechsels in der allgemeinen Profitrate, so kann zwar ihr eigner Werth unverändert geblieben sein. Es muss aber ein Werthwechsel mit andren Waaren vor- gegangen sein.
Zweitens. Die allgemeine Profitrate bleibt unverändert. Dann kann der Produktionspreis einer Waare nur wechseln, weil ihr eigner Werth sich verändert hat; weil mehr oder weniger Arbeit erheischt ist, um sie selbst zu reproduciren, sei es dass die Pro- duktivität der Arbeit wechselt, die die Waare selbst in ihrer letzten Form producirt, oder die, welche die Waaren producirt, die in ihre Produktion eingehn. Baumwollengarn kann im Produktions- preis fallen, entweder weil Rohbaumwolle wohlfeiler hergestellt wird, oder weil die Arbeit des Spinnens in Folge bessrer Maschinerie produktiver geworden ist.
Der Produktionspreis ist, wie früher gezeigt, = k + p, gleich Kostpreis und Profit. Dies aber ist = k + kp', wo k, der Kost- preis, eine unbestimmte Grösse, die für verschiedne Produktions- sphären wechselt, und überall gleich ist dem Werth des in der Produktion der Waare verbrauchten konstanten und variablen Ka- pitals und p' die procentig berechnete Durchschnittsprofitrate. Ist k = 200, und p' = 20 %, so ist der Produktionspreis k + kp' = 200 + 200 = 200 + 40 = 240. Es ist klar, dass dieser Produktionspreis derselbe bleiben kann, obgleich der Werth der Waaren sich verändert.
Alle Wechsel im Produktionspreis der Waaren lösen sich auf in letzter Instanz in einen Werthwechsel; aber nicht alle Wechsel im Werth der Waaren brauchen sich in einem Wechsel des Pro- duktionspreises auszudrücken, da dieser bestimmt ist nicht allein durch den Werth der besondren Waare, sondern durch den Ge- sammtwerth aller Waaren. Der Wechsel in Waare A kann also ausgeglichen sein durch einen entgegengesetzten der Waare B, sodass das allgemeine Verhältniss dasselbe bleibt.
Man hat gesehn, wie die Abweichung der Produktionspreise von den Werthen dadurch entspringt:
1) dass zum Kostpreis einer Waare nicht der in ihr enthaltne Mehrwerth, sondern der Durchschnittsprofit hinzugeschlagen wird;
2) dass der so vom Werth abweichende Produktionspreis einer Waare als Element in den Kostpreis andrer Waaren eingeht, wo- durch also schon im Kostpreis einer Waare eine Abweichung vom Werth der in ihr konsumirten Produktionsmittel enthalten sein kann, abgesehn von der Abweichung, die für sie selbst durch die Differenz zwischen Durchschnittsprofit und Mehrwerth hinein- kommen kann.
Es ist hiernach also möglich, dass auch bei Waaren, die durch Kapitale mittlerer Zusammensetzung producirt werden, der Kost- preis abweichen kann von der Werthsumme der Elemente, aus denen dieser Bestandtheil ihres Produktionspreises sich zusammen- setzt. Angenommen, die mittlere Zusammensetzung sei 80c + 20v. Es ist nun möglich, dass in den wirklichen Kapitalen, die so zu- sammengesetzt sind, 80c grösser oder kleiner ist als der Werth von c, dem konstanten Kapital, weil dies c durch Waaren gebildet ist, deren Produktionspreis abweicht von ihrem Werth. Ebenso könnte 20v von seinem Werth abweichen, wenn in den Verzehr des Arbeitslohns Waaren eingehn, deren Produktionspreis von ihrem Werth verschieden ist; der Arbeiter also zum Rückkauf dieser Waaren (ihrem Ersatz) mehr oder minder Arbeitszeit ar- beiten, also mehr oder minder viel nothwendige Arbeit verrichten muss, als nöthig wäre, wenn die Produktionspreise der nothwen- digen Lebensmittel mit ihren Werthen zusammenfielen.
Indess ändert diese Möglichkeit durchaus nichts an der Richtig- keit der für Waaren mittlerer Zusammensetzung aufgestellten Sätze. Das Quantum Profit, das auf diese Waaren fällt, ist gleich dem in ihnen selbst enthaltnen Quantum Mehrwerth. Z. B. bei obigem Kapital von der Zusammensetzung 80c + 20v ist das Wichtige für die Bestimmung des Mehrwerths, nicht ob diese Zahlen Ausdrücke der wirklichen Werthe, sondern wie sie sich zu einander verhalten; nämlich dass v = ⅕ des Gesammtkapitals, und c = ⅘ ist. So- bald dies der Fall, ist, wie oben angenommen, der von v erzeugte Mehrwerth gleich dem Durchschnittsprofit. Andrerseits: Weil er gleich dem Durchschnittsprofit ist, ist der Produktionspreis = Kost- preis + Profit = k + p = k + m, praktisch dem Werth der Waare gleichgesetzt. D. h. eine Erhöhung oder Erniedrigung des Arbeits- lohns lässt k + p in diesem Fall ebenso unverändert, wie sie den Werth der Waare unverändert lassen würde, und bewirkt bloss eine entsprechende umgekehrte Bewegung, Erniedrigung oder Er-
höhung, auf Seite der Profitrate. Würde nämlich in Folge einer Erhöhung oder Erniedrigung des Arbeitslohns der Preis der Waaren hier verändert, so käme die Profitrate in diesen Sphären mittlerer Zusammensetzung über oder unter ihr Niveau in den andern Sphären zu stehn. Nur soweit der Preis unverändert bleibt, bewahrt die Sphäre mittlerer Zusammensetzung ihr Profitniveau mit den andern Sphären. Es findet also bei ihr praktisch dasselbe statt, als ob die Produkte dieser Sphäre zu ihrem wirklichen Werth verkauft würden. Werden Waaren nämlich zu ihren wirklichen Werthen verkauft, so ist es klar, dass bei sonst gleichen Um- ständen Steigen oder Sinken des Arbeitslohns entsprechendes Sinken oder Steigen des Profits, aber keinen Werthwechsel der Waaren hervorruft, und dass unter allen Umständen Steigen oder Sinken des Arbeitslohnes nie den Werth der Waaren, sondern stets nur die Grösse des Mehrwerths afficiren kann.
Es ist gesagt worden, dass die Konkurrenz die Profitraten der verschiednen Produktionssphären zur Durchschnittsprofitrate aus- gleicht und ebendadurch die Werthe der Produkte dieser ver- schiednen Sphären in Produktionspreise verwandelt. Und zwar ge- schieht dies durch fortwährende Uebertragung von Kapital aus einer Sphäre in die andre, wo augenblicklich der Profit über dem Durchschnitt steht; wobei jedoch in Betracht kommen die mit dem Wechsel der magern und fetten Jahre, wie sie in einem gegebnen Industriezweig innerhalb einer gegebnen Epoche einander folgen, verbundnen Profitschwankungen. Diese ununterbrochne Aus- und Einwanderung des Kapitals, die zwischen verschiednen Sphären der Produktion stattfindet, erzeugt steigende und fallende Bewegungen der Profitrate, die sich gegenseitig mehr oder weniger ausgleichen und dadurch die Tendenz haben, die Profitrate überall auf dasselbe gemeinsame und allgemeine Niveau zu reduciren.
Diese Bewegung der Kapitale wird in erster Linie stets verur- sacht durch den Stand der Marktpreise, die die Profite hier über das allgemeine Niveau des Durchschnitts erhöhen, dort sie darunter hinabdrücken. Wir sehn einstweilen noch ab vom Kaufmanns- kapital, womit wir hier noch nichts zu thun haben, und das, wie die plötzlich emporschiessenden Paroxysmen der Spekulation in gewissen Lieblingsartikeln zeigen, mit ausserordentlicher Schnellig- keit Kapitalmassen aus einer Geschäftsbranche ziehn und sie ebenso
plötzlich in eine andre werfen kann. Aber in jeder Sphäre der eigentlichen Produktion — Industrie, Ackerbau, Bergwerke etc. — bietet die Uebertragung von Kapital aus einer Sphäre in die andre bedeutende Schwierigkeit, besonders wegen des vorhandnen fixen Kapitals. Zudem zeigt die Erfahrung, dass wenn ein Industrie- zweig, z. B. die Baumwollindustrie, zu einer Zeit ausserordentlich hohe Profite abwirft, er dann auch zu einer andern Zeit sehr ge- ringen Profit oder gar Verlust bringt, sodass in einem gewissen Cyklus von Jahren der Durchschnittsprofit ziemlich derselbe ist wie in andern Zweigen. Und mit dieser Erfahrung lernt das Ka- pital bald rechnen.
Was aber die Konkurrenz nicht zeigt, das ist die Werthbe- stimmung, die die Bewegung der Produktion beherrscht; das sind die Werthe, die hinter den Produktionspreisen stehn und sie in letzter Instanz bestimmen. Die Konkurrenz zeigt dagegen: 1) die Durchschnittsprofite, die unabhängig sind von der organischen Zu- sammensetzung des Kapitals in den verschiednen Produktionssphären, also auch von der Masse der. von einem gegebnen Kapital in einer gegebnen Exploitationssphäre angeeigneten lebendigen Arbeit; 2) Steigen und Fallen der Produktionspreise in Folge von Wechsel in der Höhe des Arbeitslohns — eine Erscheinung, die dem Werth- verhältniss der Waaren auf den ersten Blick durchaus widerspricht; 3) Schwankungen der Marktpreise, die den Durchschnitts-Markt- preis der Waaren in einer gegebnen Zeitperiode reduciren, nicht auf den Marktwerth, sondern auf einen von diesem Marktwerth abweichenden, sehr verschiednen Markt-Produktionspreis. Alle diese Erscheinungen scheinen ebensosehr der Bestimmung des Werths durch die Arbeitszeit, wie der aus unbezahlter Mehrarbeit bestehenden Natur des Mehrwerths zu widersprechen. Es er- scheint also in der Konkurrenz alles verkehrt. Die fertige Gestalt der ökonomischen Verhältnisse, wie sie sich auf der Ober- fläche zeigt, in ihrer realen Existenz, und daher auch in den Vor- stellungen, worin die Träger und Agenten dieser Verhältnisse sich über dieselben klar zu werden suchen, sind sehr verschieden von, und in der That verkehrt, gegensätzlich zu, ihrer innern, wesent- lichen, aber verhüllten Kerngestalt und dem ihr entsprechenden Begriff.
Ferner: Sobald die kapitalistische Produktion einen gewissen Entwicklungsgrad erreicht hat, geht die Ausgleichung zwischen den verschiednen Profitraten der einzelnen Sphären zu einer allgemeinen Profitrate keineswegs bloss noch vor sich durch das Spiel der
Attraktion und Repulsion, worin die Marktpreise Kapital anziehn oder abstossen. Nachdem sich die Durchschnittspreise und, ihnen entsprechende, Marktpreise für eine Zeitlang befestigt haben, tritt es in das Bewusstsein der einzelnen Kapitalisten, dass in dieser Ausgleichung bestimmte Unterschiede ausgeglichen werden, sodass sie dieselben gleich in ihrer wechselseitigen Berechnung einschliessen. In der Vorstellung der Kapitalisten leben sie und werden von ihnen in Rechnung gebracht als Kompensationsgründe.
Die Grundvorstellung dabei ist der Durchschnittsprofit selbst, die Vorstellung, dass Kapitale von gleicher Grösse in denselben Zeitfristen gleich grosse Profite abwerfen müssen. Ihr liegt wieder die Vorstellung zu Grunde, dass das Kapital jeder Produktions- sphäre pro rata seiner Grösse Theil zu nehmen hat an dem, von dem gesellschaftlichen Gesammtkapital den Arbeitern ausgepressten Gesammtmehrwerth; oder dass jedes besondre Kapital nur als Stück des Gesammtkapitals, jeder Kapitalist in der That als Aktionär in dem Gesammtunternehmen zu betrachten ist, der pro rata der Grösse seines Kapitalantheils am Gesammtprofit sich betheiligt.
Auf diese Vorstellung stützt sich dann die Berechnung des Kapi- talisten, z. B. dass ein Kapital, welches langsamer umschlägt, weil entweder die Waare länger im Produktionsprocess verharrt, oder weil sie auf entfernten Märkten verkauft werden muss, den Profit, der ihm dadurch entgeht, dennoch anrechnet, sich also durch Auf- schlag auf den Preis entschädigt. Oder aber, dass Kapitalanlagen, die grössern Gefahren ausgesetzt sind, wie z. B. in der Rhederei, eine Entschädigung durch Preisaufschlag erhalten. Sobald die kapi- talistische Produktion, und mit ihr das Assekuranzwesen entwickelt ist, ist die Gefahr in der That für alle Produktionssphären gleich gross (s. Corbett); die gefährdeteren zahlen aber die höhere Asse- kuranzprämie und erhalten sie im Preis ihrer Waaren vergütet. In der Praxis kommt dies alles darauf hinaus, dass jeder Umstand, der eine Kapitalanlage — und alle gelten für gleich nothwendig, innerhalb gewisser Schranken — weniger, und eine andre mehr profitlich macht, als ein für allemal gültiger Kompensationsgrund in Rechnung gebracht wird, ohne dass es immer von neuem wieder der Thätigkeit der Konkurrenz bedürfte, um die Berechtigung solches Motivs oder Berechnungsfaktors darzuthun. Nur vergisst der Kapitalist — oder sieht vielmehr nicht, da die Konkurrenz ihm das nicht zeigt — dass alle diese, in der wechselseitigen Be- rechnung der Waarenpreise verschiedner Produktionszweige von den Kapitalisten gegen einander geltend gemachten Kompensations-
gründe sich bloss darauf beziehn, dass sie alle, pro rata ihres Kapitals, gleich grossen Anspruch haben auf die gemeinschaftliche Beute, den Total-Mehrwerth. Ihnen scheint vielmehr, da der von ihnen einkassirte Profit verschieden von dem von ihnen ausge- pressten Mehrwerth, dass seine Kompensationsgründe nicht die Be- theiligung am Gesammtmehrwerth ausgleichen, sondern den Profit selbst schaffen, indem dieser einfach aus dem so oder so moti- virten Aufschlag auf den Kostpreis der Waaren herstamme.
Im Uebrigen gilt auch für den Durchschnittsprofit, was in Kap. VII, S 116 gesagt wurde über die Vorstellungen des Kapitalisten von der Quelle des Mehrwerths. Hier stellt sich die Sache nur in soweit anders dar, dass bei gegebnem Marktpreis der Waaren und gegebner Exploitation der Arbeit, die Ersparung in den Kostpreisen von individuellem Geschick, Aufmerksamkeit etc. abhängt.
Bei gegebnem Arbeitslohn und Arbeitstag stellt ein variables Kapital, z. B. von 100, eine bestimmte Anzahl in Bewegung ge- setzter Arbeiter vor; es ist der Index dieser Anzahl. Z. B. 100 £ sei der Arbeitslohn für 100 Arbeiter, sage für 1 Woche. Ver- richten diese 100 Arbeiter ebensoviel nothwendige Arbeit wie Mehrarbeit, arbeiten sie also täglich ebensoviel Zeit für sich selbst, d. h. für die Reproduktion ihres Arbeitslohns, wie für den Kapi- talisten, d. h. für die Produktion von Mehrwerth, so wäre ihr Gesammt-Werthprodukt = 200 £ und der von ihnen erzeugte Mehr- werth betrüge 100 £. Die Rate des Mehrwerths wäre = 100 %. Diese Rate des Mehrwerths würde sich jedoch, wie wir gesehn, in sehr verschiednen Profitraten ausdrücken, je nach dem verschiednen Umfang des konstanten Kapitals c und damit des Gesammtkapitals C, da die Profitrate = . Ist die Mehrwerthsrate 100 %:
Dieselbe Rate des Mehrwerths, bei unverändertem Exploitations- grad der Arbeit, würde sich so in einer fallenden Profitrate aus- drücken, weil mit seinem materiellen Umfang, wenn auch nicht im selben Verhältniss, auch der Werthumfang des konstanten und damit des Gesammtkapitals wächst.
Nimmt man nun ferner an, dass diese graduelle Veränderung in der Zusammensetzung des Kapitals sich nicht bloss in verein- zelten Produktionssphären zuträgt, sondern mehr oder weniger in
allen, oder doch in den entscheidenden Produktionssphären, dass sie also Veränderungen in der organischen Durchschnittszusammen- setzung des einer bestimmten Gesellschaft angehörigen Gesammt- kapitals einschliesst, so muss dies allmälige Anwachsen des kon- stanten Kapitals, im Verhältniss zum variablen, nothwendig zum Resultat haben einen graduellen Fall in der allgemeinen Profitrate bei gleichbleibender Rate des Mehrwerths oder gleich- bleibendem Exploitationsgrad der Arbeit durch das Kapital. Nun hat sich aber gezeigt, als ein Gesetz der kapitalistischen Produk- tionsweise, dass mit ihrer Entwicklung eine relative Abnahme des variablen Kapitals im Verhältniss zum konstanten Kapital und damit im Verhältniss zu dem in Bewegung gesetzten Gesammt- kapital stattfindet. Es heisst dies nur, dass dieselbe Arbeiterzahl, dieselbe Menge Arbeitskraft, disponibel gemacht durch ein variables Kapital von gegebnem Werthumfang, in Folge der innerhalb der kapitalistischen Produktion sich entwickelnden eigenthümlichen Produktionsmethoden, eine stets wachsende Masse Arbeitsmittel, Maschinerie und fixes Kapital aller Art, Roh- und Hülfsstoffe in derselben Zeit in Bewegung setzt, verarbeitet, produktiv konsumirt — daher auch ein konstantes Kapital von stets wachsendem Werthumfang. Diese fortschreitende relative Abnahme des variablen Kapitals im Verhältniss zum konstanten, und daher zum Gesammt- kapital ist identisch mit der fortschreitend höhern organischen Zusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals in seinem Durch- schnitt. Es ist ebenso nur ein andrer Ausdruck für die fort- schreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die sich grade darin zeigt, dass vermittelst der wachsenden Anwendung von Maschinerie und fixem Kapital überhaupt mehr Roh- und Hülfsstoffe von derselben Anzahl Arbeiter in derselben Zeit, d. h. mit weniger Arbeit in Produkte verwandelt werden. Es entspricht diesem wachsenden Werthumfang des konstanten Kapitals — obgleich er nur entfernt das Wachsthum in der wirk- lichen Masse der Gebrauchswerthe darstellt, aus denen das kon- stante Kapital stofflich besteht — eine wachsende Verwohlfeilerung des Produkts. Jedes individuelle Produkt, für sich betrachtet, ent- hält eine geringre Summe von Arbeit, als auf niedrigern Stufen der Produktion, wo das in Arbeit ausgelegte Kapital in ungleich grössrem Verhältniss steht zu dem in Produktionsmitteln ausge- legten. Die im Eingang hypothetisch aufgestellte Reihe drückt also die wirkliche Tendenz der kapitalistischen Produktion aus. Diese erzeugt mit der fortschreitenden relativen Abnahme des
variablen Kapitals gegen das konstante eine steigend höhere orga- nische Zusammensetzung des Gesammtkapitals, deren unmittelbare Folge ist, dass die Rate des Mehrwerths bei gleichbleibendem und selbst bei steigendem Exploitationsgrad der Arbeit sich in einer beständig sinkenden allgemeinen Profitrate ausdrückt. (Es wird sich weiter zeigen, warum dies Sinken nicht in dieser absoluten Form, sondern mehr in Tendenz zum progressiven Fall hervortritt.) Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigenthümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit. Es ist damit nicht gesagt, dass die Profitrate nicht auch aus andren Gründen vorübergehend fallen kann, aber es ist damit aus dem Wesen der kapitalistischen Produktionsweise als eine selbstverständliche Noth- wendigkeit bewiesen, dass in ihrem Fortschritt die allgemeine Durchschnittsrate des Mehrwerths sich in einer fallenden allge- meinen Profitrate ausdrücken muss. Da die Masse der angewandten lebendigen Arbeit stets abnimmt im Verhältniss zu der Masse der von ihr in Bewegung gesetzten vergegenständlichten Arbeit, der produktiv konsumirten Produktionsmittel, so muss auch der Theil dieser lebendigen Arbeit, der unbezahlt ist und sich in Mehrwerth vergegenständlicht, in einem stets abnehmenden Verhältniss stehn zum Werthumfang des angewandten Gesammtkapitals. Dies Ver- hältniss der Mehrwerthsmasse zum Werth des angewandten Ge- sammtkapitals bildet aber die Profitrate, die daher beständig fallen muss.
So einfach das Gesetz nach den bisherigen Entwicklungen er- scheint, so wenig ist es aller bisherigen Oekonomie gelungen, wie man aus einem spätern Abschnitt sehn wird, es zu entdecken. Sie sah das Phänomen und quälte sich in widersprechenden Ver- suchen ab, es zu deuten. Bei der grossen Wichtigkeit aber, die dies Gesetz für die kapitalistische Produktion hat, kann man sagen, dass es das Mysterium bildet, um dessen Lösung sich die ganze politische Oekonomie seit Adam Smith dreht, und dass der Unter- schied zwischen den verschiednen Schulen seit A. Smith in den verschiednen Versuchen zu seiner Lösung besteht. Erwägt man aber andrerseits, dass die bisherige politische Oekonomie um den Unterschied von konstantem und variablem Kapital zwar herum- tappte, ihn aber nie bestimmt zu formuliren verstand; dass sie den Mehrwerth nie getrennt vom Profit und den Profit überhaupt nie rein, im Unterschied von seinen verschiednen gegen einander
verselbständigten Bestandtheilen — wie industrieller Profit, kom- mercieller Profit, Zins, Grundrente — darstellte; dass sie nie gründlich die Verschiedenheit in der organischen Zusammensetzung des Kapitals, daher ebensowenig die Bildung der allgemeinen Pro- fitrate analysirt hat, — so hört es auf räthselhaft zu sein, dass ihr die Lösung dieses Räthsels nie gelang.
Wir stellen absichtlich dies Gesetz dar, bevor wir das Ausein- anderfallen des Profits in verschiedne gegeneinander verselbstän- digte Kategorien darstellen. Die Unabhängigkeit dieser Darstellung von der Spaltung des Profits in verschiedne Theile, die verschiednen Kategorien von Personen zufallen, beweist von vornherein die Un- abhängigkeit des Gesetzes in seiner Allgemeinheit von jener Spal- tung, und von den gegenseitigen Verhältnissen der daraus ent- springenden Profitkategorien. Der Profit, von dem wir hier sprechen, ist nur ein andrer Name für den Mehrwerth selbst, der nur in Beziehung zum Gesammtkapital dargestellt ist, statt in Beziehung zum variablen Kapital, aus dem er entspringt. Der Fall der Profitrate drückt also das fallende Verhältniss des Mehr- werths selbst zum vorgeschossnen Gesammtkapital aus, und ist daher unabhängig von jeder beliebigen Vertheilung dieses Mehr- werths unter verschiedne Kategorien.
Man hat gesehn, dass auf einer Stufe der kapitalistischen Ent- wicklung, wo die Zusammensetzung des Kapitals c : v wie 50 : 100, eine Rate des Mehrwerths von 100 % sich in einer Profitrate von 66⅔ % ausdrückt, und dass auf einer höhern Stufe, wo c : v wie 400 : 100, dieselbe Rate des Mehrwerths sich ausdrückt in einer Profitrate von nur 20 %. Was von verschiednen aufeinander- folgenden Entwicklungsstufen in einem Land, gilt von verschiednen gleichzeitig nebeneinander bestehenden Entwicklungsstufen in ver- schiednen Ländern. In dem unentwickelten Land, wo die erstere Zusammensetzung des Kapitals den Durchschnitt bildet, wäre die allgemeine Profitrate = 66⅔ %, während sie in dem Land der zweiten, viel höhern Entwicklungsstufe = 20 % wäre.
Der Unterschied der beiden nationalen Profitraten könnte da- durch verschwinden und selbst sich umkehren, dass in dem minder entwickelten Land die Arbeit unproduktiver wäre, daher ein grössres Quantum Arbeit sich in einem geringern Quantum derselben Waare, grössrer Tauschwerth in weniger Gebrauchswerth sich darstellte, also der Arbeiter einen grössren Theil seiner Zeit zur Repro- duktion seiner eignen Subsistenzmittel oder ihres Werths, und einen kleinern zur Erzeugung von Mehrwerth aufzuwenden hätte,
weniger Mehrarbeit lieferte, sodass die Rate des Mehrwerths nied- riger wäre. Arbeitete z. B. im minder fortgeschrittnen Land der Arbeiter ⅔ des Arbeitstags für sich selbst und ⅓ für den Kapi- talisten, so würde unter der Voraussetzung des obigen Beispiels dieselbe Arbeitskraft bezahlt mit 133⅓ und lieferte einen Ueber- schuss von nur 66⅔. Dem variablen Kapital von 133⅓ ent- spräche ein konstantes Kapital von 50. Die Mehrwerthsrate be- trüge also nun 133⅓ : 66⅔ = 50 %, und die Profitrate 183⅓ : 66⅔, oder ungefähr 36½ %.
Da wir bisher die verschiednen Bestandtheile, worin sich der Profit spaltet, noch nicht untersucht haben, sie also noch nicht für uns existiren, so wird Folgendes nur zur Vermeidung von Missverständnissen im voraus bemerkt: Bei der Vergleichung von Ländern verschiedner Entwicklungsstufen — namentlich solcher von entwickelter kapitalistischer Produktion und solcher, wo die Arbeit noch nicht förmlich unter das Kapital subsumirt ist, ob- gleich der Arbeiter in Wirklichkeit vom Kapitalisten ausgebeutet wird (z. B. in Indien, wo der Ryot als selbständiger Bauer wirth- schaftet, seine Produktion als solche also noch nicht unter das Kapital subsumirt ist, obgleich der Wucherer ihm unter der Form des Zinses nicht nur seine ganze Mehrarbeit, sondern selbst — kapitalistisch gesprochen — einen Theil seines Arbeitslohns ab- zwacken mag) wäre es sehr falsch, wollte man etwa an der Höhe des nationalen Zinsfusses die Höhe der nationalen Profitrate messen. In jenem Zins ist der ganze Profit und mehr als der Profit ein- geschlossen, statt dass er nur, wie in Ländern entwickelter kapi- talistischer Produktion, einen aliquoten Theil des producirten Mehr- werths, resp. Profits ausdrückte. Andrerseits ist hier der Zinsfuss überwiegend bestimmt durch Verhältnisse (Vorschüsse der Wucherer an die Grossen, die Besitzer der Grundrente), die gar nichts zu thun haben mit dem Profit, vielmehr nur darstellen, in welchem Verhältniss der Wucher sich die Grundrente aneignet.
In Ländern von verschiedner Entwicklungsstufe der kapitalistischen Produktion und daher von verschiedner organischer Zusammen- setzung des Kapitals, kann die Rate des Mehrwerths (der eine Faktor, der die Profitrate bestimmt) höher stehn in dem Lande, wo der normale Arbeitstag kürzer ist als in dem, wo er länger. Erstens: Wenn der englische Arbeitstag von 10 Stunden seiner höhern Intensität wegen gleich ist einem österreichischen Arbeits- tag von 14 Stunden, können bei gleicher Theilung des Arbeitstags 5 Stunden Mehrarbeit dort einen höhern Werth auf dem Welt-
markt darstellen als 7 Stunden hier. Zweitens aber kann dort ein grössrer Theil des Arbeitstags Mehrarbeit bilden als hier.
Das Gesetz von der fallenden Rate des Profits, worin dieselbe oder selbst eine steigende Rate des Mehrwerths sich ausdrückt, heisst in andern Worten: Irgend ein bestimmtes Quantum des ge- sellschaftlichen Durchschnittskapitals, z. B. ein Kapital von 100 genommen, stellt sich ein stets grössrer Theil desselben in Arbeits- mitteln und ein stets geringrer Theil desselben in lebendiger Ar- beit dar. Da also die Gesammtmasse der den Produktionsmitteln zugesetzten lebendigen Arbeit fällt im Verhältniss zum Werth dieser Produktionsmittel, so fällt auch die unbezahlte Arbeit und der Werththeil, worin sie sich darstellt, im Verhältniss zum Werth des vorgeschossnen Gesammtkapitals. Oder: Ein stets geringrer aliquoter Theil des ausgelegten Gesammtkapitals setzt sich in lebendige Arbeit um, und dies Gesammtkapital saugt daher, im Verhältniss zu seiner Grösse, immer weniger Mehrarbeit auf, ob- gleich das Verhältniss des unbezahlten Theils der angewandten Arbeit zum bezahlten Theil derselben gleichzeitig wachsen mag. Die verhältnissmäßige Abnahme des variablen und Zunahme des konstanten Kapitals, obgleich beide Theile absolut wachsen, ist, wie gesagt, nur ein andrer Ausdruck für die vermehrte Produk- tivität der Arbeit.
Ein Kapital von 100 bestehe aus 80c + 20v, letztre = 20 Ar- beitern. Die Rate des Mehrwerths sei 100 %, d. h. die Arbeiter arbeiten den halben Tag für sich, den halben Tag für den Kapi- talisten. In einem minder entwickelten Land sei das Kapital = 20c + 80v, und diese letztren = 80 Arbeitern. Aber diese Arbeiter brauchen ⅔ des Arbeitstags für sich und arbeiten nur ⅓ für den Kapitalisten. Alles andre gleichgesetzt, produciren die Arbeiter im ersten Fall einen Werth von 40, im zweiten von 120. Das erste Kapital producirt 80c + 20v + 20m = 120; Profitrate = 20 %; das zweite Kapital 20c + 80v + 40m = 140; Profitrate = 40 %. Sie ist also im zweiten Fall noch einmal so gross wie im ersten, obgleich im ersten Fall die Rate des Mehrwerths = 100 %, doppelt so gross als im zweiten, wo sie nur 50 %. Dafür eignet sich aber ein gleich grosses Kapital im ersten Fall die Mehr- arbeit von nur 20, und im zweiten von 80 Arbeitern an.
Das Gesetz des fortschreitenden Falls der Profitrate oder der relativen Abnahme der angeeigneten Mehrarbeit im Vergleich mit der von der lebendigen Arbeit in Bewegung gesetzten Masse ver- gegenständlichter Arbeit, schliesst in keiner Weise aus, dass die
absolute Masse der vom gesellschaftlichen Kapital in Bewegung gesetzten und exploitirten Arbeit, daher auch die absolute Masse der von ihm angeeigneten Mehrarbeit wächst; ebensowenig, dass die unter dem Kommando der einzelnen Kapitalisten stehenden Kapitale eine wachsende Masse von Arbeit und daher von Mehr- arbeit kommandiren, letztre selbst, wenn die Anzahl der von ihnen kommandirten Arbeiter nicht wächst.
Nimmt man eine gegebne Arbeiterbevölkerung, z. B. von zwei Millionen, nimmt man ferner, als gegeben, Länge und Intensität des Durchschnittsarbeitstags sowie den Arbeitslohn, und damit das Verhältniss zwischen nothwendiger und Mehrarbeit, so producirt die Gesammtarbeit dieser zwei Millionen, und ebenso ihre Mehr- arbeit, die sich in Mehrwerth darstellt, stets dieselbe Werthgrösse. Aber es fällt mit der wachsenden Masse des konstanten — fixen und cirkulirenden — Kapitals, das diese Arbeit in Bewegung setzt, das Verhältniss dieser Werthgrösse zum Werth dieses Kapitals, der mit seiner Masse, wenn auch nicht im selben Verhältniss wächst. Dies Verhältniss und daher die Profitrate fällt, obgleich nach wie vor dieselbe Masse lebendiger Arbeit kommandirt und dieselbe Masse Mehrarbeit vom Kapital aufgesaugt wird. Das Verhältniss ändert sich, nicht weil die Masse der lebendigen Arbeit fällt, sondern weil die Masse der von ihr in Bewegung gesetzten bereits vergegenständlichten Arbeit steigt. Die Abnahme ist rela- tiv, nicht absolut, und hat in der That mit der absoluten Grösse der in Bewegung gesetzten Arbeit und Mehrarbeit nichts zu schaffen. Der Fall der Profitrate entsteht nicht aus einer absoluten, sondern aus einer nur relativen Abnahme des variablen Bestandtheils des Gesammtkapitals, aus ihrer Abnahme, verglichen mit dem konstanten Bestandtheil.
Dasselbe nun, was von einer gegebnen Arbeitsmasse und Mehr- arbeitsmasse, gilt von einer wachsenden Arbeiteranzahl und daher, unter den gegebnen Voraussetzungen, von einer wachsenden Masse der kommandirten Arbeit überhaupt und ihres unbezahlten Theils, der Mehrarbeit, insbesondre. Wenn die Arbeiterbevölkerung von zwei auf drei Millionen steigt, wenn das ihr in Arbeitslohn aus- gezahlte variable Kapital ebenfalls, früher zwei, jetzt drei Millionen ist, und dagegen das konstante Kapital von 4 auf 15 Millionen steigt, so wächst unter den gegebnen Voraussetzungen (konstanter Arbeitstag und konstante Mehrwerthsrate) die Masse der Mehr- arbeit, des Mehrwerths um die Hälfte, um 50 %, von 2 Millionen auf 3. Nichts destoweniger, trotz dieses Wachsthums der absoluten
Masse der Mehrarbeit und daher des Mehrwerths um 50 %, würde das Verhältniss des variablen Kapitals zum konstanten von 2 : 4 fallen auf 3 : 15, und das Verhältniss des Mehrwerths zum Ge- sammtkapital, sich stellen wie folgt (in Millionen):
Während die Mehrwerthsmasse um die Hälfte gestiegen, ist die Profitrate auf die Hälfte der früheren gefallen. Der Profit ist aber nur der auf das Gesellschaftskapital berechnete Mehrwerth, und die Masse des Profits, seine absolute Grösse, ist daher, gesell- schaftlich betrachtet, gleich der absoluten Grösse des Mehrwerths. Die absolute Grösse des Profits, seine Gesammtmasse, wäre also um 50 % gewachsen, trotz enormer Abnahme im Verhältniss dieser Profitmasse zum vorgeschossnen Gesammtkapital, oder trotz der enormen Abnahme in der allgemeinen Profitrate. Die Anzahl der vom Kapital angewandten Arbeiter, also die absolute Masse der von ihm in Bewegung gesetzten Arbeit, daher die absolute Masse der von ihm aufgesaugten Mehrarbeit, daher die Masse des von ihm producirten Mehrwerths, daher die absolute Masse des von ihm producirten Profits kann also wachsen, und progressiv wachsen, trotz des progressiven Falls der Profitrate. Dies kann nicht nur der Fall sein. Es muss der Fall sein — vorübergehende Schwan- kungen abgerechnet — auf Basis der kapitalistischen Produktion.
Der kapitalistische Produktionsprocess ist wesentlich zugleich Akkumulationsprocess. Man hat gezeigt, wie im Fortschritt der kapitalistischen Produktion die Werthmasse, die einfach reprodu- cirt, erhalten werden muss, mit der Steigerung der Produktivität der Arbeit steigt und wächst, selbst wenn die angewandte Arbeits- kraft konstant bliebe. Aber mit der Entwicklung der gesellschaft- lichen Produktivkraft der Arbeit wächst noch mehr die Masse der producirten Gebrauchswerthe, wovon die Produktionsmittel einen Theil bilden. Und die zusätzliche Arbeit, durch deren Aneignung dieser zusätzliche Reichthum in Kapital rückverwandelt werden kann, hängt nicht ab vom Werth, sondern von der Masse dieser Produktionsmittel (Lebensmittel eingeschlossen), da der Arbeiter im Arbeitsprocess nicht mit dem Werth, sondern mit dem Ge- brauchswerth der Produktionsmittel zu thun hat. Die Akkumulation selbst, und die mit ihr gegebne Koncentration des Kapitals, ist aber selbst ein materielles Mittel der Steigerung der Produktivkraft. In diesem Wachsthum der Produktionsmittel ist aber eingeschlossen das Wachsthum der Arbeiterbevölkerung, die Schöpfung einer dem
Surpluskapital entsprechenden und sogar seine Bedürfnisse im Ganzen und Grossen stets überfluthenden Bevölkerung, und daher Ueberbevölkerung, von Arbeitern. Ein momentaner Ueberschuss des Surpluskapitals über die von ihm kommandirte Arbeiterbe- völkerung würde in doppelter Weise wirken. Er würde einerseits durch Steigerung des Arbeitslohns, daher Milderung der, den Nach- wuchs der Arbeiter decimirenden, vernichtenden Einflüsse und Er- leichterung der Heirathen, die Arbeiterbevölkerung allmälig vermehren, andrerseits aber durch Anwendung der Methoden, die den relativen Mehrwerth schaffen (Einführung und Verbesserung von Maschinerie) noch weit rascher eine künstliche, relative Uebervölkerung schaffen, die ihrerseits wieder — da in der kapitalistischen Produktion das Elend Bevölkerung erzeugt — das Treibhaus einer wirklichen raschen Vermehrung der Volkszahl ist. Aus der Natur des kapi- talistischen Akkumulationsprocesses — der nur ein Moment des kapitalistischen Produktionsprocesses ist — folgt daher von selbst, dass die gesteigerte Masse der Produktionsmittel, die bestimmt sind in Kapital verwandelt zu werden, eine entsprechend gesteigerte und selbst überschüssige, exploitirbare Arbeiterbevölkerung stets zur Hand findet. Im Fortschritt des Produktions- und Akkumulations- processes muss also die Masse der aneignungsfähigen und ange- eigneten Mehrarbeit, und daher die absolute Masse des vom Ge- sellschaftskapital angeeigneten Profits wachsen. Aber dieselben Gesetze der Produktion und Akkumulation steigern, mit der Masse, den Werth des konstanten Kapitals in zunehmender Progression rascher als den des variablen, gegen lebendige Arbeit umgesetzten Kapitaltheils. Dieselben Gesetze produciren also für das Gesell- schaftskapital eine wachsende absolute Profitmasse und eine fallende Profitrate.
Es wird hier ganz davon abgesehn, dass dieselbe Werthgrösse, im Fortschritt der kapitalistischen Produktion und der ihr ent- sprechenden Entwicklung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit und Vervielfältigung der Produktionszweige und daher Pro- dukte, eine fortschreitend steigende Masse von Gebrauchswerthen und Genüssen darstellt.
Der Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktion und Akku- mulation bedingt Arbeitsprocesse auf steigend grössrer Stufenleiter und damit steigend grössern Dimensionen, und dementsprechend steigende Kapitalvorschüsse für jedes einzelne Etablissement. Wach- sende Koncentration der Kapitale (begleitet zugleich, doch in ge- ringrem Maß, von wachsender Zahl der Kapitalisten) ist daher
sowohl eine ihrer materiellen Bedingungen wie eins der von ihr selbst producirten Resultate. Hand in Hand, in Wechselwirkung damit, geht fortschreitende Expropriation der mehr oder minder unmittelbaren Producenten. So versteht es sich für die einzelnen Kapitalisten, dass sie über wachsend grosse Arbeiterarmeen kom- mandiren (so sehr auch für sie das variable im Verhältniss zum konstanten Kapital fällt), dass die Masse des von ihnen ange- eigneten Mehrwerths und daher Profits wächst, gleichzeitig mit und trotz dem Fall in der Profitrate. Dieselben Ursachen, die Massen von Arbeiterarmeen unter dem Kommando einzelner Kapi- talisten koncentriren, sind es ja grade, die auch die Masse des angewandten fixen Kapitals wie der Roh- und Hülfsstoffe in wach- sender Proportion anschwellen gegenüber der Masse der angewandten lebendigen Arbeit.
Es bedarf ferner hier nur der Erwähnung, dass bei gegebner Arbeiterbevölkerung, wenn die Mehrwerthsrate wächst, sei es durch Verlängerung oder Intensifikation des Arbeitstags, sei es durch Werth- senkung des Arbeitslohns in Folge der Entwicklung der Produk- tivkraft der Arbeit, die Masse des Mehrwerths und daher die ab- solute Profitmasse wachsen muss, trotz der relativen Verminderung des variablen Kapitals im Verhältniss zum konstanten.
Dieselbe Entwicklung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit, dieselben Gesetze, welche im relativen Fall des variablen Kapitals gegen das Gesammtkapital und der damit beschleunigten Akkumulation sich darstellen, während andrerseits die Akkumulation rückwirkend Ausgangspunkt weitrer Entwicklung der Produktiv- kraft und weitrer relativer Abnahme des variablen Kapitals wird, dieselbe Entwicklung drückt sich, von zeitweiligen Schwankungen abgesehn, aus in der steigenden Zunahme der angewandten Ge- sammtarbeitskraft, im steigenden Wachsthum der absoluten Masse des Mehrwerths und daher des Profits.
In welcher Form nun muss dies zwieschlächtige Gesetz der aus denselben Ursachen entspringenden Abnahme der Profitrate und gleichzeitiger Zunahme der absoluten Profitmasse sich darstellen? Ein Gesetz, darauf begründet, dass unter den gegebnen Bedingungen die angeeignete Masse der Mehrarbeit und daher des Mehrwerths wächst, und dass, das Gesammtkapital betrachtet, oder das einzelne Kapital als blosses Stück des Gesammtkapitals betrachtet, Profit und Mehrwerth identische Grössen sind?
Nehmen wir den aliquoten Theil des Kapitals, auf den wir die Profitrate berechnen, z. B. 100. Diese 100 stellen die Durch-
schnittszusammensetzung des Gesammtkapitals vor, sage 80c + 20v. Wir haben im zweiten Abschnitt dieses Buchs gesehn, wie die Durchschnittsprofitrate in den verschiednen Produktionszweigen nicht durch die, einem jeden besondre, Zusammensetzung des Kapitals, sondern durch seine gesellschaftliche Durchschnittszu- sammensetzung bestimmt wird. Mit relativer Abnahme des vari- ablen Theils gegen den konstanten, und daher gegen das Gesammt- kapital von 100, fällt die Profitrate bei gleichbleibendem und selbst steigendem Exploitationsgrad der Arbeit, fällt die relative Grösse des Mehrwerths, d. h. sein Verhältniss zum Werth des vorge- schossnen Gesammtkapitals von 100. Aber nicht nur diese relative Grösse sinkt. Die Grösse des Mehrwerths oder Profits, den das Gesammtkapital von 100 aufsaugt, fällt absolut. Bei einer Mehr- werthsrate von 100 % producirt ein Kapital von 60c + 40v eine Mehrwerths- und daher Profitmasse von 40; ein Kapital von 70c + 30v eine Profitmasse von 30; bei einem Kapital von 80c + 20v fällt der Profit auf 20. Dies Fallen bezieht sich auf die Masse des Mehrwerths und daher des Profits, und folgt daher dass, weil das Gesammtkapital von 100 weniger lebendige Arbeit überhaupt, es bei gleichbleibendem Exploitationsgrad auch weniger Mehrarbeit in Bewegung setzt und daher weniger Mehrwerth producirt. Irgend einen aliquoten Theil des gesellschaftlichen Kapitals, also des Kapitals von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung, als Maßeinheit genommen, woran wir den Mehrwerth messen — und dies geschieht bei aller Profitberechnung — ist überhaupt rela- tives Fallen des Mehrwerths und sein absolutes Fallen identisch. Die Profitrate sinkt in den obigen Fällen von 40 % auf 30 % und auf 20 %, weil in der That die vom selben Kapital producirte Masse Mehrwerth, und daher Profit, absolut fällt von 40 auf 30 und auf 20. Da die Werthgrösse des Kapitals, woran der Mehr- werth gemessen wird, gegeben, = 100 ist, kann ein Fallen der Proportion des Mehrwerths zu dieser gleichbleibenden Grösse nur ein andrer Ausdruck sein für die Abnahme der absoluten Grösse des Mehrwerths und Profits. Dies ist in der That eine Tautologie. Dass aber diese Verminderung eintritt, geht aus der Natur der Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprocesses, wie bewiesen wurde, hervor.
Andrerseits aber bringen dieselben Ursachen, die eine absolute Abnahme des Mehrwerths und daher Profits auf ein gegebnes Kapital, und daher auch der nach Procenten berechneten Profitrate erzeugen, ein Wachsthum in der absoluten Masse des vom Gesell-
schaftskapital (d. h. von der Gesammtheit der Kapitalisten) ange- eigneten Mehrwerths und daher Profits hervor. Wie muss sich dies nun darstellen, wie kann es sich allein darstellen, oder welche Bedingungen sind eingeschlossen in diesen scheinbaren Widerspruch?
Wenn je ein aliquoter Theil = 100 des gesellschaftlichen Kapi- tals, und daher je 100 Kapital von gesellschaftlicher Durchschnitts- zusammensetzung, eine gegebne Grösse ist, und daher für sie Ab- nahme der Profitrate zusammenfällt mit Abnahme der absoluten Grösse des Profits, eben weil hier das Kapital, woran sie gemessen werden, eine konstante Grösse ist, so ist dagegen die Grösse des gesellschaftlichen Gesammtkapitals, wie des in den Händen ein- zelner Kapitalisten befindlichen Kapitals, eine variable Grösse, die, um den vorausgesetzten Bedingungen zu entsprechen, variiren muss im umgekehrten Verhältniss zur Abnahme ihres variablen Theils.
Als im frühern Beispiel die Zusammensetzung procentig 60c + 40v, war der Mehrwerth oder Profit darauf 40, und daher die Profit- rate 40 %. Angenommen, auf dieser Stufe der Zusammensetzung sei das Gesammtkapital eine Million gewesen. So betrug der Ge- sammtmehrwerth und daher der Gesammtprofit 400,000. Wenn nun später die Zusammensetzung = 80c + 20v, so ist der Mehr- werth oder Profit, bei gleichbleibendem Exploitationsgrad der Arbeit, auf je 100 = 20. Da aber der Mehrwerth oder Profit der absoluten Masse nach, wie nachgewiesen, wächst, trotz dieser ab- nehmenden Profitrate oder abnehmenden Erzeugung von Mehr- werth durch ein Kapital von je 100, z. B. wächst, sagen wir von 400,000 auf 440,000, so ist das nur dadurch möglich, dass das Gesammtkapital, das sich gleichzeitig mit dieser neuen Zusammen- setzung gebildet hat, gewachsen ist auf 2,200,000. Die Masse des in Bewegung gesetzten Gesammtkapital ist gestiegen um 220 %, während die Profitrate um 50 % gefallen ist. Hätte sich das Kapital nur verdoppelt, so hätte es zur Profitrate von 20 % nur dieselbe Masse von Mehrwerth und Profit erzeugen können, wie das alte Kapital von 1,000,000 zu 40 %. Wäre es um weniger als das doppelte gewachsen, so hätte es weniger Mehrwerth oder Profit producirt als früher das Kapital von 1,000,000, das bei seiner frühern Zusammensetzung, um seinen Mehrwerth von 400,000 auf 440,000 zu steigern, nur zu wachsen brauchte von 1,000,000 auf 1,100,000.
Es zeigt sich hier das schon früher entwickelte Gesetz, dass mit der relativen Abnahme des variablen Kapitals, also der Entwick-
lung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit eine wachsend grössre Masse Gesammtkapital nöthig ist, um dieselbe Menge Arbeits- kraft in Bewegung zu setzen und dieselbe Masse Mehrarbeit einzu- saugen. Im selben Verhältniss daher, wie sich die kapitalistische Produktion entwickelt, entwickelt sich die Möglichkeit einer relativ überzähligen Arbeiterbevölkerung, nicht weil die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit abnimmt, sondern weil sie zunimmt, also nicht aus einem absoluten Missverhältniss zwischen Arbeit und Existenzmitteln oder Mitteln zur Produktion dieser Existenz- mittel, sondern aus einem Missverhältniss, entspringend aus der kapitalistischen Exploitation der Arbeit, dem Missverhältniss zwischen dem steigenden Wachsthum des Kapitals und seinem relativ ab- nehmenden Bedürfniss nach wachsender Bevölkerung.
Fällt die Profitrate um 50 %, so fällt sie um die Hälfte. Soll daher die Masse des Profits gleich bleiben, so muss das Kapital sich verdoppeln. Damit die Profitmasse bei abnehmender Profitrate gleich bleibe, muss der Multiplikator, der das Wachsthum des Ge- sammtkapitals anzeigt, gleich sein dem Divisor, der das Fallen der Profitrate anzeigt. Wenn die Profitrate von 40 auf 20 fällt, muss das Gesammtkapital umgekehrt im Verhältniss von 20 : 40 steigen, damit das Resultat dasselbe bleibe. Wäre die Profitrate gefallen von 40 auf 8, so müsste das Kapital wachsen im Ver- hältniss von 8 : 40 d. h. um das Fünffache. Ein Kapital von 1,000,000 zu 40 % producirt 400,000 und ein Kapital von 5,000,000 zu 8 % producirt ebenfalls 400,000. Dies gilt, damit das Resultat dasselbe bleibe. Soll es dagegen wachsen, so muss das Kapital in grössrer Proportion wachsen als die Profitrate fällt. In andren Worten: Damit der variable Bestandtheil des Gesammtkapitals nicht nur absolut derselbe bleibe, sondern absolut wachse, obgleich sein Procentsatz als Theil des Gesammtkapitals fällt, muss das Gesammtkapital in stärkrem Verhältniss wachsen als der Procent- satz des variablen Kapitals fällt. Es muss so sehr wachsen, dass es in seiner neuen Zusammensetzung nicht nur den alten variablen Kapitaltheil, sondern noch mehr als diesen zum Ankauf von Ar- beitskraft bedarf. Fällt der variable Theil eines Kapitals = 100 von 40 auf 20, so muss das Gesammtkapital auf mehr als 200 steigen, um ein grössres variables Kapital als 40 verwenden zu können.
Selbst wenn die exploitirte Masse der Arbeiterbevölkerung kon- stant bliebe, und nur Länge und Intensität des Arbeitstags sich vermehrten, so müsste die Masse des angewandten Kapitals steigen,
da sie sogar steigen muss, um dieselbe Masse Arbeit unter den alten Exploitationsverhältnissen bei veränderter Kapitalzusammen- setzung anzuwenden.
Also dieselbe Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit drückt sich im Fortschritt der kapitalistischen Produk- tionsweise aus einerseits in einer Tendenz zu fortschreitendem Fall der Profitrate, und andrerseits in beständigem Wachsthum der ab- soluten Masse des angeeigneten Mehrwerths oder Profits; sodass im Ganzen der relativen Abnahme des variablen Kapitals und Profits eine absolute Zunahme beider entspricht. Diese doppel- seitige Wirkung kann sich, wie gezeigt, nur darstellen in einem Wachsthum des Gesammtkapitals in rascherer Progression als die, worin die Profitrate fällt. Um ein absolut angewachsnes variables Kapital bei höherer Zusammensetzung oder relativer stärkerer Zu- nahme des konstanten Kapitals anzuwenden, muss das Gesammt- kapital nicht nur im Verhältniss der höhern Komposition wachsen, sondern noch rascher. Es folgt hieraus, dass je mehr die kapita- listische Produktionsweise sich entwickelt, eine immer grössre Kapitalmenge nöthig ist, um dieselbe und mehr noch eine wachsende Arbeitskraft zu beschäftigen. Die steigende Produktivkraft der Arbeit erzeugt also, auf kapitalistischer Grundlage, mit Nothwen- digkeit, eine permanente scheinbare Arbeiterübervölkerung. Bildet das variable Kapital nur ⅙ des Gesammtkapitals statt früher ½, so muss, um dieselbe Arbeitskraft zu beschäftigen, das Gesammt- kapital sich verdreifachen; soll aber die doppelte Arbeitskraft be- schäftigt werden, so muss es sich versechsfachen.
Die bisherige Oekonomie, die das Gesetz der fallenden Profitrate nicht zu erklären wusste, bringt die steigende Profitmasse, das Wachsthum der absoluten Grösse des Profits, sei es für den ein- zelnen Kapitalisten, sei es für das Gesellschaftskapital, als eine Art Trostgrund bei, der aber auch auf blossen Gemeinplätzen und Möglichkeiten beruht.
Dass die Masse des Profits durch zwei Faktoren bestimmt ist, erstens durch die Profitrate, und zweitens durch die Masse des Kapitals, das zu dieser Profitrate angewandt wird, ist nur Tauto- logie. Dass der Möglichkeit nach daher die Profitmasse wachsen kann, trotzdem die Profitrate gleichzeitig fällt, ist nur ein Aus- druck dieser Tautologie, hilft keinen Schritt weiter, da es eben so möglich ist, dass das Kapital wächst, ohne dass die Profitmasse wächst, und dass es sogar noch wachsen kann, während sie fällt.
100 zu 25 % gibt 25, 400 zu 5 % gibt nur 20.(FN35) Wenn aber dieselben Ursachen, die die Profitrate fallen machen, die Akku- mulation, d. h. die Bildung von zusätzlichem Kapital fördern, und wenn jedes zusätzliche Kapital zusätzliche Arbeit in Bewegung setzt und zusätzlichen Mehrwerth producirt; wenn andrerseits das blosse Sinken der Profitrate die Thatsache einschliesst, dass das konstante Kapital, und damit das gesammte alte Kapital gewachsen ist, so hört dieser ganze Process auf mysteriös zu sein. Man wird später sehn, zu welchen absichtlichen Rechnungsfälschungen Zu- flucht genommen wird, um die Möglichkeit der Abnahme der Profitmasse zugleich mit Abnahme der Profitrate wegzuschwindeln.
Wir haben gezeigt, wie dieselben Ursachen, welche einen ten- denziellen Fall der allgemeinen Profitrate produciren, eine be- schleunigte Akkumulation des Kapitals und daher Wachsthum in der absoluten Grösse oder Gesammtmasse der von ihm angeeigneten Mehrarbeit (Mehrwerth, Profit) bedingen. Wie alles in der Kon- kurrenz und daher im Bewusstsein der Agenten der Konkurrenz sich verkehrt darstellt, so auch dies Gesetz, ich meine dieser innere und nothwendige Zusammenhang zwischen zwei scheinbar sich Widersprechenden. Es ist sichtbar, dass innerhalb der oben ent- wickelten Proportionen ein Kapitalist, der über grosses Kapital verfügt, mehr Profitmasse macht, als ein kleiner Kapitalist, der
scheinbar hohe Profite macht. Die oberflächlichste Betrachtung der Konkurrenz zeigt ferner, dass unter gewissen Umständen, wenn der grössre Kapitalist sich Raum auf dem Markt schaffen, die kleineren verdrängen will, wie in Zeiten der Krise, er dies prak- tisch benutzt, d. h. seine Profitrate absichtlich heruntersetzt, um die kleineren aus dem Feld zu schlagen. Namentlich auch das Kaufmannskapital, worüber später Näheres, zeigt Phänomene, welche das Sinken des Profits als Folge der Ausdehnung des Geschäfts und damit des Kapitals erscheinen lassen. Den eigentlich wissen- schaftlichen Ausdruck für die falsche Auffassung geben wir später. Aehnliche oberflächliche Betrachtungen ergeben sich aus Vergleich der Profitraten, die in besondren Geschäftszweigen gemacht werden, je nachdem sie dem Regime der freien Konkurrenz oder des Mono- pols unterworfen sind. Die ganz flache Vorstellung, wie sie in den Köpfen der Konkurrenzagenten lebt, findet sich bei unserm Roscher, nämlich, dass diese Herabsetzung der Profitrate „klüger und menschlicher“ sei. Die Abnahme der Profitrate erscheint hier als Folge der Zunahme des Kapitals und der damit verbundnen Berechnung der Kapitalisten, dass bei kleinerer Profitrate die von ihnen eingesteckte Profitmasse grösser sein werde. Das Ganze (ausgenommen bei A. Smith, worüber später) beruht auf gänz- licher Begriffslosigkeit über das, was die allgemeine Profitrate überhaupt ist, und auf der kruden Vorstellung, dass die Preise in der That bestimmt werden durch Zuschlag eines mehr oder weniger willkürlichen Profitquotums über den wirklichen Werth der Waaren hinaus. Krud wie diese Vorstellungen sind, entspringen sie doch mit Nothwendigkeit aus der verkehrten Art und Weise, worin die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion innerhalb der Konkurrenz sich darstellen.
Das Gesetz, dass der durch Entwicklung der Produktivkraft verursachte Fall der Profitrate begleitet ist von einer Zunahme in der Profitmasse, drückt sich auch darin aus, dass der Fall im Preis der vom Kapital producirten Waaren begleitet ist von einer rela- tiven Steigerung der in ihnen enthaltnen und durch ihren Verkauf realisirten Profitmassen.
Da die Entwicklung der Produktivkraft und die ihr entsprechende höhere Zusammensetzung des Kapitals ein stets grössres Quantum Produktionsmittel durch ein stets geringres Quantum Arbeit in Bewegung setzt, absorbirt jeder aliquote Theil des Gesammtpro- dukts, jede einzelne Waare oder jedes bestimmte einzelne Waaren-
maß der producirten Gesammtmasse weniger lebendige Arbeit, und enthält ferner weniger vergegenständlichte Arbeit, sowohl im Ver- schleiss des angewandten fixen Kapitals wie in den verbrauchten Roh- und Hülfsstoffen. Jede einzelne Waare enthält also eine geringere Summe von, in Produktionsmitteln vergegenständlichter und während der Produktion neu zugesetzter, Arbeit. Der Preis der einzelnen Waare fällt daher. Die Profitmasse, die in der einzelnen Waare enthalten ist, kann trotzdem zunehmen, wenn die Rate des absoluten oder relativen Mehrwerths wächst. Sie enthält weniger neu zugesetzte Arbeit, aber der unbezahlte Theil derselben wächst gegen den bezahlten Theil. Doch ist dies nur innerhalb bestimmter Schranken der Fall. Mit der im Lauf der Produktions- entwicklung enorm gesteigerten absoluten Abnahme der Summe der, in der einzelnen Waare neu zugesetzten, lebendigen Arbeit wird auch die Masse der in ihr enthaltnen unbezahlten Arbeit absolut abnehmen, wie sehr sie auch relativ gewachsen sei, im Verhältniss nämlich zum bezahlten Theil. Die Profitmasse auf jede einzelne Waare wird sich sehr vermindern mit der Entwick- lung der Produktivkraft der Arbeit, trotz des Wachsthums der Mehrwerthsrate; und diese Verminderung, ganz wie der Fall der Profitrate, wird nur verlangsamt durch die Verwohlfeilerung der Elemente des konstanten Kapitals und die andren im ersten Ab- schnitt dieses Buchs aufgeführten Umstände, die die Profitrate erhöhen bei gegebner und selbst bei sinkender Rate des Mehrwerths.
Dass der Preis der einzelnen Waaren fällt, aus deren Summe das Gesammtprodukt des Kapitals besteht, heisst weiter nichts, als dass sich ein gegebnes Quantum Arbeit in einer grössren Masse Waaren realisirt, jede einzelne Waare also weniger Arbeit als früher enthält. Dies ist der Fall selbst wenn der Preis des einen Theils des konstanten Kapitals, Rohstoff etc. steigt. Mit Ausnahme einzelner Fälle (z. B. wenn die Produktivkraft der Arbeit gleich- mäßig alle Elemente des konstanten wie des variablen Kapitals verwohlfeilert) wird die Profitrate sinken, trotz der erhöhten Rate des Mehrwerths, 1) weil selbst ein grössrer unbezahlter Theil der geringren Gesammtsumme der neu zugesetzten Arbeit kleiner ist, als ein geringrer aliquoter unbezahlter Theil der grössren Gesammt- summe war, und 2) weil die höhere Zusammensetzung des Kapitals in der einzelnen Waare sich darin ausdrückt, dass der Werththeil derselben, worin überhaupt neu zugesetzte Arbeit sich darstellt, fällt gegen den Werththeil, der sich darstellt in Rohstoff, Hülfs- stoff, und Verschleiss des fixen Kapitals. Dieser Wechsel im Ver-
hältniss der verschiednen Bestandtheile des Preises der einzelnen Waare, die Abnahme des Preistheils, worin sich neu zugesetzte lebendige Arbeit, und die Zunahme der Preistheile, worin sich früher vergegenständlichte Arbeit darstellt — ist die Form, worin sich im Preis der einzelnen Waare die Abnahme des variablen Kapitals gegen das konstante ausdrückt. Wie diese Abnahme absolut ist für ein gegebnes Maß des Kapitals, z. B. 100, so ist sie auch absolut für jede einzelne Waare als aliquoten Theil des reproducirten Kapitals. Doch würde die Profitrate, wenn nur auf die Preiselemente der einzelnen Waare berechnet, sich anders dar- stellen als sie wirklich ist. Und zwar aus folgendem Grund:
[Die Profitrate wird berechnet auf das angewandte Gesammt- kapital, aber für eine bestimmte Zeit, thatsächlich ein Jahr. Das Verhältniss des in einem Jahr gemachten und realisirten Mehr- werths oder Profits zum Gesammtkapital, procentig berechnet, ist die Profitrate. Sie ist also nicht nothwendig gleich mit einer Profitrate, bei der nicht das Jahr, sondern die Umschlagsperiode des fraglichen Kapitals der Berechnung zu Grunde gelegt wird; nur wenn dies Kapital gerade einmal im Jahr umschlägt, fallen beide zusammen.
Andrerseits ist der im Lauf eines Jahrs gemachte Profit nur die Summe der Profite auf die im Lauf desselben Jahres produ- cirten und verkauften Waaren. Berechnen wir nun den Profit auf den Kostpreis der Waaren, so erhalten wir eine Profitrate = , wo p der im Lauf des Jahres realisirte Profit, und k die Summe der Kostpreise der in derselben Zeit producirten und verkauften Waaren ist. Es ist augenscheinlich, dass diese Profitrate nur dann mit der wirklichen Profitrate , Profitmasse dividirt durch das Gesammt- kapital, zusammenfallen kann, wenn k = C, d. h. wenn das Kapital genau einmal im Jahr umschlägt.
Nehmen wir drei verschiedne Zustände eines industriellen Kapitals.
I. Das Kapital von 8000 £ producirt und verkauft jährlich 5000 Stück Waare, das Stück zu 30 sh., hat also einen Jahres- umschlag von 7500 £. Es macht auf jedes Stück Waare einen Profit von 10 sh. = 2500 £ jährlich. In jedem Stück stecken also 20 sh. Kapitalvorschuss und 10 sh. Profit, also ist die Profit- rate per Stück = 50 %. Auf die umgeschlagene Summe von 7500 £ kommen 5000 £ Kapitalvorschuss und 2500 £ Profit;
Profitrate auf den Umschlag, , ebenfalls = 50 %. Dagegen auf das Gesammtkapital berechnet ist die Profitrate = = 31¼ %.
II. Das Kapital steige auf 10000 £. In Folge vermehrter Pro- duktivkraft der Arbeit sei es befähigt jährlich 10000 Stück Waare, zum Kostpreis von je 20 sh. zu produciren. Es verkaufe sie mit 4 sh. Profit, also zu 24 sh. pro Stück. Dann ist der Preis des Jahres- produkts = 12,000 £ wovon 10,000 £ Kapitalvorschuss und 2000 £ Profit. ist pro Stück = , für den Jahresumschlag = , also beidemal = 20 %, und da das Gesammtkapital gleich der Summe der Kostpreise, nämlich 10,000 £, so ist auch , die wirkliche Profitrate, diesmal = 20 %.
III. Das Kapital steige, bei stets wachsender Produktionskraft der Arbeit, auf 15,000 £, und producire jetzt jährlich 30,000 Stück Waare zum Kostpreis von je 13 sh., die mit 2 sh. Profit, also zu 15 sh. das Stück verkauft werden. Jahresumschlag also = 30,000 × 15 sh. = 22,500 £, wovon 19,500 Kapitalvorschuss und 3000 £ Profit. ist also = = = 15 %. Dagegen = = 20 %.
Wir sehn also: Nur in Fall II, wo der umgeschlagne Kapital- werth gleich dem Gesammtkapital, ist die Profitrate aufs Stück Waare oder auf die Umschlagssumme dieselbe wie die aufs Ge- sammtkapital berechnete Profitrate. Im Fall I, wo die Um- schlagssumme kleiner als das Gesammtkapital, ist die Profitrate, auf den Kostpreis der Waare berechnet, höher; im Fall III, wo das Gesammtkapital kleiner als die Umschlagssumme, ist sie nied- riger als die wirkliche, aufs Gesammtkapital berechnete Profitrate. Es gilt dies allgemein.
In der kaufmännischen Praxis wird der Umschlag gewöhnlich ungenau berechnet. Man nimmt an, das Kapital habe einmal um- geschlagen, sobald die Summe der realisirten Waarenpreise die Summe des angewandten Gesammtkapitals erreicht. Das Kapital kann aber nur dann einen ganzen Umlauf vollenden, wenn die Summe der Kostpreise der realisirten Waaren gleich wird der Summe des Gesammtkapitals. — F. E.]
Es zeigt sich auch hier wieder, wie wichtig es ist bei der kapi- talistischen Produktion nicht die einzelne Waare oder das Waaren-
produkt eines beliebigen Zeitraums isolirt für sich, als blosse Waare zu betrachten, sondern als Produkt des vorgeschossnen Ka- pitals und im Verhältniss zum Gesammtkapital, das diese Waare producirt.
Obgleich nun die Profitrate berechnet werden muss durch Messung der Masse des producirten und realisirten Mehrwerths, nicht nur an dem konsumirten Kapitaltheil, der in den Waaren wiedererscheint, sondern an diesem Theil plus dem nicht konsu- mirten aber angewandten und in der Produktion fortdienenden Kapitaltheil, so kann die Profitmasse doch nur gleich sein der in den Waaren selbst enthaltnen und durch ihren Verkauf zu reali- sirenden Masse von Profit oder Mehrwerth.
Vermehrt sich die Produktivität der Industrie, so fällt der Preis der einzelnen Waare. Es ist weniger Arbeit in ihr enthalten, weniger bezahlte und unbezahlte. Dieselbe Arbeit producire z. B. das dreifache Produkt; es kommt dann ⅔ weniger Arbeit auf das einzelne Produkt. Und da der Profit nur einen Theil dieser in der einzelnen Waare enthaltnen Arbeitsmasse bilden kann, muss die Masse des Profits auf die einzelne Waare abnehmen und dies auch, innerhalb gewisser Grenzen, selbst wenn die Rate des Mehrwerths steigt. In allen Fällen sinkt die Profitmasse auf das Gesammtprodukt nicht unter die ursprüngliche Profitmasse, sobald das Kapital dieselbe Masse Arbeiter wie früher bei gleichem Ex- ploitationsgrad anwendet. (Dies kann auch geschehn, wenn weniger Arbeiter bei erhöhtem Exploitationsgrad angewandt werden.) Denn in demselben Verhältniss, wie die Profitmasse auf das einzelne Produkt abnimmt, nimmt die Anzahl der Produkte zu. Die Profit- masse bleibt dieselbe, nur vertheilt sie sich anders auf die Summe der Waaren; es ändert dies auch nichts an der Vertheilung des durch die neu zugesetzte Arbeit geschaffnen Werthquantums zwischen Arbeiter und Kapitalisten. Die Profitmasse kann nur steigen, bei Anwendung derselben Masse Arbeit, wenn die unbe- zahlte Mehrarbeit wächst, oder bei gleichbleibendem Exploitations- grad der Arbeit, wenn die Anzahl der Arbeiter sich vermehrt. Oder wenn beides zusammenwirkt. In allen diesen Fällen — die aber der Voraussetzung gemäß Wachsen des konstanten Kapitals gegen das variable und wachsende Grösse des angewandten Ge- sammtkapitals voraussetzen — enthält die einzelne Waare weniger Profitmasse und sinkt die Profitrate, selbst wenn auf die einzelne Waare berechnet; ein gegebnes Quantum zusätzlicher Arbeit stellt sich dar in einem grössern Quantum Waaren; der Preis der ein-
zelnen Waare sinkt. Abstrakt betrachtet, kann beim Fall des Preises der einzelnen Waare in Folge vermehrter Produktivkraft, und bei daher gleichzeitiger Vermehrung der Anzahl dieser wohl- feilern Waaren, die Profitrate dieselbe bleiben, z. B. wenn die Vermehrung der Produktivkraft gleichmäßig und gleichzeitig auf alle Bestandtheile der Waaren wirkte, sodass der Gesammtpreis der Waare in demselben Verhältniss fiele, wie sich die Produk- tivität der Arbeit vermehrte, und andrerseits das gegenseitige Ver- hältniss der verschiednen Preisbestandtheile der Waare dasselbe bliebe. Steigen könnte die Profitrate sogar, wenn mit der Er- höhung der Rate des Mehrwerths eine bedeutende Werthvermin- derung der Elemente des konstanten und namentlich des fixen Ka- pitals verbunden wäre. Aber in Wirklichkeit wird die Profitrate, wie bereits gesehn, auf die Dauer fallen. In keinem Fall erlaubt der Preisfall der einzelnen Waare allein einen Schluss auf die Profitrate. Es kommt alles darauf an, wie gross die Gesammt- summe des in ihrer Produktion betheiligten Kapitals. Fällt z. B. der Preis einer Elle Gewebe von 3 sh. auf 1⅔ sh.; wenn man weiss, dass darin vor dem Preisfall für 1⅔ sh. konstantes Kapital, Garn etc., ⅔ sh. Arbeitslohn, ⅔ sh. Profit waren, nach dem Preis- fall dagegen für 1 sh. konstantes Kapital, ⅓ sh. Arbeitslohn und ⅓ sh. Profit ist, so weiss man nicht ob die Profitrate dieselbe geblieben ist oder nicht. Es hängt dies davon ab, ob und um wie viel das vorgeschossne Gesammtkapital gewachsen ist, und wie viel Ellen mehr es in gegebner Zeit producirt.
Das aus der Natur der kapitalistischen Produktionsweise hervor- gehende Phänomen, dass bei wachsender Produktivität der Arbeit der Preis der einzelnen Waare oder eines gegebnen Waarenquo- tums sinkt, die Anzahl der Waaren steigt, die Profitmasse auf die einzelne Waare und die Profitrate auf die Waarensumme sinkt, die Profitmasse aber auf die Gesammtsumme der Waaren steigt — dies Phänomen stellt auf der Oberfläche nur dar: Fallen der Pro- fitmasse auf die einzelne Waare, Fallen ihres Preises, Wachsen der Profitmasse auf die vermehrte Gesammtzahl der Waaren, die das Gesammtkapital der Gesellschaft oder auch der einzelne Kapi- talist producirt. Es wird dies dann so aufgefasst, dass der Kapi- talist aus freiem Belieben weniger Profit auf die einzelne Waare schlägt, aber sich entschädigt durch die grössre Anzahl Waaren, die er producirt. Diese Anschauung beruht auf der Vorstellung des Veräusserungsprofits (profit upon alienation), die ihrerseits wieder abstrahirt ist aus der Anschauung des Kaufmannskapitals.
Man hat früher, im vierten und siebenten Abschnitt des ersten Buchs, gesehn, dass die mit der Produktivkraft der Arbeit wach- sende Waarenmasse und Verwohlfeilerung der einzelnen Waare als solche (soweit diese Waaren nicht bestimmend in den Preis der Arbeitskraft eingehn) das Verhältniss von bezahlter und unbe- zahlter Arbeit in der einzelnen Waare nicht afficirt, trotz des sinkenden Preises.
Da in der Konkurrenz sich alles falsch darstellt, nämlich ver- kehrt, so kann sich der einzelne Kapitalist einbilden: 1) dass er seinen Profit auf die einzelne Waare durch ihre Preissenkung her- absetzt, aber grössern Profit macht wegen der grössern Waaren- masse, die er verkauft; 2) dass er den Preis der einzelnen Waaren festsetzt und durch Multiplikation den Preis des Gesammtprodukts bestimmt, während der ursprüngliche Process der der Division ist (s. Buch I, Kap. X, 314/323), und die Multiplikation nur zweiter Hand, auf Voraussetzung jener Division richtig ist. Der Vulgär- ökonom thut in der That nichts als die sonderbaren Vorstellungen der in der Konkurrenz befangnen Kapitalisten in eine scheinbar mehr theoretische, verallgemeinernde Sprache zu übersetzen und sich abzumühn, die Richtigkeit dieser Vorstellungen zu kon- struiren.
In der That ist das Fallen der Waarenpreise und das Steigen der Profitmasse auf die gewachsne Masse der verwohlfeilerten Waaren nur ein andrer Ausdruck für das Gesetz von fallender Profitrate bei gleichzeitig steigender Masse des Profits.
Die Untersuchung, wie weit fallende Profitrate mit steigenden Preisen zusammenfallen kann, gehört ebensowenig hierher, wie der früher, Buch I, S. 314/323, beim relativen Mehrwerth erörterte Punkt. Der Kapitalist, der verbesserte, aber noch nicht verallge- meinerte Produktionsweisen anwendet, verkauft unter dem Markt- preis, aber über seinem individuellen Produktionspreis; so steigt die Profitrate für ihn, bis die Konkurrenz dies ausgeglichen; eine Ausgleichungsperiode, während deren Verlauf das zweite Requisit, das Wachsthum des ausgelegten Kapitals sich einfindet; je nach dem Grad dieses Wachsthums wird der Kapitalist nun im Stande sein, einen Theil der früher beschäftigten Arbeitermasse, ja viel- leicht die ganze oder eine grössre Arbeitermasse unter den neuen Bedingungen zu beschäftigen, also dieselbe oder eine höhere Pro- fitmasse zu produciren.
Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit selbst nur in den letzten 30 Jahren, verglichen mit allen frühern Perioden, betrachtet, wenn man namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das ausser der eigentlichen Maschinerie in die Gesammtheit des ge- sellschaftlichen Produktionsprocesses eingeht, so tritt an die Stelle der Schwierigkeit, welche bisher die Oekonomen beschäftigt hat, nämlich den Fall der Profitrate zu erklären, die umgekehrte, nämlich zu erklären warum dieser Fall nicht grösser oder rascher ist? Es müssen gegenwirkende Einflüsse im Spiel sein, welche die Wirkung des allgemeinen Gesetzes durchkreuzen und aufheben, und ihm nur den Charakter einer Tendenz geben, weshalb wir auch den Fall der allgemeinen Profitrate als einen tendenziellen Fall bezeichnet haben. Die allgemeinsten dieser Ursachen sind folgende:
Der Exploitationsgrad der Arbeit, die Aneignung von Mehrar- beit und Mehrwerth wird erhöht namentlich durch Verlängerung des Arbeitstags und Intensifikation der Arbeit. Diese beiden Punkte sind ausführlich entwickelt in Buch I bei der Produktion des absoluten und des relativen Mehrwerths. Es gibt viele Mo- mente der Intensifikation der Arbeit, die ein Wachsthum des kon- stanten Kapitals gegen das variable, also Fall der Profitrate ein- schliessen, wie wenn ein Arbeiter grössre Masse von Maschinerie zu überwachen hat. Hier — wie bei den meisten Proceduren, die zur Produktion des relativen Mehrwerths dienen — mögen dieselben Ursachen, die ein Wachsthum in der Rate des Mehr- werths hervorbringen, einen Fall in der Masse des Mehrwerths, gegebne Grössen von angewandtem Gesammtkapital betrachtet, einschliessen. Aber es gibt andre Momente der Intensifikation, wie z. B. beschleunigte Geschwindigkeit der Maschinerie, die in derselben Zeit zwar mehr Rohmaterial vernutzen, aber was das fixe Kapital angeht, die Maschinerie zwar schneller aufnutzen, das Verhältniss ihres Werths zum Preis der Arbeit, die sie in Be- wegung setzt, indess keineswegs afficiren. Namentlich aber ist es die Verlängerung des Arbeitstags, diese Erfindung der modernen Industrie, welche die Masse der angeeigneten Mehrarbeit vermehrt,
ohne das Verhältniss der angewandten Arbeitskraft zu dem von ihr in Bewegung gesetzten konstanten Kapital wesentlich zu ver- ändern, und welche in der That eher das letztere relativ vermindert. Sonst ist es bereits nachgewiesen — und bildet das eigentliche Geheimniss des tendenziellen Falls der Profitrate — dass die Pro- ceduren zur Erzeugung von relativem Mehrwerth im Ganzen und Grossen darauf hinauslaufen: einerseits von einer gegebnen Masse Arbeit möglichst viel in Mehrwerth zu verwandeln, andrerseits im Verhältniss zum vorgeschossnen Kapital möglichst wenig Arbeit überhaupt anzuwenden; sodass dieselben Gründe, welche erlauben, den Exploitationsgrad der Arbeit zu erhöhen, es verbieten mit dem- selben Gesammtkapital ebensoviel Arbeit wie früher zu exploitiren. Dies sind die widerstreitenden Tendenzen die, während sie auf eine Steigerung in der Rate des Mehrwerths, gleichzeitig auf einen Fall der von einem gegebnen Kapital erzeugten Masse des Mehrwerths, und daher der Rate des Profits hinwirken. Ebenfalls ist die massenhafte Einführung von Weiber- und Kinderarbeit so- weit hier zu erwähnen, als die ganze Familie dem Kapital eine grössre Masse Mehrarbeit liefern muss als vorher, selbst wenn die Gesammtsumme des ihr gegebnen Arbeitslohns wächst, was keines- wegs allgemein der Fall. — Alles was die Produktion des relativen Mehrwerths fördert durch blosse Verbesserung der Methoden, wie in der Agrikultur, bei unveränderter Grösse des angewandten Ka- pitals, hat dieselbe Wirkung. Hier steigt zwar nicht das ange- wandte konstante Kapital im Verhältniss zum variablen, soweit wir letzteres als Index der beschäftigten Arbeitskraft betrachten, aber es steigt die Masse des Produkts im Verhältniss zur angewandten Arbeitskraft. Dasselbe findet statt, wenn die Produktivkraft der Arbeit (einerlei ob ihr Produkt in die Konsumtion der Arbeiter eingeht oder in die Elemente des konstanten Kapitals) befreit wird von Verkehrshemmungen, willkürlichen oder im Lauf der Zeit störend gewordnen Einschränkungen, überhaupt von Fesseln aller Art, ohne dass dadurch zunächst das Verhältniss des variablen zum konstanten Kapitals berührt wird.
Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob in den, den Fall der Profitrate hemmenden, ihn in letzter Instanz aber stets be- schleunigenden Ursachen einbegriffen sind die temporären, aber sich stets wiederholenden, bald in diesem, bald in jenem Produk- tionszweig auftauchenden Erhöhungen des Mehrwerths über das allge- meine Niveau für den Kapitalisten, der Erfindungen u. s. w. benutzt, bevor sie verallgemeinert sind. Diese Frage muss bejaht werden.
Die Masse des Mehrwerths, die ein Kapital von gegebner Grösse erzeugt, ist das Produkt zweier Faktoren, der Rate des Mehrwerths multiplicirt mit der Arbeiterzahl, die zur gegebnen Rate beschäftigt wird. Sie hängt also ab bei gegebner Rate des Mehrwerths von der Arbeiterzahl und bei gegebner Arbeiterzahl von der Rate des Mehrwerths, überhaupt also von dem zusammengesetzten Verhält- niss der absoluten Grösse des variablen Kapitals und der Rate des Mehrwerths. Nun hat sich gezeigt, dass im Durchschnitt dieselben Ursachen, die die Rate des relativen Mehrwerths erhöhen, die Masse der angewandten Arbeitskraft erniedrigen. Es ist aber klar, dass ein Mehr oder Minder hier eintritt, je nach dem bestimmten Verhältniss, worin diese gegensätzliche Bewegung sich vollzieht, und dass die Tendenz zur Verminderung der Profitrate namentlich geschwächt wird durch Erhöhung der Rate des absoluten, aus Verlängerung des Arbeitstags stammenden Mehrwerths.
Bei der Profitrate hat sich im allgemeinen gefunden, dass dem Sinken der Rate, wegen der steigenden Masse des angewandten Gesammtkapitals, die Zunahme der Profitmasse entspricht. Das gesammte variable Kapital der Gesellschaft betrachtet, ist der von ihm erzeugte Mehrwerth gleich dem erzeugten Profit. Neben der absoluten Masse ist auch die Rate des Mehrwerths gewachsen; die eine, weil die von der Gesellschaft angewandte Masse Arbeitskraft gewachsen, die zweite, weil der Exploitationsgrad dieser Arbeit gewachsen. Aber mit Bezug auf ein Kapital von gegebner Grösse, z. B. 100, kann die Rate des Mehrwerths wachsen, während die Masse im Durchschnitt fällt; weil die Rate bestimmt ist durch das Verhältniss, worin sich der variable Kapitaltheil verwerthet, die Masse dagegen bestimmt ist durch den Verhältnisstheil, den das variable Kapital vom Gesammtkapital ausmacht.
Das Steigen der Mehrwerthsrate — da es namentlich auch unter Umständen stattfindet wo, wie oben angeführt, keine oder keine verhältnissmäßige Vermehrung des konstanten Kapitals gegen das variable stattfindet — ist ein Faktor, wodurch die Masse des Mehrwerths, und daher auch die Profitrate mit bestimmt wird. Er hebt nicht das allgemeine Gesetz auf. Aber er macht, dass es mehr als Tendenz wirkt, d. h. als ein Gesetz, dessen absolute Durch- führung durch gegenwirkende Umstände aufgehalten, verlangsamt, abgeschwächt wird. Da aber dieselben Ursachen, die die Rate des Mehrwerths erhöhen (selbst die Verlängerung der Arbeitszeit ist ein Resultat der grossen Industrie), dahin streben, die von einem gegebnen Kapital angewandte Arbeitskraft zu vermindern, so streben
dieselben Ursachen zur Verminderung der Profitrate und zur ver- langsamten Bewegung dieser Verminderung. Wenn einem Arbeiter die Arbeit aufgezwungen wird, die rationell nur zwei verrichten können, und wenn dies unter Umständen geschieht, wo dieser eine drei ersetzen kann, so wird der eine so viel Mehrarbeit liefern wie früher zwei, und sofern ist die Rate des Mehrwerths gestiegen. Aber er wird nicht so viel liefern wie vorher drei, und damit ist die Masse des Mehrwerths gefallen. Ihr Fall ist aber kompensirt oder beschränkt durch das Steigen der Rate des Mehrwerths. Wird die gesammte Bevölkerung zu gestiegner Rate des Mehrwerths beschäftigt, so steigt die Masse des Mehrwerths, obgleich die Be- völkerung dieselbe bleibt. Noch mehr bei wachsender Bevölke- rung; und obgleich dies verbunden ist mit einem relativen Fall der beschäftigten Arbeiterzahl im Verhältniss zur Grösse des Ge- sammtkapitals, so wird dieser Fall doch gemäßigt oder aufgehalten durch die gestiegne Rate des Mehrwerths.
Ehe wir diesen Punkt verlassen, ist noch einmal zu betonen, dass bei gegebner Grösse des Kapitals die Rate des Mehrwerths wachsen kann, obgleich seine Masse fällt, und umgekehrt. Die Masse des Mehrwerths ist gleich der Rate multiplicirt mit der Arbeiterzahl; die Rate wird aber nie auf das Gesammtkapital, sondern nur auf das variable Kapital berechnet, in der That nur auf je einen Arbeitstag. Dagegen kann bei gegebner Grösse des Kapitalwerths die Profitrate nie steigen oder fallen, ohne dass die Masse des Mehrwerths ebenfalls steigt oder fällt.
Dies wird hier nur empirisch angeführt, da es in der That, wie manches andre, was hier aufzuführen wäre, mit der allgemeinen Analyse des Kapitals nichts zu thun hat, sondern in die, in diesem Werk nicht behandelte, Darstellung der Konkurrenz gehört. Doch ist es eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten.
Alles was im ersten Abschnitt dieses Buchs über die Ursachen gesagt worden, die die Profitrate erhöhen bei konstanter Mehr- werthsrate, oder unabhängig von der Mehrwerthsrate, gehört hierher. Also namentlich dass, das Gesammtkapital betrachtet, der
Werth des konstanten Kapitals nicht in demselben Verhältniss wächst, wie sein materieller Umfang. Z. B. die Baumwollmasse, die ein einzelner europäischer Spinnarbeiter in einer modernen Fabrik verarbeitet, ist gewachsen im kolossalsten Verhältniss zu dem was ein europäischer Spinner früher mit dem Spinnrad ver- arbeitete. Aber der Werth der verarbeiteten Baumwolle ist nicht in demselben Verhältniss gewachsen wie ihre Masse. Ebenso mit den Maschinen und andrem fixen Kapital. Kurz dieselbe Ent- wicklung, die die Masse des konstanten Kapitals steigert im Ver- hältniss zum variablen, vermindert, in Folge der gesteigerten Pro- duktivkraft der Arbeit, den Werth seiner Elemente, und verhindert daher, dass der Werth des konstanten Kapitals, obgleich beständig wachsend, im selben Verhältniss wachse wie sein materieller Um- fang, d. h. der materielle Umfang der Produktionsmittel, die von derselben Menge Arbeitskraft in Bewegung gesetzt werden. In einzelnen Fällen kann sogar die Masse der Elemente des konstanten Kapitals zunehmen, während sein Werth gleich bleibt oder gar fällt.
Mit dem Gesagten hängt zusammen die mit der Entwicklung der Industrie gegebne Entwerthung des vorhandnen Kapitals (d. h. seiner stofflichen Elemente). Auch sie ist eine der beständig wirkenden Ursachen, welche den Fall der Profitrate aufhalten, ob- gleich sie unter Umständen die Masse des Profits beeinträchtigen kann durch Beeinträchtigung der Masse des Kapitals, das Profit abwirft. Es zeigt sich hier wieder, dass dieselben Ursachen, welche die Tendenz zum Fall der Profitrate erzeugen, auch die Verwirk- lichung dieser Tendenz mäßigen.
Ihre Erzeugung ist unzertrennlich von der, und wird beschleunigt durch die, Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, die sich in der Abnahme der Profitrate ausdrückt. Die relative Ueberbe- völkerung zeigt sich um so auffallender in einem Lande, je mehr die kapitalistische Produktionsweise in ihm entwickelt ist. Sie ist wiederum Grund, einerseits, dass in vielen Produktionszweigen die mehr oder minder unvollständige Unterordnung der Arbeit unter das Kapital fortdauert, und länger fortdauert, als dies dem allge- meinen Stand der Entwicklung auf den ersten Blick entspricht; es ist dies Folge der Wohlfeilheit und Masse der disponiblen oder freigesetzten Lohnarbeiter, und des grössern Widerstandes, den manche Produktionszweige, ihrer Natur nach, der Verwandlung
von Handarbeit in Maschinenarbeit entgegensetzen. Andrerseits öffnen sich neue Produktionszweige, besonders auch für Luxus- konsumtion, die eben jene relative, oft durch Ueberwiegen des konstanten Kapitals in andren Produktionszweigen freigesetzte Be- völkerung als Basis nehmen, ihrerseits wieder auf Ueberwiegen des Elements der lebendigen Arbeit beruhn, und erst nach und nach dieselbe Karriere wie die andren Produktionszweige durchmachen. In beiden Fällen nimmt das variable Kapital eine bedeutende Pro- portion des Gesammtkapitals ein und ist der Arbeitslohn unter dem Durchschnitt, sodass sowohl Mehrwerthsrate wie Mehrwerths- masse in diesen Produktionszweigen ungewöhnlich hoch sind. Da nun die allgemeine Profitrate durch die Ausgleichung der Profit- raten in den besondren Produktionszweigen gebildet wird, bringt hier wieder dieselbe Ursache, die die fallende Tendenz der Profit- rate erzeugt, ein Gegengewicht gegen diese Tendenz hervor, das ihre Wirkung mehr oder minder paralysirt.
Soweit der auswärtige Handel theils die Elemente des konstanten Kapitals, theils die nothwendigen Lebensmittel, worin das variable Kapital sich umsetzt, verwohlfeilert, wirkt er steigernd auf die Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerths hebt und den Werth des konstanten Kapitals senkt. Er wirkt überhaupt in diesem Sinn, indem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern. Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andrerseits aber auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante, und damit den Fall der Profitrate. Ebenso ist die Ausdehnung des auswärtigen Handels, obgleich in der Kindheit der kapitalistischen Produktionsweise deren Basis, in ihrem Fortschritt, durch die innere Nothwendigkeit dieser Produktionsweise, durch ihr Bedürf- niss nach stets ausgedehnterm Markt, ihr eignes Produkt geworden. Es zeigt sich hier wieder dieselbe Zwieschlächtigkeit der Wirkung. (Ricardo hat diese Seite des auswärtigen Handels ganz übersehn.)
Eine andre Frage — die in ihrer Specialität eigentlich jenseits der Grenze unsrer Untersuchung liegt — ist die: Wird die all- gemeine Profitrate erhöht durch die höhere Profitrate, die das im auswärtigen und namentlich im Kolonialhandel angelegte Kapital macht?
Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine höhere Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waaren konkurrirt wird, die von andern Ländern mit mindren Produktionsleichtigkeiten
producirt werden, sodass das fortgeschrittnere Land seine Waaren über ihrem Werth verkauft, obgleich wohlfeiler als die Konkurrenz- länder. Sofern die Arbeit des fortgeschrittnern Landes hier als Arbeit von höherm specifischen Gewicht verwerthet wird, steigt die Profitrate, indem die Arbeit, die nicht als qualitativ höhere bezahlt, als solche verkauft wird. Dasselbe Verhältniss kann statt- finden gegen das Land, wohin Waaren gesandt und woraus Waaren bezogen werden; dass dies nämlich mehr vergegenständlichte Arbeit in natura gibt, als es erhält, und dass es doch hierbei die Waare wohlfeiler erhält, als es sie selbst produciren könnte. Ganz wie der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung benutzt, wohlfeiler verkauft als seine Konkurrenten, und dennoch über dem individuellen Werth seiner Waare verkauft, d. h. die specifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwerthet. Er realisirt so einen Surplusprofit. Was andrerseits die in Kolonien etc. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigen Entwicklung die Profitrate höher steht, und ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis etc., die Exploi- tation der Arbeit. Warum nun die höhern Profitraten, die in ge- wissen Zweigen angelegte Kapitale so abwerfen und nach der Heimath abführen, hier, wenn sonst nicht Monopole im Wege stehn, nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehn und daher diese pro tanto erhöhn sollen, ist nicht abzusehn.(FN36) Es ist dies namentlich nicht abzusehn, wenn jene Zweige der Kapitalanwendung unter den Gesetzen der freien Konkurrenz stehn. Was Ricardo dagegen vorschwebt, ist namentlich dies: mit dem im Ausland erzielten höheren Preis werden dort Waaren gekauft und als Retour nach Hause geschickt; diese Waaren werden also im Inland verkauft, und es kann dies daher höchstens eine tem- poräre Extrabevortheilung dieser begünstigten Sphären der Pro- duktion über andre ausmachen. Dieser Schein fällt weg, sobald von der Geldform abgesehn wird. Das begünstigte Land erhält mehr Arbeit zurück im Austausch für weniger Arbeit, obgleich diese Differenz, dies Mehr, wie beim Austausch zwischen Arbeit und Kapital überhaupt, von einer gewissen Klasse eingesackt wird. Soweit also die Profitrate höher ist, weil sie überhaupt höher in
dem Kolonialland, mag dies bei günstigen Naturbedingungen des- selben mit niedren Waarenpreisen Hand in Hand gehn. Aus- gleichung findet statt, aber nicht Ausgleichung zum alten Niveau, wie Ricardo meint.
Derselbe auswärtige Handel aber entwickelt im Inland die kapi- talistische Produktionsweise, und damit die Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten, und producirt auf der andern Seite Ueberproduktion mit Bezug auf das Ausland, hat daher auch wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.
Und so hat sich denn im allgemeinen gezeigt, dass dieselben Ursachen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen, Gegenwirkungen hervorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen und theilweise paralysiren. Sie heben das Gesetz nicht auf, schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das Fallen der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt die relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.
Ehe wir nun weiter gehn, wollen wir zur Vermeidung von Missverständniss noch zwei mehrfach entwickelte Sätze wiederholen.
Erstens: Derselbe Process, der die Verwohlfeilerung der Waaren im Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise erzeugt, erzeugt eine Veränderung in der organischen Zusammensetzung des zur Produktion der Waaren angewandten gesellschaftlichen Kapi- tals, und in Folge dessen den Fall der Profitrate. Man muss also die Verminderung der relativen Kost der einzelnen Waare, auch des Theils dieser Kost, der Verschleiss von Maschinerie enthält, nicht identificiren mit dem steigenden Werth des konstanten Kapi- tals verglichen mit dem variablen, obgleich umgekehrt jede Ver- minderung in der relativen Kost des konstanten Kapitals, bei gleich- bleibendem oder wachsendem Umfang seiner stofflichen Elemente, auf die Erhöhung der Profitrate, d. h. auf Verminderung pro tanto im Werth des konstanten Kapitals verglichen mit dem in sinkenden Proportionen angewandten variablen Kapital wirkt.
Zweitens: Der Umstand, dass in den einzelnen Waaren, aus deren Gesammtheit das Produkt des Kapitals besteht, die enthaltne zusätzliche lebendige Arbeit in einem abnehmenden Verhältniss zu den in ihnen enthaltnen Arbeitsstoffen und den in ihnen konsumirten Arbeitsmitteln steht; der Umstand also, dass ein stets abnehmendes Quantum zusätzlicher lebendiger Arbeit in ihnen vergegenständlicht ist, weil weniger Arbeit zu ihrer Produktion erheischt mit Ent-
wicklung der gesellschaftlichen Produktionskraft, — dieser Umstand trifft nicht das Verhältniss, worin sich die in der Waare enthaltne lebendige Arbeit in bezahlte und unbezahlte theilt. Umgekehrt. Obgleich das Gesammtquantum der in ihr enthaltnen zusätz- lichen lebendigen Arbeit fällt, wächst der unbezahlte Theil im Verhältniss zum bezahlten, entweder durch absolutes oder pro- portionelles Sinken des bezahlten Theils; denn dieselbe Produktions- weise, die die Gesammtmasse der zusätzlichen lebendigen Arbeit in einer Waare vermindert, ist begleitet vom Steigen des absoluten und relativen Mehrwerths. Das tendenzielle Sinken der Profitrate ist verbunden mit einem tendenziellen Steigen in der Rate des Mehrwerths, also im Exploitationsgrad der Arbeit. Nichts alberner daher, als das Sinken der Profitrate aus einem Steigen in der Rate des Arbeitslohns zu erklären, obgleich auch dies ausnahmsweise der Fall sein mag. Die Statistik wird erst durch Verständniss der Verhältnisse, die die Profitrate bilden, befähigt, wirkliche Ana- lysen über die Rate des Arbeitslohns in verschiednen Epochen und Ländern vorzunehmen. Die Profitrate fällt nicht, weil die Arbeit unproduktiver, sondern weil sie produktiver wird. Beides, Steigen der Rate des Mehrwerths und Fallen der Rate des Profits sind nur besondre Formen, worin sich wachsende Produktivität der Arbeit kapitalistisch ausdrückt.
Den obigen fünf Punkten kann noch hinzugefügt werden der folgende, worauf aber zunächst nicht tiefer eingegangen werden kann. Ein Theil des Kapitals wird im Fortschritt der kapitalistischen Produktion, der mit beschleunigter Akkumulation Hand in Hand geht, nur als zinstragendes Kapital berechnet und angewandt. Nicht in dem Sinne, worin jeder Kapitalist, der Kapital ausleiht, sich mit den Zinsen begnügt, während der industrielle Kapitalist den Unternehmergewinn einsteckt. Dies geht die Höhe der all- gemeinen Profitrate nichts an, denn für sie ist der Profit = Zins + Profit aller Art + Grundrente, deren Vertheilung in diese besondren Kategorien für sie gleichgültig ist. Sondern in dem Sinn, dass diese Kapitale, obgleich in grosse produktive Unter- nehmungen gesteckt, nach Abzug aller Kosten nur grosse oder kleine Zinsen, sogenannte Dividenden abwerfen. Z. B. in Eisen- bahnen. Sie gehn also nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate ein, da sie eine geringre als die Durchschnittsprofitrate abwerfen. Gingen sie ein, so sänke diese viel tiefer. Theoretisch
betrachtet, kann man sie einrechnen, und erhält dann eine geringre Profitrate, als die scheinbar existirende und die Kapitalisten wirk- lich bestimmende, da gerade in diesen Unternehmungen das kon- stante Kapital im Verhältniss zum variablen am grössten.
Man hat im ersten Abschnitt dieses Buchs gesehn, dass die Profitrate die Mehrwerthsrate stets niedriger ausdrückt als sie ist. Man hat jetzt gesehn, dass selbst eine steigende Rate des Mehr- werths die Tendenz hat, sich in einer fallenden Profitrate auszu- drücken. Die Profitrate wäre nur gleich der Rate des Mehrwerths, wenn c = 0, d. h. wenn das Gesammtkapital in Arbeitslohn aus- gelegt. Eine fallende Profitrate drückt nur dann eine fallende Rate des Mehrwerths aus, wenn das Verhältniss zwischen dem Werth des konstanten Kapitals und der Menge der es in Bewegung setzenden Arbeitskraft unverändert bleibt, oder wenn diese letztere, im Verhältniss zum Werth des konstanten Kapitals, gestiegen ist.
Ricardo, unter dem Vorwand die Profitrate zu betrachten, be- trachtet in der That nur die Rate des Mehrwerths, und diese nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitstag intensiv und extensiv eine konstante Grösse ist.
Fall der Profitrate und beschleunigte Akkumulation sind inso- fern nur verschiedne Ausdrücke desselben Processes, als beide die Entwicklung der Produktivkraft ausdrücken. Die Akkumulation ihrerseits beschleunigt den Fall der Profitrate, sofern mit ihr die Koncentration der Arbeiten auf grosser Stufenleiter, und damit eine höhere Zusammensetzung des Kapitals gegeben ist. Andrer- seits beschleunigt der Fall der Profitrate wieder die Koncentration des Kapitals und seine Centralisation durch die Enteignung der kleinern Kapitalisten, durch die Expropriation des letzten Rests der unmittelbaren Producenten, bei denen noch etwas zu expro- priiren ist. Dadurch wird andrerseits die Akkumulation, der Masse nach, beschleunigt, obgleich mit der Profitrate die Rate der Akku- mulation fällt.
Andrerseits, soweit die Rate der Verwerthung des Gesammt- kapitals, die Profitrate der Stachel der kapitalistischen Produktion
ist (wie die Verwerthung des Kapitals ihr einziger Zweck), ver- langsamt ihr Fall die Bildung neuer selbständiger Kapitale und erscheint so als bedrohlich für die Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprocesses; er befördert Ueberproduktion, Spekulation, Krisen, überflüssiges Kapital neben überflüssiger Bevölkerung. Die Oekonomen also, die wie Ricardo, die kapitalistische Produktions- weise für die absolute halten, fühlen hier, dass diese Produktions- weise sich selbst eine Schranke schafft, und schieben daher diese Schranke nicht der Produktion zu, sondern der Natur (in der Lehre von der Rente). Das Wichtige aber in ihrem Horror vor der fallenden Profitrate ist das Gefühl, dass die kapitalistische Pro- duktionsweise an der Entwicklung der Produktivkräfte eine Schranke findet, die nichts mit der Produktion des Reichthums als solcher zu thun hat; und diese eigenthümliche Schranke bezeugt die Be- schränktheit und den nur historischen, vorübergehenden Charakter der kapitalistischen Produktionsweise; bezeugt, dass sie keine für die Produktion des Reichthums absolute Produktionsweise ist, viel- mehr mit seiner Fortentwicklung auf gewisser Stufe in Konflikt tritt.
Ricardo und seine Schule betrachten allerdings nur den indu- striellen Profit, worin der Zins eingeschlossen. Aber auch die Rate der Grundrente hat fallende Tendenz, obgleich ihre absolute Masse wächst, und sie auch proportionell wachsen mag gegen den industriellen Profit. (Siehe Ed. West, der vor Ricardo das Gesetz der Grundrente entwickelt hat.) Betrachten wir das gesellschaft- liche Gesammtkapital C, und setzen wir p1 für den, nach Abzug von Zins und Grundrente bleibenden industriellen Profit, z für den Zins und r für die Grundrente, so ist + . Wir haben gesehn, dass obwohl im Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktion m, die Gesammtsumme des Mehr- werths, stetig wächst, dennoch ebenso stetig abnimmt, weil C noch rascher wächst als m. Es ist also durchaus kein Wider- spruch, dass p1, z und r jedes für sich stets wachsen können, während sowohl wie und jedes für sich immer kleiner werden, oder dass p1 gegen z, oder r gegen p1, oder auch gegen p1 und z relativ wächst. Bei steigendem Gesammtmehrwerth oder Profit m = p, aber gleichzeitig fallenden Profitrate = kann das
Grössenverhältniss der Theile p1, z und r, worin m = p zerfällt, innerhalb der durch die Gesammtsumme m gegebnen Grenzen be- liebig wechseln, ohne dass dadurch die Grösse von m oder afficirt wird.
Die wechselseitige Variation von p1, z und r ist bloss verschiedne Vertheilung von m unter verschiedne Rubriken. Es kann daher auch , oder , die Rente des individuellen industriellen Profits, die Zinsrate und das Verhältniss der Rate zum Gesammtkapital je eins gegen das andre steigen, obgleich , die allgemeine Profit- rate, fällt; Bedingung bleibt nur, dass die Summe aller drei = . Fällt die Profitrate von 50 % auf 25 %, wenn z. B. die Kapital- zusammensetzung, bei einer Mehrwerthsrate = 100 %, sich von 50c + 50v auf 75c + 25v verändert, so wird im ersten Fall ein Kapital von 1000 einen Profit von 500, und im zweiten ein Ka- pital von 4000 einen Profit von 1000 geben. m oder p hat sich verdoppelt, aber p' ist um die Hälfte gefallen. Und wenn von den 50 % früher 20 Profit, 10 Zins, 20 Rente, so betrug = 20 %, = 10 %, = 20 %. Blieben bei Verwandlung in 25 % die Verhältnisse dieselben, so = 10 %, = 5 % und und = 10 %. Fiele dagegen nun auf 8 % und auf 4 % so stiege auf 12 %. Die proportionelle Grösse von r wäre ge- stiegen gegen p1 und z, aber dennoch wäre p' gleich geblieben. Unter beiden Voraussetzungen wäre die Summe von p1, z und r gestiegen, da sie vermittelst eines viermal grösseren Kapitals producirt wird. Uebrigens ist Ricardo’s Voraussetzung, dass ursprünglich der industrielle Profit (plus Zins) den ganzen Mehrwerth einsteckt, historisch und begrifflich falsch. Es ist vielmehr nur der Fortschritt der kapitalistischen Produk- tion, der 1) den industriellen und kommerziellen Kapitalisten den ganzen Profit erster Hand zur spätern Vertheilung gibt, und 2) die Rente auf den Ueberschuss über den Profit reducirt. Auf dieser kapita- listischen Basis wächst dann wieder die Rente, die ein Theil des Profits (d. h. des Mehrwerths als Produkt des Gesammtkapitals betrachtet) ist, aber nicht der specifische Theil des Produkts, den der Kapitalist einsteckt.
Die Schöpfung von Mehrwerth findet, die nöthigen Produktions-
mittel, d. h. hinreichende Akkumulation von Kapital vorausgesetzt, keine andre Schranke als die Arbeiterbevölkerung, wenn die Rate des Mehrwerths, also der Exploitationsgrad der Arbeit; und keine andre Schranke als den Exploitationsgrad der Arbeit, wenn die Arbeiterbevölkerung gegeben ist. Und der kapitalistische Produk- tionsprocess besteht wesentlich in der Produktion von Mehrwerth, dargestellt in dem Mehrprodukt oder dem aliquoten Theil der producirten Waaren, worin unbezahlte Arbeit vergegenständlicht ist. Man muss es nie vergessen, dass die Produktion dieses Mehr- werths — und die Rückverwandlung eines Theils desselben in Kapital, oder die Akkumulation, bildet einen integrirenden Theil dieser Produktion des Mehrwerths — der unmittelbare Zweck und das bestimmende Motiv der kapitalistischen Produktion ist. Man darf diese daher nie darstellen als das, was sie nicht ist, nämlich als Produktion, die zu ihrem unmittelbaren Zweck den Genuss hat oder die Erzeugung von Genussmitteln für den Kapitalisten. Man sieht dabei ganz ab von ihrem specifischen Charakter, der sich in ihrer ganzen innern Kerngestalt darstellt.
Die Gewinnung dieses Mehrwerths bildet den unmittelbaren Pro- duktionsprocess, der wie gesagt keine andren Schranken als die oben angegebnen hat. Sobald das auspressbare Quantum Mehr- arbeit in Waaren vergegenständlicht ist, ist der Mehrwerth pro- ducirt. Aber mit dieser Produktion des Mehrwerths ist nur der erste Akt des kapitalistischen Produktionsprocesses, der unmittel- bare Produktionsprocess beendet. Das Kapital hat so und so viel unbezahlte Arbeit eingesaugt. Mit der Entwicklung des Processes, der sich im Fall der Profitrate ausdrückt, schwillt die Masse des so producirten Mehrwerths ins Ungeheure. Nun kommt der zweite Akt des Processes. Die gesammte Waarenmasse, das Gesammt- produkt, sowohl der Theil, der das konstante und variable Kapital ersetzt, wie der den Mehrwerth darstellt, muss verkauft werden. Geschieht das nicht, oder nur zum Theil, oder nur zu Preisen, die unter den Produktionspreisen stehn, so ist der Arbeiter zwar ex- ploitirt, aber seine Exploitation realisirt sich nicht als solche für den Kapitalisten, kann mit gar keiner oder nur theilweiser Reali- sation des abgepressten Mehrwerths, ja mit theilweisem oder ganzem Verlust seines Kapitals verbunden sein. Die Bedingungen der un- mittelbaren Exploitation und die ihrer Realisation sind nicht iden- tisch. Sie fallen nicht nur nach Zeit und Ort, sondern auch be- grifflich auseinander. Die einen sind nur beschränkt durch die Produktivkraft der Gesellschaft, die andren durch die Proportio-
nalität der verschiednen Produktionszweige und durch die Konsum- tionskraft der Gesellschaft. Diese letztre ist aber bestimmt weder durch die absolute Produktionskraft noch durch die absolute Kon- sumtionskraft; sondern durch die Konsumtionskraft auf Basis antagonistischer Distributionsverhältnisse, welche die Konsumtion der grossen Masse der Gesellschaft auf ein, nur innerhalb mehr oder minder enger Grenzen veränderliches Minimum reducirt. Sie ist ferner beschränkt durch den Akkumulationstrieb, den Trieb nach Vergrösserung des Kapitals und nach Produktion von Mehr- werth auf erweiterter Stufenleiter. Dies ist Gesetz für die kapi- talistische Produktion, gegeben durch die beständigen Revolutionen in den Produktionsmethoden selbst, die damit beständig verknüpfte Entwerthung von vorhandnem Kapital, den allgemeinen Konkurrenz- kampf und die Nothwendigkeit, die Produktion zu verbessern und ihre Stufenleiter auszudehnen, bloss als Erhaltungsmittel und bei Strafe des Untergangs. Der Markt muss daher beständig ausge- dehnt werden, sodass seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Producenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer unkontrollirbarer werden. Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äussern Feldes der Produktion. Je mehr sich aber die Produktivkraft entwickelt, um so mehr geräth sie in Widerstreit mit der engen Basis, worauf die Konsumtionsverhält- nisse beruhen. Es ist auf dieser widerspruchsvollen Basis durchaus kein Widerspruch, dass Uebermaß von Kapital verbunden ist mit wachsendem Uebermaß von Bevölkerung; denn obgleich, beide zu- sammengebracht, die Masse des producirten Mehrwerths sich steigern würde, steigert sich eben damit der Widerspruch zwischen den Bedingungen, worin dieser Mehrwerth producirt, und den Bedin- gungen, worin er realisirt wird.
Eine bestimmte Profitrate gegeben, hängt die Masse des Profits stets ab von der Grösse des vorgeschossnen Kapitals. Die Akku- mulation aber ist dann bestimmt durch den Theil dieser Masse der in Kapital rückverwandelt wird. Dieser Theil aber, da er gleich dem Profit minus der von den Kapitalisten verzehrten Re- venue, wird nicht nur abhängen von dem Werth dieser Masse, sondern auch von der Wohlfeilheit der Waaren, die der Kapitalist damit kaufen kann; der Waaren, theils die in seinen Konsum, seine Revenue, theils die in sein konstantes Kapital eingehn. (Der Ar- beitslohn ist hier als gegeben vorausgesetzt.)
Die Masse des Kapitals, die der Arbeiter in Bewegung setzt,
und deren Werth er durch seine Arbeit erhält und im Produkt wieder erscheinen macht, ist durchaus verschieden von dem Werth, den er zusetzt. Ist die Masse des Kapitals = 1000 und die zu- gesetzte Arbeit = 100, so das reproducirte Kapital = 1100. Ist die Masse = 100 und die zugesetzte Arbeit = 20, so das re- producirte Kapital = 120. Die Profitrate ist im ersten Fall = 10 %, im zweiten = 20 %. Und dennoch kann aus 100 mehr akkumulirt werden als aus 20. Und so wälzt sich der Strom des Kapitals fort (abgesehn von seiner Entwerthung durch Steigerung der Produktivkraft) oder seine Akkumulation im Verhältniss der Wucht, die es schon besitzt, nicht im Verhältniss zur Höhe der Profitrate. Hohe Profitrate, soweit sie auf hoher Mehrwerthsrate beruht, ist möglich, wenn der Arbeitstag sehr lang, obgleich die Arbeit unproduktiv ist; sie ist möglich, weil die Bedürfnisse der Arbeiter sehr gering, darum der Durchschnittslohn sehr niedrig, obgleich die Arbeit unproduktiv. Der Niedrigkeit des Lohns wird die Energielosigkeit der Arbeiter entsprechen. Das Kapital ak- kumulirt dabei langsam, trotz der hohen Profitrate. Die Be- völkerung ist stagnant und die Arbeitszeit, die das Produkt kostet, ist gross, obgleich der dem Arbeiter bezahlte Lohn klein ist.
Die Profitrate fällt, nicht weil der Arbeiter weniger exploitirt wird, sondern weil im Verhältniss zum angewandten Kapital über- haupt weniger Arbeit angewandt wird.
Fällt, wie gezeigt, sinkende Profitrate zusammen mit Steigen der Profitmasse, so wird ein grössrer Theil des jährlichen Produkts der Arbeit vom Kapitalisten unter der Kategorie Kapital ange- eignet (als Ersatz von verbrauchtem Kapital) und ein verhältniss- mäßig geringrer unter der Kategorie Profit. Daher die Phantasie des Pfaffen Chalmers, dass je geringre Masse des jährlichen Pro- dukts die Kapitalisten als Kapital verausgaben, sie um so grössre Profite schlucken; wobei ihnen dann die Staatskirche zu Hülfe kommt um für die Verzehrung, statt Kapitalisirung eines grossen Theils des Mehrprodukts zu sorgen. Der Pfaff verwechselt Ursache und Wirkung. Uebrigens wächst ja die Masse des Profits, auch bei kleinerer Rate, mit der Grösse des ausgelegten Kapitals. Dies bedingt jedoch zugleich Koncentration des Kapitals, da jetzt die Produktionsbedingungen die Anwendung von massenhaftem Kapital gebieten. Es bedingt ebenso dessen Centralisation, d. h. Ver- schlucken der kleinen Kapitalisten durch die grossen und Entkapi- talisirung der erstern. Es ist wieder nur in einer zweiten Potenz die Scheidung der Arbeitsbedingungen von den Producenten, zu
denen diese kleinern Kapitalisten noch gehören, da bei ihnen die eigne Arbeit noch eine Rolle spielt; die Arbeit des Kapitalisten steht überhaupt im umgekehrten Verhältniss zur Grösse seines Kapitals, d. h. zum Grad, worin er Kapitalist. Es ist diese Schei- dung zwischen Arbeitsbedingungen hier und Producenten dort, die den Begriff des Kapitals bildet, die mit der ursprünglichen Akku- mulation (Buch I, Kap. XXIV) sich eröffnet, dann als beständiger Process in der Akkumulation und Koncentration des Kapitals er- scheint, und hier endlich sich als Centralisation schon vorhandner Kapitale in wenigen Händen und Entkapitalisirung (dahin verändert sich nun die Expropriation) Vieler ausdrückt. Dieser Process würde bald die kapitalistische Produktion zum Zusammenbruch bringen, wenn nicht widerstrebende Tendenzen beständig wieder decentralisirend neben der centripetalen Kraft winkten.
Die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit zeigt sich doppelt: Erstens in der Grösse der schon producirten Produktivkräfte, in dem Werthumfang und Massenumfang der Pro- duktionsbedingungen, worunter die Neuproduktion stattfindet, und in der absoluten Grösse des schon akkumulirten produktiven Kapitals; zweitens in der verhältnissmäßigen Kleinheit des im Arbeitslohn ausgelegten Kapitaltheils gegen das Gesammtkapital, d. h. in der verhältnissmäßigen Kleinheit der lebendigen Arbeit, die zur Re- produktion und Verwerthung eines gegebnen Kapitals, zur Massen- produktion erheischt ist. Es unterstellt dies zugleich Koncentration des Kapitals.
Mit Bezug auf die angewandte Arbeitskraft zeigt sich die Ent- wicklung der Produktivkraft wieder doppelt: Erstens in der Ver- mehrung der Mehrarbeit, d. h. der Abkürzung der nothwendigen Arbeitszeit, die zur Reproduktion der Arbeitskraft erheischt ist. Zweitens in der Abnahme der Menge von Arbeitskraft (Arbeiter- zahl), die überhaupt angewandt wird, um ein gegebnes Kapital in Bewegung zu setzen.
Beide Bewegungen gehn nicht nur Hand in Hand, sondern be- dingen sich wechselseitig, sind Erscheinungen, worin sich das- selbe Gesetz ausdrückt. Indess wirken sie in entgegengesetzter Richtung auf die Profitrate. Die Gesammtmasse des Profits ist gleich der Gesammtmasse des Mehrwerths, die Profitrate = = . Der Mehrwerth aber, als Ge-
sammtbetrag, ist bestimmt erstens durch seine Rate, zweitens aber durch die Masse der zu dieser Rate gleichzeitig angewandten Arbeit, oder was dasselbe, durch die Grösse des variablen Kapitals. Nach der einen Seite hin steigt der eine Faktor, die Rate des Mehr- werths; nach der andren fällt (verhältnissmäßig oder absolut) der andre Faktor, die Anzahl der Arbeiter. Soweit die Entwicklung der Produktionskraft den bezahlten Theil der angewandten Arbeit vermindert, steigert sie den Mehrwerth, weil seine Rate; soweit sie jedoch die Gesammtmasse der von einem gegebnen Kapital ange- wandten Arbeit vermindert, vermindert sie den Faktor der Anzahl, womit die Rate des Mehrwerths multiplicirt wird, um seine Masse herauszubringen. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten, können nicht dieselbe Masse Mehrwerth liefern wie 24, die jeder nur 2 Stunden arbeiten, selbst wenn sie von der Luft leben könnten und daher gar nicht für sich selbst zu arbeiten hätten. In dieser Beziehung hat also die Kompensation der verringerten Arbeiterzahl durch Steigerung des Exploitationsgrads der Arbeit gewisse nicht überschreitbare Grenzen; sie kann daher den Fall der Profitrate wohl hemmen, aber nicht aufheben.
Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise fällt also die Rate des Profits, während seine Masse mit der zunehmenden Masse des angewandten Kapitals steigt. Die Rate gegeben, hängt die absolute Masse, worin das Kapital wächst, ab von seiner vor- handnen Grösse. Aber andrerseits diese Grösse gegeben, hängt das Verhältniss, worin es wächst, die Rate seines Wachsthums, von der Profitrate ab. Direkt kann die Steigerung der Produktiv- kraft (die ausserdem, wie erwähnt, stets mit Entwerthung des vor- handnen Kapitals Hand in Hand geht) die Werthgrösse des Kapi- tals nur vermehren, wenn sie durch Erhöhung der Profitrate den Werththeil des jährlichen Produkts vermehrt, der in Kapital rück- verwandelt wird. Soweit die Produktivkraft der Arbeit in Betracht kommt, kann dies nur geschehn (denn diese Produktivkraft hat direkt nichts zu thun mit dem Werth des vorhandnen Kapitals), soweit dadurch entweder der relative Mehrwerth erhöht, oder der Werth des konstanten Kapitals vermindert wird, also die Waaren verwohlfeilert werden, die entweder in die Reproduktion der Arbeits- kraft oder in die Elemente des konstanten Kapitals eingehn. Beides schliesst aber Entwerthung des vorhandnen Kapitals ein, und beides geht Hand in Hand mit der Verminderung des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten. Beides bedingt den Fall der Profitrate und beides verlangsamt ihn. Sofern ferner gesteigerte Profitrate
gesteigerte Nachfrage nach Arbeit verursacht, wirkt sie auf Ver- mehrung der Arbeiterbevölkerung und damit des exploitablen Ma- terials, das das Kapital erst zu Kapital macht.
Aber indirekt trägt die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit bei zur Vermehrung des vorhandnen Kapitalwerths, indem sie die Masse und Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerthe vermehrt, worin sich derselbe Tauschwerth darstellt und die das materielle Substrat, die sachlichen Elemente des Kapitals bilden, die stoff- lichen Gegenstände, woraus das konstante Kapital direkt und das variable wenigstens indirekt besteht. Mit demselben Kapital und derselben Arbeit werden mehr Dinge geschaffen, die in Kapital verwandelt werden können, abgesehn von ihrem Tauschwerth. Dinge, die dazu dienen können, zusätzliche Arbeit einzusaugen, also auch zusätzliche Mehrarbeit, und so zusätzliches Kapital zu bilden. Die Masse Arbeit, die das Kapital kommandiren kann, hängt nicht ab von seinem Werth, sondern von der Masse der Roh- und Hülfsstoffe, der Maschinerie und Elemente des fixen Kapitals, der Lebensmittel, woraus es zusammengesetzt ist, was immer deren Werth sei. Indem damit die Masse der angewandten Arbeit, also auch Mehrarbeit, wächst, wächst auch der Werth des reproducirten Kapitals und der ihm neu zugesetzte Surpluswerth.
Diese beiden im Akkumulationsprocess einbegriffnen Momente sind aber nicht nur in dem ruhigen Nebeneinander zu betrachten, worin Ricardo sie behandelt; sie schliessen einen Widerspruch ein, der sich in widersprechenden Tendenzen und Erscheinungen kund- gibt. Die widerstreitenden Agentien wirken gleichzeitig gegen einander.
Gleichzeitig mit den Antrieben zur wirklichen Vermehrung der Arbeiterbevölkerung, die aus der Vermehrung des als Kapital wir- kenden Theils des gesellschaftlichen Gesammtprodukts stammen, wirken die Agentien, die eine nur relative Uebervölkerung schaffen.
Gleichzeitig mit dem Fall der Profitrate wächst die Masse der Kapitale, und geht Hand in Hand mit ihr eine Entwerthung des vorhandnen Kapitals, welche diesen Fall aufhält, und der Akku- mulation von Kapitalwerth einen beschleunigenden Antrieb gibt.
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Produktivkraft entwickelt sich die höhere Zusammensetzung des Kapitals, die relative Ab- nahme des variablen Theils gegen den konstanten.
Diese verschiednen Einflüsse machen sich bald mehr neben ein- ander im Raum, bald mehr nach einander in der Zeit geltend;
periodisch macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agentien in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur momentane gewalt- same Lösungen der vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Erup- tionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wieder herstellen.
Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschliesst nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Werth und dem in ihm eingeschlossnen Mehrwerth, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapi- talistische Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Er- haltung des existirenden Kapitalwerths und seine Verwerthung im höchsten Maß (d. h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werths) zum Ziel hat. Ihr specifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwerth als Mittel zur grösstmöglichen Verwerthung dieses Werths gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schliessen ein: Abnahme der Profitrate, Entwerthung des vorhandnen Kapitals, und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon producirten Produktivkräfte.
Die periodische Entwerthung des vorhandnen Kapitals, die ein der kapitalistischen Produktionsweise immanentes Mittel ist, den Fall der Profitrate aufzuhalten und die Akkumulation von Kapital- werth durch Bildung von Neukapital zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhältnisse, worin sich der Cirkulations- und Repro- duktionsprocess des Kapitals vollzieht, und ist daher begleitet von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprocesses.
Die mit der Entwicklung der Produktivkräfte Hand in Hand gehende relative Abnahme des variablen Kapitals gegen das kon- stante gibt dem Anwachs der Arbeiterbevölkerung einen Stachel, während sie fortwährend künstliche Uebervölkerung schafft. Die Akkumulation des Kapitals, dem Werth nach betrachtet, wird ver- langsamt durch die fallende Profitrate, um die Akkumulation des Gebrauchswerths noch zu beschleunigen, während diese wieder die Akkumulation, dem Werth nach, in beschleunigten Gang bringt.
Die kapitalistische Produktion strebt beständig diese ihr imma- nenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken auf’s Neue und auf gewal- tigerm Maßstab entgegenstellen.
Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstver- werthung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck
der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel blosse Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebenspro- cesses für die Gesellschaft der Producenten sind. Die Schranken, in denen sich die Erhaltung und Verwerthung des Kapitalwerths, die auf der Enteignung und Verarmung der grossen Masse der Producenten beruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher beständig in Widerspruch mit den Produktionsmethoden, die das Kapital zu seinem Zweck anwenden muss, und die auf unbe schränkte Vermehrung der Produktion, auf die Produktion als Selbstzweck, auf unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit lossteuern. Das Mittel — unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte — geräth in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Ver- werthung des vorhandnen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden ge- sellschaftlichen Produktionsverhältnissen.
Mit dem Fall der Profitrate wächst das Kapitalminimum, das in der Hand des einzelnen Kapitalisten zur produktiven Anwendung der Arbeit erheischt ist; erheischt sowohl zu ihrer Exploitation überhaupt, als dazu, dass die angewandte Arbeitszeit die zur Pro- duktion der Waaren nothwendige Arbeitszeit sei, dass sie den Durchschnitt der zur Produktion der Waaren gesellschaftlich noth- wendigen Arbeitszeit nicht überschreite. Und gleichzeitig wächst die Koncentration, weil jenseits gewisser Grenzen grosses Kapital mit kleiner Profitrate rascher akkumulirt als kleines mit grosser Diese wachsende Koncentration führt ihrerseits wieder auf einer gewissen Höhe einen neuen Fall der Profitrate herbei. Die Masse der kleinen zersplitterten Kapitale wird dadurch auf die Bahn der Abenteuer gedrängt: Spekulation, Kreditschwindel, Aktienschwindel, Krisen. Die sog. Plethora des Kapitals bezieht sich immer wesent- lich auf die Plethora von Kapital, für das der Fall der Profitrate nicht durch seine Masse aufgewogen wird — und dies sind immer die neu sich bildenden frischen Kapitalableger — oder auf die Plethora, welche diese, für sich selbst zur eignen Aktion un- fähigen Kapitale den Leitern der grossen Geschäftszweige in der
Form des Kredits zur Verfügung stellt. Diese Plethora des Ka- pitals erwächst aus denselben Umständen, die eine relative Ueber- bevölkerung hervorrufen, und ist daher eine, diese letztre ergänzende Erscheinung, obgleich beide auf entgegengesetzten Polen stehn, unbeschäftigtes Kapital auf der einen, und unbeschäftigte Arbeiter- bevölkerung auf der andren Seite.
Ueberproduktion von Kapital, nicht von einzelnen Waaren — obgleich die Ueberproduktion von Kapital stets Ueberproduktion von Waaren einschliesst — heisst daher weiter nichts als Ueber- akkumulation von Kapital. Um zu verstehn, was diese Ueber- akkumulation ist (ihre nähere Untersuchung folgt weiter unten), hat man sie nur absolut zu setzen. Wann wäre die Ueberpro- duktion des Kapitals absolut? Und zwar eine Ueberproduktion, die sich nicht auf dieses oder jenes oder auf ein paar bedeutende Ge- biete der Produktion erstreckt, sondern in ihrem Umfang selbst absolut wäre, also sämmtliche Produktionsgebiete einschlösse?
Es wäre eine absolute Ueberproduktion von Kapital vorhanden, sobald das zusätzliche Kapital für den Zweck der kapitalistischen Produktion = 0. Der Zweck der kapitalistischen Produktion ist aber Verwerthung des Kapitals, d. h. Aneignung von Mehrarbeit, Produktion von Mehrwerth, von Profit. Sobald also das Kapital gewachsen wäre in einem Verhältniss zur Arbeiterbevölkerung, dass weder die absolute Arbeitszeit, die diese Bevölkerung liefert, aus- gedehnt, noch die relative Mehrarbeitszeit erweitert werden könnte (das letztre wäre ohnehin nicht thubar in einem Fall, wo die Nach- frage nach Arbeit so stark, also Tendenz zum Steigen der Löhne); wo also das gewachsene Kapital nur ebensoviel oder selbst weniger Mehrwerthsmasse producirt als vor seinem Wachsthum, so fände eine absolute Ueberproduktion von Kapital statt; d. h. das ge- wachsene Kapital C + ΔC produzirte nicht mehr Profit, oder gar weniger Profit, als das Kapital C vor seiner Vermehrung durch ΔC. In beiden Fällen fände auch ein starker und plötzlicher Fall in der allgemeinen Profitrate statt, diesmal aber wegen eines Wechsels in der Zusammensetzung des Kapitals, der nicht der Entwicklung der Produktivkraft geschuldet wäre, sondern einem Steigen im Geldwerth des variablen Kapitals (wegen der gestiegnen Löhne) und der ihr entsprechenden Abnahme im Verhältniss der Mehr- arbeit zur nothwendigen Arbeit.
In der Wirklichkeit würde sich die Sache so darstellen, dass ein Theil des Kapitals ganz oder theilweis brach läge (weil es erst das schon fungirende Kapital aus seiner Position verdrängen
müsste, um sich überhaupt zu verwerthen) und der andre Theil, durch den Druck des unbeschäftigten oder halbbeschäftigten Ka- pitals sich zu niedrer Rate des Profits verwerthen würde. Es wäre hierbei gleichgültig, dass ein Theil des zusätzlichen Kapitals an die Stelle von altem träte, und dieses so eine Stelle im zusätz- lichen einnähme. Wir hätten immer auf der einen Seite die alte Kapitalsumme, auf der andern die zusätzliche. Der Fall der Profit- rate wäre diesmal begleitet von einer absoluten Abnahme der Profitmasse, da unter unsern Voraussetzungen die Masse der ange- wandten Arbeitskraft nicht vermehrt und die Mehrwerthsrate nicht gesteigert, also auch die Masse des Mehrwerths nicht vermehrt werden könnte. Und die verminderte Profitmasse wäre zu be- rechnen auf ein vergrössertes Gesammtkapital. — Aber gesetzt auch, das beschäftigte Kapital führe fort, sich zur alten Profitrate zu verwerthen, die Profitmasse bliebe also dieselbe, so berechnete sie sich immer noch auf ein gewachsnes Gesammtkapital, und auch dies schliesst einen Fall der Profitrate ein. Wenn ein Gesammt- kapital von 1000 einen Profit von 100 abwarf, und nach seiner Vermehrung auf 1500 ebenfalls nur 100 abwirft, so wirft im zweiten Fall 1000 nur noch 66⅔ ab. Die Verwerthung des alten Kapitals hätte absolut abgenommen. Das Kapital = 1000 würde unter den neuen Umständen nicht mehr abwerfen als früher ein Kapital = 666⅔.
Es ist aber klar, dass diese thatsächliche Entwerthung des alten Kapitals nicht ohne Kampf stattfinden, dass das zusätzliche Kapital von ΔC nicht ohne Kampf als Kapital fungiren könnte. Die Pro- fitrate würde nicht sinken wegen Konkurrenz in Folge der Ueber- produktion von Kapital. Sondern umgekehrt, weil die gesunkne Profitrate und die Ueberproduktion von Kapital aus denselben Um- ständen entspringen, würde jetzt der Konkurrenzkampf eintreten. Den Theil von ΔC, der sich in den Händen der alten fungirenden Kapitalisten befände, würden sie mehr oder weniger brach liegen lassen, um ihr Originalkapital nicht selbst zu entwerthen und seinen Platz innerhalb des Produktionsfeldes nicht zu verengern, oder sie würden es anwenden, um selbst mit momentanem Verlust die Brachlegung des zusätzlichen Kapitals auf die neuen Eindring- linge und überhaupt auf ihre Konkurrenten zu schieben.
Der Theil von ΔC, der sich in neuen Händen befände, würde seinen Platz auf Kosten des alten Kapitals einzunehmen suchen und dies theilweise fertig bringen, indem er einen Theil des alten Kapitals brach legte, es zwänge, ihm den alten Platz einzuräumen
und selbst den Platz des nur theilweise oder gar nicht beschäf- tigten Zusatzkapitals einzunehmen.
Eine Brachlegung von einem Theil des alten Kapitals müsste unter allen Umständen stattfinden, eine Brachlegung in seiner Kapitaleigenschaft, soweit es als Kapital fungiren und sich ver- werthen soll. Welchen Theil diese Brachlegung besonders träfe, entschiede der Konkurrenzkampf. Solange alles gut geht, agirt die Konkurrenz, wie sich bei der Ausgleichung der allgemeinen Profitrate gezeigt, als praktische Brüderschaft der Kapitalisten- klasse, sodass sie sich gemeinschaftlich, im Verhältniss zur Grösse des von jedem eingesetzten Looses, in die gemeinschaftliche Beute theilt. Sobald es sich aber nicht mehr um Theilung des Profits handelt, sondern um Theilung des Verlustes, sucht jeder soviel wie möglich sein Quantum an demselben zu verringern und dem andern auf den Hals zu schieben. Der Verlust ist unvermeidlich für die Klasse. Wieviel aber jeder Einzelne davon zu tragen, wie weit er überhaupt daran Theil zu nehmen hat, wird dann Frage der Macht und der List, und die Konkurrenz verwandelt sich dann in einen Kampf der feindlichen Brüder. Der Gegensatz zwischen dem Interesse jedes einzelnen Kapitalisten und dem der Kapitalisten- klasse macht sich dann geltend, ebenso wie vorher die Identität dieser Interessen sich durch die Konkurrenz praktisch durchsetzte.
Wie würde sich nun dieser Konflikt wieder ausgleichen und die der „gesunden“ Bewegung der kapitalistischen Produktion ent- sprechenden Verhältnisse sich wieder herstellen? Die Weise der Ausgleichung ist schon enthalten in dem blossen Aussprechen des Konflikts, um dessen Ausgleichung es sich handelt. Sie schliesst eine Brachlegung und selbst eine theilweise Vernichtung von Ka- pital ein, zum Werthbetrag des ganzen Zusatzkapitals ΔC oder doch eines Theils davon. Obgleich, wie schon aus der Darstellung des Konflikts hervorgeht, die Vertheilung dieses Verlusts in keiner Weise sich gleichmäßig auf die einzelnen Sonderkapitalien erstreckt, sondern sich in einem Konkurrenzkampf entscheidet, worin je nach den besondren Vortheilen oder bereits errungnen Positionen der Verlust sich sehr ungleich und in sehr verschiedner Form ver- theilt, sodass ein Kapital brachgelegt, ein andres vernichtet wird, ein drittes nur relativen Verlust hat, oder nur vorübergehende Ent- werthung erfährt u. s. w.
Unter allen Umständen aber würde sich das Gleichgewicht her- stellen durch Brachlegung und selbst Vernichtung von Kapital in grössrem oder geringrem Umfang. Dies würde sich erstrecken
zum Theil auf die materielle Kapitalsubstanz; d. h. ein Theil der Produktionsmittel, fixes und cirkulirendes Kapital würde nicht fun- giren, nicht als Kapital wirken; ein Theil begonnener Produktions- betriebe würde stillgesetzt werden. Obgleich, nach dieser Seite, die Zeit alle Produktionsmittel (den Boden ausgenommen) angreift und verschlechtert, fände hier in Folge der Funktionsstockung weit stärkere wirkliche Zerstörung von Produktionsmitteln statt. Die Hauptwirkung nach dieser Seite hin wäre jedoch, dass diese Produktionsmittel aufhörten als Produktionsmittel thätig zu sein; eine kürzere oder längere Zerstörung ihrer Funktion als Produk- tionsmittel.
Die Hauptzerstörung, und mit dem akutesten Charakter, fände statt mit Bezug auf das Kapital, soweit es Wertheigenschaft besitzt, mit Bezug auf die Kapitalwerthe. Der Theil des Kapitalwerths, der bloss in der Form von Anweisungen auf künftige Antheile am Mehrwerth, am Profit steht, in der That lauter Schuldscheine auf die Produktion unter verschiednen Formen, wird sofort entwerthet mit dem Fall der Einnahmen, auf die er berechnet ist. Ein Theil des baaren Goldes und Silbers liegt brach, fungirt nicht als Ka- pital. Ein Theil der auf dem Markt befindlichen Waaren kann seinen Cirkulations- und Reproduktionsprocess nur vollziehn durch ungeheure Kontraktion seiner Preise, also durch Entwerthung des Kapitals, das er darstellt. Ebenso werden die Elemente des fixen Kapitals mehr oder minder entwerthet. Es kommt hinzu, dass bestimmte, vorausgesetzte Preisverhältnisse den Reproduktionsprocess bedingen, dieser daher durch den allgemeinen Preisfall in Stockung und Verwirrung geräth. Diese Störung und Stockung paralysirt die mit der Entwicklung des Kapitals gleichzeitig gegebne, auf jenen vorausgesetzten Preisverhältnissen beruhende Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, unterbricht an hundert Stellen die Kette der Zahlungsobligationen an bestimmten Terminen, wird noch ver- schärft durch das damit gegebne Zusammenbrechen des gleichzeitig mit dem Kapital entwickelten Kreditsystems und führt so zu hef- tigen akuten Krisen, plötzlichen gewaltsamen Entwerthungen und wirklicher Stockung und Sturz des Reproduktionsprocesses, und damit zu wirklicher Abnahme der Reproduktion.
Gleichzeitig aber wären andre Agentien im Spiel gewesen. Die Stockung der Produktion hätte einen Theil der Arbeiterklasse brachgelegt und dadurch den beschäftigten Theil in Verhältnisse gesetzt, worin er sich eine Senkung des Arbeitslohns, selbst unter den Durchschnitt, gefallen lassen müsste; eine Operation, die für
das Kapital ganz dieselbe Wirkung hat, als wenn beim Durch- schnittslohn der relative oder absolute Mehrwerth erhöht worden wäre. Die Prosperitätszeit hätte die Ehen unter den Arbeitern begünstigt und die Decimation der Nachkommenschaft vermindert, Umstände die — wie sehr sie eine wirkliche Vermehrung der Be- völkerung einschliessen mögen — keine Vermehrung der wirklich arbeitenden Bevölkerung einschliessen, aber im Verhältniss der Arbeiter zum Kapital ganz so wirken, als ob sich die Anzahl der wirklich fungirenden Arbeiter vermehrt hätte. Der Preisfall und der Konkurrenzkampf hätten andrerseits jedem Kapitalisten einen Stachel gegeben, den individuellen Werth seines Gesammtprodukts durch Anwendung neuer Maschinen, neuer verbesserter Arbeits- methoden, neuer Kombinationen, über dessen allgemeinen Werth zu erhöhen, d. h. die Produktivkraft eines gegebnen Quantums Arbeit zu steigern, das Verhältniss des variablen Kapitals zum konstanten zu senken, und damit Arbeiter freizusetzen, kurz eine künstliche Ueberbevölkerung zu schaffen. Ferner würde die Entwerthung der Elemente des konstanten Kapitals selbst ein Element sein, das Er- höhung der Profitrate einschlösse. Die Masse des angewandten konstanten Kapitals, gegen das variable, wäre gewachsen, aber der Werth dieser Masse könnte gefallen sein. Die eingetretne Stockung der Produktion hätte eine spätere Erweiterung der Produktion — innerhalb der kapitalistischen Grenzen — vorbereitet.
Und so würde der Zirkel von neuem durchlaufen. Ein Theil des Kapitals, das durch Funktionsstockung entwerthet war, würde seinen alten Werth wieder gewinnen. Im Uebrigen würde mit erweiterten Produktionsbedingungen, mit einem erweiterten Markt, und mit erhöhter Produktivkraft derselbe fehlerhafte Kreislauf wieder durchgemacht werden.
Selbst aber unter der gemachten äussersten Voraussetzung ist die absolute Ueberproduktion von Kapital keine absolute Ueber- produktion überhaupt, keine absolute Ueberproduktion von Pro- duktionsmitteln. Sie ist nur eine Ueberproduktion von Produktions- mitteln, soweit diese als Kapital fungiren, und daher im Ver- hältniss zu dem, mit ihrer angeschwollnen Masse geschwollnen Werth, eine Verwerthung dieses Werths einschliessen, einen zu- sätzlichen Werth erzeugen sollen.
Es wäre aber trotzdem Ueberproduktion, weil das Kapital un- fähig würde die Arbeit in einem Exploitationsgrad auszubeuten, der durch die „gesunde,“ „normale“ Entwicklung des kapitalistischen Produktionsprocesses bedingt ist, in einem Exploitationsgrad, der
wenigstens die Masse des Profits vermehrt mit der wachsenden Masse des angewandten Kapitals; der also ausschliesst, dass die Profitrate im selben Maß sinkt, wie das Kapital wächst, oder gar, dass die Profitrate rascher sinkt als das Kapital wächst.
Ueberproduktion von Kapital heisst nie etwas andres als Ueber- produktion von Produktionsmitteln — Arbeits- und Lebensmitteln — die als Kapital fungiren können, d. h. zur Ausbeutung der Arbeit zu einem gegebnen Exploitationsgrad angewandt werden können; indem das Fallen dieses Exploitationsgrads unter einen gegebnen Punkt Störungen und Stockungen des kapitalistischen Produktions- processes, Krisen, Zerstörung von Kapital hervorruft. Es ist kein Widerspruch, dass diese Ueberproduktion von Kapital begleitet ist von einer mehr oder minder grossen relativen Ueberbevölkerung. Dieselben Umstände, die die Produktivkraft der Arbeit erhöht, die Masse der Waarenprodukte vermehrt, die Märkte ausgedehnt, die Akkumulation des Kapitals, sowohl der Masse wie dem Werth nach, beschleunigt und die Profitrate gesenkt haben, dieselben Umstände haben eine relative Ueberbevölkerung erzeugt und erzeugen sie beständig, eine Ueberbevölkerung von Arbeitern, die vom über- schüssigen Kapital nicht angewandt wird wegen des niedrigen Ex- ploitationsgrads der Arbeit, zu dem sie allein angewandt werden könnte, oder wenigstens wegen der niedern Profitrate, die sie bei gegebnem Exploitationsgrad abwerfen würde.
Wird Kapital ins Ausland geschickt, so geschieht es nicht, weil es absolut nicht im Inland beschäftigt werden könnte. Es ge- schieht, weil es zu höherer Profitrate im Auslande beschäftigt werden kann. Dies Kapital ist aber absolut überschüssiges Kapital für die beschäftigte Arbeiterbevölkerung und für das gegebne Land überhaupt. Es existirt als solches neben der relativ überschüssigen Bevölkerung, und dies ist ein Beispiel, wie die beiden neben ein- ander existiren und sich wechselseitig bedingen.
Andrerseits bringt der mit der Akkumulation verbundne Fall der Profitrate nothwendig einen Konkurrenzkampf hervor. Die Kompensation des Falls der Profitrate durch die steigende Masse des Profits gilt nur für das Gesammtkapital der Gesellschaft und für die grossen, fertig eingerichteten Kapitalisten. Das neue, selb- ständig fungirende Zusatzkapital findet keine solche Ersatzbedin- gungen vor, es muss sie sich erst erringen, und so ruft der Fall der Profitrate den Konkurrenzkampf unter den Kapitalen hervor, nicht umgekehrt. Dieser Konkurrenzkampf ist allerdings begleitet von vorübergehendem Steigen des Arbeitslohns und einer hieraus
entspringenden ferneren zeitweiligen Senkung der Profitrate. Das- selbe zeigt sich in der Ueberproduktion von Waaren, der Ueber- füllung der Märkte. Da nicht Befriedigung der Bedürfnisse, sondern Produktion von Profit Zweck des Kapitals, und da es diesen Zweck nur durch Methoden erreicht, die die Produktionsmasse nach der Stufenleiter der Produktion einrichtet, nicht umgekehrt, so muss beständig ein Zwiespalt eintreten zwischen den beschränkten Dimen- sionen der Konsumtion auf kapitalistischer Basis, und einer Pro- duktion, die beständig über diese ihre immanente Schranke hinaus- strebt. Uebrigens besteht das Kapital ja aus Waaren, und daher schliesst die Ueberproduktion von Kapital die von Waaren ein. Daher das sonderbare Phänomen, dass dieselben Oekonomen, die die Ueberproduktion von Waaren leugnen, die von Kapital zugeben. Wird gesagt, dass nicht allgemeine Ueberproduktion, sondern Dis- proportion innerhalb der verschiednen Produktionszweige stattfinde, so heisst dies weiter nichts, als dass innerhalb der kapitalistischen Produktion die Proportionalität der einzelnen Produktionszweige sich als beständiger Process aus der Disproportionalität darstellt, indem hier der Zusammenhang der gesammten Produktion als blindes Gesetz den Produktionsagenten sich aufzwingt, nicht als von ihrem associirten Verstand begriffnes und damit beherrschtes Gesetz den Produktionsprocess ihrer gemeinsamen Kontrolle unter- worfen hat. Es wird weiter damit verlangt, dass Länder, wo die kapitalistische Produktionsweise nicht entwickelt, in einem Grad konsumiren und produciren sollen, wie er den Ländern der kapi- talistischen Produktionsweise passt. Wird gesagt, dass die Ueber- produktion nur relativ, so ist dies ganz richtig; aber die ganze kapitalistische Produktionsweise ist eben nur eine relative Produk- tionsweise, deren Schranken nicht absolut, aber für sie, auf ihrer Basis, absolut sind. Wie könnte es sonst an Nachfrage für die- selben Waaren fehlen, deren die Masse des Volks ermangelt, und wie wäre es möglich, diese Nachfrage im Ausland suchen zu müssen, auf fernen Märkten, um den Arbeitern zu Hause das Durchschnittsmaß der nothwendigen Lebensmittel zahlen zu können? Weil nur in diesem specifischen, kapitalistischen Zusammenhang das überschüssige Produkt eine Form erhält, worin sein Inhaber es nur dann der Konsumtion zur Verfügung stellen kann, sobald es sich für ihn in Kapital rückverwandelt. Wird endlich gesagt, dass die Kapitalisten ja selbst nur unter sich ihre Waaren auszu- tauschen und aufzuessen haben, so wird der ganze Charakter der kapitalistischen Produktion vergessen, und vergessen, dass es sich
um die Verwerthung des Kapitals handelt, nicht um seinen Ver- zehr. Kurz alle die Einwände, gegen die handgreiflichen Er- scheinungen der Ueberproduktion (Erscheinungen, die sich nicht um diese Einwände kümmern) laufen darauf hinaus, dass die Schranken der kapitalistischen Produktion keine Schranken der Produktion überhaupt sind, und daher auch keine Schranken dieser specifischen, der kapitalistischen Produktionsweise. Der Widerspruch dieser kapitalistischen Produktionsweise besteht aber gerade in ihrer Tendenz zur absoluten Entwicklung der Produktiv- kräfte, die beständig in Konflikt geräth mit den specifischen Produktionsbedingungen, worin sich das Kapital bewegt und allein bewegen kann.
Es werden nicht zu viel Lebensmittel producirt im Verhältniss zur vorhandnen Bevölkerung. Umgekehrt. Es werden zu wenig producirt um der Masse der Bevölkerung anständig und menschlich zu genügen.
Es werden nicht zu viel Produktionsmittel producirt, um den arbeitsfähigen Theil der Bevölkerung zu beschäftigen. Umgekehrt. Es wird erstens ein zu grosser Theil der Bevölkerung producirt, der thatsächlich nicht arbeitsfähig, der durch seine Umstände auf Ausbeutung der Arbeit andrer angewiesen ist, oder auf Arbeiten, die nur innerhalb einer miserablen Produktionsweise als solche gelten können. Es werden zweitens nicht genug Produktions- mittel producirt, damit die ganze arbeitsfähige Bevölkerung unter den produktivsten Umständen arbeite, also ihre absolute Arbeits- zeit verkürzt würde durch die Masse und Effektivität des während der Arbeitszeit angewandten konstanten Kapitals.
Aber es werden periodisch zu viel Arbeitsmittel und Lebens- mittel producirt, um sie als Exploitationsmittel der Arbeiter zu einer gewissen Rate des Profits fungiren zu lassen. Es werden zuviel Waaren producirt um den in ihnen enthaltnen Werth und darin eingeschlossnen Mehrwerth unter den durch die kapitalistische Produktion gegebnen Vertheilungsbedingungen und Konsumtions- verhältnissen realisiren und in neues Kapital rückverwandeln zu können, d. h. um diesen Process ohne beständig wiederkehrende Explosionen auszuführen.
Es wird nicht zu viel Reichthum producirt. Aber es wird periodisch zu viel Reichthum in seinen kapitalistischen, gegensätz- lichen Formen producirt.
Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor:
1) Darin, dass die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit
im Fall der Profitrate ein Gesetz erzeugt, das ihrer eignen Ent- wicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenübertritt, und daher beständig durch Krisen überwunden werden muss.
2) Darin, dass die Aneignung unbezahlter Arbeit, und das Ver- hältniss dieser unbezahlten Arbeit zur vergegenständlichten Arbeit überhaupt, oder, kapitalistisch ausgedrückt, dass der Profit, und das Verhältniss dieses Profits zum angewandten Kapital, also eine gewisse Höhe der Profitrate über Ausdehnung oder Beschränkung der Produktion entscheidet, statt des Verhältnisses der Produktion zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen, zu den Bedürfnissen gesell- schaftlich entwickelter Menschen. Es treten daher Schranken für sie ein schon auf einem Ausdehnungsgrad der Produktion, der um- gekehrt unter der andren Voraussetzung weitaus ungenügend er- schiene. Sie kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisirung von Profit diesen Stillstand gebietet.
Sinkt die Profitrate, so einerseits Anspannung des Kapitals, da- mit der einzelne Kapitalist durch bessre Methoden etc. den in- dividuellen Werth seiner einzelnen Waaren unter ihren gesell- schaftlichen Durchschnittswerth herabdrückt und so, bei gegebnem Marktpreis, einen Extraprofit macht; andrerseits Schwindel und allgemeine Begünstigung des Schwindels durch leidenschaftliche Versuche in neuen Produktionsmethoden, neuen Kapitalanlagen, neuen Abenteuern, um irgend einen Extraprofit zu sichern, der vom allgemeinen Durchschnitt unabhängig ist und sich über ihn erhebt.
Die Profitrate, d. h. der verhältnissmäßige Kapitalzuwachs ist vor allem wichtig für alle neuen, sich selbständig gruppirenden Kapitalableger. Und sobald die Kapitalbildung ausschliesslich in die Hände einiger wenigen, fertigen Grosskapitale fiele, für die die Masse des Profits die Rate aufwiegt, wäre überhaupt das belebende Feuer der Produktion erloschen. Sie würde einschlummern. Die Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion, und es wird nur producirt, was und soweit es mit Profit producirt werden kann. Daher die Angst der englischen Oekonomen über die Abnahme der Profitrate. Dass die blosse Möglichkeit Ricardo beunruhigt, zeigt gerade sein tiefes Verständniss der Bedingungen der kapitalistischen Produktion. Was ihm vorgeworfen wird, dass er, um die „Menschen“ unbekümmert, bei Betrachtung der kapi- talistischen Produktion nur die Entwicklung der Produktivkräfte im Auge hat — mit welchen Opfern an Menschen und Kapital
werthen immer erkauft — ist gerade das Bedeutende an ihm. Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewusst die materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform. Was Ricardo beunruhigt, ist dass die Profitrate, der Stachel der kapitalistischen Produktion, und Be- dingung wie Treiber der Akkumulation, durch die Entwicklung der Produktion selbst gefährdet wird. Und das quantitative Ver- hältniss ist hier alles. Es liegt in der That etwas Tieferes zu Grunde, das er nur ahnt. Es zeigt sich hier in rein ökonomischer Weise, d. h. vom Bourgeoisstandpunkt, innerhalb der Grenzen des kapitalistischen Verstandes, vom Standpunkt der kapitalistischen Produktion selbst, ihre Schranke, ihre Relativität, dass sie keine absolute, sondern nur eine historische, einer gewissen beschränkten Entwicklungsepoche der materiellen Produktionsbedingungen ent- sprechende Produktionsweise ist.
Da die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit sehr ungleich in verschiednen Industriezweigen, und nicht nur dem Grad nach ungleich, sondern oft in entgegengesetzter Richtung erfolgt, so er- gibt sich, dass die Masse des Durchschnittsprofits (= Mehrwerth) sehr unter der Höhe stehn muss, die nach der Entwicklung der Produktivkraft in den fortgeschrittensten Industriezweigen zu ver- muthen wäre. Dass die Entwicklung der Produktivkraft in den verschiednen Industriezweigen nicht nur in sehr verschiednen Pro- portionen, sondern oft in entgegengesetzter Richtung vorgeht, ent- springt nicht nur aus der Anarchie der Konkurrenz und der Eigen- thümlichkeit der bürgerlichen Produktionsweise. Die Produktivität der Arbeit ist auch an Naturbedingungen gebunden, die oft minder ergiebig werden im selben Verhältniss wie die Produktivität — soweit sie von gesellschaftlichen Bedingungen abhängt — steigt. Daher entgegengesetzte Bewegung in diesen verschiednen Sphären, Fortschritt hier, Rückschritt dort. Man bedenke z. B. den blossen Einfluss der Jahreszeiten, wovon die Menge des grössten Theils aller Rohstoffe abhängt, Erschöpfung von Waldungen, Kohlen- und Eisenbergwerken etc.
Wenn der cirkulirende Theil des konstanten Kapitals, Rohstoff etc., der Masse nach stets wächst im Verhältniss der Produktivkraft der Arbeit, so ist dies nicht der Fall mit dem fixen Kapital, Gebäuden, Maschinerie, Vorrichtungen für Beleuchtung, Heizung etc. Ob-
gleich mit der anwachsenden Körpermasse die Maschine absolut theurer, wird sie relativ wohlfeiler. Wenn fünf Arbeiter zehnmal soviel Waaren produciren wie früher, verzehnfacht sich deswegen nicht die Auslage an fixem Kapital; obgleich der Werth dieses Theils des konstanten Kapitals wächst mit der Entwicklung der Produktivkraft, wächst er bei weitem nicht in demselben Verhält- niss. Es wurde schon mehrfach hervorgehoben der Unterschied des Verhältnisses von konstantem Kapital zu variablem, wie es sich im Fallen der Profitrate ausdrückt, und desselben Verhält- nisses, wie es sich, mit Entwicklung der Produktivität der Arbeit, mit Bezug auf die einzelne Waare und ihren Preis darstellt.
[Der Werth der Waare ist bestimmt durch die Gesammt-Arbeits- zeit, vergangne und lebendige, die in sie eingeht. Die Steigerung der Produktivität der Arbeit besteht eben darin, dass der Antheil der lebendigen Arbeit vermindert, der der vergangnen Arbeit ver- mehrt wird, aber so, dass die Gesammtsumme der in der Waare steckenden Arbeit abnimmt; dass also die lebendige Arbeit um mehr abnimmt als die vergangne zunimmt. Die im Werth einer Waare verkörperte vergangne Arbeit — der konstante Kapital- theil — besteht theils aus Verschleiss von fixem, theils aus cir- kulirendem, ganz in die Waare eingegangnem, konstantem Kapital — Roh- und Hülfsstoff. Der aus Roh- und Hülfsstoff entspringende Werththeil muss sich mit der Produktivität der Arbeit verringern, weil diese Produktivität mit Bezug auf diese Stoffe sich eben darin zeigt, dass ihr Werth gesunken ist. Dagegen ist es grade das Charakteristische der steigenden Produktivkraft der Arbeit, dass der fixe Theil des konstanten Kapitals eine sehr starke Vermeh- rung erfährt, und damit auch der Werththeil desselben, der sich durch den Verschleiss auf die Waaren überträgt. Damit nun eine neue Produktionsmethode sich als wirkliche Steigerung der Produkti- vität bewähre, muss sie auf die einzelne Waare einen geringern zusätz- lichen Werththeil für Verschleiss von fixem Kapital übertragen, als der abzügliche Werththeil ist, der in Folge verminderter leben- diger Arbeit erspart wird, muss sie in einem Wort den Werth der Waare vermindern. Sie muss dies selbstredend, auch wenn, wie in einzelnen Fällen geschieht, ausser dem zusätzlichen Ver- schleisstheil des fixen Kapitals, ein zusätzlicher Werththeil für vermehrte oder theurere Roh- oder Hülfsstoffe in die Werthbildung der Waare eingeht. Alle Werthzuschläge müssen mehr als auf- gewogen werden durch die Werthverminderung, die aus Verringerung der lebendigen Arbeit entsteht.
Diese Verminderung des in die Waare eingehenden Gesammt- Arbeitsquantums scheint hiernach das wesentliche Kennzeichen ge- steigerter Produktivkraft der Arbeit zu sein, gleichgültig unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen producirt wird. In einer Gesellschaft, worin die Producenten ihre Produktion nach einem voraus entworfnen Plan regeln, ja selbst in der einfachen Waaren- produktion würde die Produktivität der Arbeit auch unbedingt nach diesem Maßstab gemessen. Wie steht es aber in der kapi- talistischen Produktion?
Gesetzt ein bestimmter kapitalistischer Produktionszweig produ- cire das Normalstück seiner Waare unter folgenden Bedingungen: Der Verschleiss des fixen Kapitals beträgt per Stück ½ Schilling oder Mark; an Roh- und Hülfsstoff geht ein 17½ sh.; an Arbeits- lohn 2 sh., und bei einer Mehrwerthsrate von 100 % beträgt der Mehrwerth 2 sh. Gesammtwerth = 22 Schilling oder Mark. Wir nehmen der Einfachheit halber an, dass in diesem Produktionszweig das Kapital die Durchschnittszusammensetzung des gesellschaft- lichen Kapitals hat, dass also der Produktionspreis der Waare mit ihrem Werth zusammenfällt, und der Profit des Kapitalisten mit dem gemachten Mehrwerth. Dann ist der Kostpreis der Waare = ½ + 17½ + 2 = 20 sh., die Durchschnittsprofitrate = 10 %, und der Produktionspreis des Stücks Waare gleich seinem Werth = 22 sh. oder Mark.
Nehmen wir an, eine Maschine werde erfunden, die die für jedes Stück erforderliche lebendige Arbeit auf die Hälfte reducire, dafür aber den aus Verschleiss des fixen Kapitals bestehenden Werth- theil verdreifache. Dann stellt sich die Sache so: Verschleiss = 1½ sh., Roh- und Hülfsstoff wie früher 17½ sh. Arbeitslohn 1 sh., Mehrwerth 1 sh., zusammen 21 sh. oder Mark. Die Waare ist nun 1 sh. im Werth gesunken; die neue Maschine hat die Produktivkraft der Arbeit entschieden gesteigert. Für den Kapi- talisten aber stellt sich die Sache so: sein Kostpreis ist jetzt: 1½ sh. Verschleiss, 17½ sh. Roh- und Hülfsstoff, 1 sh. Arbeitslohn, zu- sammen 20 sh., wie vorher. Da die Profitrate sich durch die neue Maschine nicht ohne weiteres ändert, muss er 10 % über dem Kostpreis erhalten, macht 2 sh.; der Produktionspreis ist also un- verändert = 22 sh., aber 1 sh. über dem Werth. Für eine unter kapitalistischen Bedingungen producirende Gesellschaft hat sich die Waare nicht verwohlfeilert, ist die neue Maschine keine Ver- besserung. Der Kapitalist hat also kein Interesse daran, die neue
Maschine einzuführen. Und da er durch ihre Einführung seine bisherige, noch nicht verschlissene Maschinerie einfach werthlos machen, sie in blosses altes Eisen verwandeln, also positiven Ver- lust erleiden würde, hütet er sich sehr vor dieser, für ihn utopischen Dummheit.
Für das Kapital also gilt das Gesetz der gesteigerten Produktiv- kraft der Arbeit nicht unbedingt. Für das Kapital wird diese Produktivkraft gesteigert, nicht wenn überhaupt an der lebendigen Arbeit, sondern nur wenn an dem bezahlten Theil der lebendigen Arbeit mehr erspart als an vergangner Arbeit zugesetzt wird, wie dies bereits Buch I, Kap. XIII, 2, Seite 409/398 kurz angedeutet worden. Hier fällt die kapitalistische Produktionsweise in einen neuen Widerspruch. Ihr historischer Beruf ist die rücksichtslose, in geometrischer Progressive vorangetriebne Entfaltung der Pro- duktivität der menschlichen Arbeit. Diesem Beruf wird sie untreu sobald sie, wie hier, der Entfaltung der Produktivität hemmend entgegen tritt. Sie beweist damit nur aufs neue, dass sie alters- schwach wird und sich mehr und mehr überlebt.](FN37)
In der Konkurrenz erscheint das steigende Minimum des, mit Steigerung der Produktivkraft für den erfolgreichen Betrieb eines selbständigen industriellen Geschäfts nöthig werdenden Kapitals so: Sobald die neue kostspieligere Betriebseinrichtung allgemein ein- geführt, werden kleinere Kapitale in Zukunft von dem Betrieb aus- geschlossen. Nur im Beginn mechanischer Erfindungen in den verschiednen Produktionssphären können hier kleinere Kapitale selbständig fungiren. Andrerseits werfen sehr grosse Unterneh- mungen, mit ausserordentlich hohem Verhältniss von konstantem Kapital, wie Eisenbahnen, nicht die Durchschnittsprofitrate ab, sondern nur einen Theil derselben, einen Zins. Sonst sänke die allgemeine Profitrate noch tiefer. Dagegen findet hier auch eine grosse Kapitalansammlung, in Form von Aktien, ein direktes Be- schäftigungsfeld.
Wachsthum des Kapitals, also Akkumulation des Kapitals schliesst nur Verminderung der Profitrate ein, soweit mit diesem Wachsthum die oben betrachteten Veränderungen im Verhältniss der organischen Bestandtheile des Kapitals eintreten. Nun aber, trotz der bestän- digen, täglichen Umwälzungen der Produktionsweise, fährt bald
dieser bald jener, grössere oder kleinere Theil des Gesammtkapitals für gewisse Zeiträume fort, auf der Basis eines gegebnen Durch- schnittsverhältnisses jener Bestandtheile zu akkumuliren, sodass mit seinem Wachsthum kein organischer Wechsel, also auch nicht die Ursachen des Falls der Profitrate gegeben sind. Diese beständige Vergrösserung des Kapitals, also auch Ausdehnung der Produktion, auf Grundlage der alten Produktionsmethode, die ruhig vorangeht, während nebenan schon die neuen Methoden eingeführt werden, ist wiederum eine Ursache, wesshalb die Profitrate nicht in dem- selben Maß abnimmt, worin das Gesammtkapital der Gesellschaft wächst.
Die Vermehrung der absoluten Arbeiteranzahl, trotz der verhält- nissmäßigen Abnahme des variablen, in Arbeitslohn ausgelegten Kapitals geht nicht in allen Produktionszweigen und nicht gleich- mäßig in allen vor. In der Agrikultur kann die Abnahme des Elements der lebendigen Arbeit absolut sein.
Uebrigens ist es nur das Bedürfniss der kapitalistischen Produk- tionsweise, dass die Anzahl der Lohnarbeiter sich absolut vermehre, trotz ihrer relativen Abnahme. Für sie werden schon Arbeits- kräfte überflüssig, sobald es nicht mehr nothwendig, sie 12—15 Stunden täglich zu beschäftigen. Eine Entwicklung der Produk- tivkräfte, welche die absolute Anzahl der Arbeiter verminderte, d. h., in der That die ganze Nation befähigte, in einem geringern Zeit- theil ihre Gesammtproduktion zu vollziehn, würde Revolution her- beiführen, weil sie die Mehrzahl der Bevölkerung ausser Kurs setzen würde. Hierin erscheint wieder die specifische Schranke der kapi- talistischen Produktion, und dass sie keineswegs eine absolute Form für die Entwicklung der Produktivkräfte und Erzeugung des Reich- thums ist, vielmehr mit dieser auf einem gewissen Punkt in Kol- lision tritt. Partiell erscheint diese Kollision in periodischen Krisen, die aus der Ueberflüssigmachung bald dieses bald jenes Theils der Arbeiterbevölkerung in ihrer alten Beschäftigungsweise hervor- gehn. Ihre Schranke ist die überschüssige Zeit der Arbeiter. Die absolute Ueberschusszeit, die die Gesellschaft gewinnt, geht sie nichts an. Die Entwicklung der Produktivkraft ist ihr nur wichtig, sofern sie die Mehrarbeitszeit der Arbeiterklasse vermehrt, nicht die Arbeitszeit für die materielle Produktion überhaupt vermindert; sie bewegt sich so im Gegensatze.
Man hat gesehn, dass die wachsende Akkumulation des Kapitals eine wachsende Koncentration desselben einschliesst. So wächst die Macht des Kapitals, die im Kapitalisten personificirte Ver-
selbständigung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen gegen- über den wirklichen Producenten. Das Kapital zeigt sich immer mehr als gesellschaftliche Macht, deren Funktionär der Kapitalist ist, und die in gar keinem möglichen Verhältnisse mehr zu dem steht, was die Arbeit eines einzelnen Individuums schaffen kann — aber als entfremdete, verselbständigte gesellschaftliche Macht, die als Sache, und als Macht des Kapitalisten durch diese Sache, der Gesellschaft gegenübertritt. Der Widerspruch zwischen der allge- meinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet, und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesell- schaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schrei- ender und schliesst die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem sie zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu allgemeinen, gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbe- dingungen einschliesst. Diese Herausarbeitung ist gegeben durch die Entwicklung der Produktivkräfte unter der kapitalistischen Pro- duktion, und durch die Art und Weise, worin sich diese Entwick- lung vollzieht.
Kein Kapitalist wendet eine neue Produktionsweise, sie mag noch so viel produktiver sein oder um noch so viel die Rate des Mehr- werths vermehren, freiwillig an, sobald sie die Profitrate vermindert. Aber jede solche neue Produktionsweise verwohlfeilert die Waaren. Er verkauft sie daher ursprünglich über ihrem Produktionspreis, vielleicht über ihrem Werth. Er steckt die Differenz ein, die zwischen ihren Produktionskosten und dem Marktpreis der übrigen, zu höheren Produktionskosten producirten Waaren besteht. Er kann dies, weil der Durchschnitt der zur Produktion dieser Waaren gesellschaftlich erheischten Arbeitszeit grösser ist als die mit der neuen Produktionsweise erheischte Arbeitszeit. Seine Produktions- procedur steht über dem Durchschnitt der gesellschaftlichen. Aber die Konkurrenz verallgemeinert sie und unterwirft sie dem allge- meinen Gesetz. Dann tritt das Sinken der Profitrate ein — viel- leicht zuerst in dieser Produktionssphäre, und gleicht sich nachher mit den andren aus — das also ganz und gar unabhängig ist vom Willen der Kapitalisten.
Zu diesem Punkt ist noch zu bemerken, dass dies selbe Gesetz auch in den Produktionssphären herrscht, deren Produkt weder direkt noch indirekt in die Konsumtion des Arbeiters oder in die Produktionsbedingungen seiner Lebensmittel eingeht; also auch in den Produktionssphären, worin keine Verwohlfeilerung der Waaren
den relativen Mehrwerth vermehren, die Arbeitskraft verwohlfeilern kann. (Allerdings kann Verwohlfeilerung des konstanten Kapitals in allen diesen Zweigen die Profitrate erhöhen bei gleichbleibender Exploitation des Arbeiters.) Sobald die neue Produktionsweise anfängt sich auszubreiten, und damit der Beweis thatsächlich ge- liefert ist, dass diese Waaren wohlfeiler producirt werden können, müssen die Kapitalisten, die unter den alten Produktionsbedingungen arbeiten, ihr Produkt unter ihrem vollen Produktionspreis ver- kaufen, weil der Werth dieser Waare gefallen ist, die von ihnen zur Produktion erheischte Arbeitszeit über der gesellschaftlichen steht. Mit einem Wort — es erscheint dies als Wirkung der Konkurrenz — sie müssen ebenfalls die neue Produktionsweise einführen, worin das Verhältniss des variablen Kapitals zum kon- stanten vermindert ist.
Alle Umstände, die bewirken, dass die Anwendung der Maschi- nerie den Preis der damit producirten Waaren verwohlfeilert, redu- ciren sich stets auf Verringerung des Quantums Arbeit, das von einer einzelnen Waare absorbirt wird; zweitens aber auf Verrin- gerung des Verschleisstheils der Maschinerie, dessen Werth in die einzelne Waare eingeht. Je weniger rasch der Verschleiss der Maschinerie, auf desto mehr Waaren vertheilt er sich, desto mehr lebendige Arbeit ersetzt sie bis zu ihrem Reproduktionstermin. In beiden Fällen vermehrt sich Quantum und Werth des fixen konstanten Kapitals gegenüber dem variablen.
„All other things being equal, the power of a nation to save from its profits varies with the rate of profits, is great when they are high, less, when low; but as the rate of profit declines, all other things do not remain equal . . . . A low rate of profit is ordinarily accompanied by a rapid rate of accumulation, relatively to the numbers of the people, as in England . . . . a high rate of profit by a slower rate of accumulation, relatively to the numbers of the people.“ Beispiele: Polen, Russland, Indien etc. (Richard Jones, An Introductory Lecture on Pol. Econ. London 1833. p. 50 et seq.) Jones hebt richtig hervor, dass trotz der fallenden Profit- rate die inducements and faculties to accumulate sich vermehren. Erstens wegen der wachsenden relativen Ueberbevölkerung. Zweitens weil mit der wachsenden Produktivität der Arbeit die Masse der von demselben Tauschwerth dargestellten Gebrauchswerthe, also der sachlichen Elemente des Kapitals wachsen. Drittens weil sich die Produktionszweige vermannigfachen. Viertens durch Entwicklung des Kreditsystems, der Aktiengesellschaften etc. und der damit
gegebnen Leichtigkeit, Geld in Kapital zu verwandeln, ohne selbst industrieller Kapitalist zu werden. Fünftens Wachsen der Bedürf- nisse und der Bereicherungssucht. Sechstens wachsende Massen- anlage von fixem Kapital u. s. w.
Drei Hauptthatsachen der kapitalistischen Produktion:
1) Koncentration der Produktionsmittel in wenigen Händen, wo- durch sie aufhören als Eigenthum der unmittelbaren Arbeiter zu erscheinen, und sich dagegen in gesellschaftliche Potenzen der Pro- duktion verwandeln. Wenn auch zuerst als Privateigenthum der Kapitalisten. Diese sind Trustees der bürgerlichen Gesellschaft, aber sie sacken alle Früchte dieser Trusteeschaft ein.
2) Organisation der Arbeit selbst, als gesellschaftlicher: Durch Kooperation, Theilung der Arbeit, und Verbindung der Arbeit mit der Naturwissenschaft.
Nach beiden Seiten hebt die kapitalistische Produktionsweise das Privateigenthum und die Privatarbeit auf, wenn auch in gegen- sätzlichen Formen.
3) Herstellung des Weltmarkts.
Die ungeheure Produktivkraft, im Verhältniss der Bevölkerung, die innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise sich entwickelt und, wenn auch nicht im selben Verhältniss, das Wachsen der Kapitalwerthe (nicht nur ihres materiellen Substrats) die viel rascher wachsen als die Bevölkerung, widerspricht der, relativ zum wach- senden Reichthum, immer schmaler werdenden Basis, für die diese ungeheure Produktivkraft wirkt und den Verwerthungsverhältnissen dieses schwellenden Kapitals. Daher die Krisen.
Das kaufmännische oder Handelskapital zerfällt in zwei Formen oder Unterarten, Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital, die wir jetzt näher charakterisiren werden, soweit es zur Analyse des Kapitals in seiner Kernstruktur nöthig ist. Und es ist um so nöthiger, als die moderne Oekonomie, selbst in ihren besten Re- präsentanten, das Handelskapital direkt mit dem industriellen Ka- pital zusammenwirft und seine charakteristischen Eigenthümlich- keiten in der That ganz übersieht.
Die Bewegung des Waarenkapitals ist in Buch II analysirt worden. Das Gesammtkapital der Gesellschaft betrachtet, befindet sich stets ein Theil desselben, obgleich aus stets andren Elementen zusammengesetzt, und selbst von wechselnder Grösse, als Waare auf dem Markt, um in Geld überzugehn; ein andrer Theil in Geld auf dem Markt, um in Waare überzugehn. Es ist stets in der Bewegung dieses Uebergehns, dieser formellen Metamorphose be- griffen. Sofern diese Funktion des im Cirkulationsprocess befind- lichen Kapitals überhaupt als besondre Funktion eines besondren Kapitals verselbständigt wird, sich fixirt als eine, durch die Thei- lung der Arbeit einer besondren Gattung von Kapitalisten zuge- wiesene Funktion, wird das Waarenkapital zum Waarenhandlungs- kapital oder kommerziellen Kapital.
Es ist (Buch II, Kap. VI, die Cirkulationskosten, 2 und 3) aus- einandergesetzt worden, wie weit Transportindustrie, Aufbewahrung und Vertheilung der Waaren in einer distributablen Form als Pro- duktionsprocesse zu betrachten sind, die innerhalb des Cirkulations- processes fortdauern. Diese Zwischenfälle der Cirkulation des Waarenkapitals werden zum Theil verwechselt mit den eigenthüm- lichen Funktionen des kaufmännischen oder Waarenhandlungs-
kapitals; zum Theil finden sie sich mit dessen eigenthümlichen specifischen Funktionen in der Praxis verbunden, obgleich mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Theilung der Arbeit die Funktion des Kaufmannskapitals sich auch rein herausarbeitet, d. h. ge- schieden von jenen realen Funktionen und selbständig gegen sie. Für unsern Zweck, wo es gilt die specifische Differenz dieser be- sondren Gestalt des Kapitals zu bestimmen, ist von jenen Funk- tionen also zu abstrahiren. Soweit das bloss im Circulationsprocess fungirende Kapital, speciell das Waarenhandlungskapital, zum Theil jene Funktionen mit den seinen verbindet, tritt es nicht in seiner reinen Form hervor. Nach der Abstreifung und Entfernung jener Funktionen haben wir die reine Form desselben.
Man hat gesehn, dass das Dasein des Kapitals als Waarenkapital und die Metamorphose, die es innerhalb der Cirkulationssphäre, auf dem Markt, als Waarenkapital durchläuft — eine Metamor- phose, die sich in Kaufen und Verkaufen auflöst, Verwandlung von Waarenkapital in Geldkapital und von Geldkapital in Waaren- kapital — eine Phase des Reproduktionsprocesses des industriellen Kapitals bildet, also seines Gesammtproduktionsprocesses; dass es sich zugleich aber in dieser seiner Funktion als Cirkulationskapital von sich selbst als produktivem Kapital unterscheidet. Es sind zwei gesonderte, unterschiedne Existenzformen desselben Kapitals. Ein Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals befindet sich fort- während in dieser Existenzform als Cirkulationskapital auf dem Markt, im Process dieser Metamorphose begriffen, obgleich für jedes einzelne Kapital sein Dasein als Waarenkapital, und seine Metamorphose als solches, nur einen beständig verschwindenden und beständig erneuerten Durchgangspunkt, ein Durchgangsstadium der Kontinuität seines Produktionsprocesses bildet, und obgleich daher die Elemente des auf dem Markt befindlichen Waaren- kapitals beständig wechseln, indem sie beständig dem Waarenmarkt entzogen und ihm ebenso beständig als neues Produkt des Produk- tionsprocesses zurückgegeben werden.
Das Waarenhandlungskapital nun ist nichts als die verwandelte Form eines Theils dieses beständig auf dem Markt befindlichen, in dem Process der Metamorphose befindlichen und stets von der Cirkulationssphäre umfangenen Cirkulationskapitals. Wir sagen eines Theils, weil ein Theil des Waarenverkaufs und -Kaufs be- ständig direkt zwischen den industriellen Kapitalisten selbst vor- geht. Von diesem Theil abstrahiren wir ganz in dieser Unter- suchung, da er zur Begriffsbestimmung, zur Einsicht in die specifische
Natur des Kaufmannskapitals nichts beiträgt, und andrerseits für unsern Zweck erschöpfend bereits in Buch II dargestellt worden.
Der Waarenhändler, als Kapitalist überhaupt, tritt zunächst auf den Markt als Repräsentant einer gewissen Geldsumme, die er als Kapitalist vorschiesst, d. h. die er aus x (dem ursprünglichen Werth der Summe) in x + Δ x (diese Summe plus dem Profit darauf) verwandeln will. Aber für ihn nicht nur als Kapitalisten über- haupt, sondern speciell als Waarenhändler, ist es selbstredend, dass sein Kapital ursprünglich in der Form des Geldkapitals auf dem Markt erscheinen muss, denn er producirt keine Waaren, sondern handelt nur mit ihnen, vermittelt ihre Bewegung, und um mit ihnen zu handeln, muss er sie zuerst kaufen, also Besitzer von Geldkapital sein.
Gesetzt, ein Waarenhändler besitze 3000 £, die er als Hand- lungskapital verwerthet. Er kauft mit diesen 3000 £ z. B. 30,000 Ellen Leinwand vom Leinwandfabrikanten, die Elle zu 2 sh. Er verkauft diese 30,000 Ellen. Wenn die jährliche Durchschnitts- profitrate = 10 %, und er nach Abzug aller Nebenkosten 10 % jährlichen Profit macht, so hat er am Ende des Jahrs die 3000 £ in 3300 £ verwandelt. Wie er diesen Profit macht, ist eine Frage, die wir erst später behandeln. Hier wollen wir zunächst die blosse Form der Bewegung seines Kapitals betrachten. Er kauft mit den 3000 £ beständig Leinwand und verkauft beständig diese Lein_ wand; wiederholt beständig diese Operation des Kaufens um zu verkaufen, G — W — G', die einfache Form des Kapitals, wie es ganz in den Cirkulationsprocess gebannt ist, ohne durch das Inter- vall des Produktionsprocesses, der ausserhalb seiner eignen Bewe- gung und Funktion liegt, unterbrochen zu werden.
Welches ist nun das Verhältniss dieses Waarenhandlungskapitals zum Waarenkapital als einer blossen Existenzform des industriellen Kapitals? Was den Leinwandfabrikanten betrifft, so hat er mit dem Geld des Kaufmanns den Werth seiner Leinwand realisirt, die erste Phase der Metamorphose seines Waarenkapitals, dessen Ver- wandlung in Geld, vollzogen, und kann nun, bei sonst gleich- bleibenden Umständen, das Geld rückverwandeln in Garn, Kohle, Arbeitslohn etc., andrerseits in Lebensmittel etc. zum Verzehr seiner Revenue; also, abgesehn von der Revenueausgabe, im Repro- duktionsprocess fortfahren.
Aber obgleich für ihn, den Producenten der Leinwand, ihre Metamorphose in Geld, ihr Verkauf stattgefunden hat, hat sie noch nicht stattgefunden für die Leinwand selbst. Sie befindet sich nach
wie vor auf dem Markt als Waarenkapital mit der Bestimmung, ihre erste Metamorphose zu vollziehn, verkauft zu werden. Mit dieser Leinwand hat sich nichts zugetragen als ein Wechsel in der Person ihres Besitzers. Ihrer eignen Bestimmung nach, ihrer Stellung im Process nach, ist sie nach wie vor Waarenkapital, verkäufliche Waare; nur dass sie jetzt in der Hand des Kauf- manns, statt früher des Producenten ist. Die Funktion sie zu ver- kaufen, die erste Phase ihrer Metamorphose zu vermitteln, ist dem Producenten durch den Kaufmann abgenommen und in sein be- sondres Geschäft verwandelt worden, während es früher eine Funk- tion war, die dem Producenten zu verrichten blieb, nachdem er die Funktion, sie zu produciren, erledigt hatte.
Gesetzt, es gelinge dem Kaufmann nicht, die 30,000 Ellen zu verkaufen während des Intervalls, das der Leinwandproducent braucht, um von neuem 30,000 Ellen zum Werth von 3000 £ auf den Markt zu werfen. Der Kaufmann kann sie nicht von neuem kaufen, weil er noch die 30,000 unverkauften Ellen auf Lager hat, und sie ihm noch nicht rückverwandelt sind in Geldkapital. Es tritt dann Stockung ein, Unterbrechung der Reproduktion. Der Leinwandproducent könnte allerdings zuschüssiges Geldkapital zur Verfügung haben, das er, unabhängig vom Verkauf der 30,000 Ellen, fähig wäre in produktives Kapital zu verwandeln und so den Produktionsprocess fortzuführen. Aber diese Unterstellung ändert an der Sache nichts. Soweit das in den 30,000 Ellen vor- geschossne Kapital in Betracht kommt, ist und bleibt dessen Re- produktionsprocess unterbrochen. Hier zeigt es sich also in der That handgreiflich, dass die Operationen des Kaufmanns weiter nichts sind als die Operationen, die überhaupt verrichtet werden müssen, um das Waarenkapital des Producenten in Geld zu ver- wandeln; die Operationen, welche die Funktionen des Waaren- kapitals im Cirkulations- und Reproduktionsprocess vermitteln. Wenn statt eines unabhängigen Kaufmanns ein blosser Kommis des Producenten sich ausschliesslich mit diesem Verkauf, und ausserdem mit dem Einkauf, zu beschäftigen hätte, wäre dieser Zusammenhang keinen Augenblick versteckt.
Das Waarenhandlungskapital ist also durchaus nichts andres als das Waarenkapital des Producenten, das den Process seiner Ver- wandlung in Geld durchzumachen, seine Funktion als Waaren- kapital auf dem Markt zu verrichten hat, nur dass diese Funktion statt als beiläufige Operation des Producenten, nun als ausschliess- liche Operation einer besondren Gattung von Kapitalisten, der
Waarenhändler, erscheint, verselbständigt wird als Geschäft einer besondren Kapitalanlage.
Uebrigens zeigt sich dies auch in der specifischen Form der Cir- kulation des Waarenhandlungskapitals. Der Kaufmann kauft die Waare und verkauft sie dann: G — W — G'. In der einfachen Waarencirkulation, oder selbst in der Waarencirkulation, wie sie als Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals erscheint, W'—G—W, wird die Cirkulation dadurch vermittelt, dass jedes Geldstück zwei- mal die Hände wechselt. Der Leinwandproducent verkauft seine Waare, die Leinwand, verwandelt sie in Geld; das Geld des Käufers geht in seine Hand über. Mit diesem selben Geld kauft er Garn, Kohle, Arbeit etc., gibt dasselbe Geld wieder aus um den Werth der Leinwand rückzuverwandeln in die Waaren, die die Produk- tionselemente der Leinwand bilden. Die Waare, die er kauft, ist nicht dieselbe Waare, nicht Waare derselben Art, wie die, die er verkauft. Er hat Produkte verkauft und Produktionsmittel gekauft. Aber es verhält sich anders in der Bewegung des Kaufmanns- kapitals. Mit den 3000 £ kauft der Leinwandhändler 30,000 Ellen Leinwand; er verkauft dieselben 30,000 Ellen Leinwand, um das Geldkapital (3000 £ nebst Profit) aus der Cirkulation zurückzu- ziehn. Hier wechseln also nicht dieselben Geldstücke, sondern dieselbe Waare zweimal die Stelle; sie geht aus der Hand des Verkäufers in die des Käufers und aus der Hand des Käufers, der nun Verkäufer geworden, in die eines andren Käufers über. Sie wird zweimal verkauft und kann noch mehrmals verkauft werden bei Zwischenschieben einer Reihe von Kaufleuten; und gerade erst durch diesen wiederholten Verkauf, den zweimaligen Stellenwechsel derselben Waare, wird das im Ankauf der Waare vorgeschossne Geld vom ersten Käufer zurückgezogen, der Rückfluss desselben zu ihm vermittelt. In dem einen Fall W['] — G — W vermittelt der zweimalige Stellenwechsel desselben Geldes, dass Waare in einer Gestalt veräussert und in einer andren Gestalt angeeignet wird. In dem andren Fall G—W—G' vermittelt der zweimalige Stellenwechsel derselben Waare, dass das vorgeschossne Geld wieder aus der Cirkulation zurückgezogen wird. Es zeigt sich eben darin, dass die Waare noch nicht endgültig verkauft wird, sobald sie aus der Hand des Producenten in die des Kaufmanns übergegangen, dass der letztre die Operation des Verkaufs — oder die Vermitt- lung der Funktion des Waarenkapitals — nur weiter fortführt. Es zeigt sich aber zugleich darin, dass was für den produktiven Kapitalisten W—G, eine blosse Funktion seines Kapitals in seiner
vorübergehenden Gestalt als Waarenkapital, für den Kaufmann G—W—G', eine besondre Verwerthung des von ihm vorge- schossnen Geldkapitals ist. Eine Phase der Waarenmetamorphose zeigt sich hier, mit Bezug auf den Kaufmann, als G—W—G', also als Evolution einer eignen Sorte von Kapital.
Der Kaufmann verkauft definitiv die Waare, also die Leinwand, an den Konsumenten, ob dies nun ein produktiver Konsument sei (z. B. ein Bleicher) oder ein individueller, der die Leinwand zu seinem Privatgebrauch vernutzt. Dadurch kehrt ihm das vorge- schossne Kapital (mit Profit) zurück, und er kann die Operation von neuem beginnen. Hätte beim Kauf der Leinwand das Geld nur als Zahlungsmittel fungirt, sodass er erst sechs Wochen nach Abnahme zu zahlen brauchte, und hätte er vor dieser Zeit ver- kauft, so könnte er den Leinwandproducenten zahlen, ohne selbst Geldkapital vorgeschossen zu haben. Hätte er sie nicht verkauft, so müsste er die 3000 £ bei Verfall, statt sogleich bei Ablieferung der Leinwand an ihn, vorschiessen; und hätte er wegen eines Falls der Marktpreise sie unter dem Einkaufspreis verkauft, so müsste er den fehlenden Theil aus seinem eignen Kapital ersetzen.
Was gibt nun dem Waarenhandlungskapital den Charakter eines selbständig fungirenden Kapitals, während es in der Hand des selbstverkaufenden Producenten augenscheinlich nur als eine be- sondre Form seines Kapitals in einer besondren Phase seines Re- produktionsprocesses, während seines Aufenthalts in der Cirkulations- sphäre erscheint?
Erstens: Dass das Waarenkapital in der Hand eines, von seinem Producenten verschiednen, Agenten seine definitive Verwandlung in Geld, also seine erste Metamorphose, seine ihm qua Waaren- kapital zukommende Funktion auf dem Markt vollzieht, und dass diese Funktion des Waarenkapitals vermittelt ist durch die Opera- tionen des Kaufmanns, durch sein Kaufen und Verkaufen, sodass diese Operation als eignes, von den übrigen Funktionen des indu- striellen Kapitals getrenntes, und daher verselbständigtes Geschäft sich gestaltet. Es ist eine besondre Form der gesellschaftlichen Theilung der Arbeit, sodass ein Theil der, sonst in einer besondren Phase des Reproduktionsprocesses des Kapitals, hier der Cirkulation, zu verrichtenden Funktion als die ausschliessliche Funktion eines eignen, vom Producenten unterschiednen Cirkulationsagenten er- scheint. Aber damit erschiene dies besondre Geschäft noch keines- wegs als die Funktion eines besondren, von dem in seinem Repro- duktionsprocess begriffnen industriellen Kapitals verschiednen, und
gegen es selbständigen Kapitals; wie es denn in der That nicht als solches da erscheint, wo der Waarenhandel betrieben wird durch blosse Handelsreisende oder andre direkte Agenten des industriellen Kapitalisten. Es muss also noch ein zweites Moment hinzukommen.
Zweitens: Dies kommt dadurch herein, dass der selbständige Cirkulationsagent, der Kaufmann, Geldkapital (eignes oder geliehenes) in dieser Position vorschiesst. Was für das in seinem Reproduk- tionsprocess befindliche industrielle Kapital sich einfach als W—G, Verwandlung des Waarenkapitals in Geldkapital oder blossen Ver- kauf darstellt, stellt sich für den Kaufmann dar als G—W—G', als Kauf und Verkauf derselben Waare, und daher als Rückfluss des Geldkapitals, das sich im Kauf von ihm entfernt, zu ihm zu- rück durch den Verkauf.
Es ist immer W—G, die Verwandlung des Waarenkapitals in Geldkapital, das sich für den Kaufmann als G—W—G darstellt, sofern er Kapital vorschiesst, im Kauf der Waare von den Produ- centen; immer die erste Metamorphose des Waarenkapitals, ob- gleich derselbe Akt für einen Producenten oder für das in seinem Reproduktionsprocess befindliche industrielle Kapital sich als G—W, Rückverwandlung des Gelds in Waare (die Produktionsmittel) oder als zweite Phase der Metamorphose darstellen mag. Für den Lein- wandproducenten war W—G die erste Metamorphose, Verwandlung des Waarenkapitals in Geldkapital. Dieser Akt stellt sich für den Kaufmann dar als G—W, Verwandlung seines Geldkapitals in Waarenkapital. Verkauft er nun die Leinwand an den Bleicher, so stellt dies für den Bleicher dar G—W, Verwandlung von Geld- kapital in produktives Kapital, oder die zweite Metamorphose seines Waarenkapitals; für den Kaufmann aber W—G, den Verkauf der von ihm gekauften Leinwand. In der That ist aber erst jetzt das Waarenkapital, das der Leinwandfabrikant fabricirt hat, endgültig verkauft, oder dies G—W—G des Kaufmanns stellt nur einen vermittelnden Process dar für das W—G zwischen zwei Produ- centen. Oder nehmen wir an, der Leinwandfabrikant kauft mit einem Theil des Werths der verkauften Leinwand Garn von einem Garnhändler. So ist dies für ihn G—W. Aber für den Kaufmann, der das Garn verkauft, ist es W—G, Wiederverkauf des Garns; und in Bezug auf das Garn selbst, als Waarenkapital, ist es nur sein definitiver Verkauf, womit es aus der Cirkulationssphäre in die Konsumtionssphäre übertritt; W—G, der endgültige Abschluss seiner ersten Metamorphose. Ob der Kaufmann also von indu- striellen Kapitalisten kauft oder an ihn verkauft, sein G—W—G,
der Kreislauf des Kaufmannskapitals, drückt immer nur aus, was mit Bezug auf das Waarenkapital selbst, als Durchgangsform des sich reproducirenden industriellen Kapitals bloss W—G, bloss die Vollziehung seiner ersten Metamorphose ist. Das G—W des Kauf- mannskapitals ist nur für den industriellen Kapitalisten zugleich W—G, nicht aber für das für ihn producirte Waarenkapital: es ist nur Uebergang des Waarenkapitals aus der Hand des Indu- striellen in die des Cirkulationsagenten; erst das W—G des Kauf- mannskapitals ist das endgültige W—G des fungirenden Waaren- kapitals. G—W—G sind nur zwei W—G desselben Waaren- kapitals, zwei successive Verkäufe desselben, die seinen letzten und definitiven Verkauf nur vermitteln.
Das Waarenkapital nimmt also im Waarenhandlungskapital da- durch die Gestalt einer selbständigen Sorte von Kapital an, dass der Kaufmann Geldkapital vorschiesst, das sich nur als Kapital verwerthet, nur als Kapital fungirt, indem es ausschliesslich damit beschäftigt ist, die Metamorphose des Waarenkapitals, seine Funk- tion als Waarenkapital, d. h. seine Verwandlung in Geld zu ver- mitteln, und es thut dies durch beständigen Kauf und Verkauf von Waaren. Dies ist seine ausschliessliche Operation; diese den Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals vermittelnde Thätig- keit ist die ausschliessliche Funktion des Geldkapitals, womit der Kaufmann operirt. Durch diese Funktion verwandelt er sein Geld in Geldkapital, stellt sein G dar als G—W—G', und durch den- selben Process verwandelt er das Waarenkapital in Waarenhand- lungskapital.
Das Waarenhandlungskapital, sofern und solange es in der Form des Waarenkapitals existirt — den Reproduktionsprocess des ge- sellschaftlichen Gesammtkapitals betrachtet — ist augenscheinlich nichts andres als der noch auf dem Markt befindliche, im Process seiner Metamorphose begriffene Theil des industriellen Kapitals, der jetzt als Waarenkapital existirt und fungirt. Es ist also nur das vom Kaufmann vorgeschossne Geldkapital, das ausschliesslich zum Kauf und Verkauf bestimmt ist, daher nie andre Form als die des Waarenkapitals und Geldkapitals, nie die des produktiven Kapitals annimmt, und stets in der Cirkulationssphäre des Kapitals eingepfercht bleibt, — es ist nur dies Geldkapital, was jetzt zu betrachten ist mit Bezug auf den gesammten Reproduktionsprocess des Kapitals.
Sobald der Producent, der Leinwandfabrikant, seine 30,000 Ellen an den Kaufmann für 3000 £ verkauft hat, kauft er mit dem so
gelösten Geld die nöthigen Produktionsmittel, und sein Kapital geht wieder in den Produktionsprocess ein; sein Produktionsprocess kontinuirt, geht ununterbrochen fort. Für ihn hat die Verwand- lung seiner Waare in Geld stattgefunden. Aber für die Leinwand selbst hat die Verwandlung, wie wir sahen, noch nicht stattge- funden. Sie ist noch nicht endgültig in Geld rückverwandelt, noch nicht als Gebrauchswerth, sei es in die produktive, sei es in die individuelle Konsumtion eingegangen. Der Leinwandhändler reprä- sentirt jetzt auf dem Markt dasselbe Waarenkapital, das der Lein- wandproducent dort ursprünglich repräsentirte. Für diesen ist der Process der Metamorphose abgekürzt, aber nur um in der Hand des Kaufmanns fortzudauern.
Müsste der Leinwandproducent warten, bis seine Leinwand wirk- lich aufgehört hat Waare zu sein, bis sie an den letzten Käufer, den produktiven oder individuellen Konsumenten übergegangen ist, so wäre sein Reproduktionsprocess unterbrochen. Oder um ihn nicht zu unterbrechen, hätte er seine Operationen einschränken müssen, einen geringern Theil seiner Leinwand in Garn, Kohlen, Arbeit etc., kurz in die Elemente des produktiven Kapitals ver- wandeln und einen grössern Theil davon als Geldreserve bei sich behalten müssen, damit, während ein Theil seines Kapitals sich als Waare auf dem Markt befindet, ein andrer Theil den Produk- tionsprocess fortsetzen könne, sodass, wenn dieser als Waare auf den Markt tritt, jener in Geldform zurückfliesst. Diese Theilung seines Kapitals wird durch die Dazwischenkunft des Kaufmanns nicht beseitigt. Aber ohne letztre müsste der in Form von Geld- reserve vorhandne Theil des Cirkulationskapitals stets grösser sein im Verhältniss zu dem in Form von produktivem Kapital beschäf- tigten Theil, und dementsprechend die Stufenleiter der Reproduktion beschränkt werden. Statt dessen kann der Producent nun einen grössern Theil seines Kapitals beständig im eigentlichen Produk- tionsprocess anwenden, einen geringern als Geldreserve.
Dafür befindet sich aber nun ein andrer Theil des gesellschaft- lichen Kapitals, in der Form des Kaufmannskapitals, beständig innerhalb der Cirkulationssphäre. Er ist stets nur angewandt um Waare zu kaufen und zu verkaufen. Es scheint so nur ein Wechsel der Personen vorgegangen zu sein, die dies Kapital in der Hand haben.
Wendete der Kaufmann, statt für 3000 £ Leinwand zu kaufen, in der Absicht sie wieder zu verkaufen, diese 3000 £ selbst pro- duktiv an, so wäre das produktive Kapital der Gesellschaft ver-
grössert. Allerdings müsste dann der Leinwandproducent einen be- deutendern Theil seines Kapitals als Geldreserve festhalten, und ebenso der jetzt in einen industriellen Kapitalisten verwandelte Kaufmann. Andrerseits, wenn der Kaufmann Kaufmann bleibt, so spart der Producent Zeit im Verkaufen, die er zur Ueberwachung des Produktionsprocesses anwenden kann, während der Kaufmann seine ganze Zeit im Verkaufen verwenden muss.
Falls das Kaufmannskapital nicht seine nothwendigen Propor- tionen überschreitet, ist anzunehmen:
1) Dass in Folge der Theilung der Arbeit das Kapital, das sich ausschliesslich mit Kaufen und Verkaufen beschäftigt (und es ge- hört hierzu ausser dem Geld zum Ankauf von Waaren, das Geld das ausgelegt werden muss in der zum Betrieb des kaufmännischen Geschäfts nothwendigen Arbeit, im konstanten Kapital des Kauf- manns, Lagergebäuden, Transport etc.) kleiner ist, als es wäre, wenn der industrielle Kapitalist den ganzen kaufmännischen Theil seines Geschäfts selbst betreiben müsste;
2) dass, weil der Kaufmann ausschliesslich mit diesem Geschäft sich befasst, nicht nur für den Producenten seine Waare früher in Geld verwandelt wird, sondern das Waarenkapital selbst rascher seine Metamorphose durchmacht, als es in der Hand des Produ- centen thun würde;
3) dass, das gesammte Kaufmannskapital im Verhältniss zum industriellen Kapital betrachtet, ein Umschlag des Kaufmanns- kapitals nicht nur die Umschläge vieler Kapitale in einer Produk- tionssphäre, sondern die Umschläge einer Anzahl von Kapitalen in verschiednen Produktionssphären vorstellen kann. Das erstere ist der Fall, wenn z. B. der Leinwandhändler, nachdem er mit seinen 3000 £ das Produkt eines Leinwandproducenten gekauft und wieder verkauft hat, bevor derselbe Producent dasselbe Quantum Waaren wieder auf den Markt wirft, das Produkt eines andren oder mehrerer Leinwandproducenten kauft und dies wieder verkauft, so die Um- schläge verschiedner Kapitale in derselben Produktionssphäre ver- mittelnd. Das zweite, wenn der Kaufmann z. B. nach dem Ver- kauf der Leinwand, nun Seide kauft, also den Umschlag eines Kapitals in einer andern Produktionssphäre vermittelt.
Im allgemeinen ist zu bemerken: Der Umschlag des industriellen Kapitals ist nicht nur durch die Umlaufszeit, sondern auch durch die Produktionszeit beschränkt. Der Umschlag des Kaufmanns- kapitals, soweit es nur mit einer bestimmten Waarensorte handelt, st beschränkt nicht durch den Umschlag eines industriellen Kapitals,
sondern durch den aller industriellen Kapitale in demselben Pro- duktionszweig. Nachdem der Kaufmann die Leinwand des einen gekauft und verkauft, kann er die des andren kaufen und ver- kaufen, bevor der erste wieder eine Waare auf den Markt wirft. Dasselbe Kaufmannskapital kann also nach einander die verschied- nen Umschläge der in einem Produktionszweig angelegten Kapitale vermitteln; sodass sein Umschlag nicht identisch ist mit den Um- schlägen eines einzelnen industriellen Kapitals, und daher nicht bloss die eine Geldreserve ersetzt, die dieser einzelne industrielle Kapitalist in petto haben müsste. Der Umschlag des Kaufmanns- kapitals in einer Produktionssphäre ist natürlich durch deren Ge- sammtproduktion beschränkt. Aber er ist nicht beschränkt durch die Grenzen der Produktion oder die Umschlagszeit des einzelnen Kapitals derselben Sphäre, soweit diese Umschlagszeit durch die Produktionszeit gegeben ist. Gesetzt, A liefre eine Waare, die drei Monate zu ihrer Produktion braucht. Nachdem der Kaufmann sie gekauft und verkauft, sage in einem Monat, kann er dasselbe Pro- dukt eines andren Producenten kaufen und verkaufen. Oder nach- dem er z. B. das Getreide eines Pächters verkauft, kann er mit demselben Geld das des zweiten kaufen und verkaufen u. s. w. Der Umschlag seines Kapitals ist begrenzt durch die Masse Getreide, die er nach einander in einer gegebnen Zeit, z. B. einem Jahr, kaufen und verkaufen kann, während der Umschlag des Pächter- kapitals, abgesehn von der Umlaufszeit, beschränkt ist durch die Produktionszeit, die ein Jahr dauert.
Der Umschlag desselben Kaufmannskapitals kann aber ebenso gut die Umschläge von Kapitalen in verschiednen Produktions- zweigen vermitteln.
Soweit dasselbe Kaufmannskapital in verschiednen Umschlägen dazu dient, verschiedne Waarenkapitale successive in Geld zu ver- wandeln, sie also der Reihe nach kauft und verkauft, verrichtet es als Geldkapital dieselbe Funktion gegenüber dem Waarenkapital, die das Geld überhaupt durch die Anzahl seiner Umläufe in einer gegebnen Periode gegenüber den Waaren verrichtet.
Der Umschlag des Kaufmannskapitals ist nicht identisch mit dem Umschlag oder der einmaligen Reproduktion eines gleichgrossen industriellen Kapitals; er ist vielmehr gleich der Summe der Um- schläge einer Anzahl solcher Kapitale, sei es in derselben, sei es in verschiednen Produktionssphären. Je rascher das Kaufmannskapital umschlägt, um so kleiner, je langsamer es umschlägt, um so grösser ist der Theil des gesammten Geldkapitals, das als Kauf-
mannskapital figurirt. Je unentwickelter die Produktion, desto grösser die Summe des Kaufmannskapitals im Verhältniss zur Summe der überhaupt in Cirkulation geworfnen Waaren; desto kleiner aber ist es absolut oder verglichen mit entwickeltern Zu- ständen. Umgekehrt, umgekehrt. In solchen unentwickelten Zu- ständen befindet sich daher der grösste Theil des eigentlichen Geldkapitals in den Händen der Kaufleute, deren Vermögen so den andren gegenüber das Geldvermögen bildet.
Die Geschwindigkeit der Cirkulation des vom Kaufmann vorge- schossnen Geldkapitals hängt ab: 1) von der Geschwindigkeit, wo- mit sich der Produktionsprocess erneuert und die verschiednen Produktionsprocesse in einander greifen; 2) von der Geschwindig- keit der Konsumtion.
Es ist nicht nöthig, dass das Kaufmannskapital bloss den oben betrachteten Umschlag durchmacht, für seinen ganzen Werthum- fang erst Waare zu kaufen und sie dann zu verkaufen. Sondern der Kaufmann macht gleichzeitig beide Bewegungen durch. Sein Kapital theilt sich dann in zwei Theile. Der eine besteht aus Waarenkapital, und der andre aus Geldkapital. Er kauft hier und verwandelt damit sein Geld in Waare. Er verkauft dort und ver- wandelt damit einen andren Theil des Waarenkapitals in Geld. Auf der einen Seite strömt ihm sein Kapital als Geldkapital zurück, während auf der andren ihm Waarenkapital zufliesst. Je grösser der Theil, der in der einen Form, desto kleiner der, der in der andren existirt. Dies wechselt ab und gleicht sich aus. Verbindet sich mit der Anwendung des Geldes als Cirkulationsmittel, die als Zahlungsmittel und das darauf erwachsende Kreditsystem, so ver- mindert sich noch ferner der Geldkapitaltheil des Kaufmannskapitals im Verhältniss zur Grösse der Transaktionen, die dies Kaufmanns- kapital verrichtet. Kaufe ich für 1000 £ Wein auf 3 Monat Ziel, und habe ich den Wein verkauft gegen baar, vor Ablauf der drei Monate, so ist für diese Transaktion kein Heller vorzuschiessen. In diesem Fall ist auch sonnenklar, dass das Geldkapital, das hier als Kaufmannskapital figurirt, durchaus nichts ist als das indu- strielle Kapital selbst in seiner Form als Geldkapital, in seinem Rückfluss zu sich in der Form des Geldes. (Dass der Producent, der für 1000 £ Waare auf 3 Monate Ziel verkauft hat, den Wechsel d. h. Schuldschein, dafür beim Bankier diskontiren kann, ändert’ nichts an der Sache und hat nichts mit dem Kapital des Waaren- händlers zu schaffen.) Fielen die Marktpreise der Waare in der Zwischenzeit vielleicht um , so erhielte der Kaufmann nicht
nur keinen Profit, sondern überhaupt nur 2700 £ zurück, statt 3000. Er müsste 300 £ zulegen um zu zahlen. Diese 300 £ fungirten nur als Reserve zur Ausgleichung der Preisdifferenz. Aber dasselbe gilt für den Producenten. Hätte er selbst verkauft, zu fallenden Preisen, so hätte er ebenfalls 300 £ verloren und könnte die Pro- duktion auf derselben Stufenleiter nicht wieder beginnen ohne Reservekapital.
Der Leinwandhändler kauft für 3000 £ Leinwand vom Fabri- kanten; dieser zahlt von diesen 3000 £ z. B. 2000 um Garn zu kaufen; er kauft dies Garn vom Garnhändler. Das Geld womit der Fabrikant den Garnhändler zahlt, ist nicht das Geld des Lein- wandhändlers; denn dieser hat Waare zum Belauf dieser Summe dafür erhalten. Es ist Geldform seines eignen Kapitals. In der Hand des Garnhändlers erscheinen diese 2000 £ nun als zurück- geflossnes Geldkapital; aber wieweit sind sie es, als unterschieden von diesen 2000 £, als der abgestreiften Geldform der Leinwand und der angenommnen Geldform des Garns? Hat der Garnhändler auf Kredit gekauft und hat er gegen baar verkauft vor Verfall seiner Zahlungsfrist, so steckt in diesen 2000 £ kein Heller Kaufmanns- kapital als unterschieden von der Geldform, die das industrielle Kapital selbst in seinem Kreislaufsprocess annimmt. Das Waaren- handlungskapital, soweit es also nicht blosse Form des industriellen Kapitals ist, das sich in der Gestalt von Waarenkapital oder Geld- kapital in der Hand des Kaufmanns befindet, ist nichts als der Theil des Geldkapitals, der dem Kaufmann selbst gehört und im Kauf und Verkauf von Waaren umgetrieben wird. Dieser Theil stellt auf reducirtem Maßstab den Theil des zur Produktion vor- geschossnen Kapitals vor, der sich als Geldreserve, Kaufmittel, stets in der Hand des Industriellen befinden und stets als ihr Geld- kapital cirkuliren müsste. Dieser Theil befindet sich jetzt, reducirt, in der Hand von kaufmännischen Kapitalisten; als solcher stets fungirend im Cirkulationsprocess. Es ist der Theil des Gesammt- kapitals der, abgesehn von Revenueausgaben, beständig als Kauf- mittel auf dem Markt cirkuliren muss, um die Kontinuität des Re- produktionsprocesses in Gang zu halten. Er ist um so kleiner, im Verhältniss zum Gesammtkapital, je rascher der Reproduktions- process und je entwickelter die Funktion des Geldes als Zahlungs- mittel, d. h. des Kreditsystems.(FN38)
Das Kaufmannskapital ist nichts als innerhalb der Cirkulations- sphäre fungirendes Kapital. Der Cirkulationsprocess ist eine Phase des gesammten Reproduktionsprocesses. Aber im Circulationsprocess wird kein Werth producirt, also auch kein Mehrwerth. Es gehn nur Formveränderungen derselben Werthmasse vor. Es geht in der That nichts vor als die Metamorphose der Waaren, die als solche mit Werthschöpfung oder Werthveränderung nichts zu thun hat. Wird beim Verkauf der producirten Waare ein Mehrwerth realisirt, so, weil dieser bereits in ihr existirt; bei dem zweiten Akt, dem Rückaustausch des Geldkapitals gegen Waare (Produk- tionselemente) wird daher auch vom Käufer kein Mehrwerth rea- lisirt, sondern hier nur durch Austausch des Geldes gegen Produk- tionsmittel und Arbeitskraft, die Produktion des Mehrwerths ein- geleitet. Im Gegentheil. Soweit diese Metamorphosen Cirkulationszeit kosten — eine Zeit, innerhalb deren das Kapital überhaupt nicht, also auch keinen Mehrwerth, producirt — ist sie Beschränkung der Werthschöpfung, und der Mehrwerth wird sich als Profitrate gerade im umgekehrten Verhältniss zur Dauer der Cirkulationszeit aus- drücken. Das Kaufmannskapital schafft daher weder Werth noch Mehrwerth, d. h. nicht direkt. Sofern es zur Abkürzung der Cir- kulationszeit beiträgt, kann es indirekt den vom industriellen
Kapitalisten producirten Mehrwerth vermehren helfen. Soweit es den Markt ausdehnen hilft und die Theilung der Arbeit zwischen den Kapitalen vermittelt, also das Kapital befähigt auf grössrer Stufenleiter zu arbeiten, befördert seine Funktion die Produktivität des industriellen Kapitals und dessen Akkumulation. Soweit es die Umlaufszeit abkürzt, erhöht es das Verhältniss des Mehrwerths zum vorgeschossnen Kapital, also die Profitrate. Soweit es einen ge- ringern Theil des Kapitals als Geldkapital in die Cirkulationssphäre einbannt, vermehrt es den direkt in der Produktion angewandten Theil des Kapitals.
Man hat in Buch II gesehn, dass die reinen Funktionen des Kapitals in der Cirkulationssphäre — die Operationen, die der in- dustrielle Kapitalist vornehmen muss, um erstens den Werth seiner Waaren zu realisiren, und zweitens diesen Werth in die Produk- tionselemente der Waare rückzuverwandeln, die Operationen zur Ver- mittlung der Metamorphosen des Waarenkapitals W'—G—W, also die Akte des Verkaufens und Kaufens — weder Werth noch Mehrwerth er- zeugen. Umgekehrt zeigte es sich, dass die Zeit, die hierfür erheischt, objektiv mit Bezug auf die Waaren, und subjektiv mit Bezug auf den Ka- pitalisten, Grenzen erzeugt für die Bildung von Werth und Mehrwerth. Was von der Metamorphose des Waarenkapitals an sich gilt, wird na- türlich in keiner Weise dadurch geändert, dass ein Theil desselben die Gestalt des Waarenhandlungskapitals annimmt, oder dass die Ope- rationen, wodurch die Metamorphose des Waarenkapitals vermittelt wird, als das besondre Geschäft einer besondren Abtheilung von Kapitalisten, oder als ausschliessliche Funktion eines Theils des Geldkapitals erscheint. Wenn das Verkaufen und Kaufen von Waaren — und darin löst sich die Metamorphose des Waaren- kapitals W'—G—W auf — durch die industriellen Kapitalisten selbst keine Werth oder Mehrwerth schaffenden Operationen sind, so werden sie es unmöglich dadurch, dass sie statt von diesen, von andren Personen verrichtet werden. Wenn ferner der Theil des gesellschaftlichen Gesammtkapitals, der beständig als Geldkapital disponibel sein muss, damit der Reproduktionsprocess nicht durch den Cirkulationsprocess unterbrochen werde, sondern kontinuirlich sei — wenn dies Geldkapital weder Werth noch Mehrwerth schafft,
so kann es diese Eigenschaften nicht dadurch erwerben, dass es, statt vom industriellen Kapitalisten, von einer andern Abtheilung Kapitalisten, zur Verrichtung derselben Funktionen, beständig in Cirkulation geworfen wird. Wie weit das Kaufmannskapital in- direkt produktiv sein kann, ist bereits angedeutet, und wird später noch weiter erörtert werden.
Das Waarenhandlungskapital also — abgestreift alle heterogenen Funktionen, wie Aufbewahren, Spediren, Transportiren, Eintheilen, Detailliren, die damit verknüpft sein mögen, und beschränkt auf seine wahre Funktion des Kaufens um zu verkaufen — schafft weder Werth noch Mehrwerth, sondern vermittelt nur ihre Reali- sation, und damit zugleich den wirklichen Austausch der Waaren, ihr Uebergehn aus einer Hand in die andre, den gesellschaftlichen Stoffwechsel. Dennoch, da die Cirkulationsphase des industriellen Kapitals ebensosehr eine Phase des Reproduktionsprocesses bildet wie die Produktion, muss das im Cirkulationsprocess selbständig fungirende Kapital ebensosehr den jährlichen Durchschnittsprofit abwerfen wie das in den verschiednen Zweigen der Produktion fun- girende Kapital. Würfe das Kaufmannskapital einen höhern pro- centigen Durchschnittsprofit ab als das industrielle Kapital, so würde sich ein Theil des industriellen Kapitals in Kaufmannskapital verwandeln. Würfe es einen niedrigern Durchschnittsprofit ab, so fände der umgekehrte Process statt. Ein Theil des Kaufmanns- kapitals würde sich in industrielles verwandeln. Keine Kapital- gattung hat grössre Leichtigkeit, ihre Bestimmung, ihre Funktion zu ändern, als das Kaufmannskapital.
Da das Kaufmannskapital selbst keinen Mehrwerth erzeugt, so ist klar, dass der Mehrwerth, der in der Form des Durchschnitts- profits auf es fällt, einen Theil des von dem gesammten produktiven Kapital erzeugten Mehrwerths bildet. Aber die Frage ist nun die: Wie zieht das Kaufmannskapital den ihm zufallenden Theil des vom produktiven Kapital erzeugten Mehrwerths oder Profits an sich?
Es ist nur Schein, dass der merkantile Profit blosser Zuschlag, nominelle Erhöhung des Preises der Waaren über ihren Werth.
Es ist klar, dass der Kaufmann seinen Profit nur aus dem Preis der von ihm verkauften Waaren beziehn kann, und noch mehr, dass dieser Profit, den er beim Verkauf seiner Waaren macht, gleich sein muss der Differenz zwischen seinem Kaufpreis und seinem Verkaufspreis, gleich dem Ueberschuss des erstern über den letztern.
Es ist möglich, dass nach dem Kauf der Waare und vor ihrem
Verkauf zusätzliche Kosten (Cirkulationskosten) in sie eingehn, und es ist ebenso möglich, dass dies nicht der Fall. Gehn solche Kosten ein, so ist klar, dass der Ueberschuss des Verkaufspreises über den Kaufpreis nicht bloss Profit vorstellt. Um die Untersuchung zu vereinfachen, unterstellen wir zunächst, dass keine solchen Kosten eingehn.
Bei dem industriellen Kapitalisten ist der Unterschied zwischen dem Verkaufspreis und dem Kaufpreis seiner Waaren gleich dem Unterschied zwischen ihrem Produktionspreis und ihrem Kostpreis, oder wenn wir das gesellschaftliche Gesammtkapital betrachten, gleich dem Unterschied zwischen dem Werth der Waaren und ihrem Kostpreis für die Kapitalisten, was sich wieder auflöst in dem Unterschied des Gesammtquantums der in ihnen vergegenständ- lichten Arbeit über das Quantum der in ihnen vergegenständlichten bezahlten Arbeit. Bevor die von dem industriellen Kapitalisten gekauften Waaren wieder als verkaufbare Waaren auf den Markt zurückgeworfen werden, machen sie den Produktionsprocess durch, in welchem der später als Profit zu realisirende Bestandtheil ihres Preises erst producirt wird. Aber mit dem Waarenhändler verhält es sich anders. Die Waaren befinden sich nur in seiner Hand, so lange sie sich in ihrem Cirkulationsprocess befinden. Er setzt nur ihren, vom produktiven Kapitalisten begonnenen Verkauf, die Rea- lisirung ihres Preises fort, und lässt sie daher keinen Zwischen- process durchmachen, worin sie von neuem Mehrwerth einsaugen könnten. Während der industrielle Kapitalist in der Cirkulation den bisher producirten Mehrwerth oder Profit nur realisirt, soll der Kaufmann dagegen in der Cirkulation und durch sie seinen Profit nicht nur realisiren, sondern erst machen. Dies scheint nur dadurch möglich zu sein, dass er die ihm vom industriellen Kapi- talisten zu ihren Produktionspreisen, oder wenn wir das gesammte Waarenkapital betrachten, zu ihren Werthen verkauften Waaren über ihren Produktionspreisen verkauft, einen nominellen Zuschlag zu ihren Preisen macht, also, das gesammte Waarenkapital be- trachtet, es über seinem Werth verkauft, und diesen Ueberschuss ihres Nominalwerths über ihren Realwerth einkassirt, in einem Wort sie theurer verkauft als sie sind.
Diese Form des Zuschlags ist sehr einfach zu verstehn, z. B. eine Elle Leinwand kostet 2 sh. Soll ich 10 % Profit aus dem Wiederverkauf machen, so muss ich auf den Preis schlagen, also die Elle zu 2 sh. 2⅖ d. verkaufen. Die Differenz zwischen ihrem wirklichen Produktionspreis und ihrem Verkaufspreis ist
dann = 2⅖ d. und dies ist auf die 2 sh. ein Profit von 10 %. In der That verkaufe ich dem Käufer dann die Elle zu einem Preis, der wirklich der Preis für 1 Elle ist. Oder was auf dasselbe hinauskommt: Es ist ganz, als verkaufte ich dem Ver- käufer nur Ellen für 2 sh. und behielte Elle für mich. In der That kann ich mit 2⅖ d. Elle zurückkaufen, den Preis der Elle zu 2 sh. 2⅖ d. gerechnet. Es wäre dies also nur ein Umweg, um an dem Mehrwerth und Mehrprodukt Theil zu nehmen durch nominelle Preiserhöhung der Waaren.
Dies ist die Realisirung des merkantilen Profits durch Preisauf- schlag der Waaren, wie sie sich zunächst in der Erscheinung dar- bietet. Und in der That ist die ganze Vorstellung vom Entspringen des Profits aus einer nominellen Preiserhöhung der Waaren, oder aus dem Verkauf derselben über ihren Werth, aus der Anschauung des merkantilen Kapitals entsprungen.
Näher betrachtet zeigt sich jedoch bald, dass dies blosser Schein ist. Und dass, die kapitalistische Produktionsweise als die herr- schende vorausgesetzt, der kommerzielle Profit sich nicht in dieser Weise realisirt. (Es handelt sich hier immer nur um den Durch- schnitt, nicht um einzelne Fälle.) Warum unterstellen wir, dass der Waarenhändler einen Profit von sage 10 % auf seine Waaren nur realisiren kann, indem er sie um 10 % über ihren Produktions- preisen verkauft? Weil wir angenommen haben, dass der Produ- cent dieser Waaren, der industrielle Kapitalist (der als Personi- fikation des industriellen Kapitals der Aussenwelt gegenüber immer als „der Producent“ figurirt) sie dem Kaufmann zu ihrem Produk- tionspreis verkauft hat. Wenn die vom Waarenhändler gezahlten Kaufpreise der Waaren gleich ihren Produktionspreisen, in letzter Instanz gleich ihren Werthen, sodass also der Produktionspreis, in letzter Instanz der Werth, der Waaren den Kostpreis für den Kaufmann darstellt, so muss in der That der Ueberschuss seines Verkaufspreises über seinen Kaufpreis — und nur diese Differenz bildet die Quelle seines Profits — ein Ueberschuss ihres merkan- tilen Preises über ihren Produktionspreis sein, und in letzter Instanz der Kaufmann alle Waaren über ihren Werthen verkaufen. Aber warum wurde angenommen, dass der industrielle Kapitalist dem Kaufmann die Waaren zu ihren Produktionspreisen verkauft? Oder vielmehr, was war in dieser Annahme vorausgesetzt? Dass das merkantile Kapital (hier haben wir es mit demselben nur noch als Waarenhandlungskapital zu thun) nicht in die Bildung der allge- meinen Profitrate eingeht. Wir gingen nothwendig von dieser Vor-
aussetzung aus bei Darstellung der allgemeinen Profitrate, erstens weil das merkantile Kapital als solches damals für uns noch nicht existirte; und zweitens, weil der Durchschnittsprofit, und daher die allgemeine Profitrate, zunächst nothwendig zu entwickeln war als Ausgleichung der Profite oder Mehrwerthe, die von den industriellen Kapitalen der verschiednen Produktionssphären wirklich producirt werden. Bei dem Kaufmannskapital haben wir es dagegen mit einem Kapital zu thun, das am Profit theilnimmt, ohne an seiner Produktion theilzunehmen. Es ist also jetzt nöthig, die frühere Darstellung zu ergänzen.
Gesetzt, das während des Jahres vorgeschossne industrielle Ge- sammtkapital sei = 720c + 180v = 900 (etwa Millionen £) und m' = 100 %. Das Produkt also = 720c + 180v + 180m. Nennen wir dann dies Produkt oder das producirte Waarenkapital W, so ist sein Werth oder Produktionspreis (da beide für die Totalität der Waaren zusammenfallen) = 1080, und die Rate des Profits für das gesammte Kapital von 900 = 20 %. Diese 20 % sind nach dem früher Entwickelten die Durchschnittsprofitrate, da der Mehr- werth hier nicht auf dieses oder jenes Kapital von besondrer Zu- sammensetzung, sondern auf das gesammte industrielle Kapital mit seiner Durchschnittszusammensetzung berechnet ist. Also W = 1080 und die Profitrate = 20 %. Wir wollen aber nun annehmen, dass ausser diesen 900 £ industrielles Kapital, noch 100 £ Kaufmanns- kapital hinzukommt, welches pro rata seiner Grösse denselben An- theil am Profit hat wie jenes. Nach der Voraussetzung ist es des Gesammtkapitals von 1000. Es betheiligt sich also mit am Gesammtmehrwerth von 180, und erhält so einen Profit zur Rate von 18 %. In der That also ist der zwischen den andren des Gesammtkapitals zu vertheilende Profit nur noch = 162, oder auf das Kapital von 900 ebenfalls = 18 %. Der Preis also wozu W von den Besitzern des industriellen Kapitals von 900 an die Waarenhändler verkauft wird, ist = 720c + 180v + 162m = 1062. Schlägt der Kaufmann also auf sein Kapital von 100 den Durch- schnittsprofit von 18 %, so verkauft er die Waaren zu 1062 + 18 = 1080, d. h. zu ihrem Produktionspreis oder, das gesammte Waaren- kapital betrachtet, zu ihrem Werth, obgleich er seinen Profit nur in der Cirkulation und durch sie macht, und nur durch den Ueberschuss seines Verkaufspreises über seinen Kaufpreis. Aber dennoch verkauft er die Waaren nichtüberihrem Werth oder nicht über ihrem Produktionspreis, eben weil er sie unter ihrem Werth oder unter ihrem Produktionspreis von den industriellen Kapitalisten gekauft hat.
In die Bildung der allgemeinen Profitrate geht also das Kauf- mannskapital bestimmend ein pro rata des Theils, den es vom Ge- sammtkapital bildet. Wenn also im angegebnen Fall gesagt wird: die Durchschnittsprofitrate ist = 18 %, so wäre sie = 20 %, wenn nicht des Gesammtkapitals Kaufmannskapital wäre und dadurch die allgemeine Profitrate um herabgesetzt worden. Es tritt damit auch eine nähere, einschränkende Bestimmung des Produk- tionspreises ein. Unter Produktionspreis ist nach wie vor zu ver- stehn der Preis der Waare = ihren Kosten (dem Werth des in ihr enthaltnen konstanten + variablen Kapitals) + dem Durchschnitts- profit darauf. Aber dieser Durchschnittsprofit ist jetzt anders be- stimmt. Er ist bestimmt durch den Gesammtprofit, den das totale produktive Kapital erzeugt; aber nicht berechnet auf dies produk- tive Totalkapital, sodass wenn dies wie oben = 900, und der Profit = 180, die Durchschnittsprofitrate = = 20 % wäre, sondern be- rechnet auf das totale produktive + Handelskapital, sodass, wenn 900 produktives und 100 Handelskapital, die Durchschnittsprofit- rate = = 18 % ist. Der Produktionspreis ist also = k (den Kosten) + 18, statt = k + 20. In der Durchschnittsprofitrate ist bereits der auf das Handelskapital fallende Theil des Gesammt- profits eingerechnet. Der wirkliche Werth oder Produktionspreis des gesammten Waarenkapitals ist daher = k + p + h (wo h der kommerzielle Profit). Der Produktionspreis oder der Preis, wozu der industrielle Kapitalist als solcher verkauft, ist also kleiner als der wirkliche Produktionspreis der Waare; oder, wenn wir die Ge- sammtheit der Waare betrachten, so sind die Preise, wozu die in- dustrielle Kapitalistenklasse sie verkauft, kleiner als ihre Werthe. So im obigen Fall: 900 (Kosten) + 18 % auf 900 oder 900 + 162 = 1062. Indem nun der Kaufmann Waare, die ihm 100 kostet, zu 118 verkauft, schlägt er allerdings 18 % auf; aber da die Waare, die er zu 100 gekauft hat, 118 werth ist, verkauft er sie deswegen nicht über ihren Werth. Wir wollen den Ausdruck Produktionspreis in dem oben entwickelten nähern Sinn beibehalten. Es ist dann klar, dass der Profit des industriellen Kapitalisten gleich dem Ueberschuss des Produktionspreises der Waare über ihren Kostpreis, und dass im Unterschied von diesem industriellen Profit, der kommerzielle Profit gleich dem Ueberschuss des Verkaufs- preises über den Produktionspreis der Waare, welcher ihr Kauf- preis für den Kaufmann ist; dass aber der wirkliche Preis der
Waare = ihrem Produktionspreise + dem merkantilen (kommerziellen) Profit ist. Wie das industrielle Kapital nur Profit realisirt, der als Mehrwerth schon im Werth der Waare steckt, so das Handels- kapital nur, weil der ganze Mehrwerth oder Profit noch nicht realisirt ist in dem vom industriellen Kapital realisirten Preis der Waare.(FN39) Der Verkaufspreis des Kaufmanns steht so über dem Einkaufspreis, nicht weil jener über, sondern weil dieser unter dem Totalwerth steht.
Das Kaufmannskapital geht also ein in die Ausgleichung des Mehrwerths zum Durchschnittsprofit, obgleich nicht in die Pro- duktion dieses Mehrwerths. Daher enthält die allgemeine Profit- rate bereits den Abzug vom Mehrwerth, der dem Kaufmannskapital zukommt, also einen Abzug vom Profit des industriellen Kapitals.
Es folgt aus dem Bisherigen:
1) Je grösser das Kaufmannskapital im Verhältniss zum industriellen Kapital, desto kleiner die Rate des industriellen Profits und um- gekehrt.
2) Wenn es sich im ersten Abschnitt zeigte, dass die Profitrate immer eine kleinere Rate ausdrückt, als die Rate des wirklichen Mehrwerths, d. h. den Exploitationsgrad der Arbeit immer zu klein ausdrückt, z. B. im obigen Fall 720c + 180v + 180m, eine Rate des Mehrwerths von 100 %, als eine Profitrate von nur 20 %, so weicht dies Verhältniss noch mehr ab, so weit nun die Durch- schnittsprofitrate selbst, bei Einrechnung des dem Kaufmannskapital zufallenden Antheils, wieder kleiner erscheint, hier als 18 % statt 20 %. Die Durchschnittsrate des Profits des direkt exploitirenden Kapitalisten drückt also die Rate des Profits kleiner aus, als sie wirklich ist.
Alle andren Umstände gleichbleibend vorausgesetzt, wird der relative Umfang des Kaufmannskapitals (wobei aber das der Klein- händler, eine Zwittergattung, Ausnahme bildet) in umgekehrtem Verhältniss stehn zur Geschwindigkeit seines Umschlags, also im umgekehrten Verhältniss zur Energie des Reproduktionsprocesses überhaupt. Im Gang der wissenschaftlichen Analyse erscheint die Bildung der allgemeinen Profitrate als ausgehend von den indu- striellen Kapitalen und ihrer Konkurrenz, und erst später berichtigt, ergänzt und modificirt durch die Dazwischenkunft des Kaufmanns- kapitals. Im Gang der historischen Entwicklung verhält sich die
Sache geradezu umgekehrt. Es ist das kommerzielle Kapital, das zuerst die Preise der Waaren mehr oder minder durch ihre Werthe bestimmt, und es ist die Sphäre der den Reproduktionsprocess ver- mittelnden Cirkulation, worin zuerst eine allgemeine Profitrate sich bildet. Der kommerzielle Profit bestimmt ursprünglich den indu- striellen Profit. Erst sobald die kapitalistische Produktionsweise durchgedrungen, und der Producent selbst Kaufmann geworden, wird der merkantile Profit reducirt auf den aliquoten Theil des Gesammtmehrwerths, der dem Handelskapital als einem aliquoten Theil des im gesellschaftlichen Reproduktionsprocess beschäftigten Gesammtkapitals zukommt.
In der ergänzenden Ausgleichung der Profite durch die Dazwischen- kunft des Kaufmannskapitals zeigte sich, dass in den Werth der Waare kein zusätzliches Element eingeht für das vorgeschossne Geldkapital des Kaufmanns, dass der Zuschlag auf den Preis, wo- durch der Kaufmann seinen Profit macht, nur gleich ist dem Werth- theil der Waare, den das produktive Kapital im Produktionspreis der Waare nicht berechnet, weggelassen hat. Es verhält sich näm- lich mit diesem Geldkapital, wie mit dem fixen Kapital des indu- striellen Kapitalisten, soweit es nicht aufgezehrt ist, sein Werth daher kein Element des Werths der Waare ausmacht. Nämlich in seinem Kaufpreis des Waarenkapitals ersetzt er dessen Produktions- preis, = G, in Geld. Sein Verkaufspreis, wie früher entwickelt, ist = G + Δ G, welches Δ G den durch die allgemeine Profitrate bestimmten Zusatz zum Waarenpreis ausdrückt. Verkauft er also die Waare, so fliesst ihm ausser Δ G das ursprüngliche Geldkapital zurück, das er im Ankauf der Waaren vorgeschossen. Es tritt hier wieder hervor, dass sein Geldkapital überhaupt nichts ist als das in Geldkapital verwandelte Waarenkapital des industriellen Kapitalisten, das ebensowenig die Werthgrösse dieses Waaren- kapitals afficiren kann, als wenn letztres statt an den Kaufmann, direkt an den letzten Konsumenten verkauft wäre. Es anticipirt thatsächlich bloss die Zahlung durch den letztern. Dies ist jedoch nur richtig, wenn wie bisher angenommen wird, dass der Kaufmann keine Unkosten hat, oder dass er ausser dem Geldkapital, das er vorschiessen muss, um die Waare vom Producenten zu kaufen, kein andres Kapital, cirkulirendes oder fixes, im Process der Metamor- phose der Waaren, des Kaufens und Verkaufens vorzuschiessen hat. Dem ist jedoch nicht so, wie man gesehn hat bei Betrachtung der Cirkulationskosten (Buch II, Kap. VI.) Und diese Cirkulations- kosten stellen sich dar, theils als Kosten, die der Kaufmann zu
reklamiren hat von andren Cirkulationsagenten, theils als Kosten, die direkt aus seinem specifischen Geschäft hervorgehn.
Welcher Art immer diese Cirkulationskosten sein mögen; ob sie aus dem rein kaufmännischen Geschäft als solchem entspringen, also zu den specifischen Cirkulationskosten des Kaufmanns ge- hören; oder ob sie Posten vorstellen, die aus nachträglichen, inner- halb des Cirkulationsprocesses hinzukommenden Produktionspro- cessen, wie Spedition, Transport, Aufbewahrung etc. entspringen: sie unterstellen auf Seite des Kaufmanns, ausser dem im Waaren- kauf vorgeschossnen Geldkapital, stets ein zusätzliches Kapital, das in Ankauf und Zahlung dieser Cirkulationsmittel vorgeschossen war. Soweit dies Kostenelement aus cirkulirendem Kapital besteht, geht es ganz, soweit aus fixem Kapital, geht es nach Maßgabe seines Verschleisses als Zusatzelement in den Verkaufspreis der Waaren ein; aber als ein Element, das einen nominellen Werth bildet, selbst wenn es keinen wirklichen Werthzusatz der Waare bildet, wie die rein kaufmännischen Cirkulationskosten. Ob aber cirkulirend oder fix, dies ganze zusätzliche Kapital geht ein in die Bildung der allgemeinen Profitrate.
Die rein kaufmännischen Cirkulationskosten (also mit Ausschluss der Kosten für Spedition, Transport, Aufbewahrung etc.) lösen sich auf in die Kosten, die nöthig sind um den Werth der Waare zu realisiren, ihn, sei es aus Waare in Geld oder aus Geld in Waare zu verwandeln, ihren Austausch zu vermitteln. Es wird dabei gänzlich abgesehn von etwaigen Produktionsprocessen, die während des Cirkulationsakts fortdauern, und von denen das kaufmännische Geschäft ganz getrennt existiren kann; wie in der That z. B. die wirkliche Transportindustrie und die Spedition, vom Handel ganz verschiedne Industriezweige sein können und sind, auch die zu kaufenden und zu verkaufenden Waaren in Docks und andren öffent- lichen Räumen lagern mögen, und die hieraus entspringenden Kosten dem Kaufmann von dritten Personen berechnet werden, sofern er sie vorzuschiessen hat. Alles dies findet sich im eigentlichen Gross- handel, wo das kaufmännische Kapital am reinsten und am wenigsten verquickt mit andren Funktionen erscheint. Der Fuhrunternehmer, der Eisenbahndirigent, der Schiffsrheder, sind keine „Kaufleute“. Die Kosten, die wir hier betrachten, sind die des Kaufens und die des Verkaufens. Es ist schon früher bemerkt worden, dass sie sich auflösen in Rechnen, Buchführen, Markten, Korrespondenz etc. Das konstante Kapital, das dazu erfordert ist, besteht in Komptoir, Papier, Porto etc. Die andren Kosten lösen sich auf in variables
Kapital, das in Anwendung merkantiler Lohnarbeiter vorgeschossen wird. (Speditionsspesen, Transportkosten, Vorschüsse von Zöllen etc. können z. Th. so betrachtet werden, dass der Kaufmann sie im Ankauf der Waaren vorschiesst, und dass sie für ihn daher in den Kaufpreis eingehn.)
Diese sämmtlichen Kosten werden nicht gemacht in der Produk- tion des Gebrauchswerths der Waaren, sondern in der Realisation ihres Werths; sie sind reine Cirkulationskosten. Sie gehn nicht ein in den unmittelbaren Produktionsprocess, aber in den Cirku- lationsprocess, daher in den Gesammtprocess der Reproduktion.
Der einzige Theil dieser Kosten, der uns hier interessirt, ist der in variablem Kapital ausgelegte. (Ausserdem wäre zu untersuchen: Erstens, wie das Gesetz, dass nur nothwendige Arbeit in den Werth der Waare eingeht, sich im Cirkulationsprocess geltend macht? Zweitens: Wie die Akkumulation beim Kaufmannskapital erscheint? Drittens: Wie das Kaufmannskapital im wirklichen Gesammt-Re- produktionsprocess der Gesellschaft fungirt?)
Diese Kosten gehn aus der ökonomischen Form des Produkts als Waare hervor.
Wenn die Arbeitszeit, die die industriellen Kapitalisten selbst verlieren, um einander ihre Waaren direkt zu verkaufen — also objektiv gesprochen, die Umlaufszeit der Waaren — diesen Waaren durchaus keinen Werth zusetzt, so ist es klar, dass diese Arbeits- zeit keinen andren Charakter dadurch erhält, dass sie auf den Kaufmann statt auf den industriellen Kapitalisten fällt. Die Ver- wandlung von Waare (Produkt) in Geld und von Geld in Waare (Produktionsmittel) ist nothwendige Funktion des industriellen Ka- pitals und daher nothwendige Operation des Kapitalisten, der in der That nur das personificirte, mit eignem Bewusstsein und Willen begabte Kapital ist. Aber diese Funktionen vermehren weder den Werth, noch schaffen sie Mehrwerth. Der Kaufmann, indem er diese Operationen vollzieht, oder die Funktionen des Kapitals in der Cirkulationssphäre weiter vermittelt, nachdem der produktive Kapitalist aufgehört hat dies zu thun, tritt bloss an die Stelle des industriellen Kapitalisten. Die Arbeitszeit, die diese Operationen kosten, wird verwandt auf nothwendige Operationen im Reproduk- tionsprocess des Kapitals, aber sie setzt keinen Werth zu. Wenn der Kaufmann diese Operationen nicht verrichtete (also auch nicht die dafür erheischte Arbeitszeit anwendete) so würde er sein Ka- pital nicht anwenden als Cirkulationsagent des industriellen Kapitals; er setzte nicht die abgebrochne Funktion des industriellen Kapi-
talisten weiter fort, und hätte daher auch nicht als Kapitalist, pro rata seines vorgeschossnen Kapitals, an der Profitmasse Theil zu nehmen, die von der industriellen Kapitalistenklasse producirt wird. Um an der Mehrwerthsmasse theilzunehmen, um seinen Vorschuss als Kapital zu verwerthen, braucht daher der kaufmännische Kapi- talist keine Lohnarbeiter anzuwenden. Wenn sein Geschäft und sein Kapital klein ist, mag er selbst der einzige Arbeiter sein, den er anwendet. Wodurch er bezahlt wird, ist der Theil des Profits, der ihm aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis der Waaren und dem wirklichen Produktionspreis erwächst.
Andrerseits mag denn auch, bei kleinem Umfang des vom Kauf- mann vorgeschossnen Kapitals, der Profit, den er realisirt, durch- aus nicht grösser, oder kann selbst kleiner sein als der Arbeitslohn eines der besser bezahlten geschickten Lohnarbeiter. In der That, neben ihm fungiren direkte kommerzielle Agenten des produktiven Kapitalisten, Einkäufer, Verkäufer, Reisende, die dasselbe oder mehr Einkommen beziehn, sei es in der Form des Arbeitslohns, oder in der Form einer Anweisung auf den Profit (Provision, Tantième) der auf jeden Verkauf gemacht wird. Im ersten Fall kassirt der Kaufmann den merkantilen Profit als selbständiger Kapitalist ein; im andren Fall wird dem Kommis, dem Lohnarbeiter des indu- striellen Kapitalisten, ein Theil des Profits, sei es in der Form des Arbeitslohns, sei es in der Form eines proportionellen Antheils am Profit des industriellen Kapitalisten, dessen direkter Agent er ist, ausgezahlt, und sein Prinzipal sackt in diesem Fall sowohl den industriellen wie kommerziellen Profit ein. Aber in allen diesen Fällen, obgleich dem Cirkulationsagenten selbst seine Einnahme als blosser Arbeitslohn erscheinen mag, als Zahlung für die von ihm verrichtete Arbeit, und obgleich, wo sie nicht so erscheint, der Umfang seines Profits nur dem Arbeitslohn eines besser be- zahlten Arbeiters gleichkommen mag, entspringt seine Einnahme nur aus dem merkantilen Profit. Dies geht daraus hervor, dass seine Arbeit nicht werthschaffende Arbeit ist.
Die Verlängerung der Cirkulationsoperation stellt für den indu- striellen Kapitalisten dar 1) Zeitverlust persönlich, soweit er da- durch gehindert wird seine Funktion als Dirigent des Produktions- processes selbst zu verrichten; 2) verlängerten Aufenthalt seines Produkts, in Geld- oder Waarenform, im Cirkulationsprocess, also in einem Process, worin es sich nicht verwerthet, und worin der unmittelbare Produktionsprocess unterbrochen wird. Soll dieser nicht unterbrochen werden, so muss entweder die Produktion be-
schränkt werden, oder es ist zusätzliches Geldkapital vorzuschiessen, damit der Produktionsprocess stets auf derselben Stufenleiter fort- dauert. Dies kommt jedesmal darauf hinaus, dass entweder mit dem bisherigen Kapital kleinerer Profit gemacht wird, oder dass zusätzliches Geldkapital vorzuschiessen ist, um den bisherigen Profit zu machen. Dies bleibt nun alles dasselbe, wenn an die Stelle des industriellen Kapitalisten der Kaufmann tritt. Statt dass jener mehr Zeit im Cirkulationsprocess verwendet, verwendet sie der Kaufmann; statt dass er Zusatzkapital für die Cirkulation vor- schiessen muss, schiesst es der Kaufmann vor; oder was auf das- selbe hinauskommt: statt dass ein grössrer Theil des industriellen Kapitals sich beständig im Cirkulationsprocess herumtreibt, ist das Kapital des Kaufmanns gänzlich darin eingepfercht; und statt dass der industrielle Kapitalist geringern Profit macht, muss er einen Theil seines Profits gänzlich an den Kaufmann abtreten. Soweit das Kaufmannskapital auf die Grenzen beschränkt bleibt, in denen es nothwendig ist, ist der Unterschied nur der, dass durch diese Theilung der Funktion des Kapitals weniger Zeit ausschliesslich auf den Cirkulationsprocess verwendet, weniger Zusatzkapital dafür vorgeschossen wird, und der Verlust am Gesammtprofit, der sich in der Gestalt des merkantilen Profits zeigt, kleiner ist als er sonst wäre. Wenn im obigen Beispiel 720c + 180v + 180m neben einem Kaufmannskapital von 100 dem industriellen Kapitalisten einen Profit von 162 oder 18 % lässt, also einen Abzug von 18 verur- sacht, so betrüge das nöthige Zuschusskapital ohne diese Verselb- ständigung vielleicht 200, und wir hätten dann als Gesammtvor- schuss der industriellen Kapitalisten, statt 900, 1100, also auf einen Mehrwerth von 180 eine Profitrate von nur 16 %.
Hat der industrielle Kapitalist, der sein eigner Kaufmann ist, nun ausser dem Zusatzkapital, womit er neue Waare kauft, ehe sein in Cirkulation befindliches Produkt in Geld rückverwandelt ist, ausserdem noch Kapital (Bureaukosten und Lohn für kommer- zielle Arbeiter) vorgeschossen für die Realisirung des Werths seines Waarenkapitals, also für den Cirkulationsprocess, so bilden diese zwar zusätzliches Kapital, aber keinen Mehrwerth. Sie müssen aus dem Werth der Waaren ersetzt werden; denn ein Werththeil dieser Waaren muss sich wieder umsetzen in diese Cirkulationskosten; aber hierdurch wird kein zusätzlicher Mehrwerth gebildet. Mit Bezug auf das Gesammtkapital der Gesellschaft kommt dies that- sächlich darauf hinaus, dass ein Theil desselben für sekundäre Ope- rationen erheischt ist, die nicht in den Verwerthungsprocess eingehn,
und dass dieser Theil des gesellschaftlichen Kapitals beständig für diese Zwecke reproducirt werden muss. Für den einzelnen Kapi- talisten und für die ganze industrielle Kapitalistenklasse wird da- durch die Profitrate vermindert, ein Resultat, das aus jeder Hinzu- fügung von Zusatzkapital folgt, soweit dies erforderlich ist, um dieselbe Masse variablen Kapitals in Bewegung zu setzen.
Soweit diese mit dem Cirkulationsgeschäft selbst verbundnen Zu- satzkosten dem industriellen Kapitalisten nun abgenommen werden vom kaufmännischen, findet diese Verminderung der Profitrate auch statt, nur in geringerm Grade und auf anderm Wege. Die Sache stellt sich jetzt so dar, dass der Kaufmann mehr Kapital vor- schiesst als nöthig wäre, wenn diese Kosten nicht existirten, und dass der Profit auf dies Zusatzkapital die Summe des merkantilen Profits erhöht, also das Kaufmannskapital in grössrem Umfang in die Ausgleichung der Durchschnittsprofitrate mit dem industriellen Kapital eingeht, also der Durchschnittsprofit fällt. Wenn in unserm obigen Beispiel ausser den 100 Kaufmannskapital noch 50 Zusatz- kapital für die fraglichen Kosten vorgeschossen werden, so ver- theilt sich der Gesammtmehrwerth von 180 nun auf ein produktives Kapital von 900 plus einem Kaufmannskapital von 150, zusammen = 1050. Die Durchschnittsprofitrate sinkt also auf 17 %. Der industrielle Kapitalist verkauft die Waaren an den Kaufmann zu 900 + 154 = 1054, und der Kaufmann verkauft sie zu 1130 (1080 + 50 für Kosten, die er wieder ersetzen muss). Im Uebrigen muss angenommen werden, dass mit der Theilung zwischen kauf- männischem und industriellem Kapital Centralisation der Handels- kosten und daher Verringerung derselben verbunden ist.
Es fragt sich jetzt: Wie verhält es sich mit den kommerziellen Lohnarbeitern, die der kaufmännische Kapitalist, hier der Waaren- händler, beschäftigt?
Nach einer Seite hin ist ein solcher kommerzieller Arbeiter Lohnarbeiter wie ein andrer. Erstens insofern die Arbeit gekauft wird vom variablen Kapital des Kaufmanns, nicht von dem als Revenue verausgabten Geld, und daher auch nur gekauft wird nicht für Privatbedienung, sondern zum Zweck der Selbstverwerthung des darin vorgeschossnen Kapitals. Zweitens sofern der Werth seiner Arbeitskraft und daher sein Arbeitslohn bestimmt ist, wie bei allen andren Lohnarbeitern, durch die Produktions- und Reproduktions- kosten seiner specifischen Arbeitskraft, nicht durch das Produkt seiner Arbeit.
Aber es muss zwischen ihm und den direkt vom industriellen
Kapital beschäftigten Arbeitern derselbe Unterschied stattfinden, der zwischen dem industriellen Kapital und dem Handelskapital, und daher zwischen dem industriellen Kapitalisten und dem Kauf- mann stattfindet. Da der Kaufmann als blosser Cirkulationsagent weder Werth noch Mehrwerth producirt (denn der Zusatzwerth, den er den Waaren durch seine Unkosten zusetzt, löst sich auf in Zusatz vorher existirenden Werths, obgleich sich hier die Frage aufdrängt, wie erhält, konservirt er diesen Werth seines konstanten Kapitals?), so können auch die von ihm in denselben Funktionen beschäftigten merkantilen Arbeiter unmöglich unmittelbar Mehr- werth für ihn schaffen. Hier, wie bei den produktiven Arbeitern unterstellen wir, dass der Arbeitslohn durch den Werth der Arbeits- kraft bestimmt ist, also der Kaufmann sich nicht bereichert durch Abzug am Lohn, sodass er in seiner Kostenberechnung nicht einen Vorschuss für Arbeit ansetzt, den er nur zum Theil bezahlte, mit andren Worten, dass er sich nicht bereichert, indem er seine Kommis etc. prellt.
Was Schwierigkeiten macht mit Bezug auf die merkantilen Lohn- arbeiter, ist keineswegs, zu erklären, wie sie direkt für ihren Be- schäftiger Profit produciren, obgleich sie nicht direkt Mehrwerth (wovon der Profit bloss eine verwandelte Form) produciren. Diese Frage ist in der That schon gelöst durch die allgemeine Analyse des merkantilen Profits. Ganz wie das industrielle Kapital dadurch Profit macht, dass es in den Waaren steckende und realisirte Arbeit verkauft, für die es kein Aequivalent bezahlt hat, so das merkan- tile Kapital dadurch, dass es dem produktiven Kapital die unbe- zahlte Arbeit, die in der Waare steckt (in der Waare, soweit das in ihrer Produktion ausgelegte Kapital als aliquoter Theil des gesammten industriellen Kapitals fungirt) nicht ganz zahlt, dagegen beim Verkauf der Waaren diesen noch in den Waaren steckenden und von ihm unbezahlten Theil sich zahlen lässt. Das Verhält- niss des Kaufmannskapitals zum Mehrwerth ist ein andres als das des industriellen Kapitals. Das letztere producirt den Mehrwerth durch direkte Aneignung unbezahlter fremder Arbeit. Das erstere eignet sich einen Theil dieses Mehrwerths an, indem es diesen Theil vom industriellen Kapital auf sich übertragen lässt.
Es ist nur durch seine Funktion der Realisirung der Werthe, dass das Handelskapital im Reproduktionsprocess als Kapital fungirt und daher, als fungirendes Kapital, aus dem vom Gesammtkapital erzeugten Mehrwerth zieht. Die Masse seines Profits hängt ab für den einzelnen Kaufmann von der Masse Kapital, die er in diesem
Process anwenden kann, und er kann um so mehr davon anwenden, im Kaufen und Verkaufen, je grösser die unbezahlte Arbeit seiner Kommis. Die Funktion selbst, kraft deren sein Geld Kapital ist, lässt der kaufmännische Kapitalist grossentheils durch seine Arbeiter verrichten. Die unbezahlte Arbeit dieser Kommis, obgleich sie nicht Mehrwerth schafft, schafft ihm aber Aneignung von Mehr- werth, was für dies Kapital dem Resultat nach ganz dasselbe; sie ist also für es Quelle des Profits. Das kaufmännische Geschäft könnte sonst nie auf grosser Stufenleiter, nie kapitalistisch be- trieben werden.
Wie die unbezahlte Arbeit des Arbeiters dem produktiven Ka- pital direkt Mehrwerth, schafft die unbezahlte Arbeit der kommer- ziellen Lohnarbeiter dem Handelskapital einen Antheil an jenem Mehrwerth.
Die Schwierigkeit ist diese: Da die Arbeitszeit und Arbeit des Kaufmanns selbst keine Werth schaffende Arbeit ist obgleich sie ihm Antheil an bereits erzeugtem Mehrwerth schafft, wie verhält es sich mit dem variablen Kapital, das er auslegt im Ankauf von kommerzieller Arbeitskraft? Ist dies variable Kapital als Kosten- auslage zuzurechnen zum vorgeschossnen Kaufmannskapital? Wenn nicht, scheint dies zu widersprechen dem Gesetz der Ausgleichung der Profitrate; welcher Kapitalist würde 150 vorschiessen, wenn er nur 100 als vorgeschossnes Kapital berechnen könnte? Wenn doch, so scheint es dem Wesen des Handelskapitals zu wider- sprechen, da diese Kapitalsorte nicht dadurch als Kapital fungirt, dass sie, wie das industrielle Kapital, fremde Arbeit in Bewegung setzt, sondern dadurch, dass sie selbst arbeitet, d. h. die Funktionen des Kaufens und Verkaufens vollzieht, und gerade nur dafür und dadurch einen Theil des vom industriellen Kapital erzeugten Mehr- werths auf sich überträgt.
(Es sind also folgende Punkte zu untersuchen: Das variable Ka- pital des Kaufmanns; das Gesetz der nothwendigen Arbeit in der Cirkulation; wie die Kaufmannsarbeit den Werth ihres konstanten Kapitals forterhält; die Rolle des Kaufmannskapitals im gesammten Reproduktionsprocess; endlich die Verdoppelung in Waarenkapital und Geldkapital einerseits und in Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital andrerseits.)
Besässe jeder Kaufmann nur soviel Kapital, als er persönlich fähig ist durch seine eigne Arbeit umzuschlagen, so fände eine unendliche Zer- splitterung des Kaufmannskapitals statt; diese Zersplitterung müsste im selben Maß wachsen, wie das produktive Kapital, im Fortgang der
kapitalistischen Produktionsweise auf grössrer Stufenleiter producirt und mit grössren Massen operirt. Also steigendes Missverhältniss beider. Im selben Maß, wie sich das Kapital in der Produktions- sphäre centralisirte, decentralisirte es sich in der Cirkulationssphäre. Das rein kaufmännische Geschäft des industriellen Kapitalisten, und damit seine rein kaufmännischen Ausgaben würden sich da- durch unendlich erweitern, indem er statt mit je 100, mit je 1000 Kaufleuten zu thun hätte. Damit ginge ein grosser Theil des Vortheils der Verselbständigung des Kaufmannskapitals verloren; ausser den rein kaufmännischen wüchsen auch die andren Cirku- lationskosten, Sortirung, Spedirung etc. Dies was das industrielle Kapital betrifft. Betrachten wir nun das Kaufmannskapital. Erstens was die rein kaufmännischen Arbeiten betrifft. Es kostet nicht mehr Zeit, mit grossen als mit kleinen Zahlen zu rechnen. Es kostet zehnmal soviel Zeit, 10 Einkäufe für 100 £ wie einen Einkauf für 1000 £ zu machen. Es kostet zehnmal so viel Korre- spondenz, Papier, Briefporto, mit 10 kleinen Kaufleuten, wie mit einem grossen zu korrespondiren. Die beschränkte Theilung der Arbeit in der kommerziellen Werkstatt, wo der eine Bücher führt, der andre die Kasse, ein dritter korrespondirt, dieser einkauft, jener verkauft, dieser reist etc., erspart Arbeitszeit in ungeheuren Massen, sodass die im Grosshandel verwandte Zahl von kaufmännischen Arbeitern in gar keinem Verhältniss steht zu der vergleichsmäßigen Grösse des Geschäfts. Es ist dies der Fall, weil im Handel viel mehr als in der Industrie dieselbe Funktion, ob im Grossen oder Kleinen verrichtet, gleich viel Arbeitszeit kostet. Daher zeigt sich auch die Koncentration im Kaufmannsgeschäft historisch früher als in der industriellen Werkstatt. Ferner nun die Ausgaben an kon- stantem Kapital. 100 kleine Komptoirs kosten unendlich mehr als ein grosses, 100 kleine Waarenlager als ein grosses etc. Die Trans- portkosten, die wenigstens als vorzuschiessende Kosten in das Kauf- mannsgeschäft eingehn, wachsen mit der Zersplitterung.
Der industrielle Kapitalist müsste mehr Arbeit und Cirkulations- kosten im kommerziellen Theil seines Geschäfts verausgaben. Das- selbe Kaufmannskapital, wenn auf viele kleine Kaufleute vertheilt, würde wegen dieser Zersplitterung viel mehr Arbeiter zur Vermitt- lung seiner Funktionen erheischen, und es wäre ausserdem grössres Kaufmannskapital erheischt um dasselbe Waarenkapital umzu- schlagen.
Nennen wir das sämmtliche direkt im Kauf und Verkauf von Waaren angelegte Kaufmannskapital B, und das entsprechende
variable, in Zahlung kommerzieller Hülfsarbeiter ausgelegte Kapital b, so ist B + b kleiner als das gesammte Kaufmannskapital B sein müsste, wenn jeder Kaufmann sich ohne Gehülfen durchschlüge, wenn also nicht ein Theil in b angelegt wäre. Indess sind wir immer noch nicht mit der Schwierigkeit fertig.
Der Verkaufspreis der Waaren muss hinreichen, 1) um den Durchschnittsprofit auf B + b zu zahlen. Dies ist schon dadurch erklärt, dass B + b eine Verkürzung des ursprünglichen B über- haupt ist, ein kleineres Kaufmannskapital darstellt, als ohne b noth- wendig wäre. Aber dieser Verkaufspreis muss 2) hinreichen, um ausser dem nun zusätzlich erscheinenden Profit auf b, auch den ge- zahlten Arbeitslohn, das variable Kapital des Kaufmanns = b selbst zu ersetzen. Dies letztre macht die Schwierigkeit. Bildet b einen neuen Bestandtheil des Preises, oder ist es bloss ein Theil des mit B + b gemachten Profits, der nur mit Bezug auf den merkantilen Arbeiter als Arbeitslohn erscheint, und mit Bezug auf den Kauf- mann selbst als blosses Ersetzen seines variablen Kapitals? In letztrem Fall wäre der vom Kaufmann gemachte Profit auf sein vorgeschossnes Kapital B + b nur gleich dem Profit, der nach der allgemeinen Rate auf B fällt, plus b, welches letztre er in der Form von Arbeitslohn bezahlt, welches aber selbst keinen Profit abwürfe.
Es kommt in der That darauf an, die Grenzen (im mathematischen Sinn) von b zu finden. Wir wollen erst die Schwierigkeit genau festsetzen. Nennen wir das direkt im Kauf und Verkauf von Waaren ausgelegte Kapital B, das konstante Kapital, das in dieser Funktion verbraucht wird (die sachlichen Handlungsunkosten) K und das variable Kapital, das der Kaufmann auslegt, b.
Der Ersatz von B bietet durchaus keine Schwierigkeit. Es ist für den Kaufmann nur der realisirte Einkaufspreis oder der Pro- duktionspreis für den Fabrikanten. Diesen Preis zahlt der Kauf- mann, und beim Wiederverkauf erhält er B zurück als Theil seines Verkaufspreises; ausser diesem B den Profit auf B, wie früher er- klärt. Z. B. die Waare kostet 100 £. Der Profit darauf sei 10 %. So wird die Waare verkauft zu 110. Die Waare kostete schon vorher 100; das Kaufmannskapital von 100 setzt ihr nur 10 zu.
Nehmen wir ferner K, so ist dies höchstens ebenso gross, in der That aber geringer als der Theil des konstanten Kapitals, den der Producent im Verkauf und Einkauf verbrauchen würde; der aber einen Zusatz zu dem konstanten Kapital bilden würde, das er direkt in der Produktion braucht. Nichtsdestoweniger muss
dieser Theil beständig aus dem Preis der Waare ersetzt werden, oder was dasselbe ist, ein entsprechender Theil der Waare muss in dieser Form beständig verausgabt, muss — das Gesammtkapital der Gesellschaft betrachtet — in dieser Form beständig reproducirt werden. Dieser Theil des vorgeschossnen konstanten Kapitals würde ebensowohl, wie die ganze Masse desselben, die direkt in der Produktion angelegt ist, auf die Profitrate beschränkend wirken. Soweit der industrielle Kapitalist den kommerziellen Theil seines Geschäfts dem Kaufmann überlässt, braucht er diesen Kapitaltheil nicht vorzuschiessen. Statt seiner schiesst ihn der Kaufmann vor. Dies ist insofern nur nominell; der Kaufmann producirt weder, noch reproducirt er das von ihm vernutzte konstante Kapital (die sachlichen Handlungsunkosten). Die Produktion desselben erscheint also als eignes Geschäft oder wenigstens als Theil des Geschäfts gewisser industrieller Kapitalisten, die so dieselbe Rolle spielen, wie die, welche das konstante Kapital denen liefern, die Lebens- mittel produciren. Der Kaufmann erhält also erstens dies ersetzt und zweitens der Profit hierauf. Durch beides findet also Ver- ringerung des Profits für den industriellen Kapitalisten statt. Aber, wegen der mit der Theilung der Arbeit verbundnen Koncentration und Oekonomie, in geringerm Maß, als wenn er selbst dies Kapital vorzuschiessen hätte. Die Verminderung der Profitrate ist geringer, weil das so vorgeschossne Kapital geringer ist.
Bisher besteht also der Verkaufspreis aus B + K + dem Profit auf B + K. Dieser Theil desselben bietet nach dem Bisherigen keine Schwierigkeit. Aber nun kommt b hinein oder das vom Kaufmann vorgeschossne variable Kapital.
Der Verkaufspreis wird dadurch B + K + b + dem Profit auf B + K, + dem Profit auf b.
B ersetzt nur den Kaufpreis, fügt aber ausser dem Profit auf B diesem Preis keinen Theil zu. K fügt nicht nur den Profit auf K zu, sondern K selbst; aber K + Profit auf K, der in Form von konstantem Kapital vorgeschossne Theil der Cirkulationskosten + dem entsprechenden Durchschnittsprofit, wäre grösser in der Hand des industriellen Kapitalisten als in der Hand des kaufmännischen. Die Verringerung des Durchschnittsprofits erscheint in der Form, dass der volle Durchschnittsprofit — nach Abzug von B + K vom vor- geschossnen industriellen Kapital — berechnet, der Abzug vom Durch- schnittsprofit für B + K aber an den Kaufmann gezahlt wird, sodass dieser Abzug als Profit eines besondren Kapitals, des Kaufmanns- kapitals erscheint.
Aber mit b + dem Profit auf b, oder im gegebnen Fall, da die Profitrate unterstellt ist = 10 %, mit b + b, verhält es sich anders. Und hier liegt die wirkliche Schwierigkeit.
Was der Kaufmann mit b kauft, ist der Unterstellung nach bloss kaufmännische Arbeit, also Arbeit, nothwendig um die Funktionen der Kapitalcirkulation, W—G und G—W zu vermitteln. Aber die kaufmännische Arbeit ist die Arbeit, die überhaupt nothwendig ist, damit ein Kapital als Kaufmannskapital fungire, damit es die Verwandlung von Waare in Geld und Geld in Waare vermittle. Es ist Arbeit, die Werthe realisirt, aber keine Werthe schafft. Und nur sofern ein Kapital diese Funktionen verrichtet — also ein Kapitalist diese Operationen, diese Arbeit mit seinem Kapital verrichtet — fungirt dies Kapital als kaufmännisches Kapital und nimmt es Theil an der Regelung der allgemeinen Profitrate, d. h. zieht es seine Dividende aus dem Gesammtprofit. In (b + Profit auf b) scheint aber erstens die Arbeit bezahlt zu werden (denn ob der industrielle Kapitalist sie dem Kaufmann, für seine eigne Arbeit bezahlt oder für die des vom Kaufmann bezahlten Kommis, ist dasselbe) und zweitens der Profit auf Zahlung dieser Arbeit, die der Kaufmann selbst verrichten müsste. Das Kaufmannskapital er- hält erstens die Rückzahlung von b und zweitens den Profit darauf; dies entspringt also daraus, dass es sich erstens die Arbeit zahlen lässt, wodurch es als kaufmännisches Kapital fungirt, und dass es zweitens sich den Profit zahlen lässt, weil es als Kapital fungirt, d. h. weil es die Arbeit verrichtet, die ihm im Profit als fungirendem Kapital gezahlt wird. Dies also ist die Frage, die zu lösen ist.
Nehmen wir an B = 100, b = 10, und die Profitrate = 10 %. Wir setzen K = 0, um dies, nicht hierher gehörige, und bereits er- ledigte, Element des Kaufpreises nicht wieder unnöthig in Rechnung zu bringen. So wäre der Verkaufspreis = B + p + b + p (= B + Bp' + b + bp', wo p' die Profitrate) = 100 + 10 + 10 + 1 = 121.
Würde aber b nicht in Arbeitslohn vom Kaufmann ausgelegt — da b nur bezahlt wird für kaufmännische Arbeit, also für Arbeit, nöthig zur Realisirung der Werths des Waarenkapitals, das das industrielle Kapital in den Markt wirft — so stände die Sache so: Um für B = 100 zu kaufen oder zu verkaufen, gäbe der Kaufmann seine Zeit hin, und wir wollen annehmen, dass dies die einzige Zeit ist über die er verfügt. Die kaufmännische Arbeit, die durch b oder 10 repräsentirt ist, wenn sie nicht durch Arbeitslohn, sondern durch Profit bezahlt wäre, unterstellt ein andres kaufmännisches Kapital = 100, da dies zu 10 % = b = 10 ist. Dies zweite B = 100
würde nicht zusätzlich in den Preis der Waare eingehn, aber wohl die 10 %. Es würden daher zwei Operationen zu 100 = 200, Waaren kaufen für 200 + 20 = 220.
Da das Kaufmannskapital absolut nichts ist als eine verselb- ständigte Form eines Theils des im Cirkulationsprocess fungirenden industriellen Kapitals, so müssen alle auf dasselbe bezüglichen Fragen dadurch gelöst werden, dass man sich das Problem zunächst in der Form stellt, worin die dem kaufmännischen Kapital eigenthüm- lichen Phänomene noch nicht selbständig erscheinen, sondern noch in direktem Zusammenhang mit dem industriellen Kapital, als dessen Zweig. Als Komptoir, im Unterschied von Werkstatt, fungirt das merkantile Kapital fortwährend im Cirkulationsprocess. Hier ist also das jetzt in Frage stehende b zunächst zu untersuchen; im Komptoir des industriellen Kapitalisten selbst.
Von vornherein ist dies Komptoir immer verschwindend klein gegen die industrielle Werkstatt. Im Uebrigen ist klar: Im Maß wie sich die Produktionsstufe erweitert, vermehren sich die kom- merziellen Operationen, die beständig zur Cirkulation des indu- striellen Kapitals auszuführen sind, sowohl um das in Gestalt des Waarenkapitals vorhandne Produkt zu verkaufen, wie das gelöste Geld wieder in Produktionsmittel zu verwandeln, und Rechnung über das Ganze zu führen. Preisberechnung, Buchführung, Kassen- führung, Korrespondenz gehört alles hierher. Je entwickelter die Produktionsleiter, desto grösser, wenn auch keineswegs im Verhält- niss, sind die kaufmännischen Operationen des industriellen Kapitals, also auch die Arbeit und die sonstigen Cirkulationskosten für die Realisirung des Werths und Mehrwerths. Es wird dadurch An- wendung kommerzieller Lohnarbeiter nöthig, die das eigentliche Komptoir bilden. Die Auslage für dieselben, obgleich in Form von Arbeitslohn gemacht, unterscheidet sich von dem variablen Kapital, das im Ankauf der produktiven Arbeit ausgelegt ist. Es vermehrt die Auslagen des industriellen Kapitalisten, die Masse des vorzuschiessenden Kapitals, ohne direkt den Mehrwerth zu ver- mehren. Denn es ist Auslage, bezahlt für Arbeit, die nur in der Realisirung schon geschaffner Werthe verwandt wird. Wie jede andre Auslage dieser Art, vermindert auch diese die Rate des Profits, weil das vorgeschossne Kapital wächst, aber nicht der Mehrwerth. Wenn der Mehrwerth m konstant bleibt, das vorge- schossne Kapital C aber auf C + ΔC wächst, so tritt an Stelle der Profitrate die kleinere Profitrate . Der industrielle Ka-
pitalist sucht also diese Cirkulationskosten, ganz wie seine Aus- lagen für konstantes Kapital, auf ihr Minimum zu beschränken. Das industrielle Kapital verhält sich also nicht in derselben Weise zu seinen kommerziellen, wie zu seinen produktiven Lohnarbeitern. Jemehr von diesen letzteren bei sonst gleichbleibenden Umständen angewandt werden, um so massenhafter die Produktion, um so grösser der Mehrwerth oder Profit. Umgekehrt dagegen. Je grösser die Stufenleiter der Produktion, und je grösser der zu realisirende Werth und daher Mehrwerth, je grösser also das producirte Waaren- kapital, um so mehr wachsen absolut, wenn auch nicht relativ, die Bureaukosten, und geben zu einer Art Theilung der Arbeit Anlass. Wie sehr der Profit die Voraussetzung dieser Ausgaben, zeigt sich unter andrem darin, dass mit Wachsen des kommerziellen Salairs oft ein Theil desselben durch Procentantheil am Profit gezahlt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Arbeit, die nur in den vermittelnden Operationen besteht, welche theils mit der Berechnung der Werthe, theils mit ihrer Realisirung, theils mit der Wiederverwandlung des realisirten Geldes in Produktionsmittel verbunden sind, deren Umfang also von der Grösse der producirten und zu realisirenden Werthe abhängt, dass eine solche Arbeit nicht als Ursache, wie die direkt produktive Arbeit, sondern als Folge der respektiven Grössen und Massen dieser Werthe wirkt. Aehn- lich verhält es sich mit den andren Cirkulationskosten. Um viel zu messen, zu wiegen, zu verpacken, zu transportiren, muss viel da sein; die Menge der Pack- und Transportarbeit etc. hängt ab von der Masse der Waaren, die Objekte ihrer Thätigkeit sind, nicht umgekehrt.
Der kommerzielle Arbeiter producirt nicht direkt Mehrwerth. Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Werth seiner Arbeits- kraft, also deren Produktionskosten, bestimmt, während die Aus- übung dieser Arbeitskraft, als eine Anspannung, Kraftäusserung und Abnutzung, wie bei jedem andren Lohnarbeiter, keineswegs durch den Werth seiner Arbeitskraft begrenzt ist. Sein Lohn steht daher in keinem nothwendigen Verhältniss zu der Masse des Profits, die er dem Kapitalisten realisiren hilft. Was er dem Kapitalisten kostet und was er ihm einbringt, sind verschiedne Grössen. Er bringt ihm ein, nicht indem er direkt Mehrwerth schafft, aber in- dem er die Kosten der Realisirung des Mehrwerths vermindern hilft, soweit er, zum Theil unbezahlte, Arbeit verrichtet. Der eigentlich kommerzielle Arbeiter gehört zu der besser bezahlten Klasse von Lohnarbeitern, zu denen, deren Arbeit geschickte Arbeit ist, über
der Durchschnittsarbeit steht. Indess hat der Lohn die Tendenz zu fallen, selbst im Verhältniss zur Durchschnittsarbeit, im Fort- schritt der kapitalistischen Produktionsweise. Theils durch Theilung der Arbeit innerhalb des Komptoirs; daher nur einseitige Entwick- lung der Arbeitsfähigkeit zu produciren ist, und die Kosten dieser Produktion dem Kapitalisten zum Theil nichts kosten, sondern das Geschick des Arbeiters sich durch die Funktion selbst entwickelt, und um so rascher, je einseitiger es mit der Theilung der Arbeit wird. Zweitens, weil die Vorbildung, Handels- und Sprachkennt- nisse u. s. w. mit dem Fortschritt der Wissenschaft und Volks- bildung immer rascher, leichter, allgemeiner, wohlfeiler reproducirt werden, jemehr die kapitalistische Produktionsweise die Lehrmethoden u. s. w. aufs Praktische richtet. Die Verallgemeinerung des Volks- unterrichts erlaubt, diese Sorte aus Klassen zu rekrutiren, die früher davon ausgeschlossen, an schlechtre Lebensweise gewöhnt waren. Dazu vermehrt sie den Zudrang und damit die Konkurrenz. Mit einigen Ausnahmen entwerthet sich daher im Fortgang der kapi- talistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit zunimmt. Der Kapitalist ver- mehrt die Zahl dieser Arbeiter, wenn mehr Werth und Profit zu realisiren ist. Die Zunahme dieser Arbeit ist stets Wirkung, nie Ursache der Vermehrung des Mehrwerths.(FN39)
Es findet also eine Verdoppelung statt. Einerseits sind die Funk- tionen als Waarenkapital und Geldkapital (daher weiter bestimmt als kommerzielles Kapital) allgemeine Formbestimmtheiten des in- dustriellen Kapitals. Andrerseits sind besondre Kapitale, also auch besondre Reihen von Kapitalisten, ausschliesslich thätig in diesen Funktionen; und diese Funktionen werden so zu besondren Sphären der Kapitalverwerthung.
Die kommerziellen Funktionen und Cirkulationskosten finden sich nur verselbständigt für das merkantile Kapital. Die der Cirkulation zugekehrte Seite des industriellen Kapitals existirt nicht nur in
seinem beständigen Dasein als Waarenkapital und Geldkapital, sondern auch im Komptoir neben der Werkstatt. Aber sie ver- selbständigt sich für das merkantile Kapital. Für es bildet das Komptoir seine einzige Werkstatt. Der in der Form der Cirku- lationskosten angewandte Theil des Kapitals erscheint beim Gross- kaufmann viel grösser als beim Industriellen, weil ausser den eignen Geschäftsbureaux, die mit jeder industriellen Werkstatt ver- bunden sind, der Theil des Kapitals, der von der ganzen Klasse der industriellen Kapitalisten so verwandt werden müsste, in den Händen einzelner Kaufleute koncentrirt ist, die, wie sie die Fort- setzung der Cirkulationsfunktionen besorgen, so die daraus er- wachsende Fortsetzung der Cirkulationskosten.
Dem industriellen Kapital erscheinen und sind die Cirkulations- kosten Unkosten. Dem Kaufmann erscheinen sie als Quelle seines Profits, der — die allgemeine Profitrate vorausgesetzt — im Ver- hältniss zur Grösse derselben steht. Die in diesen Cirkulations- kosten zu machende Auslage ist daher für das merkantile Kapital eine produktive Anlage. Also ist auch die kommerzielle Arbeit, die es kauft, für es unmittelbar produktiv.
Der Umschlag des industriellen Kapitals ist die Einheit seiner Produktions- und Cirkulationszeit und umfasst daher den ganzen Produktionsprocess. Der Umschlag des Kaufmannskapitals dagegen, da er in der That nur die verselbständigte Bewegung des Waaren- kapitals ist, stellt nur die erste Phase der Metamorphose der Waare, W—G, als in sich zurückfliessende Bewegung eines be- sondren Kapitals dar; G—W, W—G im kaufmännischen Sinn, als Umschlag des Kaufmannskapitals. Der Kaufmann kauft, ver- wandelt sein Geld in Waare, verkauft dann, verwandelt dieselbe Waare wieder in Geld; und so fort in beständiger Wiederholung. Innerhalb der Cirkulation stellt sich die Metamorphose des indu- striellen Kapitals immer dar als W1—G—W2; das aus dem Ver- kauf von W1, der producirten Waare, gelöste Geld wird benutzt um W2, neue Produktionsmittel, zu kaufen; es ist dies der wirk- liche Austausch von W1 und W2 und dasselbe Geld wechselt so zweimal die Hände. Seine Bewegung vermittelt den Austausch zweier verschiedenartigen Waaren, W1 und W2. Aber beim Kauf-
mann, in G—W—G' wechselt umgekehrt dieselbe Waare zweimal die Hände; sie vermittelt nur den Rückfluss des Geldes zu ihm.
Wenn z. B. das Kaufmannskapital 100 £, und der Kaufmann kauft für diese 100 £ Waare, verkauft dann diese Waare zu 110 £, so hat dies sein Kapital von 100 einen Umschlag gemacht, und die Anzahl der Umschläge im Jahr hängt davon ab, wie oft diese Bewegung G—W—G' im Jahr wiederholt wird.
Wir sehn hier ganz ab von den Kosten, die in der Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis stecken mögen, da diese Kosten an der Form, die wir hier zunächst zu betrachten haben, gar nichts ändern.
Die Anzahl der Umschläge eines gegebnen Kaufmannskapitals hat hier also durchaus Analogie mit der Wiederholung der Um- läufe des Geldes als blosses Cirkulationsmittel. Wie derselbe Thaler, der zehnmal umläuft, zehnmal seinen Werth in Waaren kauft, so kauft dasselbe Geldkapital des Kaufmanns von 100 z. B., wenn es zehnmal umschlägt, zehnmal seinen Werth in Waaren oder realisirt ein gesammtes Waarenkapital von zehnfachem Werth = 1000. Der Unterschied ist aber der. Beim Umlauf des Geldes als Cir- kulationsmittel ist es dasselbe Geldstück, das durch verschiedne Hände läuft, also wiederholt dieselbe Funktion vollzieht und daher durch die Geschwindigkeit des Umlaufs die Masse der umlaufenden Geldstücke ersetzt. Aber bei dem Kaufmann ist es dasselbe Geld- kapital, gleichgültig aus welchen Geldstücken zusammengesetzt, derselbe Geldwerth, der wiederholt zum Betrag seines Werths Waarenkapital kauft und verkauft, und daher in dieselbe Hand wiederholt als G + ΔG, zu seinem Ausgangspunkt als Werth plus Mehrwerth zurückfliesst. Dies charakterisirt seinen Umschlag als Kapitalumschlag. Es entzieht der Cirkulation beständig mehr Geld als es hineinwirft. Es versteht sich übrigens von selbst, dass mit beschleunigtem Umschlag des kaufmännischen Kapitals (wo auch die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel bei entwickeltem Kredit- wesen überwiegt) auch dieselbe Geldmasse rascher umläuft.
Der wiederholte Umschlag des Waarenhandlungskapitals drückt aber nie etwas andres aus als Wiederholung von Kaufen und Ver- kaufen; während der wiederholte Umschlag des industriellen Kapi- tals die Periodicität und die Erneuerung des gesammten Repro- duktionsprocesses (worin der Konsumtionsprocess eingeschlossen) ausdrückt. Dies erscheint dagegen für das Kaufmannskapital nur als äussere Bedingung. Das industrielle Kapital muss beständig Waaren auf den Markt werfen und sie ihm wieder entziehn, damit
der rasche Umschlag des Kaufmannskapitals möglich bleibe. Ist der Reproduktionsprocess überhaupt langsam, so der Umschlag des Kaufmannskapitals. Nun vermittelt zwar das Kaufmannskapital den Umschlag des produktiven Kapitals; aber nur soweit es dessen Umlaufszeit verkürzt. Es wirkt nicht direkt auf die Produktions- zeit, die ebenfalls eine Schranke für die Umschlagszeit des indu- striellen Kapitals bildet. Dies ist die erste Grenze für den Um- schlag des Kaufmannskapitals. Zweitens aber, abgesehn von der durch die reproduktive Konsumtion gebildeten Schranke, ist dieser Um- schlag schliesslich beschränkt durch die Geschwindigkeit und den Um- fang der gesammten individuellen Konsumtion, da der ganze in den Kon- sumtionsfonds eingehende Theil des Waarenkapitals davon abhängt.
Nun aber (ganz abgesehn von den Umschlägen innerhalb der Kaufmannswelt, wo ein Kaufmann dieselbe Waare immer an den andern verkauft und diese Art Cirkulation in spekulativen Zeiten sehr blühend aussehn mag) verkürzt das Kaufmannskapital erstens die Phase W—G für das produktive Kapital. Zweitens, bei dem modernen Kreditsystem, verfügt es über einen grossen Theil des Gesammtgeldkapitals der Gesellschaft, sodass es seine Einkäufe wiederholen kann, bevor es das schon Gekaufte definitiv verkauft hat; wobei es gleichgültig ist, ob unser Kaufmann direkt an den letzten Konsumenten verkauft, oder zwischen diesen beiden 12 andre Kaufleute liegen. Bei der ungeheuren Elasticität des Reproduk- tionsprocesses, der beständig über jede gegebne Schranke hinaus- getrieben werden kann, findet er keine Schranke an der Produktion selbst, oder nur eine sehr elastische. Ausser der Trennung von W—G und G—W, die aus der Natur der Waare folgt, wird hier also eine fiktive Nachfrage geschaffen. Trotz ihrer Verselbstän- digung ist die Bewegung des Kaufmannskapitals nie etwas andres als die Bewegung des industriellen Kapitals innerhalb der Cirku- lationssphäre. Aber kraft seiner Verselbständigung bewegt es sich innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von den Schranken des Reproduktionsprocesses, und treibt ihn daher selbst über seine Schranken hinaus. Die innere Abhängigkeit, die äussere Selbstän- digkeit treiben es bis zu einem Punkt, wo der innere Zusammen- hang gewaltsam, durch eine Krise, wieder hergestellt wird.
Daher das Phänomen in den Krisen, dass sie nicht zuerst sich zeigen und ausbrechen beim Detailverkauf, der es mit der unmittel- baren Konsumtion zu thun hat, sondern in den Sphären des Gross- handels und der Banken, die diesem das Geldkapital der Gesell- schaft zur Verfügung stellen.
Der Fabrikant mag wirklich verkaufen an den Exporteur, und dieser wieder an seinen fremden Kunden, der Importeur mag seine Rohstoffe absetzen an den Fabrikanten, dieser seine Produkte an den Grosshändler u. s. w. Aber an irgend einem einzelnen un- sichtbaren Punkt liegt die Waare unverkauft; oder ein andresmal werden die Vorräthe aller Producenten und Zwischenhändler all- mälig überfüllt. Die Konsumtion steht gerade dann gewöhnlich in der höchsten Blüte, theils weil ein industrieller Kapitalist eine Reihenfolge andrer in Bewegung setzt, theils weil die von ihnen beschäftigten Arbeiter, vollauf beschäftigt, mehr als gewöhnlich auszugeben haben. Mit dem Einkommen der Kapitalisten nimmt ebenfalls ihre Ausgabe zu. Ausserdem findet, wie wir gesehn haben (Buch II, Abschn. III), eine beständige Cirkulation statt zwischen konstantem Kapital und konstantem Kapital (auch abgesehn von der beschleunigten Akkumulation), die insofern zunächst unabhängig ist von der individuellen Konsumtion, als sie nie in dieselbe ein- geht, die aber doch durch sie definitiv begrenzt ist, indem die Produktion von konstantem Kapital nie seiner selbst wegen stattfindet, sondern nur weil mehr davon gebraucht wird in den Produktionssphären, deren Produkte in die individuelle Kon- sumtion eingehn. Dies kann jedoch eine zeitlang ruhig seinen Weg gehn, durch die prospektive Nachfrage gereizt, und in diesen Zweigen geht das Geschäft bei Kaufleuten und Industriellen daher sehr flott voran. Die Krise tritt ein, sobald die Rückflüsse der Kaufleute, die fernab verkaufen (oder deren Vorräthe auch im Inlande sich gehäuft haben), so langsam und spärlich werden, dass die Banken auf Zahlung dringen oder die Wechsel gegen die ge- kauften Waaren verfallen ehe Wiederverkauf stattgefunden. Dann beginnen Zwangsverkäufe, Verkäufe um zu zahlen. Und damit ist der Krach da, der der scheinbaren Prosperität auf einmal ein Ende macht.
Die Aeusserlichkeit und Begriffslosigkeit des Umschlags des Kauf- mannskapitals ist aber noch grösser, weil der Umschlag desselben Kaufmannskapitals die Umschläge sehr verschiedner produktiver Kapitale gleichzeitig oder der Reihe nach vermitteln kann.
Der Umschlag des Kaufmannskapitals kann aber nicht nur Um- schläge verschiedner industriellen Kapitale vermitteln, sondern auch die entgegengesetzte Phase der Metamorphose des Waarenkapitals. Der Kaufmann kauft z. B. die Leinwand vom Fabrikanten und verkauft sie an den Bleicher. Hier stellt also der Umschlag des- selben Kaufmannskapitals, — in der That dasselbe W—G, die
Realisirung der Leinwand, — zwei entgegengesetzte Phasen für zwei verschiedne industrielle Kapitale vor. Soweit der Kaufmann überhaupt für die produktive Konsumtion verkauft, stellt sein W—G stets das G—W eines industriellen Kapitals, und sein G—W stets das W—G eines andern industriellen Kapitals vor.
Wenn wir, wie es in diesem Kapitel geschieht, K, die Cirku- lationskosten, weglassen, den Theil des Kapitals, den der Kauf- mann ausser der im Ankauf der Waaren ausgelegten Summe vor- schiesst, so fällt natürlich auch ΔK fort, der zusätzliche Profit, den er auf dies zusätzliche Kapital macht. Es ist dies also die strikt logische und mathematisch richtige Betrachtungsweise, wenn es gilt zu sehn, wie Profit und Umschlag des Kaufmannskapitals auf die Preise wirken.
Wenn der Produktionspreis von 1 ℔ Zucker 1 £, so könnte der Kaufmann mit 100 £ 100 ℔ Zucker kaufen. Kauft und verkauft er im Lauf des Jahres dies Quantum und ist die jähr- liche Durchschnittsprofitrate 15 %, so würde er zuschlagen auf 100 £ 15 £, und auf 1 £, den Produktionspreis von 1 ℔, 3 sh. Er würde also das Pfund Zucker zu 1 £ 3 sh. verkaufen. Fiele da- gegen der Produktionspreis von 1 ℔ Zucker auf 1 sh., so würde der Kaufmann mit 100 £ 2000 ℔ einkaufen, und das Pfund ver- kaufen zu 1 sh. 1⅘ d. Nach wie vor wäre der Jahresprofit auf das im Zuckergeschäft ausgelegte Kapital von 100 £ = 15 £. Nur muss er in dem einen Fall 100, im andern 2000 ℔ verkaufen. Die Höhe oder Niedrigkeit des Produktionspreises hätte nichts zu thun mit der Profitrate; aber sie hätte sehr viel, entscheidend da- mit zu thun, wie gross der aliquote Theil des Verkaufspreises jedes Pfundes Zucker ist, der sich in merkantilen Profit auflöst; d. h. der Preiszuschlag, den der Kaufmann auf ein bestimmtes Quantum Waare (Produkt) macht. Ist der Produktionspreis einer Waare gering, so die Summe, die der Kaufmann in ihrem Kaufpreis, d. h. für eine bestimmte Masse derselben, vorschiesst, und daher bei gegebner Profitrate der Betrag des Profits, den er auf dieses gegebne Quantum wohlfeiler Waare macht; oder, was auf dasselbe heraus- kommt, er kann dann mit einem gegebnen Kapital, z. B. von 100, eine grosse Masse dieser wohlfeilen Waare kaufen, und der Ge- sammtprofit von 15, den er auf die 100 macht, vertheilt sich in kleinen Brüchen über jedes einzelne Theilstück dieser Waarenmasse. Wenn umgekehrt, umgekehrt. Es hängt dies ganz und gar ab von der grössren oder geringren Produktivität des industriellen Kapitals, mit dessen Waaren er Handel treibt. Nehmen wir Fälle aus, wo
der Kaufmann Monopolist ist und zugleich die Produktion mono- polisirt, wie etwa ihrer Zeit die holländisch-ostindische Kompagnie, so kann nichts alberner sein als die gangbare Vorstellung, dass es vom Kaufmann abhängt, ob er viel Waare zu wenig Profit oder wenig Waare zu viel Profit auf die einzelne Waare verkaufen will. Die beiden Grenzen für seinen Verkaufspreis sind: einerseits der Produktionspreis der Waare, über den er nicht verfügt; andrerseits die Durchschnittsprofitrate, über die er ebensowenig verfügt. Das einzige, worüber er zu entscheiden hat, wobei aber die Grösse seines verfügbaren Kapitals und andre Umstände mitsprechen, ist, ob er in theuren oder wohlfeilen Waaren handeln will. Es hängt daher ganz und gar vom Entwicklungsgrad der kapitalistischen Produktionsweise ab, und nicht vom Belieben des Kaufmanns, wie er es damit hält. Eine bloss kaufmännische Kompagnie, wie die alte holländisch-ostindische, die das Monopol der Produktion hatte, konnte sich einbilden, eine höchstens den Anfängen der kapitali- stischen Produktion entsprechende Methode unter ganz veränderten Verhältnissen fortzusetzen.(FN40)
Was jenes populäre Vorurtheil, welches übrigens, wie alle falschen Vorstellungen über Profit etc. aus der Anschauung des blossen Handels und aus dem kaufmännischen Vorurtheil entspringt, auf- recht hält, sind unter anderm folgende Umstände.
Erstens: Erscheinungen der Konkurrenz, die aber bloss die Ver- theilung des merkantilen Profits unter die einzelnen Kaufleute, die Antheilbesitzer am Gesammt-Kaufmannskapital betreffen; wenn einer z. B. wohlfeiler verkauft, um seine Gegner aus dem Felde zu schlagen.
Zweitens: ein Oekonom vom Kaliber des Professor Roscher kann sich in Leipzig immer noch einbilden, dass es „Klugheits- und Humanitäts“-Gründe waren, die den Wechsel in den Verkaufs- preisen producirt haben, und dass dieser nicht ein Resultat umge- wälzter Produktionsweise selbst war.
Drittens: sinken die Produktionspreise in Folge gesteigerter Produktivkraft der Arbeit, und sinken daher auch die Verkaufs- preise, so steigt oft die Nachfrage noch schneller als die Zufuhr, und mit ihr die Marktpreise, sodass die Verkaufspreise mehr als den Durchschnittsprofit abwerfen.
Viertens: ein Kaufmann mag den Verkaufspreis herabsetzen (was immer nichts ist als Herabsetzen des üblichen Profits, den er auf den Preis schlägt) um grössres Kapital rascher in seinem Ge- schäft umzuschlagen. Alles das sind Dinge, die nur die Konkurrenz unter den Kaufleuten selbst angehn.
Es ist bereits in Buch I gezeigt worden, dass die Höhe oder Niedrigkeit der Waarenpreise weder die Masse des Mehrwerths be- stimmt, die ein gegebnes Kapital producirt, noch die Rate des Mehrwerths; obgleich je nach dem relativen Quantum Waare, das ein gegebnes Quantum Arbeit producirt, der Preis der einzelnen Waare und damit auch der Mehrwerthstheil dieses Preises grösser oder kleiner ist. Die Preise jedes Waarenquantums sind bestimmt, soweit sie den Werthen entsprechen, durch das Gesammtquantum der in diesen Waaren vergegenständlichten Arbeit. Vergegenständ- licht sich wenig Arbeit in viel Waare, so ist der Preis der ein- zelnen Waare niedrig und der in ihr steckende Mehrwerth gering. Wie sich die in einer Waare verkörperte Arbeit in bezahlte und unbezahlte Arbeit theilt, welches Quantum dieses Preises daher Mehrwerth vorstellt, hat mit diesem Totalquantum Arbeit, also mit dem Preis der Waare nichts zu thun. Die Rate des Mehr- werths aber hängt ab nicht von der absoluten Grösse des Mehr- werths, der im Preis der einzelnen Waare enthalten ist, sondern von seiner relativen Grösse, von seinem Verhältniss zum Arbeits- lohn, der in derselben Waare steckt. Die Rate kann daher gross sein, obgleich die absolute Grösse des Mehrwerths für jede ein- zelne Waare klein ist. Diese absolute Grösse des Mehrwerths in jeder einzelnen Waare hängt ab in erster Linie von der Produk- tivität der Arbeit, und nur in zweiter Linie von ihrer Theilung in bezahlte und unbezahlte.
Bei dem kommerziellen Verkaufspreis nun gar ist der Produk- tionspreis eine gegebne äussre Voraussetzung.
Die Höhe der kommerziellen Waarenpreise in früherer Zeit war geschuldet 1) der Höhe der Produktionspreise, d. h. der Unpro- duktivität der Arbeit; 2) dem Mangel einer allgemeinen Profitrate, indem das Kaufmannskapital ein viel höheres Quotum des Mehr- werths an sich zog, als ihm bei allgemeiner Beweglichkeit der
Kapitale zugekommen wäre. Das Aufhören dieses Zustands ist also, nach beiden Seiten betrachtet, Resultat der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise.
Die Umschläge des Kaufmannskapitals sind länger oder kürzer, ihre Anzahl im Jahr also grösser oder kleiner in verschiednen Handelszweigen. Innerhalb desselben Handelszweigs ist der Um- schlag rascher oder langsamer in verschiednen Phasen des ökono- mischen Cyklus. Indess findet eine durchschnittliche Anzahl von Umschlägen statt, welche durch die Erfahrung gefunden werden.
Man hat bereits gesehn, dass der Umschlag des Kaufmanns- kapitals verschieden ist von dem des industriellen Kapitals. Dies folgt aus der Natur der Sache; eine einzelne Phase im Umschlag des industriellen Kapitals erscheint als vollständiger Umschlag eines eignen Kaufmannskapitals oder doch eines Theils davon. Er steht auch in andrem Verhältniss zu Profit- und Preisbestimmung.
Bei dem industriellen Kapital drückt der Umschlag einerseits die Periodicität der Reproduktion aus und es hängt daher davon ab die Masse der Waaren, die in einer bestimmten Zeit auf den Markt geworfen werden. Andrerseits bildet die Umlaufszeit eine Grenze, und zwar eine dehnbare, welche mehr oder weniger be- schränkend auf die Bildung von Werth und Mehrwerth, weil auf den Umfang des Produktionsprocesses wirkt. Der Umschlag geht daher bestimmend ein, nicht als positives, sondern als beschrän- kendes Element, in die Masse des jährlich producirten Mehrwerths, und daher in die Bildung der allgemeinen Profitrate. Dagegen ist die Durchschnittsprofitrate eine gegebne Grösse für das Kaufmanns- kapital. Es wirkt nicht direkt mit in der Schöpfung des Profits oder Mehrwerths und geht in die Bildung der allgemeinen Profit- rate nur soweit bestimmend ein, als es nach dem Theil, den es vom Gesammtkapital bildet, seine Dividende aus der Masse des vom industriellen Kapital producirten Profits zieht.
Je grösser die Umschlagsanzahl eines industriellen Kapitals unter den Buch II, Abschn. II, entwickelten Bedingungen, desto grösser ist die Masse des Profits, den es bildet. Durch die Herstellung der allgemeinen Profitrate wird nun zwar der Gesammtprofit ver- theilt unter die verschiednen Kapitale, nicht nach dem Verhältniss, worin sie unmittelbar an seiner Produktion theilnehmen, sondern nach den aliquoten Theilen, die sie vom Gesammtkapital bilden, d. h. im Verhältniss ihrer Grösse. Dies ändert jedoch nichts am Wesen der Sache. Je grösser die Anzahl der Umschläge des in- dustriellen Gesammtkapitals, desto grösser die Profitmasse, die
Masse des jährlich producirten Mehrwerths, und daher bei sonst gleichen Umständen die Profitrate. Anders mit dem Kaufmanns- kapital. Für es ist die Profitrate eine gegebne Grösse, bestimmt einerseits durch die Masse des vom industriellen Kapital producirten Profits, andrerseits durch die relative Grösse des Gesammthandels- kapitals, durch sein quantitatives Verhältniss zur Summe des im Produktionsprocess und Cirkulationsprocess vorgeschossnen Kapitals. Die Anzahl seiner Umschläge wirkt allerdings bestimmend ein auf sein Verhältniss zum Gesammtkapital, oder auf die relative Grösse des zur Cirkulation nothwendigen Kaufmannskapitals, indem es klar ist, dass absolute Grösse des nothwendigen Kaufmannskapitals und Umschlagsgeschwindigkeit desselben im umgekehrten Verhält- niss stehn; seine relative Grösse, oder der Antheil, den es vom Ge- sammtkapital bildet, ist aber gegeben durch seine absolute Grösse, alle andern Umstände gleichgesetzt. Ist das Gesammtkapital 10,000, so, wenn das Kaufmannskapital desselben, ist es = 1000; ist das Gesammtkapital 1000, so desselben = 100. Sofern ist seine absolute Grösse verschieden, obgleich seine relative Grösse dieselbe bleibt, verschieden nach der Grösse des Gesammtkapitals. Aber hier nehmen wir seine relative Grösse, sage des Gesammt- kapitals, als gegeben an. Diese seine relative Grösse selbst wird aber wiederum durch den Umschlag bestimmt. Bei raschem Um- schlag ist seine absolute Grösse z. B. = 1000 £ im ersten Fall, = 100 im zweiten, und daher seine relative Grösse = . Bei langsamerm Umschlag ist seine absolute Grösse, sage = 2000 im ersten Fall, = 200 im zweiten. Daher ist seine relative Grösse gewachsen von auf ⅕ des Gesammtkapitals. Umstände, welche den Durchschnittsumschlag des Kaufmannskapitals verkürzen, z. B. Entwicklung der Transportmittel, vermindern pro tanto die absolute Grösse des Kaufmannskapitals, erhöhen daher die allgemeine Profit- rate. Umgekehrt, umgekehrt. Entwickelte kapitalistische Produk- tionsweise, verglichen mit frühern Zuständen, wirkt doppelt auf das Kaufmannskapital: dasselbe Quantum Waaren wird mit einer geringern Masse wirklich fungirenden Kaufmannskapitals umge- schlagen; wegen des raschern Umschlags des Kaufmannskapitals, und der grössern Geschwindigkeit des Reproduktionsprocesses, worauf dies beruht, vermindert sich das Verhältniss des Kaufmannskapitals zum industriellen Kapital. Andrerseits: Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise wird alle Produktion Waaren- produktion, und fällt daher alles Produkt in die Hände der Cirku- lationsagenten, wobei hinzukommt, dass bei früherer Produktions-
weise, die im Kleinen producirte, abgesehn von der Masse Produkte, die unmittelbar in natura vom Producenten selbst konsumirt und der Masse Leistungen, die in natura erledigt wurden, ein sehr grosser Theil der Producenten seine Waare unmittelbar an den Konsumenten verkaufte, oder auf dessen persönliche Bestellung ar- beitete. Obgleich daher in frühern Produktionsweisen das kom- merzielle Kapital grösser ist im Verhältniss zum Waarenkapital, das es umschlägt, ist es
1) absolut kleiner, weil ein unverhältnissmäßig kleiner Theil des Gesammtprodukts als Waare producirt wird, als Waarenkapital in die Cirkulation eingehn muss und in die Hände der Kaufleute fällt; es ist kleiner, weil das Waarenkapital kleiner ist. Es ist aber zu- gleich verhältnissmäßig grösser, nicht nur wegen der grössern Lang- samkeit seines Umschlags, und im Verhältniss zur Masse der Waaren, die es umschlägt. Es ist grösser, weil der Preis dieser Waarenmasse, also auch das darauf vorzuschiessende Kaufmanns- kapital, in Folge der geringern Produktivität der Arbeit grösser ist als in der kapitalistischen Produktion, daher derselbe Werth sich in kleinerer Masse Waaren darstellt.
2) Es wird nicht nur eine grössre Waarenmasse auf Basis der kapitalischen Produktionsweise producirt (wobei in Abrechnung zu bringen der verminderte Werth dieser Waarenmasse); sondern dieselbe Masse Produkt, z. B. von Korn, bildet grössre Waarenmasse, d. h. er kommt immer mehr davon in den Handel. In Folge hiervon wächst übrigens nicht nur die Masse des Kaufmannskapitals, sondern überhaupt alles Kapital, das in der Cirkulation angelegt ist, z. B. in Schiffahrt, Eisenbahnen, Telegraphie etc.
3) aber, und dies ist ein Gesichtspunkt, dessen Ausführung in die „Konkurrenz der Kapitale“ gehört: das nicht oder halb fun- girende Kaufmannskapital wächst mit dem Fortschritt der kapita- listischen Produktionsweise, mit der Leichtigkeit der Einschiebung in den Kleinhandel, mit der Spekulation und dem Ueberfluss an freigesetztem Kapital.
Aber, die relative Grösse des Kaufmannskapitals im Verhältniss zum Gesammtkapital als gegeben vorausgesetzt, wirkt die Ver- schiedenheit der Umschläge in verschiednen Handelszweigen nicht auf die Grösse des Gesammtprofits, der dem kaufmännischen Kapital zukommt, noch auf die allgemeine Profitrate. Der Profit des Kauf- manns ist bestimmt, nicht durch die Masse des Waarenkapitals, das er umschlägt, sondern durch die Grösse des Geldkapitals, das er zur Vermittlung dieses Umschlags vorschiesst. Ist die allge-
meine Jahresprofitrate 15 % und schiesst der Kaufmann 100 £ vor, so, wenn sein Kapital einmal im Jahr umschlägt, wird er seine Waare zu 115 verkaufen. Schlägt sein Kapital fünfmal im Jahr um, so wird er ein Waarenkapital zum Einkaufspreis von 100 fünfmal im Jahr zu 103 verkaufen, also im ganzen Jahr ein Waarenkapital von 500 zu 515. Dies macht aber auf sein vor- geschossnes Kapital von 100 nach wie vor einen Jahresprofit von 15. Wäre dies nicht der Fall, so würfe das Kaufmannskapital, im Verhält- niss zur Zahl seiner Umschläge, viel höhern Profit ab als das indu- strielle Kapital, was dem Gesetz der allgemeinen Profitrate widerspricht.
Die Anzahl der Umschläge des Kaufmannskapitals in verschiednen Handelszweigen afficirt also die merkantilen Preise der Waaren direkt. Die Höhe des merkantilen Preiszuschlags, des aliquoten Theils des merkantilen Profits eines gegebnen Kapitals, der auf den Produktionspreis der einzelnen Waare fällt, steht im umge- kehrten Verhältniss zur Anzahl der Umschläge oder zur Umschlags- geschwindigkeit der Kaufmannskapitale in verschiednen Geschäfts- zweigen. Schlägt ein Kaufmannskapital fünfmal im Jahre um, so setzt es dem gleichwerthigen Waarenkapital nur ⅕ des Aufschlags zu, den ein andres Kaufmannskapital, das nur einmal im Jahr um- schlagen kann, einem Waarenkapital von gleichem Werth zusetzt.
Die Affektion der Verkaufspreise durch die durchschnittliche Umschlagszeit der Kapitale in verschiednen Handelszweigen redu- cirt sich darauf, dass im Verhältniss zu dieser Umschlagsgeschwin- digkeit dieselbe Profitmasse, die bei gegebner Grösse des Kauf- mannskapitals durch die allgemeine Jahresprofitrate bestimmt ist, also bestimmt ist unabhängig vom speciellen Charakter der kauf- männischen Operation dieses Kapitals, sich verschieden vertheilt auf Waarenmassen von demselben Werth, bei fünfmaligem Um- schlag im Jahr z. B. = 3 %, bei einmaligem Umschlag im Jahr dagegen 15 % dem Waarenpreis zusetzt.
Derselbe Procentsatz des kommerziellen Profits in verschiednen Handelszweigen erhöht also, je nach dem Verhältniss ihrer Um- schlagszeiten, die Verkaufspreise der Waaren um ganz verschiedne Procente, auf den Werth dieser Waaren berechnet.
Bei dem industriellen Kapital dagegen wirkt die Umschlagszeit in keiner Weise auf die Werthgrösse der producirten einzelnen Waaren, obgleich sie die Masse der von einem gegebnen Kapital in einer gegebnen Zeit producirten Werthe und Mehrwerthe afficirt, weil die Masse der exploitirten Arbeit. Dies versteckt sich aller- dings und scheint anders zu sein, sobald man die Produktionspreise
ins Auge fasst, aber nur weil die Produktionspreise der verschiednen Waaren nach früher entwickelten Gesetzen von ihren Werthen ab- weichen. Betrachtet man den gesammten Produktionsprocess, die vom gesammten industriellen Kapital producirte Waarenmasse, so findet man sofort das allgemeine Gesetz bestätigt.
Während also eine genauere Betrachtung des Einflusses der Um- schlagszeit auf die Werthbildung beim industriellen Kapital zurück- führt zum allgemeinen Gesetz und zur Basis der politischen Oeko- nomie, dass die Werthe der Waaren bestimmt sind durch die in ihnen enthaltne Arbeitszeit, zeigt der Einfluss der Umschläge des Kaufmannskapitals auf die merkantilen Preise Phänomene, die ohne sehr weitläufige Analyse der Mittelglieder eine rein willkürliche Bestimmung der Preise vorauszusetzen scheinen; nämlich eine Be- stimmung bloss dadurch, dass das Kapital nun einmal entschlossen ist ein bestimmtes Quantum Profit im Jahr zu machen. Es scheint namentlich, durch diesen Einfluss der Umschläge, als ob der Cir- kulationsprocess als solcher die Preise der Waaren bestimme, un- abhängig, innerhalb gewisser Grenzen, vom Produktionsprocess. Alle oberflächlichen und verkehrten Anschauungen des Gesammt- processes der Reproduktion sind der Betrachtung des Kaufmanns- kapitals entnommen, und den Vorstellungen, die seine eigenthümlichen Bewegungen in den Köpfen der Cirkulationsagenten hervorrufen.
Wenn, wie der Leser zu seinem Leidwesen erkannt hat, die Ana- lyse der wirklichen, innern Zusammenhänge des kapitalistischen Produktionsprocesses ein sehr verwickeltes Ding und eine sehr aus- führliche Arbeit ist; wenn es ein Werk der Wissenschaft ist, die sichtbare, bloss erscheinende Bewegung auf die innere wirkliche Bewegung zu reduciren, so versteht es sich ganz von selbst, dass in den Köpfen der kapitalistischen Produktions- und Cirkulations- agenten sich Vorstellungen über die Produktionsgesetze bilden müssen, die von diesen Gesetzen ganz abweichen, und nur der be- wusste Ausdruck der scheinbaren Bewegung sind. Die Vorstellungen eines Kaufmanns, Börsenspekulanten, Bankiers, sind nothwendig ganz verkehrt. Die der Fabrikanten sind verfälscht durch die Cir- kulationsakte, denen ihr Kapital unterworfen ist und durch die Aus- gleichung der allgemeinen Profitrate.(FN41) Die Konkurrenz spielt in
diesen Köpfen nothwendig auch eine ganz verkehrte Rolle. Sind die Grenzen des Werths und des Mehrwerths gegeben, so ist leicht einzusehn, wie die Konkurrenz der Kapitale die Werthe in Produk- tionspreise und noch weiter in merkantile Preise, den Mehrwerth in Durchschnittsprofit verwandelt. Aber ohne diese Grenzen ist absolut nicht einzusehn, warum die Konkurrenz die allgemeine Profitrate auf diese statt auf jene Grenze reducirt, auf 15 % statt auf 1500 %. Sie kann sie doch höchstens auf ein Niveau redu- ciren. Aber es ist absolut kein Element in ihr, um dies Niveau selbst zu bestimmen.
Vom Standpunkt des Kaufmannskapitals erscheint also der Um- schlag selbst als preisbestimmend. Andrerseits, während die Um- schlagsgeschwindigkeit des industriellen Kapitals, soweit sie ein gegebnes Kapital zur Exploitation von mehr oder weniger Arbeit befähigt, bestimmend und begrenzend auf die Profitmasse und daher auf die allgemeine Rate des Profits wirkt, ist dem merkantilen Kapital die Profitrate äusserlich gegeben, und der innere Zusammen- hang derselben mit der Bildung von Mehrwerth gänzlich verlöscht. Wenn dasselbe industrielle Kapital, bei sonst gleichbleibenden Um- ständen und namentlich bei gleicher organischer Zusammensetzung, viermal im Jahr statt zweimal umschlägt, producirt es doppelt so viel Mehrwerth und daher Profit; und dies zeigt sich handgreiflich, sobald und so lange dies Kapital das Monopol der verbesserten Produktionsweise besitzt, die ihm diese Umschlagsbeschleunigung gestattet. Die verschiedne Umschlagszeit in verschiednen Handels- zweigen erscheint umgekehrt darin, dass der Profit, der auf den Umschlag eines bestimmten Waarenkapitals gemacht wird, im um- gekehrten Verhältniss steht zur Anzahl der Umschläge des Geld- kapitals, das diese Waarenkapitale umschlägt. Small profits and quick returns erscheint namentlich dem shopkeeper als ein Princip, das er aus Princip befolgt.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass dies Gesetz der Um- schläge des Kaufmannskapitals in jedem Handelszweig, und abge- sehn von der Abwechslung einander kompensirender, rascherer und langsamerer Umschläge, nur für den Durchschnitt der Umschläge gilt, die das ganze in diesem Zweig angelegte Kaufmannskapital macht. Das Kapital von A, der in demselben Zweige macht wie B, mag mehr oder weniger als die Durchschnittszahl der Umschläge machen. In diesem Fall machen die andern weniger oder mehr. Es ändert dies nichts am Umschlag der in diesem Zweig angelegten Totalmasse von Kaufmannskapital. Aber es ist entscheidend wichtig
für den einzelnen Kaufmann oder Kleinhändler. Er macht in diesem Fall einen Mehrprofit, ganz wie industrielle Kapitalisten Mehrprofite machen, wenn sie unter günstigern als den Durchschnittsbedingungen produciren. Zwingt die Konkurrenz dazu, so kann er wohlfeiler verkaufen als seine Kumpane ohne seinen Profit unter den Durch- schnitt zu senken. Sind die Bedingungen, die ihn zu rascherm Um- schlag befähigen, selbst käufliche Bedingungen, z. B. Lage der Verkaufsstätte, so kann er extra Rente dafür zahlen, d. h. ein Theil seines Surplusprofits verwandelt sich in Grundrente.
Die rein technischen Bewegungen, die das Geld durchmacht im Cirkulationsprocess des industriellen Kapitals und, wie wir jetzt hinzusetzen können, des Waarenhandlungskapitals (da dies einen Theil der Cirkulationsbewegung des industriellen Kapitals als seine eigne und eigenthümliche Bewegung übernimmt) — diese Bewe- gungen, verselbständigt zur Funktion eines besondren Kapitals, das sie, und nur sie, als ihm eigenthümliche Operationen ausübt, ver- wandeln dies Kapital in Geldhandlungskapital. Ein Theil des in- dustriellen Kapitals, und näher auch des Waarenhandlungskapitals, bestände nicht nur fortwährend in Geldform, als Geldkapital über- haupt, sondern als Geldkapital, das in diesen technischen Funktionen begriffen ist. Von dem Gesammtkapital sondert sich nun ab und verselbständigt sich ein bestimmter Theil in Form von Geldkapital, dessen kapitalistische Funktion ausschliesslich darin besteht, für die gesammte Klasse der industriellen und kommerziellen Kapitalisten diese Operationen auszuführen. Wie beim Waarenhandlungskapital, trennt sich ein Theil des im Cirkulationsprocess in der Gestalt von Geldkapital vorhandnen industriellen Kapitals ab, und verrichtet diese Operationen des Reproduktionsprocesses für das gesammte übrige Kapital. Die Bewegungen dieses Geldkapitals sind also wiederum nur Bewegungen eines verselbständigten Theils des in seinem Reproduktionsprocess begriffnen industriellen Kapitals.
Nur wenn, und in so weit, Kapital neu angelegt wird — was auch der Fall bei der Akkumulation — erscheint Kapital in Geld- form als Ausgangspunkt und Endpunkt der Bewegung. Aber für jedes, einmal in seinem Process befindliche Kapital erscheint Aus- gangspunkt wie Endpunkt nur als Durchgangspunkt. Soweit das industrielle Kapital, vom Austritt aus der Produktionssphäre bis
zum Wiedereintritt in dieselbe, die Metamorphose W'—G—W durchzumachen hat, ist, wie sich schon bei der einfachen Waaren- cirkulation zeigte, G in der That nur das Endresultat der einen Phase der Metamorphose, um der Ausgangspunkt der entgegen- gesetzten, sie ergänzenden zu sein. Und obgleich für das Handels- kapital das W—G des industriellen Kapitals stets als G—W—G sich darstellt, so ist doch auch für es, sobald es einmal engagirt ist, der wirkliche Process fortwährend W—G—W. Das Handels- kapital macht aber gleichzeitig die Akte W—G und G—W durch. D. h. nicht nur ein Kapital befindet sich im Stadium W—G, während das andre sich im Stadium G—W befindet, sondern das- selbe Kapital kauft beständig und verkauft beständig gleichzeitig, wegen der Kontinuität des Produktionsprocesses; es befindet sich fortwährend gleichzeitig in beiden Stadien. Während ein Theil des- selben sich in Geld verwandelt um sich später in Waare rückzuver- wandeln, verwandelt der andre sich gleichzeitig in Waare, um sich in Geld rückzuverwandeln.
Ob das Geld hier als Cirkulationsmittel oder als Zahlungsmittel fungirt, hängt von der Form des Waarenaustausches ab. In beiden Fällen hat der Kapitalist beständig an viele Personen Geld auszu- zahlen, und beständig von vielen Personen Geld in Zahlung zu empfangen. Diese bloss technische Operation des Geld-Zahlens und des Geld-Einkassirens bildet Arbeit für sich, die, soweit das Geld als Zahlungsmittel fungirt, Bilanzberechnungen, Akte der Aus- gleichung nöthig macht. Diese Arbeit ist eine Cirkulationskost, keine Werth schaffende Arbeit. Sie wird dadurch abgekürzt, dass sie von einer besondren Abtheilung von Agenten oder Kapitalisten für die ganze übrige Kapitalistenklasse ausgeführt wird.
Ein bestimmter Theil des Kapitals muss beständig als Schatz, potentielles Geldkapital, vorhanden sein: Reserve von Kaufmitteln, Reserve von Zahlungsmitteln, unbeschäftigtes, in Geldform seiner Anwendung harrendes Kapital; und ein Theil des Kapitals strömt beständig in dieser Form zurück. Dies macht, ausser Einkassiren, Zahlen und Buchhalten, Aufbewahrung des Schatzes nöthig, was wieder eine besondre Operation ist. Es ist also in der That die beständige Auflösung des Schatzes in Cirkulationsmittel und Zah- lungsmittel, und seine Rückbildung aus im Verkauf erhaltnem Geld und fällig gewordner Zahlung; diese beständige Bewegung des als Geld existirenden Theils des Kapitals, getrennt von der Kapital- funktion selbst, diese rein technische Operation ist es, die besondre Arbeit und Kosten verursacht — Cirkulationskosten.
Die Theilung der Arbeit bringt es mit sich, dass diese technischen Operationen, die durch die Funktionen des Kapitals bedingt sind, soweit möglich für die ganze Kapitalistenklasse von einer Abtheilung von Agenten oder Kapitalisten als ausschliessliche Funktionen ver- richtet werden oder sich in ihren Händen koncentriren. Es ist hier, wie beim Kaufmannskapital, Theilung der Arbeit in doppeltem Sinn. Es wird besondres Geschäft, und weil es als besondres Ge- schäft für den Geldmechanismus der ganzen Klasse verrichtet wird, wird es koncentrirt, auf grosser Stufenleiter ausgeübt; und nun findet wieder Theilung der Arbeit innerhalb dieses besondern Ge- schäfts statt, sowohl durch Spaltung in verschiedne von einander unabhängige Zweige, wie durch Ausbildung der Werkstatt inner- halb dieser Zweige (grosse Bureaux, zahlreiche Buchhalter und Kassirer, weitgetriebne Arbeitstheilung). Auszahlung des Geldes, Einkassirung, Ausgleichung der Bilanzen, Führung laufender Rech- nungen, Aufbewahren des Geldes etc., getrennt von den Akten, wodurch diese technischen Operationen nöthig werden, machen das in diesen Funktionen vorgeschossne Kapital zum Geldhandlungs- kapital.
Die verschiednen Operationen, aus deren Verselbständigung zu besondren Geschäften der Geldhandel entspringt, ergeben sich aus den verschiednen Bestimmtheiten des Geldes selbst und aus seinen Funktionen, die also auch das Kapital in der Form von Geldkapital durchzumachen hat.
Ich habe früher darauf hingewiesen, wie das Geldwesen über- haupt sich ursprünglich entwickelt im Produktenaustausch zwischen verschiednen Gemeinwesen.(FN42)
Es entwickelt sich der Geldhandel, der Handel mit der Geld- waare, daher zunächst aus dem internationalen Verkehr. Sobald verschiedne Landesmünzen existiren, haben die Kaufleute, die in fremden Ländern einkaufen, ihre Landesmünze in die Lokalmünze umzusetzen und umgekehrt, oder auch verschiedne Münzen gegen ungemünztes reines Silber oder Gold als Weltgeld. Daher das Wechselgeschäft, das als eine der naturwüchsigen Grundlagen des modernen Geldhandels zu betrachten ist.(FN43) Es entwickelten sich
daraus Wechselbanken, wo Silber (oder Gold) als Weltgeld — jetzt als Bankgeld oder Handelsgeld — im Unterschied zur Kourant- münze fungiren. Das Wechselgeschäft, soweit es blosse Anweisung für Zahlung an Reisende von dem Wechsler eines Landes an andre, hat sich schon in Rom und Griechenland aus dem eigentlichen Wechslergeschäft entwickelt.
Der Handel mit Gold und Silber als Waaren (Rohstoffen zur Bereitung für Luxusartikel) bildet die naturwüchsige Basis des Barrenhandels (Bullion trade) oder des Handels, der die Funktionen des Geldes als Weltgeldes vermittelt. Diese Funktionen, wie früher erklärt (Buch I, Kap. III, 3, c), sind doppelt: Hin- und Herlaufen zwischen den verschiednen nationalen Cirkulationssphären zur Aus- gleichung der internationalen Zahlungen und bei Wanderungen des Kapitals zum Verzinsen; daneben Bewegung, von den Produktions- quellen der Edelmetalle aus, über den Weltmarkt, und Vertheilung der Zufuhr unter die verschiednen nationalen Cirkulationssphären. In England fungirten noch während des grössten Theils des 17. Jahrhunderts die Goldschmiede als Bankiers. Wie sich weiter die Ausgleichung der internationalen Zahlungen im Wechselhandel etc. entwickelt, lassen wir hier ganz ausser Acht, wie alles was sich auf Geschäfte in Werthpapieren bezieht, kurz alle besondren Formen des Kreditwesens, das uns hier noch nichts angeht.
Als Weltgeld streift das Landesgeld seinen lokalen Charakter ab; ein Landesgeld wird im andern ausgedrückt, und so alle reducirt auf ihren Gehalt in Gold oder Silber, während diese letztren zugleich, als die beiden Waaren, die als Weltgeld cirkuliren, auf ihr gegen- seitiges Werthverhältniss zu reduciren sind, das beständig wechselt. Diese Vermittlung macht der Geldhändler zu seinem besondren Ge- schäft. Wechslergeschäft und Barrenhandel sind so die ursprüng- lichsten Formen des Geldhandels, und entspringen aus den doppelten Funktionen des Geldes: als Landesmünze und als Weltgeld.
Aus dem kapitalistischen Produktionsprocess, wie aus dem Handel überhaupt, selbst bei vorkapitalistischer Produktionsweise, ergibt sich:
Erstens, die Ansammlung des Geldes als Schatz, d. h. jetzt des Theils des Kapitals, der stets in Geldform vorhanden sein muss, als Reservefonds von Zahlungs- und Kaufmitteln. Dies ist die erste Form des Schatzes, wie er in der kapitalistischen Produktions- weise wieder erscheint, und sich überhaupt bei Entwicklung des Handelskapitals wenigstens für dieses bildet. Beides gilt sowohl für die inländische wie die internationale Cirkulation. Dieser Schatz ist beständig fliessend, ergiesst sich beständig in die Cirku- lation und kehrt beständig aus ihr zurück. Die zweite Form des Schatzes ist nun die von brachliegendem, augenblicklich unbeschäf- tigtem Kapital in Geldform, wozu auch neu akkumulirtes, noch nicht angelegtes Geldkapital gehört. Die Funktionen, die diese Schatzbildung als solche nöthig macht, sind zunächst seine Auf- bewahrung, Buchführung etc.
Zweitens aber ist damit verbunden Ausgeben des Geldes beim Kaufen, Einnehmen beim Verkaufen, Zahlen und Empfangen von Zahlungen, Ausgleichung der Zahlungen etc. Alles dies verrichtet der Geldhändler zunächst als einfacher Kassirer für die Kaufleute und industriellen Kapitalisten.(FN44)
Vollständig entwickelt ist der Geldhandel, und dies immer auch schon in seinen ersten Anfängen, sobald mit seinen sonstigen Funktionen die des Leihens und Borgens und der Handel in Kredit sich verbindet. Darüber im folgenden Abschnitt, beim zinstragenden Kapital.
Der Barrenhandel selbst, das Ueberführen von Gold oder Silber aus einem Land in das andre, ist nur das Resultat des Waaren- handels, bestimmt durch den Wechselkurs, der den Stand der inter- nationalen Zahlungen und des Zinsfusses auf verschiednen Märkten ausdrückt. Der Barrenhändler als solcher vermittelt nur Resultate.
Bei Betrachtung des Geldes, wie sich seine Bewegungen und Form- bestimmtheiten aus der einfachen Waarencirkulation entwickeln, hat man gesehn (Buch I, Kap. III), wie die Bewegung der Masse des als Kaufmittel und Zahlungsmittel cirkulirenden Geldes bestimmt ist durch die Waarenmetamorphose, durch Umfang und Geschwin- digkeit derselben, die wie wir jetzt wissen, selbst nur ein Moment des gesammten Reproduktionsprocesses ist. Was die Beschaffung des Geldmaterials — Gold und Silber — von seinen Produktions- quellen angeht, so löst sie sich auf in unmittelbaren Waarenaus- tausch, in Austausch von Gold und Silber als Waare gegen andre Waare, ist also selbst ebenso sehr ein Moment des Waarenaus- tausches wie die Beschaffung von Eisen oder andren Metallen. Was aber die Bewegung der edlen Metalle auf dem Weltmarkt angeht (wir sehn hier ab von dieser Bewegung, soweit sie leih- weise Kapitalübertragung ausdrückt, eine Uebertragung, die auch in der Form von Waarenkapital vorgeht), so ist sie ganz so be-
stimmt durch den internationalen Waarenaustausch, wie die Be- wegung des Geldes als inländisches Kauf- und Zahlungsmittel durch den inländischen Waarenaustausch. Die Aus- und Einwanderungen der edlen Metalle aus einer nationalen Cirkulationssphäre in die andre, soweit sie nur verursacht sind durch Entwerthung von Landes- münze oder durch Doppelwährung, sind der Geldcirkulation als solcher fremd, und blosse Korrektion willkürlich, von Staatswegen hervorgebrachter Abirrungen. Was endlich die Bildung von Schätzen angeht, soweit sie Reservefonds von Kauf- oder Zahlungs- mitteln, sei es für innern oder auswärtigen Handel darstellt, und ebenfalls soweit sie blosse Form von einstweilen brachliegendem Kapital ist, so ist sie beide Mal nur ein nothwendiger Niederschlag des Cirkulationsprocesses.
Wie die ganze Geldcirkulation in ihrem Umfang, ihren Formen und ihren Bewegungen blosses Resultat der Waarencirkulation ist, die vom kapitalistischen Standpunkt aus selbst nur den Cirkulations- process des Kapitals darstellt (und darin ist einbegriffen der Aus- tausch von Kapital gegen Revenue und von Revenue gegen Revenue, soweit die Verausgabung von Revenue sich im Kleinhandel realisirt), so versteht es sich ganz von selbst, dass der Geldhandel nicht nur das blosse Resultat und die Erscheinungsweise der Waarencirku- lation, die Geldcirkulation vermittelt. Diese Geldcirkulation selbst, als ein Moment der Waarencirkulation, ist für ihn gegeben. Was er vermittelt, sind ihre technischen Operationen, die er koncentrirt, abkürzt und vereinfacht. Der Geldhandel bildet nicht die Schätze, sondern liefert die technischen Mittel, um diese Schatzbildung, so- weit sie freiwillig ist (also nicht Ausdruck von unbeschäftigtem Kapital oder von Störung des Reproduktionsprocesses), auf ihr ökonomisches Minimum zu reduciren, indem die Reservefonds für Kauf- und Zahlungsmittel, wenn für die ganze Kapitalistenklasse verwaltet, nicht so gross zu sein brauchen, als wenn von jedem Kapitalisten besonders. Der Geldhandel kauft nicht die edlen Me- talle, sondern vermittelt nur ihre Vertheilung, sobald der Waaren- handel sie gekauft hat. Der Geldhandel erleichtert die Ausgleichung der Bilanzen, soweit das Geld als Zahlungsmittel fungirt, und ver- mindert durch den künstlichen Mechanismus dieser Ausgleichungen die dazu erheischte Geldmasse; aber er bestimmt weder den Zu- sammenhang, noch den Umfang der wechselseitigen Zahlungen. Die Wechsel und Cheques z. B., die in Banken und Clearing houses gegen einander ausgetauscht werden, stellen ganz unabhängige Ge- schäfte dar, sind Resultate von gegebnen Operationen, und es
handelt sich nur um bessre technische Ausgleichung dieser Resultate. Soweit das Geld als Kaufmittel cirkulirt, sind Umfang und Anzahl der Käufe und Verkäufe durchaus unabhängig vom Geldhandel. Er kann nur die technischen Operationen, die sie begleiten, ver- kürzen, und dadurch die Masse des zu ihrem Umschlag nöthigen baaren Geldes vermindern.
Der Geldhandel in der reinen Form, worin wir ihn hier be- trachten, d. h. getrennt vom Kreditwesen, hat es also nur zu thun mit der Technik eines Moments der Waarencirkulation, nämlich der Geldcirkulation und den daraus entspringenden verschiednen Funktionen des Geldes.
Dies unterscheidet den Geldhandel wesentlich vom Waarenhandel, der die Metamorphose der Waare und den Waarenaustausch ver- mittelt, oder selbst diesen Process des Waarenkapitals als Process eines vom industriellen Kapital gesonderten Kapitals erscheinen lässt. Wenn daher das Waarenhandlungskapital eine eigne Form der Cirkulation zeigt, G—W—G, wo die Waare zweimal die Stelle wechselt, und dadurch das Geld zurückfliesst, im Gegensatz zu W—G—W, wo das Geld zweimal die Hände wechselt und da- durch den Waarenaustausch vermittelt, so kann keine solche be- sondre Form für das Geldhandlungskapital nachgewiesen werden.
Soweit Geldkapital in dieser technischen Vermittlung der Geld- cirkulation von einer besondren Abtheilung Kapitalisten vorge- schossen wird — ein Kapital, das auf verjüngtem Maßstab das Zusatzkapital vorstellt, das sich die Kaufleute und industriellen Kapitalisten sonst selbst zu diesen Zwecken vorschiessen müssten — ist die allgemeine Form des Kapitals G—G' auch hier vorhanden. Durch Vorschuss von G wird G + ΔG für den Vorschiesser erzeugt. Aber die Vermittlung von G—G' bezieht sich hier nicht auf die sach- lichen, sondern nur auf die technischen Momente der Metamorphose.
Es ist augenscheinlich, dass die Masse des Geldkapitals, womit die Geldhändler zu thun haben, das in Cirkulation befindliche Geld- kapital der Kaufleute und Industriellen ist, und dass die Operationen, die sie vollziehn, nur die Operationen jener sind, die sie vermitteln.
Es ist ebenso klar, dass ihr Profit nur ein Abzug vom Mehr- werth ist, da sie nur mit schon realisirten Werthen (selbst wenn nur in Form von Schuldforderungen realisirt) zu thun haben.
Wie bei dem Waarenhandel findet hier Verdopplung der Funktion statt. Denn ein Theil der mit der Geldcirkulation verbundnen technischen Operationen muss von den Waarenhändlern und Waaren- producenten selbst verrichtet werden.
Die besondre Form der Geldakkumulation des Waarenhandlungs- und Geldhandlungskapitals wird erst im nächsten Abschnitt betrachtet.
Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich von selbst, dass nichts abgeschmackter sein kann, als das Kaufmannskapital, sei es in der Form des Waarenhandlungskapitals, sei es in der des Geld- handlungskapitals, als eine besondre Art des industriellen Ka- pitals zu betrachten, ähnlich wie etwa Bergbau, Ackerbau, Viehzucht, Manufaktur, Transportindustrie etc., durch die ge- sellschaftliche Theilung der Arbeit gegebne Abzweigungen, und daher besondre Anlagesphären, des industriellen Kapitals bilden. Schon die einfache Beobachtung, dass jedes industrielle Kapital, während es sich in der Cirkulationsphase seines Reproduktionspro- cesses befindet, als Waarenkapital und Geldkapital ganz dieselben Funktionen verrichtet, die als ausschliessliche Funktionen des kauf- männischen Kapitals in seinen beiden Formen erscheinen, müsste diese rohe Auffassung unmöglich machen. Im Waarenhandlungs- kapital und Geldhandlungskapital sind umgekehrt die Unterschiede zwischen dem industriellen Kapital als produktivem, und demselben Kapital in der Cirkulationssphäre dadurch verselbständigt, dass die bestimmten Formen und Funktionen, die das Kapital hier zeitweilig annimmt, als selbständige Formen und Funktionen eines abgelösten Theils des Kapitals erscheinen, und ausschliesslich darin eingepfercht sind. Verwandelte Form des industriellen Kapitals, und stoffliche, aus der Natur der verschiednen Industriezweige hervorgehende Unterschiede zwischen produktiven Kapitalen in verschiednen Pro- duktionsanlagen sind himmelweit verschieden.
Ausser der Brutalität, womit der Oekonom überhaupt die Form- unterschiede betrachtet, die ihn in der That nur nach der stoff- lichen Seite interessiren, liegt bei dem Vulgärökonomen dieser Ver- wechslung noch zweierlei zu Grunde. Erstens seine Unfähigkeit, den merkantilen Profit in seiner Eigenthümlichkeit zu erklären; zweitens sein apologetisches Bestreben, die aus der specifischen Form der kapitalistischen Produktionsweise, die vorallem Waarencirkulation, und daher Geldcirkulation, als ihre Basis voraussetzt, hervorgehenden Formen von Waarenkapital und Geldkapital, und weiterhin von Waaren- handlungs- und Geldhandlungskapital, als aus dem Produktionsprocess als solchem nothwendig hervorgehende Gestalten abzuleiten.
Wenn Waarenhandlungskapital und Geldhandlungskapital sich
nicht anders von Getreidebau unterscheiden, wie dieser von Vieh- zucht und Manufaktur, so ist sonnenklar, dass Produktion und kapi- talistische Produktion überhaupt identisch sind, und dass nament- lich auch die Vertheilung der gesellschaftlichen Produkte unter die Mitglieder der Gesellschaft, sei es zur produktiven oder zur indi- viduellen Konsumtion, ebenso ewig durch Kaufleute und Bankiers vermittelt werden muss, wie der Genuss von Fleisch durch Vieh- zucht und der von Kleidungsstücken durch deren Fabrikation.(FN45)
Die grossen Oekonomen wie Smith, Ricardo etc., da sie die Grundform des Kapitals betrachten, das Kapital als industrielles Kapital, und das Cirkulationskapital (Geld- und Waarenkapital) that- sächlich nur, soweit es selbst eine Phase im Reproduktionsprocess jedes Kapitals, sind in Verlegenheit mit dem merkantilen Kapital als einer eignen Sorte. Die aus der Betrachtung des industriellen Kapitals unmittelbar abgeleiteten Sätze über Werthbildung, Profit etc., passen nicht direkt auf das Kaufmannskapital. Sie lassen dies daher in der That ganz bei Seite liegen und erwähnen es nur als eine Art des industriellen Kapitals. Wo sie im besondren davon handeln, wie Ricardo beim auswärtigen Handel, suchen sie nach- zuweisen, dass es keinen Werth schafft (folglich auch keinen Mehr- werth). Aber was vom auswärtigen Handel, gilt vom inländischen.
Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom Standpunkt und innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise be- trachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der That die historisch älteste, freie Existenzweise des Kapitals.
Da man bereits gesehn, dass der Geldhandel und das darin vorge- schossne Kapital zu seiner Entwicklung nichts bedarf als die Existenz des Grosshandels, weiter des Waarenhandlungskapitals, so ist es nur das letztre, womit wir uns hier zu befassen haben.
Weil das Handlungskapital eingepfercht ist in die Cirkulations- sphäre, und seine Funktion ausschliesslich darin besteht, den Waaren- austausch zu vermitteln, so sind zu seiner Existenz — abgesehn von unentwickelten Formen, die aus dem unmittelbaren Tausch- handel entspringen — keine andren Bedingungen nöthig als zur einfachen Waaren- und Geldcirkulation. Oder die letztre ist viel- mehr seine Existenzbedingung. Auf Basis welcher Produktions- weise auch immer die Produkte producirt wurden, die als Waaren in die Cirkulation eingehn — ob auf Basis des urwüchsigen Ge- meinwesens, oder der Sklavenproduktion, oder der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen, oder der kapitalistischen — es ändert dies nichts an ihrem Charakter als Waaren, und als Waaren haben sie den Austauschprocess und die ihn begleitenden Formveränderungen durchzumachen. Die Extreme, zwischen denen das Kaufmanns- kapital vermittelt, sind gegeben für es, ganz wie sie gegeben sind für das Geld und für die Bewegung des Geldes. Das einzig Nöthige ist, dass diese Extreme als Waaren vorhanden sind, ob nun die Produktion ihrem ganzen Umfang nach Waarenproduktion ist, oder ob bloss der Ueberschuss der selbstwirthschaftenden Pro- ducenten über ihre, durch ihre Produktion befriedigten, unmittel- baren Bedürfnisse, auf den Markt geworfen wird. Das Kaufmanns- kapital vermittelt nur die Bewegung dieser Extreme, der Waaren, als ihm gegebner Voraussetzungen.
Der Umfang, worin die Produktion in den Handel eingeht, durch die Hände der Kaufleute geht, hängt ab von der Produktionsweise, und erreicht sein Maximum in der vollen Entwicklung der kapita- listischen Produktion, wo das Produkt nur noch als Waare, nicht als unmittelbares Subsistenzmittel producirt wird. Andrerseits, auf der Basis jeder Produktionsweise, befördert der Handel die Erzeu- gung von überschüssigem Produkt, bestimmt in den Austausch ein- zugehn, um die Genüsse oder die Schätze der Producenten (worunter hier die Eigner der Produkte zu verstehn sind) zu vermehren; gibt also der Produktion einen mehr und mehr auf den Tausch- werth gerichteten Charakter.
Die Metamorphose der Waaren, ihre Bewegung, besteht 1) stoff- lich aus dem Austausch verschiedner Waaren gegen einander, 2) formell aus Verwandlung der Waare in Geld, Verkaufen, und
Verwandlung des Geldes in Waare, Kaufen. Und in diese Funktionen, Austauschen von Waaren durch Kauf und Verkauf, löst sich die Funktion des Kaufmannskapitals auf. Es vermittelt also bloss den Waarenaustausch, der indessen von vornherein nicht bloss als Waarenaustausch zwischen den unmittelbaren Producenten zu fassen ist. Beim Sklavenverhältniss, Leibeignenverhältniss, Tributverhält- niss (soweit primitive Gemeinwesen in Betracht kommen) ist es der Sklavenhalter, der Feudalherr, der Tribut empfangende Staat, welcher Eigner, also Verkäufer des Produkts ist. Der Kaufmann kauft und verkauft für Viele. In seiner Hand koncentriren sich Käufe und Verkäufe, wodurch Kauf und Verkauf aufhört an das unmittelbare Bedürfniss des Käufers (als Kaufmann) gebunden zu sein.
Welches aber immer die gesellschaftliche Organisation der Pro- duktionssphären, deren Waarenaustausch der Kaufmann vermittelt, sein Vermögen existirt immer als Geldvermögen und sein Geld fungirt stets als Kapital. Seine Form ist stets G—W—G'; Geld, die selbständige Form des Tauschwerths, der Ausgangspunkt, und Vermehrung des Tauschwerths der selbständige Zweck. Der Waaren- austausch selbst und die ihn vermittelnden Operationen — getrennt von der Produktion und vollzogen vom Nichtproducenten — als blosses Mittel der Vermehrung, nicht nur des Reichthums, sondern des Reichthums in seiner allgemeinen gesellschaftlichen Form, als Tauschwerth. Das treibende Motiv und der bestimmende Zweck ist G zu verwandeln in G + ΔG; die Akte G—W und W—G', die den Akt G—G' vermitteln, erscheinen bloss als Uebergangs- momente dieser Verwandlung von G in G + ΔG. Dies G—W—G' als charakteristische Bewegung des Kaufmannskapitals unterscheidet es von W—G—W, dem Waarenhandel zwischen den Producenten selbst, der auf den Austausch von Gebrauchswerthen als letzten Zweck gerichtet ist.
Je unentwickelter die Produktion, um so mehr wird sich daher das Geldvermögen koncentriren in den Händen der Kaufleute, oder als specifische Form des Kaufmannsvermögens erscheinen.
Innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise — d. h. sobald sich das Kapital der Produktion selbst bemächtigt und ihr eine ganz veränderte und specifische Form gegeben hat — erscheint das Kaufmannskapital nur als Kapital in einer besondren Funktion. In allen frühern Produktionsweisen, und umsomehr jemehr die Pro- duktion unmittelbar Produktion der Lebensmittel des Producenten ist, erscheint Kaufmannskapital zu sein, als die Funktion par excellence des Kapitals.
Es macht also nicht die geringste Schwierigkeit einzusehn, warum das Kaufmannskapital als historische Form des Kapitals erscheint, lange bevor das Kapital sich die Produktion selbst unterworfen hat. Seine Existenz und Entwicklung zu einer gewissen Höhe ist selbst historische Voraussetzung für die Entwicklung der kapita- listischen Produktionsweise, 1) als Vorbedingung der Koncentration von Geldvermögen, und 2) weil die kapitalistische Produktionsweise Produktion für den Handel voraussetzt, Absatz im Grossen und nicht an den einzelnen Kunden, also auch einen Kaufmann, der nicht zur Befriedigung seines persönlichen Bedürfnisses kauft, sondern die Kaufakte Vieler in seinem Kaufakt koncentrirt. Andrerseits wirkt alle Entwicklung des Kaufmannskapitals darauf hin, der Pro- duktion einen mehr und mehr auf den Tauschwerth gerichteten Charakter zu geben, die Produkte mehr und mehr in Waaren zu verwandeln. Doch ist seine Entwicklung, für sich genommen, wie wir gleich unten noch weiter sehn werden, unzureichend, um den Uebergang einer Produktionsweise in die andre zu vermitteln und zu erklären.
Innerhalb der kapitalistischen Produktion wird das Kaufmanns- kapital von seiner frühern selbständigen Existenz herabgesetzt zu einem besondern Moment der Kapitalanlage überhaupt, und die Ausgleichung der Profite reducirt seine Profitrate auf den allge- meinen Durchschnitt. Es fungirt nur noch als der Agent des pro- duktiven Kapitals. Die mit der Entwicklung des Kaufmannskapitals sich bildenden besondern Gesellschaftszustände sind hier nicht mehr bestimmend; im Gegentheil, wo es vorherrscht, herrschen veraltete Zustände. Dies gilt sogar innerhalb desselben Landes, wo z. B. die reinen Handelsstädte ganz andre Analogien mit vergangnen Zu- ständen bilden, als die Fabrikstädte.(FN46)
Selbständige und vorwiegende Entwicklung des Kapitals als Kaufmannskapitals ist gleichbedeutend mit Nichtunterwerfung der
Produktion unter das Kapital, also mit Entwicklung des Kapitals auf Grundlage einer ihm fremden und von ihm unabhängigen ge- sellschaftlichen Form der Produktion. Die selbständige Entwicklung des Kaufmannskapitals steht also im umgekehrten Verhältniss zur allgemeinen ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft.
Das selbständige Kaufmannsvermögen, als herrschende Form des Kapitals, ist die Verselbständigung des Cirkulationsprocesses gegen seine Extreme, und diese Extreme sind die austauschenden Produ- centen selbst. Diese Extreme bleiben selbständig gegen den Cir- kulationsprocess, und dieser Process gegen sie. Das Produkt wird hier Waare durch den Handel. Es ist der Handel, der hier die Gestaltung der Produkte zu Waaren entwickelt; es ist nicht die producirte Waare, deren Bewegung den Handel bildet. Kapital als Kapital tritt hier also zuerst im Cirkulationsprocess auf. Im Cir- kulationsprocess entwickelt sich das Geld zu Kapital. In der Cirkulation entwickelt sich das Produkt zuerst als Tausch- werth, als Waare und Geld. Das Kapital kann sich im Cir- kulationsprocess bilden, und muss sich in ihm bilden, bevor es seine Extreme beherrschen lernt, die verschiednen Produk- tionssphären, zwischen denen die Cirkulation vermittelt. Geld- und Waarencirkulation können Produktionssphären der verschie- densten Organisationen vermitteln, die ihrer innern Struktur nach noch hauptsächlich auf Produktion des Gebrauchswerths gerichtet sind. Diese Verselbständigung des Cirkulationsprocesses, worin die Produktionssphären unter einander verbunden werden durch ein drittes, drückt doppeltes aus. Einerseits, dass die Cirkulation sich noch nicht der Produktion bemächtigt hat, sondern sich zu ihr als gegebner Voraussetzung verhält. Andrerseits, dass der Produk- tionsprocess die Cirkulation noch nicht als blosses Moment in sich aufgenommen hat. In der kapitalistischen Produktion dagegen ist beides der Fall. Der Produktionsprocess beruht ganz auf der Cir- kulation und die Cirkulation ist ein blosses Moment, eine Durch- gangsphase der Produktion, bloss die Realisirung des als Waare producirten Produkts, und der Ersatz seiner als Waaren produ- cirten Produktionselemente. Die unmittelbar aus der Cirkulation stammende Form des Kapitals — das Handelskapital — erscheint hier nur noch als eine der Formen des Kapitals in seiner Repro- duktionsbewegung.
Das Gesetz, dass die selbständige Entwicklung des Kaufmanns- kapitals im umgekehrten Verhältniss steht zum Entwicklungsgrad der kapitalistischen Produktion, erscheint am meisten in der Ge-
schichte des Zwischenhandels (carrying trade), wie bei Venetianern, Genuesern, Holländern etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird nicht durch Ausfuhr der eignen Landesprodukte, sondern durch Ver- mittlung des Austausches der Produkte kommerziell und sonst öko- nomisch unentwickelter Gemeinwesen, und durch Exploitation beider Produktionsländer.(FN47) Hier ist das Kaufmannskapital rein, abge- trennt von den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen es vermittelt. Es ist dies eine Hauptquelle seiner Bildung. Aber dies Monopol des Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel selbst, im selben Verhältniss wie die ökonomische Entwicklung der Völker fortschreitet, die es beiderseits exploitirte, und deren Unent- wickeltheit seine Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint dies nicht nur als Verfall eines besondren Handelszweigs, sondern auch als Verfall des Uebergewichts reiner Handelsvölker und ihres kommerziellen Reichthums überhaupt, der auf der Basis dieses Zwischenhandels beruhte. Es ist dies nur eine besondre Form, worin die Unterordnung des kommerziellen Kapitals unter das in- dustrielle im Fortschritt der Entwicklung der kapitalistischen Pro- duktion sich ausdrückt. Von der Art und Weise übrigens, wie das Kaufmannskapital da wirthschaftet, wo es direkt die Produk- tion beherrscht, bietet schlagendes Exempel nicht nur die Kolonial- wirthschaft überhaupt (das sog. Kolonialsystem) sondern ganz speciell die Wirthschaft der alten holländisch-ostindischen Kompagnie.
Da die Bewegung des kaufmännischen Kapitals G—W—G' ist, so wird der Profit des Kaufmanns erstens gemacht durch Akte, die nur innerhalb des Cirkulationsprocesses vorgehn, also gemacht in den zwei Akten des Kaufs und Verkaufs; und zweitens wird er realisirt im letzten Akt, dem Verkauf. Es ist also Veräusserungs- profit, profit upon alienation. Prima facie erscheint der reine, un- abhängige Handelsprofit unmöglich, solange Produkte zu ihren Werthen verkauft werden. Wohlfeil kaufen um theuer zu ver- kaufen, ist das Gesetz des Handels. Also nicht der Austausch von Aequivalenten. Der Begriff des Werths ist insofern darin ein-
geschlossen, als die verschiednen Waaren alle Werth und darum Geld sind; der Qualität nach gleichmäßig Ausdrücke der gesell- schaftlichen Arbeit. Aber sie sind nicht gleiche Werthgrössen. Das quantitative Verhältniss, worin sich Produkte austauschen, ist zunächst ganz zufällig. Sie nehmen sofern Waarenform an, dass sie überhaupt Austauschbare, d. h. Ausdrücke desselben Dritten sind. Der fortgesetzte Austausch und die regelmäßigere Repro- duktion für den Austausch hebt diese Zufälligkeit mehr und mehr auf. Zunächst aber nicht für die Producenten und Konsumenten, sondern für den Vermittler zwischen beiden, den Kaufmann, der die Geldpreise vergleicht und die Differenz einsteckt. Durch seine Bewegung selbst setzt er die Aequivalenz.
Das Handelskapital ist im Anfang bloss die vermittelnde Bewe- gung zwischen Extremen, die es nicht beherrscht, und Voraus- setzungen, die es nicht schafft.
Wie aus der blossen Form der Waarencirkulation, W—G—W, Geld nicht nur als Werthmaß und Cirkulationsmittel, sondern als absolute Form der Waare und damit des Reichthums, als Schatz hervorgeht, und sein Beisichbleiben und Anwachsen als Geld zum Selbstzweck wird, so geht aus der blossen Cirkulationsform des Kaufmannskapitals, G—W—G', das Geld, der Schatz, hervor als etwas, das sich durch blosse Veräusserung erhält und vermehrt.
Die Handelsvölker der Alten existirten wie die Götter des Epikur in den Intermundien der Welt oder vielmehr wie die Juden in den Poren der polnischen Gesellschaft. Der Handel der ersten selb- ständigen, grossartig entwickelten Handelsstädte und Handelsvölker beruhte als reiner Zwischenhandel auf der Barbarei der produ- cirenden Völker, zwischen denen sie die Vermittler spielten.
In den Vorstufen der kapitalistischen Gesellschaft beherrscht der Handel die Industrie; in der modernen Gesellschaft umgekehrt. Der Handel wird natürlich mehr oder weniger zurückwirken auf die Gemeinwesen, zwischen denen er getrieben wird; er wird die Produktion mehr und mehr dem Tauschwerth unterwerfen, indem er Genüsse und Subsistenz mehr abhängig macht vom Verkauf als vom unmittelbaren Gebrauch des Produkts. Er löst dadurch die alten Verhältnisse auf. Er vermehrt die Geldcirkulation. Er er- greift nicht mehr bloss den Ueberschuss der Produktion, sondern frisst nach und nach diese selbst an, und macht ganze Produktions- zweige von sich abhängig. Indess hängt diese auflösende Wirkung sehr ab von der Natur des producirenden Gemeinwesens.
Solange das Handelskapital den Produktenaustausch unentwickelter
Gemeinwesen vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur als Uebervortheilung und Prellerei, sondern entspringt grossen- theils aus ihr. Abgesehn davon, dass es den Unterschied zwischen den Produktionspreisen verschiedner Länder ausbeutet (und in dieser Beziehung wirkt es hin auf die Ausgleichung und Festsetzung der Waarenwerthe) bringen es jene Produktionsweisen mit sich, dass das Kaufmannskapital sich einen überwiegenden Theil des Mehr- produkts aneignet, theils als Zwischenschieber zwischen Gemein- wesen, deren Produktion noch wesentlich auf den Gebrauchswerth gerichtet ist, und für deren ökonomische Organisation der Verkauf des überhaupt in Cirkulation tretenden Produktentheils, also über- haupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Werth von untergeord- neter Wichtigkeit ist; theils weil in jenen frühern Produktions- weisen die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kauf- mann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat (z. B. der orientalische Despot) den geniessenden Reichthum vor- stellen, dem der Kaufmann Fallen stellt, wie schon A. Smith in der angeführten Stelle für die Feudalzeit richtig herausgewittert hat. Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also überall ein System der Plünderung dar,(FN48) wie denn auch seine
Entwicklung, bei den Handelsvölkern der alten wie der neuern Zeit direkt mit gewaltsamer Plünderung, Seeraub, Sklavenraub, Unterjochung in Kolonien verbunden ist; so in Karthago, Rom. später bei Venetianern, Portugiesen, Holländern etc.
Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals entwickelt überall die Richtung der Produktion auf Tauschwerth, vergrössert ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisirt sie, entwickelt das Geld zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr oder minder auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der Produktion, die in allen ihren verschiednen Formen hauptsächlich auf den Gebrauchswerth gerichtet sind. Wie weit er aber die Auf- lösung der alten Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von ihrer Festigkeit und innern Gliederung. Und wohin dieser Process der Auflösung ausläuft, d. h. welche neue Produktionsweise an Stelle der alten tritt, hängt nicht vom Handel ab, sondern vom Charakter der alten Produktionsweise selbst. In der antiken Welt resultirt die Wirkung des Handels und die Entwicklung des Kauf- mannskapitals stets in Sklavenwirthschaft; je nach dem Ausgangs- punkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf Pro- duktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems in ein auf Produktion von Mehrwerth gerichtetes. In der modernen Welt dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise. Es folgt hieraus, dass diese Resultate selbst noch durch ganz andre Um- stände bedingt waren als durch die Entwicklung des Handelskapitals.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sobald städtische Industrie als solche sich von der agrikolen trennt, ihre Produkte von vorn- herein Waaren sind, und deren Verkauf also der Vermittlung des Handels bedarf. Die Anlehnung des Handels an die städtische Entwicklung, und andrerseits die Bedingtheit der letztren durch den Handel sind soweit selbstverständlich. Jedoch hängt es hier durch- aus von andren Umständen ab, wieweit industrielle Entwicklung damit Hand in Hand geht. Das alte Rom entwickelt schon in der spätern republikanischen Zeit das Kaufmannskapital höher als es je zuvor in der alten Welt bestanden hat, ohne irgend welchen Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth und andren griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet. Andrerseits, im geraden Gegentheil zur städtischen Entwicklung und ihren Bedingungen, ist Handelsgeist und Entwicklung des Han- delskapitals oft gerade nichtansässigen, nomadischen Völkern eigen.
Es unterliegt keinem Zweifel — und gerade diese Thatsache hat
ganz falsche Anschauungen erzeugt — dass im 16. und im 17. Jahrhundert die grossen Revolutionen, die mit den geographischen Entdeckungen im Handel vorgingen und die Entwicklung des Kauf- mannskapitals rasch steigerten, ein Hauptmoment bilden in der Förderung des Uebergangs der feudalen Produktionsweise in die kapitalistische. Die plötzliche Ausdehnung des Weltmarkts, die Vervielfältigung der umlaufenden Waaren, der Wetteifer unter den europäischen Nationen, sich der asiatischen Produkte und der ame- rikanischen Schätze zu bemächtigen, das Kolonialsystem, trugen wesentlich bei zur Sprengung der feudalen Schranken der Pro- duktion. Indess entwickelte sich die moderne Produktionsweise, in ihrer ersten Periode, der Manufakturperiode, nur da wo die Be- dingungen dafür sich innerhalb des Mittelalters erzeugt hatten. Man vergleiche z. B. Holland mit Portugal.(FN49) Und wenn im 16. und zum Theil noch im 17. Jahrhundert die plötzliche Ausdehnung des Handels und die Schöpfung eines neuen Weltmarkts einen überwiegenden Einfluss auf den Untergang der alten, und den Auf- schwung der kapitalistischen Produktionsweise ausübten, so geschah dies umgekehrt auf Basis der einmal geschaffnen kapitalistischen Produktionsweise. Der Weltmarkt bildet selbst die Basis dieser Pro- duktionsweise. Andrerseits, die derselben immanente Nothwendigkeit, auf stets grössrer Stufenleiter zu produciren, treibt zur beständigen Aus- dehnung des Weltmarkts, sodass der Handel hier nicht die Industrie, sondern die Industrie beständig den Handel revolutionirt. Auch die Handelsherrschaft ist jetzt geknüpft an das grössre oder geringre Vorwiegen der Bedingungen der grossen Industrie. Man vergleiche z. B. England und Holland. Die Geschichte des Untergangs Hol- lands als herrschender Handelsnation ist die Geschichte der Unter- ordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital. Die Hindernisse, die die innere Festigkeit und Gliederung vorkapita- listischer, nationaler Produktionsweisen der auflösenden Wirkung des Handels entgegensetzt, zeigt sich schlagend im Verkehr der Engländer mit Indien und China. Die breite Basis der Produk-
tionsweise ist hier gebildet durch die Einheit kleiner Agrikultur und häuslicher Industrie, wobei noch in Indien die Form der auf Gemeineigenthum am Boden beruhenden Dorfgemeinden hinzu- kommt, die übrigens auch in China die ursprüngliche Form war. In Indien wandten die Engländer zugleich ihre unmittelbare poli- tische und ökonomische Macht, als Herrscher und Grundrentner, an um diese kleinen ökonomischen Gemeinwesen zu sprengen.(FN50) Soweit ihr Handel hier revolutionirend auf die Produktionsweise wirkt, ist es nur, soweit sie durch den niedrigen Preis ihrer Waaren die Spinnerei und Weberei, die einen uralt-integrirenden Theil dieser Einheit der industriell-agrikolen Produktion bildet, vernichten, und so die Gemeinwesen zerreissen. Selbst hier gelingt ihnen dies Auflösungswerk nur sehr allmälig. Noch weniger in China, wo die unmittelbare politische Macht nicht zu Hülfe kommt. Die grosse Oekonomie und Zeitersparung, die aus der unmittelbaren Verbindung von Ackerbau und Manufaktur hervorgehn, bieten hier hartnäckigsten Widerstand den Produkten der grossen Industrie, in deren Preis die faux frais des sie überall durchlöchernden Cir- kulationsprocesses eingehn. Im Gegensatz zum englischen Handel lässt dagegen der russische die ökonomische Grundlage der asia- tischen Produktion unangetastet.(FN51)
Der Uebergang aus der feudalen Produktionsweise macht sich doppelt. Der Producent wird Kaufmann und Kapitalist, im Gegen- satz zur agrikolen Naturalwirthschaft und zum zünftig gebundnen Handwerk der mittelalterlichen städtischen Industrie. Dies ist der wirklich revolutionirende Weg. Oder aber, der Kaufmann be- mächtigt sich der Produktion unmittelbar. So sehr der letztre Weg historisch als Uebergang wirkt — wie z. B. der englische Clothier des 17. Jahrhunderts, der die Weber, die aber selbständig sind, unter seine Kontrolle bringt, ihnen ihre Wolle verkauft und ihr Tuch abkauft — so wenig bringt er es an und für sich zur Um- wälzung der alten Produktionsweise, die er vielmehr konservirt
und als seine Voraussetzung beibehält. So z. B. war grossentheils noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts der Fabrikant in der französischen Seidenindustrie, der englischen Strumpfwaaren- und Spitzenindustrie bloss nominell Fabrikant, in Wirklichkeit blosser Kaufmann, der die Weber in ihrer alten zersplitterten Weise fort- arbeiten lässt, und nur die Herrschaft des Kaufmanns ausübt, für den sie in der That arbeiten.(FN52) Diese Manier steht überall der wirklichen kapitalistischen Produktionsweise im Wege, und geht unter mit deren Entwicklung. Ohne die Produktionsweise um- zuwälzen, verschlechtert sie nur die Lage der unmittelbaren Produ- centen, verwandelt sie in blosse Lohnarbeiter und Proletarier unter schlechtern Bedingungen, als die direkt unter das Kapital subsu- mirten, und eignet sich ihre Mehrarbeit auf Basis der alten Pro- duktionsweise an. Etwas modificirt besteht dasselbe Verhältniss bei einem Theil der Londoner handwerksmäßig betriebnen Möbel- fabrikation. Sie wird namentlich in den Tower Hamlets auf sehr ausgebreitetem Fuss betrieben. Die ganze Produktion ist in sehr viele von einander unabhängige Geschäftszweige getheilt. Das eine Geschäft macht bloss Stühle, das andre bloss Tische, das dritte bloss Schränke u. s. w. Aber diese Geschäfte selbst werden mehr oder weniger handwerksmäßig betrieben, von einem kleinen Meister mit wenigen Gesellen. Dennoch ist die Produktion zu massenhaft, um direkt für Private zu arbeiten. Ihre Käufer sind die Besitzer von Möbelmagazinen. Am Sonnabend begibt sich der Meister zu ihnen und verkauft sein Produkt, wobei ganz so über den Preis geschachert wird, wie im Pfandhaus üher den Vorschuss auf dies oder jenes Stück. Diese Meister bedürfen des wöchentlichen Ver- kaufs, schon um für die nächste Woche wieder Rohmaterial kaufen und Arbeitslohn auszahlen zu können. Unter diesen Umständen sind sie eigentlich nur Zwischenschieber zwischen dem Kaufmann und ihren eignen Arbeitern. Der Kaufmann ist der eigentliche Kapitalist, der den grössten Theil des Mehrwerths in die Tasche steckt.(FN53) So ähnlich beim Uebergang in die Manufaktur aus den Zweigen, die früher handwerksmäßig oder als Nebenzweige der ländlichen Industrie betrieben worden. Je nach der technischen
Entwicklung, die dieser kleine Selbstbetrieb hat — wo er selbst schon Maschinen anwendet, die handwerksmäßigen Betrieb zulassen — findet auch Uebergang zur grossen Industrie statt; die Maschine wird, statt mit der Hand, mit Dampf getrieben; wie dies z. B. in der letzten Zeit im englischen Strumpfwaarengeschäft sich er- eignet.
Es findet also ein dreifacher Uebergang statt: Erstens, der Kaufmann wird direkt Industrieller; dies ist der Fall bei den auf den Handel gegründeten Gewerben, namentlich bei Luxusindustrien, welche von den Kaufleuten mitsammt den Rohstoffen und den Arbeitern aus der Fremde eingeführt werden, wie im fünfzehnten Jahrhundert in Italien aus Konstantinopel. Zweitens, der Kauf- mann macht die kleinen Meister zu seinen Zwischenschiebern (middle- men) oder kauft auch direkt vom Selbstproducenten; er lässt ihn nominell selbständig und lässt seine Produktionsweise unverändert. Drittens, der Industrielle wird Kaufmann und producirt direkt im Grossen für den Handel.
Im Mittelalter ist der Kaufmann bloss „Verleger“, wie Poppe richtig sagt, der sei es von den Zünftlern, sei es von den Bauern producirten Waaren. Der Kaufmann wird Industrieller, oder viel- mehr lässt die handwerksmäßige, besonders die ländliche kleine Industrie für sich arbeiten. Andrerseits wird der Producent Kauf- mann. Statt dass z. B. der Tuchwebermeister seine Wolle nach und nach in kleinen Portionen vom Kaufmann erhält und mit seinen Gesellen für diesen arbeitet, kauft er selbst Wolle oder Garn und verkauft sein Tuch an den Kaufmann. Die Produktions- elemente gehn als von ihm selbst gekaufte Waaren in den Produk- duktionsprocess ein. Und statt für den einzelnen Kaufmann zu produciren, oder für bestimmte Kunden, producirt der Tuchweber jetzt für die Handelswelt. Der Producent ist selbst Kaufmann. Das Handelskapital verrichtet nur noch den Cirkulationsprocess. Ursprünglich war der Handel Voraussetzung für die Verwandlung des zünftigen und ländlich-häuslichen Gewerbes und des feudalen Ackerbaus in kapitalistische Betriebe. Er entwickelt das Produkt zur Waare, theils indem er ihm einen Markt schafft, theils indem er neue Waarenäquivalente, und der Produktion neue Roh- und Hülfsstoffe zuführt und damit Produktionszweige eröffnet, die von vornherein auf den Handel gegründet sind, sowohl auf Produktion für den Markt und Weltmarkt, wie auf Produktionsbedingungen, die aus dem Weltmarkt herstammen. Sobald die Manufaktur einigermaßen erstarkt, und noch mehr die grosse Industrie schafft
sie sich ihrerseits den Markt, erobert ihn durch ihre Waaren. Jetzt wird der Handel Diener der industriellen Produktion, für die beständige Erweiterung des Markts Lebensbedingung ist. Eine stets ausgedehntere Massenproduktion überschwemmt den vorhandnen Markt und arbeitet daher stets an Ausdehnung dieses Markts, an Durchbrechung seiner Schranken. Was diese Massenproduktion beschränkt, ist nicht der Handel (soweit dieser nur existirende Nachfrage ausdrückt), sondern die Grösse des funktionirenden Ka- pitals und die entwickelte Produktivkraft der Arbeit. Der indu- strielle Kapitalist hat beständig den Weltmarkt vor sich, ver- gleicht, und muss beständig vergleichen, seine eignen Kostpreise mit den Marktpreisen nicht nur der Heimath, sondern der ganzen Welt. Diese Vergleichung fällt in der frühern Periode fast aus- schliesslich den Kaufleuten zu, und sichert so dem Handelskapital die Herrschaft über das industrielle.
Die erste theoretische Behandlung der modernen Produktions- weise — das Merkantilsystem — ging nothwendig aus von den oberflächlichen Phänomenen des Cirkulationsprocesses, wie sie in der Bewegung des Handelskapitals verselbständigt sind, und griff daher nur den Schein auf. Theils weil das Handelskapital die erste freie Existenzweise des Kapitals überhaupt ist. Theils wegen des überwiegenden Einflusses, den es in der ersten Umwälzungs- periode der feudalen Produktion, der Entstehungsperiode der mo- dernen Produktion ausübt. Die wirkliche Wissenschaft der modernen Oekonomie beginnt erst, wo die theoretische Betrachtung vom Cir- kulationsprocess zum Produktionsprocess übergeht. Das zinstra- gende Kapital ist zwar auch uralte Form des Kapitals. Warum aber der Merkantilismus nicht von ihm ausgeht, sondern sich viel- mehr polemisch dazu verhält, werden wir später sehn.
Bei der ersten Betrachtung der allgemeinen oder Durchschnitts- profitrate (Abschnitt II dieses Buchs) hatten wir diese letztre noch nicht in ihrer fertigen Gestalt vor uns, indem die Ausgleichung noch bloss als Ausgleichung der in verschiednen Sphären ange- legten industriellen Kapitale erschien. Dies wurde ergänzt im vorigen Abschnitt, wo die Theilnahme des Handelskapitals an dieser Ausgleichung und der merkantile Profit erörtert ward. Die allgemeine Profitrate und der Durchschnittsprofit stellten sich jetzt innerhalb engerer Grenzen dar als vorher. Im Fortgang der Ent- wicklung ist im Auge zu halten, dass wenn wir fernerhin von all- gemeiner Profitrate oder Durchschnittsprofit sprechen, dies in der letztren Fassung geschieht, also bloss mit Bezug auf die fertige Gestalt der Durchschnittsrate. Da diese nunmehr für das indu- strielle und merkantile Kapital dieselbe ist, ist es auch nicht weiter nöthig, soweit es sich nur um diesen Durchschnittsprofit handelt, einen Unterschied zwischen industriellem und kommerziellem Profit zu machen. Ob das Kapital innerhalb der Produktionssphäre indu- striell oder in der Cirkulationssphäre merkantil angelegt, es wirft pro rata seiner Grösse denselben jährlichen Durchschnittsprofit ab.
Geld — hier genommen als selbständiger Ausdruck einer Werth- summe, ob sie thatsächlich in Geld oder Waaren existire — kann auf Grundlage der kapitalistischen Produktion in Kapital verwandelt werden, und wird durch diese Verwandlung aus einem gegebnen Werth zu einem sich selbst verwerthenden, sich vermehrenden Werth. Es producirt Profit, d. h. es befähigt den Kapitalisten, ein be- stimmtes Quantum unbezahlter Arbeit, Mehrprodukt und Mehr- werth, aus den Arbeitern herauszuziehn und sich anzueignen. Da- mit erhält es, ausser dem Gebrauchswerth, den es als Geld besitzt, einen zusätzlichen Gebrauchswerth, nämlich den, als Kapital zu fungiren. Sein Gebrauchswerth besteht hier eben in dem Profit, den es, in Kapital verwandelt, producirt. In dieser Eigenschaft
als mögliches Kapital, als Mittel zur Produktion des Profits, wird es Waare, aber eine Waare sui generis. Oder was auf dasselbe herauskommt, Kapital als Kapital wird zur Waare.(FN54)
Gesetzt, die jährliche Durchschnittsprofitrate sei 20 %. Eine Maschine im Werth von 100 £ würde dann, unter den Durch- schnittsbedingungen und mit dem Durchschnittsverhältniss von In- telligenz und zweckmäßiger Thätigkeit als Kapital verwandt, einen Profit von 20 £ abwerfen. Ein Mann also, der 100 £ zur Ver- fügung hat, hält in seiner Hand die Macht aus 100 £ 120 zu machen, oder einen Profit von 20 £ zu produciren. Er hält in seiner Hand ein mögliches Kapital von 100 £. Überlässt dieser Mann für ein Jahr die 100 £ einem andern, der sie wirklich als Kapital anwendet, so gibt er ihm die Macht, 20 £ Profit zu pro- duciren, einen Mehrwerth, der ihm nichts kostet, wofür er kein Aequivalent zahlt. Wenn dieser Mann dem Eigner der 100 £ am Jahresschluss vielleicht 5 £ zahlt, d. h. einen Theil des producirten Profits, so zahlt er damit den Gebrauchswerth der 100 £, den Ge- brauchswerth ihrer Kapitalfunktion, der Funktion, 20 £ Profit zu produciren. Der Theil des Profits, den er ihm zahlt, heisst Zins, was also nichts ist als ein besondrer Name, eine besondre Rubrik für einen Theil des Profits, den das fungirende Kapital, statt in die eigne Tasche zu stecken, an den Eigner des Kapitals wegzu- zahlen hat.
Es ist klar, dass der Besitz der 100 £ ihrem Eigner die Macht gibt, den Zins, einen gewissen Theil des durch sein Kapital pro- ducirten Profits, an sich zu ziehn. Gäbe er dem andern die 100 £ nicht, so könnte dieser den Profit nicht produciren, überhaupt nicht mit Beziehung auf diese 100 £ als Kapitalist fungiren.(FN55)
Mit Gilbart (siehe Note) von natürlicher Gerechtigkeit hier zu reden, ist Unsinn. Die Gerechtigkeit der Transaktionen, die zwischen den Produktionsagenten vorgehn, beruht darauf, dass diese Trans- aktionen aus den Produktionsverhältnissen als natürliche Konse- quenz entspringen. Die juristischen Formen, worin diese ökono- mischen Transaktionen als Willenshandlungen der Betheiligten, als
Aeusserungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei gegenüber von Staatswegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können als blosse Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktions- weise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produk- tionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der Waare.
Die 100 £ produciren dadurch den Profit von 20 £, dass sie als Kapital fungiren, sei es als industrielles oder merkantiles. Aber das sine qua non dieser Funktion als Kapital ist, dass sie als Kapital verausgabt werden, das Geld also ausgelegt wird im An- kauf von Produktionsmitteln (beim industriellen Kapital) oder von Waare (beim merkantilen Kapital). Aber um verausgabt zu werden, muss es da sein. Wenn A, der Eigner der 100 £, sie entweder zu seiner Privatkonsumtion verausgabte, oder sie als Schatz bei sich behielte, könnten sie von B, dem fungirenden Kapitalisten, nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht verausgaben ohne den Willen von A. In der That ist es also A, der ursprünglich die 100 £ als Kapital verausgabt, obgleich sich auf diese Verausgabung der 100 £ als Kapital seine ganze Funktion als Kapitalist beschränkt. Soweit diese 100 £ in Betracht kommen, fungirt B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100 £ überlässt, und sie daher als Kapital verausgabt.
Betrachten wir zunächst die eigenthümliche Cirkulation des zins- tragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen die eigne Art, wie es als Waare verkauft wird, nämlich verliehen statt ein für alle Mal abgetreten.
Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschiesst. Es kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehn; die erstere Form ist jedoch die alterthümlichere, mit Ausnahme der Vorschüsse auf Waaren oder auf Schuldpapiere wie Wechsel, Aktien etc. Diese be- sondren Formen gehn uns hier nichts an. Wir haben es hier mit dem zinstragenden Kapital in seiner gewöhnlichen Form zu thun.
In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital ver- wandelt, macht die Bewegung G—W—G' durch und kehrt dann als G' zu A zurück, als G + ΔG, wo ΔG den Zins vorstellt. Der Vereinfachung halber sehn wir hier einstweilen von dem Fall ab, wo das Kapital auf längre Zeit in der Hand von B bleibt, und die Zinsen terminsweise gezahlt werden.
Die Bewegung ist also: G—G—W—G'—G'.
Was hier verdoppelt erscheint, ist 1) die Verausgabung des Geldes als Kapital, 2) sein Rückfluss als realisirtes Kapital, als G' oder G + ΔG.
In der Bewegung des Handelskapitals G—W—G' wechselt die- selbe Waare zweimal oder, wenn Kaufmann an Kaufmann ver- kauft, mehrmal die Hände; aber jeder solcher Stellenwechsel der- selben Waare zeigt eine Metamorphose an, Kauf oder Verkauf der Waare, so oft sich auch dieser Process bis zu ihrem definitiven Fall in die Konsumtion wiederholen mag.
Andrerseits in W—G—W findet zweimaliger Stellenwechsel des- selben Geldes statt, zeigt aber die vollständige Metamorphose der Waare an, die erst in Geld, und dann aus Geld wieder in eine andre Waare verwandelt wird.
Dagegen bei dem zinstragenden Kapital ist der erste Stellen- wechsel von G durchaus kein Moment, weder der Waarenmeta- morphose, noch der Reproduktion des Kapitals. Dies wird es erst bei der zweiten Verausgabung, in der Hand des fungirenden Kapi- talisten, der Handel damit treibt oder es in produktives Kapital verwandelt. Der erste Stellenwechsel von G drückt hier nichts aus als seine Uebertragung oder Uebermachung von A an B; eine Uebertragung, die unter gewissen juristischen Formen und Vorbe- halten zu geschehn pflegt.
Dieser doppelten Verausgabung des Geldes als Kapital, wovon die erste blosse Uebertragung von A auf B ist, entspricht sein doppelter Rückfluss. Als G' oder G + ΔG fliesst es zurück aus der Bewegung an den fungirenden Kapitalisten B. Dieser über- trägt es dann wieder an A, aber zugleich mit einem Theil des Profits, als realisirtes Kapital, als G + ΔG, wo ΔG nicht gleich dem ganzen Profit, sondern nur ein Theil des Profits, der Zins ist. Zu B fliesst es zurück nur als was er es ausgegeben hat, als fun- girendes Kapital, aber als das Eigenthum von A. Damit sein Rückfluss vollständig sei, hat B es daher wieder an A zu über- tragen. Ausser der Kapitalsumme aber hat B einen Theil des Profits, den er mit dieser Kapitalsumme gemacht hat, unter dem Namen Zins an A abzugeben, da dieser ihm das Geld nur gegeben hat als Kapital, d. h. als Werth, der sich nicht nur erhält in der Bewegung, sondern seinem Eigner einen Mehrwerth schafft. Es bleibt in der Hand von B nur solange es fungirendes Kapital ist. Und mit seinem Rückfluss — nach der abgemachten Frist — hört es
auf als Kapital zu fungiren. Als nicht länger fungirendes Kapital aber muss es wieder rückübertragen werden an A, der nicht auf- gehört hat der juristische Eigenthümer desselben zu sein.
Die Form des Leihens, die dieser Waare, dem Kapital als Waare eigenthümlich ist, übrigens auch in andren Transaktionen vorkommt, statt der Form des Verkaufens, ergibt sich schon aus der Be- stimmung, dass Kapital hier als Waare auftritt, oder dass Geld als Kapital zur Waare wird.
Man muss hier unterscheiden.
Wir haben gesehn (Buch II, Kap. I), und rufen hier kurz ins Gedächtniss zurück, dass das Kapital im Cirkulationsprocess als Waarenkapital und Geldkapital fungirt. Aber in beiden Formen wird das Kapital nicht als Kapital zur Waare.
Sobald sich das produktive Kapital in Waarenkapital verwandelt hat, muss es auf den Markt geworfen, als Waare verkauft werden. Hier fungirt es einfach als Waare. Der Kapitalist erscheint hier nur als Verkäufer von Waare, wie der Käufer als Käufer von Waare. Als Waare muss das Produkt im Cirkulationsprocess, durch seinen Verkauf, seinen Werth realisiren, seine verwandelte Gestalt als Geld annehmen. Es ist desswegen auch ganz gleich- gültig, ob diese Waare von einem Konsumenten als Lebensmittel oder von einem Kapitalisten als Produktionsmittel, als Kapital- bestandtheil, gekauft wird. Im Cirkulationsakt fungirt das Waaren- kapital nur als Waare, nicht als Kapital. Es ist Waarenkapital im Unterschied von einfacher Waare, 1) weil es bereits mit Mehr- werth geschwängert ist, die Realisirung seines Werths also zu- gleich Realisirung von Mehrwerth ist; dies ändert aber nichts an seinem einfachen Dasein als Waare, als Produkt von bestimmtem Preis; 2) weil diese seine Funktion als Waare ein Moment seines Reproduktionsprocesses als Kapital ist, und daher seine Bewegung als Waare, weil nur Theilbewegung seines Processes, zugleich seine Bewegung als Kapital ist; sie wird dies aber nicht durch den Akt des Verkaufens selbst, sondern nur durch den Zusammenhang dieses Akts mit der Gesammtbewegung dieser bestimmten Werthsumme als Kapital.
Ebenso als Geldkapital wirkt es in der That nur einfach als Geld, d. h. als Kaufmittel von Waare (den Produktionselementen). Dass dies Geld hier zugleich Geldkapital, eine Form des Kapitals ist, geht nicht hervor aus dem Akt des Kaufens, aus der wirk- lichen Funktion, die es hier als Geld verrichtet; sondern aus dem Zusammenhang dieses Akts mit der Gesammtbewegung des Kapitals,
indem dieser Akt, den es als Geld verrichtet, den kapitalistischen Produktionsprocess einleitet.
Aber soweit sie wirklich fungiren, wirklich im Process ihre Rolle spielen, wirkt hier Waarenkapital nur als Waare, Geldkapital nur als Geld. In keinem einzelnen Moment der Metamorphose, für sich betrachtet, verkauft der Kapitalist die Waare als Kapital an den Käufer, obgleich sie für ihn Kapital vorstellt, oder ver- äussert er das Geld als Kapital an den Verkäufer. In beiden Fällen veräussert er die Waare einfach als Waare, und das Geld einfach als Geld, als Kaufmittel von Waare.
Es ist nur in dem Zusammenhang des ganzen Verlaufs, in dem Moment, wo der Ausgangspunkt zugleich als Punkt der Rückkehr erscheint, in G—G' oder W'—W', dass das Kapital im Cirkulations- process als Kapital auftritt (während es im Produktionsprocess als Kapital auftritt durch die Unterordnung des Arbeiters unter den Kapitalisten und die Produktion des Mehrwerths). In diesem Mo- ment der Rückkehr aber ist die Vermittlung verschwunden. Was da ist, ist G' oder G + ΔG (ob die um ΔG vermehrte Werth- summe nun in der Form des Geldes oder der Waare oder der Produktionselemente existire), eine Geldsumme gleich der ursprüng- lich vorgeschossnen Geldsumme plus einem Ueberschuss darüber, dem realisirten Mehrwerth. Und gerade in diesem Rückkehrpunkt, wo das Kapital als realisirtes Kapital, als verwertheter Werth existirt, in dieser Form — soweit er als Ruhepunkt fixirt wird, imaginär oder wirklich — tritt das Kapital nie in Cirkulation, sondern erscheint vielmehr aus der Cirkulation zurückgezogen, als Resultat des ganzen Processes. Sobald es wieder verausgabt wird, wird es nie als Kapital an einen dritten veräussert, sondern als einfache Waare an ihn verkauft, oder ihm als einfaches Geld für Waare hingegeben. Es erscheint in seinem Cirkulationsprocess nie als Kapital, sondern nur als Waare oder Geld, und dies ist hier sein einziges Dasein für andre. Waare und Geld sind hier nur Kapital, nicht soweit die Waare sich in Geld, das Geld sich in Waare verwandelt, nicht in ihren wirklichen Beziehungen zum Käufer oder Verkäufer, sondern bloss in ihren ideellen Beziehungen, entweder zum Kapitalisten selbst (subjektiv betrachtet), oder als Momente des Reproduktionsprocesses (objektiv betrachtet). Als Kapital existirt das Kapital, in der wirklichen Bewegung, nicht im Cirkulationsprocess, sondern nur im Produktionsprocess, im Aus- beutungsprocess der Arbeitskraft.
Anders aber verhält es sich mit dem zinstragenden Kapital, und
grade dies bildet seinen specifischen Charakter. Der Geldbesitzer, der sein Geld als zinstragendes Kapital verwerthen will, veräussert es an einen dritten, wirft es in Cirkulation, macht es zur Waare als Kapital; nicht nur als Kapital für ihn selbst, sondern auch für andre; es ist nicht bloss Kapital für den, der es veräussert, sondern es wird dem dritten von vornherein als Kapital ausge- händigt, als Werth, der den Gebrauchswerth besitzt, Mehrwerth, Profit zu schaffen; als ein Werth, der sich in der Bewegung fort- erhält und zu seinem ursprünglichen Ausgeber, hier dem Geld- besitzer, nachdem er fungirt hat, zurückkehrt; also sich nur für eine Zeitlang von ihm entfernt, aus dem Besitz seines Eigenthümers nur zeitweilig in den Besitz des fungirenden Kapitalisten tritt, also weder weggezahlt noch verkauft, sondern nur ausgeliehen wird; nur entäussert wird, unter der Bedingung nach einer be- stimmten Zeitfrist erstens zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, zweitens aber als realisirtes Kapital zurückzukehren, sodass es seinen Gebrauchswerth, Mehrwerth zu produciren, realisirt hat.
Waare, die als Kapital verliehen wird, wird nach ihrer Be- schaffenheit als fixes oder cirkulirendes Kapital verliehen. Das Geld kann in beiden Formen verliehen werden, als fixes Kapital z. B., wenn es in der Form der Leibrente zurückgezahlt wird, so- dass mit dem Zins immer auch ein Stück Kapital zurückfliesst. Gewisse Waaren können der Natur ihres Gebrauchswerths nach immer nur als fixes Kapital verliehen werden, wie Häuser, Schiffe, Maschinen u. s. w. Aber alles verliehene Kapital, welches immer seine Form, und wie die Rückzahlung durch die Natur seines Ge- brauchswerths modificirt sein mag, ist immer nur eine besondre Form des Geldkapitals. Denn was hier verliehen wird, ist immer eine bestimmte Geldsumme, und auf diese Summe wird denn auch der Zins berechnet. Ist das, was ausgeliehen wird, weder Geld noch cirkulirendes Kapital, so wird es auch zurückgezahlt in der Weise wie fixes Kapital zurückfliesst. Der Verleiher erhält periodisch Zins und einen Theil des verbrauchten Werths des fixen Kapitals selbst, ein Aequivalent für den periodischen Verschleiss. Und am Ende der Frist kehrt der unverbrauchte Theil des verliehenen fixen Kapitals in natura zurück. Ist das verliehene Kapital cirkulirendes Kapital, so kehrt es ebenfalls dem Verleiher zurück in der Rück- flussweise des cirkulirenden Kapitals.
Die Art des Rückflusses ist also jedesmal bestimmt durch die wirkliche Kreisbewegung des sich reproducirenden Kapitals und seiner besondren Arten. Aber für das verliehene Kapital nimmt der
Rückfluss die Form der Rückzahlung an, weil der Vorschuss, die Entäusserung desselben, die Form des Verleihens hat.
In diesem Kapitel behandeln wir nur das eigentliche Geldkapital, wovon die andren Formen des verliehenen Kapitals abgeleitet sind.
Das ausgeliehene Kapital fliesst doppelt zurück; im Reproduktions- process kehrt es zum fungirenden Kapitalisten zurück, und dann wiederholt sich die Rückkehr noch einmal als Uebertragung auf den Verleiher, den Geldkapitalisten, als Rückzahlung an seinen wirklichen Eigenthümer, seinen juristischen Ausgangspunkt.
Im wirklichen Cirkulationsprocess erscheint das Kapital immer nur als Waare oder Geld, und seine Bewegung löst sich in eine Reihe von Käufen und Verkäufen auf. Kurz, der Cirkulations- process löst sich auf in die Metamorphose der Waare. Anders, wenn wir das Ganze des Reproduktionsprocesses betrachten. Gehn wir vom Geld aus (und es ist dasselbe, wenn wir von der Waare ausgehn, da wir dann von ihrem Werth ausgehn, sie also selbst sub specie des Geldes betrachten), so ist eine Geldsumme aus- gegeben, und kehrt nach einer gewissen Periode mit einem In- krement zurück. Der Ersatz für die vorgeschossne Geldsumme kehrt zurück plus einem Mehrwerth. Sie hat sich erhalten und vermehrt im Durchlaufen einer gewissen Kreisbewegung. Nun wird aber das Geld, soweit es als Kapital verliehen wird, eben als diese sich erhaltende und sich vermehrende Geldsumme ausgeliehen, die nach einer gewissen Periode mit Zusatz zurückkehrt und stets von neuem denselben Process durchmachen kann. Es wird weder als Geld noch als Waare ausgegeben, also weder ausgetauscht gegen Waare, wenn es als Geld vorgeschossen wird, noch verkauft gegen Geld, wenn es als Waare vorgeschossen wird; sondern es wird ausgegeben als Kapital. Das Verhältniss zu sich selbst, als welches das Kapital sich darstellt, wenn man den kapitalistischen Produktionsprocess als Ganzes und Einheit anschaut, und worin das Kapital als Geld heckendes Geld auftritt, wird hier ohne die vermittelnde Zwischenbewegung einfach als sein Charakter, als seine Bestimmtheit ihm einverleibt. Und in dieser Bestimmtheit wird es veräussert, wenn es als Geldkapital verliehen wird.
Eine absonderliche Auffassung der Rolle des Geldkapitals ist die von Proudhon („Gratuité du Crédit. Discussion entre M. F. Bastiat et M. Proudhon. Paris 1850). Leihen scheint Proudhon deswegen vom Uebel, weil es nicht Verkaufen ist. Das auf Zins Leihen est la faculté de vendre toujours de nouveau le même objet, et d’en recevoir toujours de nouveau le prix sans jamais céder la propriété
de ce qu’on vend. (p. 9.) Der Gegenstand, Geld, Haus etc. wechselt nicht den Eigenthümer, wie bei Kauf und Verkauf. Aber Proudhon sieht nicht, dass beim Weggeben des Geldes in Form von zins- tragendem Kapital kein Aequivalent dafür zurückerhalten ist. In jedem Akt des Kaufs und Verkaufs, soweit überhaupt Austausch- processe stattfinden, wird allerdings das Objekt weggegeben. Das Eigenthum des verkauften Gegenstands tritt man immer ab. Aber man gibt nicht den Werth weg. Beim Verkauf wird die Waare weggegeben, aber nicht ihr Werth, der in der Form von Geld, oder was hier nur eine andre Form dafür, von Schuldschein oder Zahlungstitel znrückgegeben wird. Beim Kauf wird das Geld weg- gegeben, aber nicht sein Werth, der in der Form der Waare er- setzt wird. Während des ganzen Reproduktionsprocesses hält der industrielle Kapitalist denselben Werth in seiner Hand (abgesehn vom Mehrwerth), nur in verschiednen Formen.
Soweit Austausch, d. h. Austausch von Gegenständen stattfindet, findet kein Werthwechsel statt. Derselbe Kapitalist hält immer denselben Werth in der Hand. Soweit aber Mehrwerth vom Kapi- talisten producirt wird, findet kein Austausch statt; sobald Aus- tausch stattfindet, steckt der Mehrwerth bereits in den Waaren. Sobald wir nicht die einzelnen Austauschakte betrachten, sondern den Gesammtkreislauf des Kapitals, G—W—G', wird beständig eine bestimmte Werthsumme vorgeschossen und diese Werthsumme plus dem Mehrwerth oder Profit aus der Cirkulation zurückgezogen. Die Vermittlung dieses Processes ist allerdings in den blossen Aus- tauschakten nicht sichtbar. Und es ist gerade dieser Process von G als Kapital, worauf der Zins des verleihenden Geldkapitalisten beruht, woraus er entspringt.
„In der That“, sagt Proudhon, „der Hutmacher, der Hüte ver- kauft … erhält dafür den Werth, nicht mehr und nicht weniger. Aber der verleihende Kapitalist … empfängt nicht nur sein Kapital unverkürzt zurück; er empfängt mehr als das Kapital, mehr als er in den Austausch wirft; er empfängt über das Kapital hinaus einen Zins.“ (p. 169.) Der Hutmacher vertritt hier den produktiven Kapitalisten im Gegensatz zum verleihenden. Proudhon ist offen- bar nicht hinter das Geheimniss gekommen, wie der produktive Kapitalist Waare zu ihrem Werth verkaufen kann (die Ausgleichung zu Produktionspreisen ist hier, für seine Fassung, gleichgültig) und eben dadurch einen Profit empfängt über das Kapital hinaus, das er in den Austausch wirft. Gesetzt, der Produktionspreis von 100 Hüten sei = 115 £, und dieser Produktionspreis sei zufällig
gleich dem Werth der Hüte, also das Kapital, das die Hüte pro- ducirt, von gesellschaftlicher Durchschnittszusammensetzung. Ist der Profit = 15 %, so realisirt der Hutmacher einen Profit von 15 £ dadurch, dass er die Waaren zu ihrem Werth von 115 ver- kauft. Ihm kosten sie nur 100 £. Hat er mit seinem eignen Kapital producirt, so steckt er den Ueberschuss von 15 £ ganz in die Tasche; wenn mit geliehenem, hat er vielleicht 5 £ davon ab- zugeben als Zins. Es ändert dies nichts am Werth der Hüte, sondern nur an der Vertheilung des in diesem Werth schon steckenden Mehrwerths unter verschiedne Personen. Da also der Werth der Hüte durch das Zinszahlen nicht afficirt wird, so ist es Unsinn, wenn Proudhon sagt: „Da sich im Handel der Zins des Kapitals dem Lohn des Arbeiters hinzufügt, um den Preis der Waare zusammenzusetzen, so ist es unmöglich, dass der Arbeiter das Produkt seiner eignen Arbeit zurückkaufen kann. Vivre en travaillant ist ein Princip, das, unter der Herrschaft des Zinses, einen Widerspruch einschliesst.“ (p. 105.)(FN56)
Wie wenig Proudhon die Natur des Kapitals verstanden hat, zeigt folgender Satz, worin er die Bewegung des Kapitals über- haupt als eine dem zinstragenden Kapital eigenthümliche Bewegung beschreibt: „Comme, par l’accumulation des intérêts, le capital- argent, d’échange en échange, revient toujours à sa source, il s’ensuit que la relocation toujours faite par la même main, profite toujours au même personnage.
Was ist es nun, das ihm in der eigenthümlichen Bewegung des zinstragenden Kapitals räthselhaft bleibt? Die Kategorien: Kaufen, Preis, Gegenstände abtreten, und die unvermittelte Form, worin hier der Mehrwerth erscheint; kurz das Phänomen, dass hier Kapital als Kapital zur Waare geworden ist, dass daher das Verkaufen in Leihen, der Preis in einen Antheil am Profit sich verwandelt hat.
Die Rückkehr des Kapitals zu seinem Ausgangspunkt ist über- haupt die charakteristische Bewegung des Kapitals in seinem Ge- sammtkreislauf. Dies zeichnet keineswegs nur das zinstragende Kapital aus. Was es auszeichnet, ist die äusserliche, vom ver-
mittelnden Kreislauf losgetrennte Form der Rückkehr. Der ver- leihende Kapitalist gibt sein Kapital weg, überträgt es an den in- dustriellen Kapitalisten, ohne ein Aequivalent zu erhalten. Sein Weggeben ist überhaupt kein Akt des wirklichen Kreislaufspro- cesses des Kapitals[,] sondern leitet nur diesen, durch den industriellen Kapitalisten zu bewirkenden Kreislauf ein. Dieser erste Stellen- wechsel des Geldes drückt keinen Akt der Metamorphose, weder Kauf noch Verkauf aus. Das Eigenthum wird nicht abgetreten, weil kein Austausch vorgeht, kein Aequivalent empfangen wird. Die Rückkehr des Geldes aus der Hand des industriellen Kapitalisten in die Hand des verleihenden ergänzt bloss den ersten Akt des Weggebens des Kapitals. In Geldform vorgeschossen, kehrt das Kapital durch den Kreislaufsprocess zum industriellen Kapitalisten wieder in Geldform zurück. Aber da das Kapital ihm nicht bei der Ausgabe gehörte, kann es ihm nicht gehören bei der Rück- kehr. Der Durchgang durch den Reproduktionsprocess kann un- möglich dies Kapital in sein Eigenthum verwandeln. Er hat es also zurückzuerstatten an den Verleiher. Die erste Verausgabung, die das Kapital aus der Hand des Verleihers in die des Anleihers überträgt, ist eine juristische Transaktion, die mit dem wirklichen Reproduktionsprocess des Kapitals nichts zu thun hat, sie nur ein- leitet. Die Rückzahlung, die das zurückgeflossne Kapital wieder aus der Hand des Anleihers in die des Verleihers überträgt, ist eine zweite juristische Transaktion, die Ergänzung der ersten; die eine leitet den wirklichen Process ein, die andre ist ein nachträg- licher Akt nach demselben. Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt, Weggabe und Rückerstattung des verliehenen Kapitals erscheinen also als willkürliche, durch juristische Transaktionen vermittelte Bewegungen, die vor und nach der wirklichen Bewegung des Kapitals vorgehn und mit ihr selbst nichts zu thun haben. Für diese wäre es gleichgültig, wenn das Kapital von vornherein dem industriellen Kapitalisten gehörte und als sein Eigenthum daher nur zu ihm zurückflösse.
Im ersten einleitenden Akt gibt der Verleiher sein Kapital an den Anleiher weg. Im zweiten nachträglichen und Schlussakt gibt der Anleiher das Kapital an den Verleiher zurück. Soweit nur die Transaktion zwischen beiden in Betracht kommt — und einst- weilen abgesehn vom Zins — soweit es sich also nur um die Be- wegung des geliehenen Kapitals selbst zwischen Verleiher und An- leiher handelt, umfassen diese beiden Akte (getrennt durch eine längere oder kürzere Zeit, worin die wirkliche Reproduktionsbewegung
des Kapitals fällt) das Ganze dieser Bewegung. Und diese Be- wegung: Weggeben unter der Bedingung der Rückerstattung, ist überhaupt die Bewegung des Verleihens und Anleihens, dieser specifischen Form der nur bedingungsweisen Veräusserung von Geld oder Waare.
Die charakteristische Bewegung des Kapitals überhaupt, die Rück- kehr des Geldes zum Kapitalisten, die Rückkehr des Kapitals zu seinem Ausgangspunkt erhält im zinstragenden Kapital eine ganz äusserliche, von der wirklichen Bewegung, deren Form sie ist, ge- trennte Gestalt. A gibt sein Geld weg, nicht als Geld sondern als Kapital. Es geht hier keine Veränderung mit dem Kapital vor. Es wechselt nur die Hände. Seine wirkliche Verwandlung in Kapital vollzieht sich erst in der Hand von B. Aber für A ist es Kapital geworden durch die blosse Weggabe an B. Der wirk- liche Rückfluss des Kapitals aus dem Produktions- und Cirku- lationsprocess findet nur statt für B. Aber für A findet der Rück- fluss statt in derselben Form wie die Veräusserung. Es geht von der Hand von B wieder in die von A zurück. Weggeben, Ver- leihen von Geld für eine gewisse Zeit, und Rückempfang desselben mit Zins (Mehrwerth) ist die ganze Form der Bewegung, die dem zinstragenden Kapital als solchem zukommt. Die wirkliche Be- wegung des ausgeliehenen Geldes als Kapital ist eine Operation, die jenseits der Transaktionen zwischen Verleihern und Anleihern liegt. In diesen selbst ist diese Vermittlung ausgelöscht, nicht sichtbar, nicht unmittelbar einbegriffen. Als Waare eigner Art besitzt das Kapital auch eine eigenthümliche Art der Veräusserung. Die Rückkehr drückt sich daher hier auch nicht aus als Kon- sequenz und Resultat einer bestimmten Reihe ökonomischer Vor- gänge, sondern als Folge einer speciellen juristischen Abmachung zwischen Käufer und Verkäufer. Die Zeit des Rückflusses hängt ab vom Verlauf des Reproduktionsprocesses; beim zinstragenden Kapital scheint seine Rückkehr als Kapital von der blossen Ueber- einkunft zwischen Verleiher und Anleiher abzuhängen. Sodass der Rückfluss des Kapitals mit Bezug auf diese Transaktion nicht mehr als durch den Produktionsprocess bestimmtes Resultat er- scheint, sondern so, als ob die Form des Geldes dem ausgeliehenen Kapital nie verloren gegangen wäre. Allerdings sind thatsächlich diese Transaktionen durch die wirklichen Rückflüsse bestimmt. Aber dies erscheint nicht in der Trausaktion selbst. Es ist auch in der Praxis keineswegs stets der Fall. Findet der wirkliche Rückfluss nicht rechtzeitig statt, so muss der Anleiher zusehn, aus
welchen sonstigen Hülfsquellen er seinen Verpflichtungen gegen den Verleiher nachkommt. Die blosse Form des Kapitals — Geld, das als Summe A ausgegeben wird, und als Summe A + A zurückkehrt, in einem gewissen Zeitraum, ohne irgend eine andre Vermittlung, ausser diesem zeitlichen Zwischenraum — ist nur die begriffslose Form der wirklichen Kapitalbewegung.
In der wirklichen Bewegung des Kapitals ist die Rückkehr ein Moment des Cirkulationsprocesses. Erst wird das Geld in Produk- tionsmittel verwandelt; der Produktionsprocess verwandelt es in Waare; durch den Verkauf der Waare wird es rückverwandelt in Geld und kehrt in dieser Form zurück in die Hand des Kapita- listen, der das Kapital zuerst in Geldform vorgeschossen hatte. Aber beim zinstragenden Kapital ist Rückkehr wie Weggabe bloss Resultat einer juristischen Transaktion zwischen dem Eigenthümer des Kapitals und einer zweiten Person. Wir sehn nur Weggabe und Rückzahlung. Alles was dazwischen vorgeht, ist ausgelöscht.
Aber weil das Geld, als Kapital vorgeschossen, die Eigenschaft hat zu seinem Vorschiesser, zu dem, der es als Kapital verausgabt, zurückzukehren, weil G—W—G' die immanente Form der Kapital- bewegung ist, grade desshalb kann der Geldbesitzer es als Kapital verleihen, als etwas, das die Eigenschaft besitzt, zu seinem Aus- gangspunkt zurückzukehren, sich in der Bewegung, die es durch- läuft, als Werth zu erhalten und zu vermehren. Er gibt es als Kapital weg, weil, nachdem es als Kapital verwandt, es zurück- fliesst zu seinem Ausgangspunkt, also vom Anleiher nach einer gewissen Zeit zurückerstattet werden kann, eben weil es ihm selbst zurückfliesst.
Die Verleihung von Geld als Kapital — seine Weggabe unter Bedingung der Rückerstattung nach gewisser Zeit — hat also zur Voraussetzung, dass das Geld wirklich als Kapital verwandt wird, wirklich zurückfliesst zu seinem Ausgangspunkt. Die wirkliche Kreislaufsbewegung des Geldes als Kapital ist also Voraussetzung der juristischen Transaktion, wonach der Anleiher das Geld an den Verleiher zurückzugeben hat. Legt der Anleiher das Geld nicht als Kapital aus, so ist das seine Sache. Der Verleiher verleiht es als Kapital, und als solches hat es die Kapitalfunktionen durch- zumachen, welche den Kreislauf des Geldkapitals einschliessen bis zu seinem Rückfluss, in Geldform, zu seinem Ausgangspunkt.
Die Cirkulationsakte G—W und W—G', worin die Werthsumme als Geld oder als Waare fungirt, sind nur vermittelnde Processe,
einzelne Momente ihrer Gesammtbewegung. Als Kapital macht sie die Totalbewegung G—G' durch. Sie wird als Geld oder Werthsumme in irgend einer Form vorgeschossen, und kehrt als Werthsumme zurück. Der Verleiher des Geldes verausgabt es nicht im Kauf von Waare, oder wenn die Werthsumme in Waare existirt, verkauft er sie nicht gegen Geld, sondern schiesst sie vor als Kapital, als G—G', als Werth, der in einem bestimmten Termin wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt. Statt zu kaufen oder zu verkaufen, verleiht er. Dies Verleihen ist also die ent- sprechende Form um es als Kapital zu veräussern, statt als Geld oder Waare. Woraus keineswegs folgt, dass Verleihen nicht auch Form sein kann für Transaktionen, die mit dem kapitalistischen Reproduktionsprocess nichts zu schaffen haben.
Bisher haben wir nur die Bewegung des verliehenen Kapitals zwischen seinem Eigner und dem industriellen Kapitalisten be- trachtet. Jetzt ist der Zins zu untersuchen.
Der Verleiher gibt sein Geld als Kapital aus; die Werthsumme, die er an einen andern veräussert, ist Kapital, und fliesst daher zu ihm zurück. Die blosse Rückkehr zu ihm wäre aber nicht Rückfluss der verliehenen Werthsumme als Kapital, sondern blosse Rückerstattung einer verliehenen Werthsumme. Um als Kapital zurückzufliessen, muss die vorgeschossne Werthsumme sich in der Bewegung nicht nur erhalten, sondern sich verwerthet, ihre Werth- grösse vermehrt haben, also mit einem Mehrwerth, als G + ΔG zurückkehren, und dieses ΔG ist hier der Zins oder der Theil des Durchschnittsprofits, der nicht in der Hand des fungirenden Kapita- listen bleibt, sondern dem Geldkapitalisten zufällt.
Dass es als Kapital von ihm veräussert wird, heisst, dass es ihm als G + ΔG zurückgegeben werden muss. Es ist nachher noch besonders die Form zu betrachten, wo in der Zwischenzeit Zins terminweise zurückfliesst, aber ohne das Kapital, dessen Rückzahlung erst am Ende einer längern Periode erfolgt.
Was gibt der Geldkapitalist dem Anleiher, dem industriellen Kapitalisten? Was veräussert er in der That an ihn? Und nur der Akt der Veräusserung macht das Verleihen des Geldes zur Veräusserung des Geldes als Kapital, d. h. zur Veräusserung des Kapitals als Waare.
Es ist nur durch den Vorgang dieser Veräusserung, dass das Ka- pital vom Geldverleiher als Waare, oder dass die Waare, über die er verfügt, an einen dritten als Kapital weggegeben wird.
Was wird beim gewöhnlichen Verkauf veräussert? Nicht der Werth der verkauften Waare, denn dieser ändert nur die Form. Er existirt als Preis ideell in der Waare, bevor er reell in der Form von Geld in die Hand des Verkäufers übergeht. Derselbe Werth und dieselbe Werthgrösse wechseln hier nur die Form. Das eine Mal existiren sie in Waarenform, das andre Mal in Geld- form. Was wirklich vom Verkäufer veräussert wird, und daher auch in die individuelle oder produktive Konsumtion des Käufers übergeht, ist der Gebrauchswerth der Waare, die Waare als Ge- brauchswerth.
Was ist nun der Gebrauchswerth, den der Geldkapitalist für die Zeit des Ausleihens veräussert und an den produktiven Kapitalisten, den Borger abtritt? Es ist der Gebrauchswerth, den das Geld dadurch erhält, dass es in Kapital verwandelt werden, als Kapital fungiren kann, und dass es daher einen bestimmten Mehrwerth, den Durchschnittsprofit (was darüber oder darunter ist, erscheint hier zufällig) in seiner Bewegung erzeugt, ausserdem dass es seine ursprüngliche Werthgrösse wahrt. Bei den übrigen Waaren wird in der letzten Hand der Gebrauchswerth konsumirt, und damit verschwindet die Substanz der Waare und mit ihr ihr Werth. Die Waare Kapital dagegen hat das Eigenthümliche, dass durch die Konsumtion ihres Gebrauchswerths ihr Werth und ihr Ge- brauchswerth nicht nur erhalten, sondern vermehrt wird.
Diesen Gebrauchswerth des Geldes als Kapital — die Fähigkeit den Durchschnittsprofit zu erzeugen — veräussert der Geldkapitalist an den industriellen Kapitalisten für die Zeit, während deren er diesem die Verfügung über das verliehne Kapital abtritt.
Das so verliehene Geld hat in sofern eine gewisse Analogie mit der Arbeitskraft in ihrer Stellung gegenüber dem industriellen Kapitalisten. Nur zahlt der letztre den Werth der Arbeitskraft, während er den Werth des geliehenen Kapitals einfach zurückzahlt. Der Gebrauchswerth der Arbeitskraft für den industriellen Kapita- listen ist: mehr Werth (den Profit) in ihrem Verbrauch zu er- zeugen als sie selbst besitzt und als sie kostet. Dieser Ueber- schuss von Werth ist ihr Gebrauchswerth für den industriellen Kapitalisten. Und so erscheint ebenfalls der Gebrauchswerth des geliehenen Geldkapitals als seine, Werth setzende und vermehrende Fähigkeit.
Der Geldkapitalist veräussert in der That einen Gebrauchswerth, und dadurch wird das was er weggibt, als Waare weggegeben. Und soweit ist die Analogie mit der Waare als solcher vollständig.
Erstens ist es ein Werth, der aus einer Hand in die andre über- geht. Bei der einfachen Waare, der Waare als solcher bleibt der- selbe Werth in der Hand des Käufers und Verkäufers, nur in verschiedner Form; sie haben beide nach wie vor denselben Werth, den sie veräusserten, der eine in Waarenform, der andre in Geld- form. Der Unterschied ist, dass beim Verleihen der Geldkapitalist der einzige ist, der in dieser Transaktion Werth fortgibt; aber er bewahrt ihn durch die künftige Rückzahlung. Es wird beim Ver- leihen nur von einer Seite Werth empfangen, da nur von einer Seite Werth weggegeben wird. — Zweitens wird auf der einen Seite ein wirklicher Gebrauchswerth veräussert und auf der andren empfangen und verbraucht. Aber im Unterschied zur gewöhnlichen Waare ist dieser Gebrauchswerth selbst Werth, nämlich der Ueber- schuss der Werthgrösse, die durch den Gebrauch des Geldes als Kapital sich ergibt, über seine ursprüngliche Werthgrösse. Der Profit ist dieser Gebrauchswerth.
Der Gebrauchswerth des ausgeliehenen Geldes ist: als Kapital fungiren zu können und als solches unter durchschnittlichen Um- ständen den Durchschnittsprofit zu produciren.(FN57)
Was zahlt nun der industrielle Kapitalist, und was ist daher der Preis des ausgeliehenen Kapitals? That which men pay as interest for the use of what they borrow, ist nach Massie a part of the profit it is capable of producing.(FN58)
Was der Käufer einer gewöhnlichen Waare kauft, ist ihr Ge- brauchswerth; was er zahlt, ist ihr Werth. Was der Borger des Geldes kauft, ist ebenfalls dessen Gebrauchswerth als Kapital; aber was zahlt er? Sicher nicht, wie bei den andren Waaren, ihren Preis oder Werth. Zwischen Verleiher und Borger geht nicht, wie zwischen Käufer und Verkäufer, ein Formwechsel des Werths vor, sodass dieser Werth das eine Mal in der Form des Geldes, das andre Mal in der Form der Waare existirt. Die Dieselbigkeit des weggegebnen und des rückempfangnen Werths zeigt sich hier in ganz andrer Weise. Die Werthsumme, das Geld wird fortgegeben
ohne Aequivalent und wird nach einer gewissen Zeit zurückgegeben. Der Verleiher bleibt immer Eigenthümer desselben Werths, auch nachdem dieser aus seiner Hand in die des Borgers übergegangen ist. Beim einfachen Waarenaustausch steht das Geld stets auf Seiten des Käufers; aber beim Verleihen steht das Geld auf Seiten des Verkäufers. Er ist es, der das Geld für eine gewisse Zeit weg- gibt, und der Käufer des Kapitals ist es, der es als Waare erhält. Dies ist aber nur möglich, soweit das Geld als Kapital fungirt und daher vorgeschossen wird. Der Borger borgt das Geld als Kapital, als sich verwerthenden Werth. Es ist aber nur erst Ka- pital an sich, wie jedes Kapital in seinem Ausgangspunkt, im Augenblick seines Vorschusses. Erst durch seinen Gebrauch ver- werthet es sich, realisirt es sich als Kapital. Aber als reali- sirtes Kapital hat der Borger es zurückzuzahlen, also als Werth plus Mehrwerth (Zins); und der letztre kann nur ein Theil des von ihm realisirten Profits sein. Nur ein Theil, nicht das Ganze. Denn der Gebrauchswerth für den Borger ist, dass es ihm Profit producirt. Sonst hätte keine Veräusserung des Gebrauchswerths von Seiten des Verleihers stattgefunden. Andrerseits kann nicht der ganze Profit dem Borger zufallen. Er zahlte sonst nichts für die Veräusserung des Gebrauchswerths und er gäbe das vorge- schossne Geld an den Verleiher nur als einfaches Geld zurück, nicht als Kapital, als realisirtes Kapital, denn realisirtes Kapital ist es nur als G + ΔG.
Beide geben dieselbe Geldsumme als Kapital aus, der Verleiher und der Borger. Aber nur in der Hand des letzteren fungirt sie als Kapital. Der Profit wird nicht verdoppelt durch das doppelte Dasein derselben Geldsumme als Kapital für zwei Personen. Es kann für Beide als Kapital nur fungiren durch Theilung des Profits. Der dem Verleiher zufallende Theil heisst Zins.
Die ganze Transaktion findet nach der Voraussetzung statt zwischen zwei Sorten Kapitalisten, dem Geldkapitalisten und dem industriellen oder merkantilen Kapitalisten.
Es muss nie vergessen werden, dass hier das Kapital als Kapital Waare ist, oder dass die Waare, um die es sich hier handelt, Kapital ist. Die sämmtlichen Verhältnisse, die hier erscheinen, wären daher irrationell vom Standpunkt der einfachen Waare aus, oder auch vom Standpunkt des Kapitals, soweit es in seinem Re- produktionsprocess als Waarenkapital fungirt. Verleihen und Borgen, statt des Verkaufens und Kaufens, ist hier ein aus der specifischen Natur der Waare — des Kapitals — hervorgehender Unterschied.
Ebenso dass das, was hier gezahlt wird, Zins ist, statt des Preises der Waare. Will man den Zins den Preis des Geldkapitals nennen, so ist dies eine irrationelle Form des Preises, durchaus im Wider- spruch mit dem Begriff des Preises der Waare.(FN59) Der Preis ist hier auf seine rein abstrakte und inhaltslose Form reducirt, dass er eine bestimmte Geldsumme ist, die für irgend etwas, was so oder so als Gebrauchswerth figurirt, gezahlt wird; während seinem Begriff nach der Preis gleich ist dem in Geld ausgedrückten Werth dieses Gebrauchswerths.
Zins als Preis des Kapitals ist von vornherein ein durchaus irrationeller Ausdruck. Hier hat eine Waare einen doppelten Werth, einmal einen Werth, und dann einen von diesem Werth verschiednen Preis, während Preis der Geldausdruck des Werthes ist. Das Geldkapital ist zunächst nichts als eine Geldsumme, oder der Werth einer bestimmten Waarenmasse als Geldsumme fixirt. Wird Waare als Kapital verliehen, so ist sie nur die verkleidete Form einer Geldsumme. Denn was als Kapital verliehen wird, sind nicht so und so viel Pfund Baumwolle, sondern so viel Geld, das in der Form Baumwolle als deren Werth existirt. Der Preis des Kapitals bezieht sich daher auf es als Geldsumme, wenn auch nicht als currency, wie Herr Torrens meint (s. oben Note 59). Wie soll nun eine Werthsumme einen Preis haben ausser ihrem eignen Preis, ausser dem Preis, der in ihrer eignen Geldform ausgedrückt ist? Preis ist ja der Werth der Waare (und dies ist auch der Fall beim Markt- preis, dessen Unterschied vom Werth nicht qualitativ, sondern nur quantitativ ist, sich nur auf die Werthgrösse bezieht) im Unter- schied von ihrem Gebrauchswerth. Preis, der qualitativ verschieden vom Werth, ist ein absurder Widerspruch.(FN60)
Das Kapital manifestirt sich als Kapital durch seine Ver- werthung; der Grad seiner Verwerthung drückt den quantitativen
Grad aus, worin es sich als Kapital realisirt. Der von ihm er- zeugte Mehrwerth oder Profit — seine Rate oder Höhe — ist nur messbar durch seine Vergleichung mit dem Werth des vorge- schossnen Kapitals. Die grössre oder geringre Verwerthung des zinstragenden Kapitals ist daher auch nur messbar durch Ver- gleichung des Zinsbetrags, des ihm zufallenden Theils des Ge- sammtprofits, mit dem Werth des vorgeschossnen Kapitals. Wenn daher der Preis den Werth der Waare, so drückt der Zins die Verwerthung des Geldkapitals aus und erscheint daher als der Preis, der dem Verleiher für dasselbe gezahlt wird. Es ergibt sich hieraus, wie abgeschmackt es von vornherein ist, die einfachen Verhältnisse des durch Geld vermittelten Austausches von Kauf und Verkauf hierauf direkt anwenden zu wollen, wie Proudhon thut. Die Grundvoraussetzung ist eben, dass Geld als Kapital fungirt und daher als Kapital an sich, als potentielles Kapital einer dritten Person übermacht werden kann.
Als Waare aber erscheint das Kapital selbst hier, soweit es auf dem Markt ausgeboten und wirklich der Gebrauchswerth des Geldes als Kapital veräussert wird. Sein Gebrauchswerth aber ist: Profit zu erzeugen. Der Werth des Geldes oder der Waaren als Kapital ist nicht bestimmt durch ihren Werth als Geld oder Waaren, sondern durch das Quantum Mehrwerth, das sie für ihren Besitzer produciren. Das Produkt des Kapitals ist der Profit. Auf Grund- lage der kapitalistischen Produktion ist es nur verschiedne An- wendung des Geldes, ob es als Geld verausgabt oder als Kapital vorgeschossen wird. Geld, resp. Waare, ist an sich, potentiell Ka- pital, ganz wie die Arbeitskraft potentiell Kapital ist. Denn 1) kann das Geld in die Produktionselemente verwandelt werden und ist, wie es ist, bloss abstrakter Ausdruck derselben, ihr Dasein als Werth; 2) besitzen die stofflichen Elemente des Reichthums die Eigenschaft, potentiell schon Kapital zu sein, weil ihr sie er- gänzender Gegensatz, das was sie zu Kapital macht — die Lohn- arbeit — auf Basis der kapitalistischen Produktion vorhanden ist.
Die gegensätzliche gesellschaftliche Bestimmtheit des stofflichen Reichthums — sein Gegensatz zur Arbeit als Lohnarbeit — ist, getrennt vom Produktionsprocess, schon im Kapitaleigenthum als solchem ausgedrückt. Dies eine Moment nun, getrennt vom kapi- talistischen Produktionsprocess selbst, dessen stetes Resultat es ist, und als dessen stetes Resultat es seine stete Voraussetzung ist, drückt sich darin aus, dass Geld, und ebenso Waare, an sich, latent, potentiell, Kapital sind, dass sie als Kapital verkauft werden können,
und dass sie in dieser Form Kommando über fremde Arbeit sind, Anspruch auf Aneignung fremder Arbeit geben, daher sich ver- werthender Werth sind. Es tritt hier auch klar hervor, dass dies Verhältniss der Titel und das Mittel zur Aneignung fremder Arbeit ist, und nicht irgend eine Arbeit als Gegenwerth von Seite des Kapitalisten.
Als Waare erscheint das Kapital ferner, soweit die Theilung des Profits in Zins und eigentlichen Profit durch Nachfrage und Ange- bot, also durch die Konkurrenz regulirt wird, ganz wie die Markt- preise der Waaren. Der Unterschied tritt hier aber ebenso schlagend hervor wie die Analogie. Decken sich Nachfrage und Angebot, so entspricht der Marktpreis der Waare ihrem Produktionspreis; d. h. ihr Preis erscheint dann geregelt durch die innern Gesetze der kapitalistischen Produktion, unabhängig von der Konkurrenz, da die Schwankungen von Nachfrage und Angebot nichts erklären als die Abweichungen der Marktpreise von den Produktionspreisen — Abweichungen, die sich wechselseitig ausgleichen, sodass in ge- wissen längern Perioden die Durchschnittsmarktpreise gleich den Produktionspreisen sind. Sobald sie sich decken, hören diese Kräfte auf zu wirken, heben einander auf, und das allgemeine Gesetz der Preisbestimmung tritt dann auch als Gesetz des ein- zelnen Falls hervor; der Marktpreis entspricht dann schon in seinem unmittelbaren Dasein, und nicht nur als Durchschnitt der Bewe- gung der Marktpreise, dem Produktionspreis, der durch die imma- nenten Gesetze der Produktionsweise selbst geregelt ist. Ebenso beim Arbeitslohn. Decken sich Nachfrage und Angebot, so hebt sich ihre Wirkung auf, und der Arbeitslohn ist gleich dem Werth der Arbeitskraft. Anders aber mit dem Zins vom Geldkapital. Die Konkurrenz bestimmt hier nicht die Abweichungen vom Gesetz, sondern es existirt kein Gesetz der Theilung, ausser dem von der Konkurrenz diktirten, weil, wie wir noch weiter sehn werden, keine „natürliche“ Rate des Zinsfusses existirt. Unter der natürlichen Rate des Zinsfusses versteht man vielmehr die durch die freie Kon- kurrenz festgesetzte Rate. Es gibt keine „natürlichen“ Grenzen der Rate des Zinsfusses. Wo die Konkurrenz nicht nur die Ab- weichungen und Schwankungen bestimmt, wo also beim Gleich- gewicht ihrer gegeneinander wirkenden Kräfte überhaupt alle Be- stimmung aufhört, ist das zu Bestimmende etwas an und für sich Gesetzloses und Willkürliches. Weiteres hierüber im nächsten Kapitel.
Beim zinstragenden Kapital erscheint alles äusserlich: der Vor-
schuss des Kapitals als blosse Uebertragung desselben vom Ver- leiher an den Borger; der Rückfluss des realisirten Kapitals als blosse Rückübertragung, Rückzahlung, mit Zins, vom Borger an den Verleiher. So auch die der kapitalistischen Produktionsweise immanente Bestimmung, dass die Profitrate bestimmt ist, nicht nur durch das Verhältniss des, in einem einzelnen Umschlag ge- machten, Profits zum vorgeschossnen Kapitalwerth, sondern auch durch die Länge dieser Umschlagszeit selbst, also als Profit, den das industrielle Kapital in bestimmten Zeiträumen abwirft. Auch dies erscheint beim zinstragenden Kapital ganz äusserlich so, dass für bestimmte Zeitfrist dem Verleiher bestimmter Zins gezahlt wird.
Mit seiner gewöhnlichen Einsicht in den innern Zusammenhang der Dinge sagt der romantische Adam Müller (Elemente der Staats- kunst. Berlin 1809, p. 37): „Bei der Bestimmung des Preises der Dinge wird nicht nach der Zeit gefragt; für die Bestimmung des Zinses kommt die Zeit hauptsächlich in Anschlag.“ Er sieht nicht, wie die Produktionszeit und die Umlaufszeit in die Bestimmung des Preises der Waaren eingeht, und wie gerade dadurch die Profitrate für eine gegebne Umschlagszeit des Kapitals bestimmt ist, durch die Bestimmung des Profits für eine gegebne Zeit aber eben die des Zinses. Sein Tiefsinn besteht hier wie immer nur darin, die Staubwolken der Oberfläche zu sehn und dies Staubige anmaßlich als etwas Geheimnissvolles und Bedeutendes auszu- sprechen.
Der Gegenstand dieses Kapitels, sowie überhaupt alle später zu behandelnden Erscheinungen des Kredits, können hier nicht im Ein- zelnen untersucht werden. Die Konkurrenz zwischen Verleihern und Borgern und die daher resultirenden kürzern Schwankungen des Geldmarkts fallen ausserhalb des Bereichs unsrer Betrachtung. Der Kreislauf, den die Zinsrate während des industriellen Cyklus durchläuft, unterstellt zu seiner Darstellung die Darstellung dieses Cyklus selbst, die ebenfalls hier nicht gegeben werden kann. Dasselbe gilt für die grössere oder geringere, annähernde Aus- gleichung des Zinsfusses auf dem Weltmarkt. Wir haben es hier nur damit zu thun, die selbständige Gestalt des zinstragenden Ka-
pitals und die Verselbständigung des Zinses gegen den Profit zu entwickeln.
Da der Zins bloss ein Theil des Profits ist, der nach unsrer bisherigen Voraussetzung vom industriellen Kapitalisten an den Geldkapitalisten zu zahlen ist, so erscheint als Maximalgrenze des Zinses der Profit selbst, wo der Theil, der dem fungirenden Kapi- talisten zufiele, = 0 wäre. Abgesehn von einzelnen Fällen, wo der Zins thatsächlich grösser als der Profit sein, dann aber auch nicht aus dem Profit gezahlt werden kann, könnte man vielleicht als Maximalgrenze des Zinses betrachten den ganzen Profit minus dem später unten zu entwickelnden Theil desselben, der in Auf- sichtslohn (wages of superintendence) auflösbar. Die Minimal- grenze des Zinses ist ganz und gar unbestimmbar. Er kann zu jeder beliebigen Tiefe fallen. Indessen treten dann immer wieder gegenwirkende Umstände ein, und heben ihn über dies relative Minimum.
„Das Verhältniss zwischen der Summe, bezahlt für den Gebrauch eines Kapitals, und diesem Kapital selbst drückt die Rate des Zins- fusses aus, gemessen in Geld.“ — „Die Zinsrate hängt ab 1) von der Profitrate; 2) von dem Verhältniss worin der Gesammtprofit getheilt wird zwischen Verleiher und Borger.“ (Economist, 22. Januar 1853.) „Da das, was man als Zins bezahlt, für den Gebrauch dessen, was man borgt, ein Theil des Profits ist, den das Geborgte zu produciren fähig ist, so muss dieser Zins stets regulirt sein durch jenen Profit.“ (Massie, l, c., p 49.)
Wir wollen zuerst annehmen, es existire ein fixes Verhältniss zwischen dem Gesammtprofit und dem Theil desselben, der als Zins an den Geldkapitalisten wegzuzahlen ist. Dann ist es klar, dass der Zins steigen oder fallen wird wie der Gesammtprofit, und dieser ist bestimmt durch die allgemeine Profitrate und ihre Schwankungen. Wäre z. B. die Durchschnittsprofitrate = 20 % und der Zins = ¼ des Profits, so der Zinsfuss = 5 %; wenn jene = 16 %, so der Zins = 4 %. Bei einer Profitrate von 20 % könnte der Zins auf 8 % steigen, und der industrielle Kapitalist würde immer noch denselben Profit machen wie bei einer Profit- rate = 16 % und Zinsfuss = 4 %, nämlich 12 %. Stiege der Zins nur auf 6 oder 7 %, so würde er immer noch einen grössern Theil des Profits behalten. Wäre der Zins gleich einem kon- stanten Quotum des Durchschnittsprofits, so folgte, dass je höher die allgemeine Profitrate, um so grösser die absolute Differenz zwischen dem Gesammtprofit und dem Zins, um so grösser also
der Theil des Gesammtprofits, der dem fungirenden Kapitalisten zufallt, und umgekehrt. Gesetzt der Zins sei = ⅕ des Durch- schnittsprofits. ⅕ von 10 ist 2; Differenz zwischen dem Gesammt- profit und dem Zins = 8. ⅕ von 20 ist = 4; Differenz = 20—4 = 16; ⅕ von 25 = 5; Differenz = 25—5 = 20; ⅕ von 30 = 6; Dif- ferenz = 30—6 = 24; ⅕ von 35 = 7; Differenz = 35—7 = 28. Die verschiednen Zinsraten von 4, 5, 6, 7 % würden hier immer nur ⅕ oder 20 % vom Gesammtprofit ausdrücken. Sind also die Profitraten verschieden, so können verschiedne Zinsraten dieselben aliquoten Theile des Gesammtprofits, oder denselben Procentantheil am Gesammtprofit ausdrücken. Bei solch konstantem Verhältniss des Zinses wäre der industrielle Profit (die Differenz zwischen dem Gesammtprofit und dem Zins) um so grösser, je höher die allge- meine Profitrate, und umgekehrt.
Alle andern Umstände gleichgesetzt, d. h. das Verhältniss zwischen Zins und Gesammtprofit als mehr oder weniger konstant ange- nommen, wird der fungirende Kapitalist fähig und willig sein höhern oder niedern Zins zu zahlen im direkten Verhältniss zur Höhe der Profitrate.(FN61) Da man gesehn, dass die Höhe der Profit- rate im umgekehrten Verhältniss steht zur Entwicklung der kapi- talistischen Produktion, so folgt daher, dass der höhere oder niedre Zinsfuss in einem Lande in demselben umgekehrten Ver- hältniss zur Höhe der industriellen Entwicklung steht, soweit näm- lich die Verschiedenheit des Zinsfusses wirklich Verschiedenheit der Profitraten ausdrückt. Man wird später sehn, dass dies keineswegs stets der Fall zu sein braucht. In diesem Sinn kann man sagen, dass der Zins regulirt wird durch den Profit, näher durch die all- gemeine Profitrate. Und diese Art seiner Regulirung gilt selbst für seinen Durchschnitt.
Jedenfalls ist die Durchschnittsrate des Profits als die endgültig bestimmende Maximalgrenze des Zinses zu betrachten.
Den Umstand, dass der Zins auf den Durchschnittsprofit zu be- ziehn, werden wir gleich näher betrachten. Wo ein gegebnes Ganze, wie der Profit zwischen zweien zu theilen ist, kommt es natürlich zunächst auf die Grösse des zu theilenden Ganzen an, und diese, die Grösse des Profits, ist bestimmt durch seine Durch- schnittsrate. Die allgemeine Profitrate, also die Grösse des Profits für ein Kapital von gegebner Grösse, sage = 100, als gegeben
vorausgesetzt, stehn die Variationen des Zinses offenbar im um- gekehrten Verhältniss zu denen des Profittheils, der dem fungi- renden, aber mit geborgtem Kapital arbeitenden Kapitalisten bleibt. Und die Umstände, welche die Grösse des zu vertheilenden Profits, des Werthprodukts unbezahlter Arbeit, bestimmen, sind sehr ver- schieden von denen, die seine Vertheilung unter diese beide Sorten Kapitalisten bestimmen und wirken oft nach ganz entgegengesetzten Seiten.(FN62)
Wenn man die Umschlagscyklen betrachtet, worin sich die moderne Industrie bewegt — Zustand der Ruhe, wachsende Be- lebung, Prosperität, Ueberproduktion, Krach, Stagnation, Zustand der Ruhe etc., Cyklen, deren weitere Analyse ausserhalb unserer Betrachtung fällt — so wird man finden, dass meist niedriger Stand des Zinses den Perioden der Prosperität oder des Extra- profits entspricht, Steigen des Zinses der Scheide zwischen der Prosperität und ihrem Umschlag, Maximum des Zinses bis zur äussersten Wucherhöhe aber der Krisis.(FN63) Vom Sommer 1843 an trat entschiedne Prosperität ein; der Zinsfuss, im Frühling 1842 noch 4½ %, fiel im Frühling und Sommer 1843 auf 2 %;(FN64) im September selbst auf 1½ % (Gilbart, l., p. 166); dann während der Krise 1847 stieg er auf 8 % und mehr.
Allerdings kann andrerseits niedriger Zins mit Stockung, und mäßig steigender Zins mit wachsender Belebung zusammengehn.
Der Zinsfuss erreicht seine äusserste Höhe während der Krisen, wo geborgt werden muss, um zu zahlen, was es auch koste. Es ist dies zugleich, da dem Steigen des Zinses ein Fallen im Preise der Werthpapiere entspricht, eine sehr artige Gelegenheit für Leute mit disponiblem Geldkapital, um sich zu Spottpreisen solcher zins- tragenden Papiere zu bemächtigen, die, im regelmäßigen Verlauf
der Dinge, mindestens ihren Durchschnittspreis wieder erreichen müssen, sobald der Zinsfuss wieder fällt.(FN65)
Es existirt aber auch eine Tendenz zum Fallen des Zinsfusses, ganz unabhängig von den Schwankungen der Profitrate. Und zwar aus zwei Hauptursachen:
I. „Unterstellen wir selbst, Kapital würde nie anders aufge- nommen als für produktive Anlagen, so ist es dennoch möglich, dass der Zinsfuss wechselt ohne irgend welchen Wechsel in der Rate des Bruttoprofits. Denn, wie ein Volk fortschreitet in der Entwicklung des Reichthums, entsteht und wächst immer mehr eine Klasse von Leuten, die durch die Arbeiten ihrer Vorfahren sich im Besitz von Fonds befinden, von deren blossem Zins sie leben können. Viele, auch die in der Jugend und Mannheit aktiv im Geschäft betheiligt, ziehn sich zurück, um im Alter ruhig vom Zins der akkumulirten Summen zu leben. Diese beiden Klassen haben eine Tendenz, mit dem wachsenden Reichthum des Landes sich zu vermehren; denn die, die schon mit einem mittelmäßigen Kapital anfangen, bringen es leichter zu einem unabhängigen Ver- mögen, als die mit wenigem anfangen. In alten und reichen Ländern macht daher der Theil des Nationalkapitals, dessen Eigen- thümer ihn nicht selbst anwenden wollen, ein grösseres Verhältniss aus zum gesammten produktiven Kapital der Gesellschaft als in neu angebauten und armen Ländern. Wie zahlreich ist nicht die Klasse der Rentiers in England! Im Verhältniss wie die Klasse der Rentiers wächst, wächst auch die der Kapitalverleiher, denn sie sind beides dieselben.“ (Ramsay, Essay on the Distribution of Wealth, p. 201.)
II. Die Entwicklung des Kreditsystems und die damit beständig wachsende, durch die Bankiers vermittelte, Verfügung der Indu- striellen und Kaufleute über alle Geldersparnisse aller Klassen der Gesellschaft, und die fortschreitende Koncentration dieser Erspar- nisse zu den Massen, worin sie als Geldkapital wirken können, muss ebenfalls auf den Zinsfuss drücken. Mehr hierüber später.
Mit Bezug auf Bestimmung der Zinsrate sagt Ramsay, dass sie „abhängt zum Theil von der Rate des Bruttoprofits, zum Theil von der Proportion, worin dieser getheilt wird in Zins und Unter-
nehmergewinn (profits of enterprise). Diese Proportion hängt ab von der Konkurrenz zwischen Verleihern und Borgern von Kapital; diese Konkurrenz wird beeinflusst, aber nicht ausschliesslich regu- lirt durch die voraussichtliche Rate des Bruttoprofits.(FN66) Die Kon- kurrenz wird nicht ausschliesslich hierdurch regulirt, weil auf der einen Seite viele borgen, ohne irgend welche Absicht produktiver Anlage, und weil andrerseits die Grösse des gesammten leih- baren Kapitals wechselt mit dem Reichthum des Landes, unab- hängig von irgend welchem Wechsel im Bruttoprofit.“ (Ramsay, l. c., p. 206, 207.)
Um die Durchschnittsrate des Zinses zu finden, ist 1) der Durch- schnitt des Zinsfusses während seiner Variationen in den grossen industriellen Cyklen zu berechnen; 2) der Zinsfuss in solchen An- lagen, wo Kapital für längere Zeit ausgeliehen wird.
Die in einem Lande herrschende Durchschnittsrate des Zinses — im Unterschied von den beständig schwankenden Marktraten — ist durchaus durch kein Gesetz bestimmbar. Es gibt in dieser Art keine natürliche Rate des Zinses, in dem Sinn, wie die Oekonomen von einer natürlichen Profitrate und einer natürlichen Rate des Arbeitslohns sprechen. Schon Massie bemerkt hier mit vollem Recht (p. 49): „The only thing which any man can be in doubt about on this occasion, is, what proportion of these profits do of right belong to the borrower, and what to the lender; and this there is no other method of determining than by the opinions of borrowers and lenders in general; for right and wrong, in this respect, are only what common consent makes so.“ Das Decken der Nachfrage und Zufuhr — die Durchschnittsprofitrate als ge- geben vorausgesetzt — heisst hier durchaus nichts. Wo sonst zu dieser Formel Zuflucht genommen wird (und dies ist dann auch praktisch richtig) dient sie als eine Formel, um die von der Kon- kurrenz unabhängige und vielmehr sie bestimmende Grundregel (die regulirenden Grenzen oder die begrenzenden Grössen) zu finden; namentlich als eine Formel für die, in der Praxis der Kon- kurrenz, in ihren Erscheinungen, und den daraus sich entwickelnden Vorstellungen Befangnen, um zu einer, wenn auch selbst wieder oberflächlichen Vorstellung eines innerhalb der Konkurrenz sich darstellenden innern Zusammenhangs der ökonomischen Verhält-
nisse zu gelangen. Es ist eine Methode, um von den die Kon- kurrenz begleitenden Variationen zu den Grenzen dieser Variationen zu kommen. Dies ist nicht der Fall bei dem Durchschnittszins- fuss. Es ist durchaus kein Grund vorhanden, warum die mittleren Konkurrenzverhältnisse, das Gleichgewicht zwischen Ausleiher und Anleiher, dem Ausleiher einen Zinsfuss von 3, 4, 5 % etc. auf sein Kapital, oder aber einen bestimmten Procentantheil, 20 % oder 50 % vom Bruttoprofit, geben sollten. Wo hier die Konkurrenz als solche entscheidet, ist die Bestimmung an und für sich zu- fällig, rein empirisch, und nur Pedanterie oder Phantasterei kann diese Zufälligkeit als etwas Nothwendiges entwickeln wollen.(FN67) Nichts ist amüsanter in den Parlamentsberichten von 1857 und 1858 über die Bankgesetzgebung und die Handelskrise, als Direk- toren der Bank von England, Londoner Bankiers, Provinzial- Bankiers und professionelle Theoretiker hin- und herschwatzen zu hören über die „real rate produced“, ohne dass sie es je weiter brächten als zu Gemeinplätzen, wie z. B. dass „der Preis der von verleihbarem Kapital bezahlt wird, mit dem Angebot dieses Ka- pitals wechseln dürfte,“ dass „hohe Zinsrate und niedrige Profit- rate auf die Dauer nicht neben einander bestehn können“ und andre solche Plattheiten.(FN68) Gewohnheit, gesetzliche Tradition etc. haben ebenso sehr, wie die Konkurrenz selbst, zu thun mit der
Bestimmung des mittlern Zinsfusses, soweit dieser nicht nur als Durchschnittszahl, sondern als faktische Grösse existirt. Ein mitt- lerer Zinsfuss muss schon in vielen Rechtsstreitigkeiten, wo Zinsen zu berechnen, als legal angenommen werden. Fragt man nun weiter, warum die Grenzen des mittlern Zinsfusses nicht aus all- gemeinen Gesetzen abzuleiten sind, so liegt die Antwort einfach in der Natur des Zinses. Er ist bloss ein Theil des Durchschnitts- profits. Dasselbe Kapital erscheint in doppelter Bestimmung, als leihbares Kapital in der Hand des Verleihers, als industrielles oder kommercielles Kapital in den Händen des fungirenden Kapitalisten. Aber es fungirt nur einmal und producirt selbst den Profit nur einmal. Im Produktionsprocess selbst spielt der Charakter des Kapitals als verleihbares keine Rolle. Wie sich die beiden Per- sonen darin theilen, die Ansprüche auf diesen Profit haben, ist an und für sich eine ebenso rein empirische, dem Reich des Zu- fälligen angehörige Thatsache wie die Theilung der Procentantheile des gemeinschaftlichen Profits eines Kompagniegeschäfts unter die verschiednen Theilhaber. Bei der Theilung zwischen Mehrwerth und Arbeitslohn, worauf die Bestimmung der Profitrate wesentlich beruht, wirken zwei ganz verschiedne Elemente, Arbeitskraft und Kapital, bestimmend ein; es sind Funktionen zweier unabhängigen Variablen, die sich gegenseitig Grenzen setzen; und aus ihrem qualitativen Unterschied geht die quantitative Theilung des producirten Werths hervor. Man wird später sehn, dass das- selbe stattfindet bei der Theilung des Mehrwerths zwischen Rente und Profit. Bei dem Zins findet nichts derartiges statt. Hier geht die qualitative Unterscheidung, wie wir gleich sehn werden, umgekehrt aus der rein quantitativen Theilung des- selben Stücks des Mehrwerths hervor.
Aus dem bisher Entwickelten ergibt sich, dass es keine „natür- liche“ Zinsrate giebt. Wenn aber auf der einen Seite im Gegen- satz zur allgemeinen Profitrate der mittlere Zinsfuss oder die Durchschnittsrate des Zinses, im Unterschied von den beständig schwankenden Marktraten des Zinses, in seinen Grenzen durch kein allgemeines Gesetz feststellbar ist, weil es sich nur um Theilung des Bruttoprofits zwischen zwei Besitzern des Kapitals, unter ver- schiednen Titeln, handelt, erscheint umgekehrt der Zinsfuss, sei es der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, ganz anders als eine gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Grösse als dies bei der allgemeinen Profitrate der Fall ist.(FN69)
Der Zinsfuss verhält sich zur Profitrate ähnlich wie der Markt- preis der Waare zu ihrem Werth. Soweit der Zinsfuss durch die Profitrate bestimmt ist, ist es stets durch die allgemeine Profit- rate, nicht durch die specifischen Profitraten, die in besondern Industriezweigen herrschen mögen, und noch weniger durch den Extraprofit, den der einzelne Kapitalist in einer besondren Ge- schäftssphäre machen mag.(FN70) Die allgemeine Profitrate erscheint daher in der That als empirisches, gegebnes Faktum wieder in der Durchschnittszinsrate, obgleich die letztre kein reiner oder zu- verlässiger Ausdruck der erstern.
Es ist zwar richtig, dass die Zinsrate selbst, je nach den Klassen der von den Borgern gegebnen Sicherheiten und nach der Zeit- dauer der Anleihe beständig verschieden ist; aber für jede dieser Klassen ist sie in einem gegebnen Moment uniform. Dieser Unterschied beeinträchtigt also nicht die fixe und uniforme Ge- stalt des Zinsfusses.(FN71)
Der mittlere Zinsfuss erscheint in jedem Lande für längre Epochen als konstante Grösse, weil die allgemeine Profitrate — trotz des beständigen Wechsels der besondren Profitraten, wo aber der Wechsel in einer Sphäre durch entgegengesetzten in der andern sich ausgleicht — nur in längern Epochen wechselt. Und ihre relative Konstanz erscheint eben in diesem mehr oder minder kon- stanten Charakter des mittlern Zinsfusses (average rate or common rate of interest).
Was aber die beständig fluktuirende Marktrate des Zinses be- trifft, so ist sie in jedem Moment als fixe Grösse gegeben, wie der Marktpreis der Waaren, weil auf dem Geldmarkt beständig alles leihbare Kapital als Gesammtmasse dem fungirenden Kapital gegen- übersteht, also das Verhältniss des Angebots von leihbarem Ka- pital auf der einen Seite, die Nachfrage darnach auf der andern den jedesmaligen Marktstand des Zinses entscheidet. Dies ist um- somehr der Fall, je mehr die Entwicklung und damit verbundne Koncentration des Kreditwesens dem leihbaren Kapital einen all- gemein gesellschaftlichen Charakter gibt und es auf einmal, gleich- zeitig, auf den Geldmarkt wirft. Dagegen existirt die allgemeine Profitrate beständig nur als Tendenz, als Bewegung der Aus- gleichung der besondren Profitraten. Die Konkurrenz der Kapi- talisten — die selbst diese Bewegung der Ausgleichung ist — besteht hier darin, dass sie den Sphären, wo der Profit auf längre Zeit unter dem Durchschnitt, allmälig Kapital entziehn und den Sphären, wo er darüber, ebenso allmälig Kapital zuführen; oder auch, dass sich Zusatzkapital nach und nach in verschiednen Pro- portionen zwischen diese Sphären vertheilt. Es ist beständige Variation der Zufuhr und der Entziehung von Kapital, diesen ver- schiednen Sphären gegenüber, nie gleichzeitige Massenwirkung wie bei der Bestimmung des Zinsfusses.
Man hat gesehn, dass, obgleich eine von der Waare absolut verschiedne Kategorie, das zinstragende Kapital, zur Waare sui generis, und desshalb der Zins sein Preis wird, der, wie bei der gewöhnlichen Waare ihr Marktpreis, jedesmal durch Nachfrage und Angebot fixirt wird. Die Marktrate des Zinses, obgleich beständig schwankend, erscheint daher in jedem gegebnen Moment ebenso beständig fixirt und uniform, wie der jedesmalige Marktpreis der Waare. Die Geldkapitalisten führen diese Waare zu, und die
fungirenden Kapitalisten kaufen sie, bilden die Nachfrage dafür. Dies findet bei der Ausgleichung zur allgemeinen Profitrate nicht statt. Stehn die Preise der Waaren in einer Sphäre unter oder über dem Produktionspreis (wobei von den, jedem Geschäft eignen und mit den verschiednen Phasen des industriellen Cyklus zu- sammenhängenden Schwankungen abgesehn wird), so findet Aus- gleichung statt durch Erweiterung oder Einengung der Produktion, d. h. Ausdehnung oder Verkürzung der von den industriellen Kapi- talen auf den Markt geworfenen Waarenmassen, vermittelt durch Ein- oder Auswanderung von Kapital mit Bezug auf die besondren Produktionssphären. Durch die so herbeigeführte Ausgleichung der durchschnittlichen Marktpreise der Waaren zu Produktions- preisen ist es, dass die Abweichungen der besondren Profitraten von der allgemeinen oder Durchschnittsprofitrate korrigirt werden. Dieser Process erscheint nie so und kann nie so erscheinen, dass das industrielle oder merkantile Kapital als solches Waare gegen- über einem Käufer ist, wie das zinstragende Kapital. Soweit er erscheint, erscheint er nur in den Schwankungen und Aus- gleichungen der Marktpreise der Waaren zu Produktionspreisen; nicht als direkte Festsetzung des Durchschnittsprofits. Die allge- meine Profitrate ist in der That bestimmt 1) durch den Mehr- werth, den das Gesammtkapital producirt, 2) durch das Verhältniss dieses Mehrwerths zum Werth des Gesammtkapitals, und 3) durch die Konkurrenz, aber nur soweit, als diese die Bewegung ist, wo- durch die in besondren Produktionssphären angelegten Kapitale gleiche Dividenden aus diesem Mehrwerth, im Verhältniss zu ihren relativen Grössen zu ziehn suchen. Die allgemeine Profitrate schöpft also in der That ihre Bestimmung aus ganz andren und viel komplicirteren Gründen, als die durch das Verhältniss von Nachfrage und Angebot direkt und unmittelbar bestimmte Markt- rate des Zinses, und ist daher ein handgreifliches und gegebnes Faktum in der Art, wie es der Zinsfuss ist. Die besondren Profit- raten in den verschiednen Produktionssphären sind selbst mehr oder minder unsicher; aber soweit sie erscheinen, ist es nicht ihre Uniformität, sondern ihre Verschiedenheit, die erscheint. Die all- gemeine Profitrate selbst aber erscheint nur als Minimalgrenze des Profits, nicht als empirische, direkt sichtbare Gestalt der wirk- lichen Profitrate.
Indem wir diesen Unterschied zwischen der Zinsrate und der Profitrate hervorheben, sehn wir selbst ab von folgenden beiden, die Konsolidation des Zinsfusses begünstigenden Umständen: 1) der
historischen Präexistenz des zinstragenden Kapitals und der Existenz eines traditionell überlieferten allgemeinen Zinsfusses; 2) dem viel grössern unmittelbaren Einfluss, den der Weltmarkt, unabhängig von den Produktionsbedingungen eines Landes, auf die Feststellung des Zinsfusses ausübt, verglichen mit seinem Einfluss auf die Profitrate.
Der Durchschnittsprofit erscheint nicht als unmittelbar gegebne Thatsache, sondern als erst durch die Untersuchung festzustellendes Endresultat der Ausgleichung entgegengesetzter Schwankungen. Anders mit dem Zinsfuss. Er ist in seiner, wenigstens lokalen, Allgemeingültigkeit ein täglich fixirtes Faktum, ein Faktum, das dem industriellen und merkantilen Kapital sogar als Voraussetzung und Posten in der Kalkulation bei seinen Operationen dient. Es wird ein allgemeines Vermögen jeder Geldsumme von 100 £, 2, 3, 4, 5 % abzuwerfen. Metereologische Berichte zeichnen nicht genauer den Stand von Barometer und Thermometer auf, als Börsenberichte den Stand des Zinsfusses, nicht für dieses oder jenes Kapital, sondern für das auf dem Geldmarkt befindliche, d. h über- haupt verleihbare Kapital.
Auf dem Geldmarkt stehn sich nur Verleiher und Borger gegen- über. Die Waare hat dieselbe Form, Geld. Alle besondren Ge- stalten des Kapitals, je nach seiner Anlage in besondren Produktions- oder Cirkulationssphären, sind hier ausgelöscht. Es existirt hier in der unterschiedslosen, sich selbst gleichen Gestalt des selbstän- digen Werths, des Geldes. Die Konkurrenz der besondren Sphären hört hier auf; sie sind alle zusammengeworfen als Geldborger, und das Kapital steht allen auch gegenüber in der Form, worin es noch gleichgültig gegen die bestimmte Art und Weise seiner An- wendung ist. Als was das industrielle Kapital nur in der Bewe- gung und Konkurrenz zwischen den besondren Sphären erscheint, als an sich gemeinsames Kapital der Klasse, tritt es hier wirklich, der Wucht nach, in der Nachfrage und Angebot von Kapital auf. Andrerseits besitzt das Geldkapital auf dem Geld- markt wirklich die Gestalt, worin es als gemeinsames Element, gleichgültig gegen seine besondre Anwendung, sich unter die ver- schiednen Sphären, unter die Kapitalistenklasse vertheilt, je nach den Produktionsbedürfnissen jeder besondren Sphäre. Es kommt hinzu, dass mit Entwicklung der grossen Industrie das Geldkapital mehr und mehr, soweit es auf dem Markt erscheint, nicht vom ein- zelnen Kapitalisten vertreten wird, dem Eigenthümer dieses oder jenes Bruchtheils des auf dem Markt befindlichen Kapitals, sondern
als konzentrirte, organisirte Masse auftritt, die ganz anders als die reelle Produktion, unter die Kontrolle der das gesellschaftliche Kapital vertretenden Bankiers gestellt ist. Sodass sowohl, was die Form der Nachfrage angeht, dem verleihbaren Kapital die Wucht einer Klasse gegenübertritt; wie, was das Angebot angeht, es selbst als Leihkapital en masse auftritt.
Dies sind einige der Gründe, warum die allgemeine Profitrate als ein verschwimmendes Nebelbild erscheint neben dem bestimmten Zinsfuss, der zwar seiner Grösse nach schwankt, aber dadurch, dass er gleichmäßig für alle Borger schwankt, ihnen stets als fixer, gegebner gegenübertritt. Ganz wie die Werthwechsel des Geldes es nicht hindern, allen Waaren gegenüber gleichen Werth zu haben. Ganz wie die Marktpreise der Waaren täglich schwanken, was sie nicht hindert, täglich in den Berichten notirt zu werden. Ganz so der Zinsfuss, der ebenso regelmäßig als „Preis des Geldes“ notirt wird. Es ist weil hier das Kapital selbst in Geldform als Waare angeboten wird; die Fixation seines Preises daher Fixirung seines Marktpreises, wie bei allen andern Waaren ist; der Zinsfuss sich daher stets als allgemeiner Zinsfuss, als soviel für soviel Geld, als quantitativ bestimmt darstellt. Die Profitrate dagegen kann selbst innerhalb derselben Sphäre, bei gleichen Marktpreisen der Waare, verschieden sein, je nach den verschiednen Bedingungen, worin die einzelnen Kapitale dieselbe Waare produciren; denn die Profitrate für das Einzelkapital wird bestimmt nicht durch den Marktpreis der Waare, sondern durch die Differenz zwischen Marktpreis und Kostpreis. Und diese verschiednen Profitraten, erst innerhalb der- selben Sphäre und dann zwischen den verschiednen Sphären selbst können sich nur durch beständige Schwankungen ausgleichen.
(Notiz für spätere Ausarbeitung.) Eine besondre Form des Kredits: Man weiss, dass wenn das Geld als Zahlungsmittel, statt als Kauf- mittel fungirt, die Waare veräussert, aber ihr Werth erst später realisirt wird. Findet die Zahlung erst statt, nachdem die Waare wieder verkauft ist, so erscheint dieser Verkauf nicht als Folge des Kaufs, sondern es ist durch den Verkauf, dass der Kauf realisirt wird. Oder der Verkauf wird ein Mittel des Kaufens. — Zweitens: Schuldtitel, Wechsel etc., werden Zahlungsmittel für den Gläubiger. — Drittens: die Kompensation der Schuldtitel ersetzt das Geld.
Der Zins, wie wir in den beiden vorhergehenden Kapiteln gesehn, erscheint ursprünglich, ist ursprünglich, und bleibt in Wirklichkeit nichts als ein Theil des Profits, d. h. des Mehrwerths, den der fungirende Kapitalist, Industrieller oder Kaufmann, soweit er nicht eignes Kapital, sondern geliehenes Kapital anwendet, wegzahlen muss an den Eigenthümer und Verleiher dieses Kapitals. Wendet er nur eignes Kapital an, so findet keine solche Theilung des Profits statt; dieser gehört ihm ganz. In der That, soweit die Eigner des Kapitals es selbst im Reproduktionsprocess anwenden, konkurriren sie nicht mit zur Bestimmung der Zinsrate, und schon hierin zeigt sich, wie die Kategorie des Zinses — unmöglich ohne die Bestimmung eines Zinsfusses — der Bewegung des industriellen Kapitals an sich fremd ist.
„The rate of interest may be defined to be that proportional sum which the lender is content to receive, and the borrower to pay, for a year or for any longer or shorter period for the use of a certain amount of moneyed capital … when the owner of capital employs it actively in reproduction, he does not come under the head of those capitalists, the proportion of whom, to the number of borrowers, determines the rate of interest.“ (Th. Tooke, Hist. of Prices, edit. Newmarch. London 1857. II, p. 355.) Es ist in der That nur die Trennung der Kapitalisten in Geldkapita- listen und industrielle Kapitalisten, die einen Theil des Profits in Zins verwandelt, die überhaupt die Kategorie des Zinses schafft; und es ist nur die Konkurrenz zwischen diesen beiden Sorten Ka- pitalisten, die den Zinsfuss schafft.
So lang das Kapital im Reproduktionsprocess fungirt, — selbst vorausgesetzt es gehöre dem industriellen Kapitalisten selbst, sodass er es an keinen Verleiher zurückzuzahlen hat — so lange hat er zu seiner Verfügung als Privatmann nicht dies Kapital selbst, sondern nur den Profit, den er als Revenue verausgaben kann. Solang sein Kapital als Kapital fungirt, gehört es dem Reproduk- tionsprocess, ist es darin festgelegt. Er ist zwar sein Eigenthümer, aber dies Eigenthum befähigt ihn nicht, so lange er es als Kapital zur Ausbeutung von Arbeit benützt, in andrer Weise darüber zu verfügen. Ganz so verhält es sich mit dem Geldkapitalisten. So lange sein Kapital ausgeliehen ist und daher als Geldkapital wirkt, bringt es ihm Zins, einen Theil des Profits, aber über die Haupt-
summe kann er nicht verfügen. Es erscheint dies, sobald er es, zum Beispiel für ein Jahr oder mehrere, verliehen, und in gewissen Terminen Zins erhält ohne Rückzahlung des Kapitals. Aber selbst die Rückzahlung macht hier keinen Unterschied. Erhält er es zurück, so muss er es stets von neuem verleihen, solange es die Wirkung von Kapital — hier Geldkapital — für ihn haben soll. Solange es sich in seiner Hand befindet, trägt es keine Zinsen und wirkt nicht als Kapital; und solange es Zinsen trägt und als Kapital wirkt, befindet es sich nicht in seiner Hand. Daher die Möglichkeit, Kapital auf ewige Zeiten zu verleihen. Die folgenden Bemerkungen von Tooke gegen Bosanquet sind daher ganz falsch. Er citirt Bosanquet (Metallic, Paper, and Credit Currency, p. 73): „Wäre der Zinsfuss bis auf 1 % herabgedrückt, so würde geborgtes Kapital beinahe auf gleiche Linie (on a par) gestellt mit eignem Kapital.“ Hierzu macht Tooke folgende Randglosse: „Dass ein zu diesem, oder selbst zu noch niedrigerem Zinsfuss geborgtes Kapital gelten soll als beinahe auf derselben Linie stehend mit eignem Kapital, ist eine so befremdende Behauptung, dass sie kaum ernstliche Beachtung verdiente, käme sie nicht von einem so in- telligenten und in einzelnen Punkten des Themas so wohlunter- richteten Schriftsteller. Hat er den Umstand übersehn, oder hält er ihn für wenig bedeutend, dass seine Voraussetzung die Bedingung der Rückzahlung einschliesst?“ (Th. Tooke, An Inquiry into the Currency Principle. 2nd ed. London 1844. p. 80.) Wäre der Zins = 0, so stände der industrielle Kapitalist, der Kapital aufgenommen hat, sich gleich mit dem, der mit eignem Kapital arbeitet. Beide würden denselben Durchschnittsprofit einstecken, und als Kapital, ob geborgtes oder eignes, wirkt das Kapital nur, soweit es Profit producirt. Die Bedingung der Rückzahlung würde hieran nichts ändern. Je mehr der Zinsfuss sich Null nähert, also z. B. auf 1 % herabsinkt, um so mehr ist geborgtes Kapital mit eignem Kapital auf gleichen Fuss gestellt. Solange Geldkapital als Geld- kapital existiren soll, muss es stets wieder ausgeliehen werden, und zwar zum bestehenden Zinsfuss, sage von 1 % und stets wieder an dieselbe Klasse der industriellen und merkantilen Kapitalisten. Solange diese als Kapitalisten fungiren, ist der Unterschied zwischen dem der mit geborgtem, und dem der mit eignem Kapital fungirt, nur der, dass der eine Zins zu zahlen hat und der andre nicht; der eine den Profit p ganz einsteckt, der andre p—z, den Profit minus den Zins; jemehr z sich Null nähert, um so mehr wird p—z = p, also um so mehr stehn beide Kapitale auf gleichem Fuss.
Der eine muss das Kapital zurückzahlen und von neuem borgen; aber der andre, solang sein Kapital fungiren soll, muss es eben- falls stets von neuem dem Produktionsprocess vorschiessen und hat keine von diesem Process unabhängige Verfügung darüber. Der einzige sonst noch bleibende Unterschied ist der selbstver- ständliche, dass der eine Eigenthümer seines Kapitals ist und der andre nicht.
Die Frage, die sich nun aufwirft, ist diese. Wie kommt es, dass diese rein quantitative Theilung des Profits in Nettoprofit und Zins in eine qualitative umschlägt? In andren Worten, wie kommt es, dass auch der Kapitalist, der nur sein eignes, kein geliehenes Kapital anwendet, einen Theil seines Bruttoprofits unter die be- sondre Kategorie des Zinses rangirt und als solchen besonders berechnet? Und daher weiter, dass alles Kapital, geliehenes oder nicht, als zinstragendes von sich selbst als Nettoprofit bringendem unterschieden wird?
Man erkennt, dass nicht jede zufällige quantitative Theilung des Profits in dieser Art in eine qualitative umschlägt. Z. B. einige industrielle Kapitalisten associiren sich zur Betreibung eines Ge- schäfts und vertheilen dann den Profit unter einander nach juristisch festgesetzten Abmachungen. Andre treiben ihr Geschäft, jeder für sich, ohne Associé. Diese letzteren berechnen ihren Profit nicht unter zwei Kategorien, einen Theil als individuellen Profit, den andern als Kompagnieprofit für die nichtexistirenden Gesellschafter. Hier schlägt also die quantitative Theilung nicht um in qualitative. Sie findet statt, wo zufällig der Eigenthümer aus mehreren juri- stischen Personen besteht; sie findet nicht statt, wo dies nicht der Fall.
Um die Frage zu beantworten, müssen wir noch etwas länger verweilen bei dem wirklichen Ausgangspunkt der Zinsbildung; d. h. ausgehn von der Unterstellung, dass Geldkapitalist und produktiver Kapitalist sich wirklich gegenüber stehn, nicht nur als juristisch verschiedne Personen, sondern als Personen, die ganz verschiedne Rollen im Reproduktionsprocess spielen, oder in deren Hand das- selbe Kapital wirklich eine doppelte und gänzlich verschiedne Be- wegung durchmacht. Der eine verleiht es nur, der andre wendet es produktiv an.
Für den produktiven Kapitalisten, der mit geliehenem Kapital arbeitet, zerfällt der Bruttoprofit in zwei Theile, den Zins, den er dem Verleiher zu zahlen hat, und den Ueberschuss über den Zins, der seinen eignen Antheil am Profit bildet. Ist die allgemeine Profitrate gegeben, so ist dieser letztre Theil bestimmt durch den
Zinsfuss; ist der Zinsfuss gegeben, so durch die allgemeine Profit- rate. Und ferner: wie immer der Bruttoprofit, die wirkliche Werthgrösse des Gesammtprofits, in jedem einzelnen Fall abweichen mag von dem Durchschnittsprofit: der Theil, der dem fungirenden Kapitalisten gehört, ist bestimmt durch den Zins, da dieser durch den allgemeinen Zinsfuss (abgesehn von besondren juristischen Stipulationen) fixirt und als vorweg genommen vorausgesetzt ist, bevor der Produktionsprocess beginnt, also bevor dessen Resultat, der Bruttoprofit erzielt ist. Wir haben gesehn, dass das eigent- liche specifische Produkt des Kapitals der Mehrwerth, näher be- stimmt der Profit ist. Aber für den Kapitalisten, der mit ge- borgtem Kapital arbeitet, ist es nicht der Profit, sondern der Profit minus dem Zins, der Theil des Profits, der ihm übrig bleibt nach Zahlung des Zinses. Dieser Theil des Profits erscheint ihm also nothwendig als Produkt des Kapitals, soweit es fungirt; und dies ist für ihn wirklich, denn er vertritt das Kapital nur als fungi- rendes. Er ist seine Personifikation, soweit es fungirt, und es fungirt, soweit es profitbringend in der Industrie oder im Handel angelegt wird und mit ihm, durch seinen Anwender, die Opera- tionen vorgenommen werden, die durch den jedesmaligen Geschäfts- zweig vorgeschrieben sind. Im Gegensatz zum Zins, den er aus dem Bruttoprofit an den Verleiher wegzuzahlen hat, nimmt der ihm zufallende noch übrige Theil des Profits also nothwendig die Form des industriellen resp. kommerciellen Profits an, oder, um ihn mit einem deutschen Ausdruck zu bezeichnen, der beides ein- schliesst, die Gestalt des Unternehmergewinns. Ist der Brutto- profit gleich dem Durchschnittsprofit, so wird die Grösse dieses Unternehmergewinns ausschliesslich bestimmt durch den Zinsfuss. Weicht der Bruttoprofit ab vom Durchschnittsprofit, so ist die Differenz desselben vom Durchschnittsprofit (nach beiderseitigem Abzug des Zinses) durch alle die Konjunkturen bestimmt, welche eine zeitweilige Abweichung verursachen, sei es der Profitrate in einer besondren Produktionssphäre von der allgemeinen Profitrate, sei es des Profits, den ein einzelner Kapitalist in einer bestimmten Sphäre macht, vom Durchschnittsprofit dieser besondren Sphäre. Nun hat man aber gesehn, dass die Profitrate, innerhalb des Pro- duktionsprocesses selbst, nicht nur vom Mehrwerth abhängt, sondern von vielen andren Umständen: von den Einkaufspreisen der Pro- duktionsmittel, von mehr als durchschnittlich produktiven Methoden, von Oekonomisirung des konstanten Kapitals etc. Und abgesehn vom Produktionspreis, hängt es von besondren Konjunkturen, und
bei jedem einzelnen Geschäftsabschluss von der grössern oder ge- ringern Schlauheit und Betriebsamkeit des Kapitalisten ab, ob und inwieweit dieser über oder unter dem Produktionspreis ein- oder verkauft, sich also innerhalb des Cirkulationsprocesses einen grössern oder geringern Theil vom Gesammtmehrwerth aneignet. Jedenfalls aber verwandelt sich die quantitative Theilung des Rohprofits hier in eine qualitative, und dies um so mehr als die quantitative Theilung selbst da- von abhängt, was zu vertheilen ist, wie der aktive Kapitalist mit dem Kapital wirthschaftet, und welchen Rohprofit es ihm als fungirendem Kapital, d. h. infolge seiner Funktionen als aktiver Kapitalist abwirft. Der fungirende Kapitalist ist hier unterstellt als Nichteigenthümer des Kapitals. Das Eigenthum am Kapital ist ihm gegenüber vertreten durch den Verleiher, den Geldkapitalisten. Der Zins, den er an diesen zahlt, erscheint also als der Theil des Rohprofits, der dem Kapitaleigenthum als solchem zukommt. Im Gegensatz hierzu er- scheint der Theil des Profits, der dem aktiven Kapitalisten zufällt, jetzt als Unternehmergewinn, entspringend ausschliesslich aus den Operationen oder Funktionen, die er im Reproduktionsprocess mit dem Kapital vollführt, speciell also den Funktionen, die er als Unternehmer in der Industrie oder dem Handel verrichtet. Ihm gegenüber erscheint also der Zins als blosse Frucht des Kapital- eigenthums, des Kapitals an sich abstrahirt vom Reproduktions- process des Kapitals, soweit es nicht „arbeitet“, nicht fungirt; während ihm der Unternehmergewinn erscheint als ausschliessliche Frucht der Funktionen, die er mit dem Kapital verrichtet, als Frucht der Bewegung und des Processirens des Kapitals, eines Processirens, das ihm nun als seine eigne Thätigkeit erscheint im Gegensatz zur Nichtthätigkeit, zur Nichtbetheiligung des Geld- kapitalisten am Produktionsprocess. Diese qualitative Scheidung zwischen den beiden Theilen des Rohprofits, dass der Zins Frucht des Kapitals an sich, des Kapitaleigenthums, abgesehn vom Pro- duktionsprocess, und der Unternehmergewinn Frucht des pro- cessirenden, im Produktionsprocess wirkenden Kapitals, und daher der aktiven Rolle ist, die der Anwender des Kapitals im Repro- duktionsprocess spielt — diese qualitative Scheidung ist keines- wegs bloss subjektive Auffassung des Geldkapitalisten hier, und des industriellen Kapitalisten dort. Sie beruht auf objektiver Thatsache, denn der Zins fliesst dem Geldkapitalisten, dem Leiher zu, der blosser Eigenthümer des Kapitals ist, also das blosse Kapitaleigenthum vertritt vor dem Produktionsprocess und ausser- halb des Produktionsprocesses; und der Unternehmergewinn fliesst
dem bloss fungirenden Kapitalisten zu, der Nichteigenthümer des Kapitals ist.
Sowohl für den industriellen Kapitalisten, soweit er mit ge- borgtem Kapital arbeitet, wie für den Geldkapitalisten, soweit er sein Kapital nicht selbst anwendet, schlägt hiermit die bloss quan- titative Theilung das Bruttoprofits zwischen zwei verschiedne Per- sonen, die beide verschiedne Rechtstitel haben auf dasselbe Kapital und daher auf den von ihm erzeugten Profit, um in eine quali- tative Theilung. Der eine Theil des Profits erscheint nun als an und für sich zukommende Frucht des Kapitals in einer Be- stimmung, als Zins; der andre Theil erscheint als specifische Frucht des Kapitals in einer entgegengesetzten Bestimmung, und daher als Unternehmergewinn; der eine als blosse Frucht des Kapital- eigenthums, der andre als Frucht des blossen Fungirens mit dem Kapital, als Frucht des Kapitals als processirendem oder der Funk- tionen, die der aktive Kapitalist ausübt. Und diese Verknöche- rung und Verselbständigung der beiden Theile des Rohprofits gegen einander, als wenn sie aus zwei wesentlich verschiednen Quellen herrührten, muss sich nun für die gesammte Kapitalistenklasse und für das Gesammtkapital festsetzen. Und zwar einerlei, ob das vom aktiven Kapitalisten angewandte Kapital geborgt sei oder nicht, oder ob das dem Geldkapitalisten gehörende Kapital von ihm selbst angewandt werde oder nicht. Der Profit jedes Kapitals, also auch der auf Ausgleichung der Kapitale unter sich begründete Durch- schnittsprofit zerfällt oder wird zerlegt in zwei qualitativ ver- schiedne, gegen einander selbständige und von einander unab- hängige Theile, Zins und Unternehmergewinn, die beide durch be- sondre Gesetze bestimmt werden. Der Kapitalist, der mit eignem Kapital, so gut wie der, der mit geborgtem arbeitet, theilt seinen Rohprofit ein in Zins, der ihm als Eigenthümer, als seinem eignen Verleiher von Kapital an sich selbst, und in Unternehmergewinn, der ihm als aktivem, fungirendem Kapitalisten zukommt. Es wird so für diese Theilung, als qualitative, gleichgültig ob der Kapitalist wirklich mit einem andern zu theilen hat oder nicht. Der An- wender des Kapitals, auch wenn er mit eignem Kapital arbeitet, zerfällt in zwei Personen, den blossen Eigenthümer des Kapitals und den Anwender des Kapitals; sein Kapital selbst, mit Bezug auf die Kategorien von Profit die es abwirft, zerfällt in Kapital- eigenthum, Kapital ausser dem Produktionsprocess, das an sich Zins abwirft, und Kapital im Produktionsprocess, das als proces- sirend Unternehmergewinn abwirft.
Der Zins befestigt sich also derart, dass er nun nicht als eine der Produktion gleichgültige Theilung des Bruttoprofits auftritt, die nur dann gelegentlich stattfindet, wenn der Industrielle mit fremdem Kapital arbeitet. Auch wenn er mit eignem Kapital arbeitet, spaltet sich sein Profit in Zins und Unternehmer- gewinn. Hiermit wird die bloss quantitative Theilung zur quali- tativen; sie findet statt unabhängig von dem zufälligen Um- stand, ob der Industrielle Eigenthümer oder Nichteigenthümer seines Kapitals ist. Es sind nicht nur an verschiedne Personen vertheilte Quota des Profits, sondern zwei verschiedne Kategorien desselben, die in verschiednem Verhältniss zum Kapital, also in einem Verhältniss zu verschiednen Bestimmtheiten des Kapitals stehn.
Es ergeben sich nun sehr einfach die Gründe warum, sobald diese Theilung des Bruttoprofits in Zins und Unternehmergewinn einmal eine qualitative geworden ist, sie diesen Charakter einer qualitativen Theilung für das Gesammtkapital und die Gesammt- klasse der Kapitalisten erhält.
Erstens folgt dies schon aus dem einfachen empirischen Um- stand, dass die Mehrzahl der industriellen Kapitalisten, wenn auch in verschiednen Zahlenverhältnissen, mit eignem und erborgtem Kapital arbeitet, und dass das Verhältniss zwischen eignem und erborgtem Kapital in verschiednen Perioden wechselt.
Zweitens: Die Verwandlung eines Theils des Bruttoprofits in die Form von Zins verwandelt seinen andren Theil in Unternehmer- gewinn. Dieser letztere ist in der That nur die gegensätzliche Form, die der Ueberschuss des Rohprofits über den Zins annimmt, sobald dieser als eigne Kategorie existirt. Die ganze Unter- suchung, wie der Bruttoprofit sich in Zins und Unternehmergewinn differenzirt, löst sich einfach auf in die Untersuchung, wie ein Theil des Bruttoprofits sich allgemein als Zins verknöchert und verselbständigt. Nun existirt aber historisch das zinstragende Ka- pital als eine fertige, überlieferte Form, und daher der Zins als fertige Unterform des vom Kapital erzeugten Mehrwerths, lange bevor die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Vorstellungen von Kapital und Profit existirten. Daher immer noch in der Volksvorstellung Geldkapital, zinstragendes Kapital als Kapital als solches, als Kapital par excellence gilt. Daher andrerseits die bis zur Zeit Massie’s vorherrschende Vorstellung, dass es das Geld als solches ist, was im Zins bezahlt wird. Der Umstand, dass verliehenes Kapital Zins abwirft, ob wirklich als Kapital verwandt oder nicht — auch wenn nur zur Konsumtion geborgt — befestigt die Vor-
stellung von der Selbständigkeit dieser Form des Kapitals. Der beste Beweis von der Selbständigkeit worin, in den ersten Perioden der kapitalistischen Produktionsweise, der Zins dem Profit und das zinstragende Kapital dem industriellen Kapital gegenüber erscheint, ist der, dass erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Thatsache entdeckt wurde (von Massie und nach ihm von Hume), dass der Zins ein blosser Theil des Bruttoprofits ist, und dass es überhaupt einer solchen Entdeckung bedurfte.
Drittens: Ob der industrielle Kapitalist mit eignem oder ge- borgtem Kapital arbeitet, ändert nichts an dem Umstand, dass ihm die Klasse der Geldkapitalisten als eine besondre Sorte Kapitalisten, das Geldkapital als eine selbständige Sorte des Kapitals, und der Zins als die diesem specifischen Kapital entsprechende selbständige Form des Mehrwerths gegenübersteht.
Qualitativ betrachtet ist der Zins Mehrwerth, den das blosse Eigenthum des Kapitals liefert, den das Kapital an sich abwirft, obgleich sein Eigenthümer ausserhalb des Reproduktionsprocesses stehn bleibt; den also Kapital abgesondert von seinem Process abwirft.
Quantitativ betrachtet erscheint der Theil des Profits, der den Zins bildet, nicht auf das industrielle und kommerzielle Kapital als solches, sondern auf das Geldkapital bezogen, und die Rate dieses Theils des Mehrwerths, die Zinsrate oder der Zinsfuss, befestigt dies Verhältniss. Denn erstens wird der Zinsfuss — trotz seiner Abhängigkeit von der allgemeinen Profitrate — selbständig be- stimmt, und zweitens erscheint er, wie der Marktpreis der Waaren, der unfassbaren Profitrate gegenüber als bei allem Wechsel festes, uniformes, handgreifliches und stets gegebnes Verhältniss. Befände sich alles Kapital in den Händen der industriellen Kapitalisten, so existirte kein Zins und kein Zinsfuss. Die selbständige Form, die die quantitative Theilung des Rohprofits annimmt, erzeugt die qualitative. Vergleicht sich der industrielle Kapitalist mit dem Geldkapitalisten, so unterscheidet ihn von diesem nur der Unter- nehmergewinn, als Ueberschuss des Rohprofits über den Durch- schnittszins, der vermöge des Zinsfusses als empirisch gegebne Grösse erscheint. Vergleicht er sich andrerseits mit dem indu- striellen Kapitalisten, der mit eignem statt geborgtem Kapital wirth- schaftet, so unterscheidet dieser sich von ihm nur als Geldkapitalist, indem er den Zins selbst einsteckt statt ihn wegzuzahlen. Nach beiden Seiten erscheint ihm der vom Zins unterschiedne Theil des Rohprofits als Unternehmergewinn, und der Zins selbst als ein
Mehrwerth, den das Kapital an und für sich abwirft, und den es daher auch abwerfen würde ohne produktive Anwendung.
Für den einzelnen Kapitalisten ist dies praktisch richtig. Er hat die Wahl, ob er sein Kapital, sei es, dass es im Ausgangs- punkt schon als Geldkapital existirt, oder dass es erst in Geld- kapital zu verwandeln ist, als zinstragendes Kapital verleihen, oder als produktives Kapital selbst verwerthen will. Allgemein gefasst, d. h. auf das ganze Gesellschaftkapital angewendet, wie dies von einigen Vulgärökonomen geschieht, und sogar als Grund des Profits angegeben wird, ist dies natürlich verrückt. Die Verwandlung des sämmtlichen Kapitals in Geldkapital, ohne dass Leute da sind, die die Produktionsmittel kaufen und verwerthen, in Form von denen das gesammte Kapital, abgesehn von dem in Geld existirenden, relativ kleinen Theil desselben vorhanden ist, — dies ist natürlich Unsinn. Es steckt der noch grössre Unsinn darin, dass auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise das Kapital Zins abwerfen würde, ohne als produktives Kapital zu fungiren, d. h. ohne Mehr- werth zu schaffen, wovon der Zins nur ein Theil; dass die kapi- talistische Produktionsweise ihren Gang gehn würde ohne die kapi- talistische Produktion. Wollte ein ungebührlich grosser Theil der Kapitalisten sein Kapital in Geldkapital verwandeln, so wäre die Folge ungeheure Entwerthung des Geldkapitals und ungeheurer Fall des Zinsfusses; viele würden sofort in die Unmöglichkeit ver- setzt, von ihren Zinsen zu leben, also gezwungen, sich in indu- strielle Kapitalisten rückzuverwandeln. Aber wie gesagt, für den einzelnen Kapitalisten ist dies Thatsache. Er betrachtet daher nothwendig, selbst wenn er mit eignem Kapital wirthschaftet, den Theil seines Durchschnittsprofits, der gleich dem Durchschnitts- zins, als Frucht seines Kapitals als solchen, abgesehn von dem Produktionsprocess; und im Gegensatz zu diesem, im Zins ver- selbständigten Theil, den Ueberschuss des Rohprofits darüber als blossen Unternehmergewinn.
Viertens: [Lücke im Manuskript.]
Es hat sich also gezeigt, dass der Theil des Profits, den der fungirende Kapitalist dem blossen Eigenthümer von geborgtem Kapital zu zahlen hat, sich verwandelt in die selbständige Form für einen Theil des Profits, den alles Kapital als solches, ob geborgt oder nicht, unter dem Namen Zins abwirft. Wie gross dieser Theil ist, hängt ab von der Höhe des Durchschnittszins- fusses. Sein Ursprung zeigt sich nur noch darin, dass der fungi- rende Kapitalist, soweit er Eigenthümer seines Kapitals, nicht
konkurrirt — wenigstens nicht aktiv — bei Bestimmung des Zins- fusses. Die rein quantitative Theilung des Profits zwischen zwei Personen, die verschiedne Rechtstitel auf ihn haben, hat sich in eine qualitative Theilung verwandelt, die aus der Natur des Ka- pitals und des Profits selbst zu entspringen scheint. Denn wie man gesehn, sobald ein Theil des Profits allgemein die Form des Zinses annimmt, verwandelt sich die Differenz zwischen dem Durch- schnittsprofit und dem Zins, oder der über dem Zins überschüssige Theil des Profits, in eine zum Zins gegensätzliche Form, in die des Unternehmergewinns. Diese beiden Formen, Zins und Unter- nehmergewinn, existiren nur in ihrem Gegensatz. Sie sind also beide nicht bezogen auf den Mehrwerth, von dem sie nur in ver- schiednen Kategorien, Rubriken oder Namen fixirte Theile sind, sondern sie sind auf einander bezogen. Weil der eine Theil des Profits sich in Zins verwandelt, deshalb erscheint der andre Theil als Unternehmergewinn.
Unter Profit verstehn wir hier immer den Durchschnittsprofit, da die Abweichungen, sei es des individuellen Profits, sei es des Profits in verschiednen Produktionssphären — also die mit dem Konkurrenzkampf und andren Umständen hin- und herwogenden Variationen in der Vertheilung des Durchschnittsprofits oder Mehr- werths — uns hier ganz gleichgültig sind. Es gilt dies über- haupt für die ganze vorliegende Untersuchung.
Der Zins ist nun der Nettoprofit, wie Ramsay ihn bezeichnet, den das Kapitaleigenthum als solches abwirft, sei es dem blossen Verleiher, der ausserhalb des Reproduktionsprocesses stehn bleibt, sei es dem Eigenthümer, der sein Kapital selbst produktiv ver- wendet. Aber auch diesem wirft es diesen Nettoprofit ab, nicht soweit er fungirender Kapitalist, sondern soweit er Geldkapitalist, Verleiher seines eignen Kapitals, als eines zinstragenden, an sich selbst als fungirenden Kapitalisten ist. Wie die Verwandlung von Geld und überhaupt von Werth in Kapital das stete Resultat, ist sein Dasein als Kapital ebenso sehr die stete Voraussetzung des kapitalistischen Produktionsprocesses. Durch seine Fähigkeit, sich in Produktionsmittel zu verwandeln, kommandirt es beständig un- bezahlte Arbeit, und verwandelt daher den Produktions- und Cir- kulationsprocess der Waaren in die Produktion von Mehrwerth für seinen Besitzer. Der Zins ist also nur der Ausdruck davon, dass Werth überhaupt — die vergegenständlichte Arbeit in ihrer all- gemein gesellschaftlichen Form — Werth, der im wirklichen Pro- duktionsprocess die Gestalt der Produktionsmittel annimmt, als
selbständige Macht der lebendigen Arbeitskraft gegenübersteht, und das Mittel ist sich unbezahlte Arbeit anzueignen; und dass er diese Macht ist, indem es als fremdes Eigenthum dem Arbeiter gegen- übersteht. Andrerseits jedoch ist in der Form des Zinses dieser Gegensatz gegen die Lohnarbeit ausgelöscht; denn das zinstragende Kapital hat als solches nicht die Lohnarbeit, sondern das fungi- rende Kapital zu seinem Gegensatz; der verleihende Kapitalist steht als solcher direkt dem im Reproduktionsprocess wirklich fungirenden Kapitalisten gegenüber, nicht aber dem Lohnarbeiter, der gerade auf Grundlage der kapitalistischen Produktion von den Produktionsmitteln expropriirt ist. Das zinstragende Kapital ist das Kapital als Eigenthum gegenüber dem Kapital als Funktion. Aber soweit das Kapital nicht fungirt, exploitirt es nicht die Arbeiter, und tritt in keinen Gegensatz zur Arbeit.
Andrerseits bildet der Unternehmergewinn keinen Gegensatz zur Lohnarbeit, sondern nur zum Zins.
Erstens, den Durchschnittsprofit als gegeben vorausgesetzt, ist die Rate des Unternehmergewinns nicht durch den Arbeitslohn be- stimmt, sondern durch den Zinsfuss. Sie ist hoch oder niedrig im umgekehrten Verhältniss zu diesem.(FN72)
Zweitens: der fungirende Kapitalist leitet seinen Anspruch auf den Unternehmergewinn, also den Unternehmergewinn selbst ab, nicht von seinem Eigenthum am Kapital, sondern von der Funktion des Kapitals im Gegensatz zu der Bestimmtheit, worin es nur als träges Eigenthum existirt. Dies erscheint als unmittelbar vor- handner Gegensatz, sobald er mit geliehenem Kapital operirt, wo Zins und Unternehmergewinn daher zwei verschiednen Personen zufallen. Der Unternehmergewinn entspringt aus der Funktion des Kapitals im Reproduktionsprocess, also in Folge der Opera- tionen, der Thätigkeit, wodurch der fungirende Kapitalist diese Funktionen des industriellen und merkantilen Kapitals vermittelt. Aber Repräsentant des fungirenden Kapitals sein, ist keine Sinekure, wie die Repräsentation des zinstragenden Kapitals. Auf Basis der kapitalistischen Produktion dirigirt der Kapitalist den Produktions- process wie den Cirkulationsprocess. Die Exploitation der produk- tiven Arbeit kostet Anstrengung, ob er sie selbst verrichte, oder in seinem Namen von andern verrichten lasse. Im Gegensatz zum Zins stellt sich ihm also sein Unternehmergewinn dar als unab-
hängig vom Kapitaleigenthum, vielmehr als Resultat seiner Funk- tionen als Nichteigenthümer, als — Arbeiter.
Es entwickelt sich daher nothwendig in seinem Hirnkasten die Vorstellung, dass sein Unternehmergewinn — weit entfernt irgend einen Gegensatz zur Lohnarbeit zu bilden und nur unbezahlte fremde Arbeit zu sein — vielmehr selbst Arbeitslohn ist, Auf- sichtslohn, wages of superintendence of labour, höherer Lohn als der des gewöhnlichen Lohnarbeiters, 1) weil sie komplicirtere Arbeit, 2) weil er sich selbst den Arbeitslohn auszahlt. Dass seine Funk- tion als Kapitalist darin besteht, Mehrwerth, d. h. unbezahlte Arbeit zu produciren, und zwar unter den ökonomischsten Bedingungen, wird vollständig vergessen über dem Gegensatz, dass der Zins dem Kapitalisten zufällt, auch wenn er keine Funktion als Kapitalist ausübt, sondern blosser Eigenthümer des Kapitals ist; und dass dagegen der Unternehmergewinn dem fungirenden Kapitalisten zu- fällt, auch wenn er Nichteigenthümer des Kapitals ist, womit er fungirt. Ueber der gegensätzlichen Form der beiden Theile, worin der Profit, also der Mehrwerth zerfällt, wird vergessen dass beide bloss Theile des Mehrwerths sind, und dass seine Theilung nichts an seiner Natur, seinem Ursprung und seinen Existenzbedingungen ändern kann.
Im Reproduktionsprocess vertritt der fungirende Kapitalist das Kapital als fremdes Eigenthum gegenüber den Lohnarbeitern, und nimmt der Geldkapitalist, als vertreten durch den fungirenden Ka- pitalisten, an der Exploitation der Arbeit theil. Dass nur als Repräsentant der Produktionsmittel gegenüber den Arbeitern, der aktive Kapitalist die Funktion ausüben kann, die Arbeiter für sich arbeiten, oder die Produktionsmittel als Kapital fungiren zu lassen, dies wird vergessen über dem Gegensatz von Funktion des Kapitals im Reproduktionsprocess gegenüber blossem Eigenthum am Kapital ausserhalb des Reproduktionsprocesses.
In der That ist in der Form, die die beiden Theile des Profits, d. h. des Mehrwerths, als Zins und Unternehmergewinn annehmen, kein Verhältniss zur Arbeit ausgedrückt, weil dies Verhältniss nur existirt zwischen ihr und dem Profit oder vielmehr dem Mehr- werth als der Summe, dem Ganzen, der Einheit dieser beiden Theile. Das Verhältniss, worin der Profit getheilt wird, und die verschiednen Rechtstitel, worunter diese Theilung geschieht, setzen den Profit als fertig, setzen sein Dasein voraus. Ist daher der Kapitalist Eigenthümer des Kapitals, womit er fungirt, so steckt er den ganzen Profit oder Mehrwerth ein; es ist für den Arbeiter
ganz gleichgültig, ob er dies thut oder ob er einen Theil an eine dritte Person als juristischen Eigenthümer wegzuzahlen hat. Die Theilungsgründe des Profits unter zwei Sorten Kapitalisten ver- wandeln sich so unter der Hand in die Existenzgründe des zu theilenden Profits, des Mehrwerths, den abgesehn vor aller spätern Theilung das Kapital als solches aus dem Reproduktionsprocess herauszieht. Daraus, dass der Zins dem Unternehmergewinn, und der Unternehmergewinn dem Zins, beide einander, aber nicht der Arbeit gegenüberstehn, folgt — dass Unternehmergewinn plus Zins, d. h. der Profit, weiter der Mehrwerth, worauf beruhn? Auf der gegensätzlichen Form seiner beiden Theile! Der Profit wird aber producirt, ehe diese Theilung mit ihm vorgenommen wird und ehe von ihr die Rede sein kann.
Das zinstragende Kapital bewährt sich nur als solches, soweit das verliehene Geld wirklich in Kapital verwandelt und ein Ueber- schuss producirt wird, wovon der Zins ein Theil. Allein dies hebt nicht auf, dass ihm, unabhängig vom Produktionsprocess, das Zins- tragen als Eigenschaft eingewachsen. Die Arbeitskraft bewährt ja auch nur ihre werthschaffende Kraft, wenn sie im Arbeitsprocess bethätigt und realisirt wird; aber dies schliesst nicht aus, dass sie an sich, potentiell, als Vermögen, die werthschaffende Thätigkeit ist und als solche aus dem Process nicht erst entsteht, sondern ihm vielmehr vorausgesetzt ist. Als Fähigkeit, Werth zu schaffen, wird sie gekauft. Es kann einer sie auch kaufen, ohne sie pro- duktiv arbeiten zu lassen; z. B. zu rein persönlichen Zwecken, Be- dienung u. s. w. So mit dem Kapital. Es ist Sache des Borgers, ob er es als Kapital vernutzt, also die ihm inhärente Eigenschaft, Mehrwerth zu produciren, wirklich in Thätigkeit setzt. Was er zahlt, ist in beiden Fällen der an sich, der Möglichkeit nach, in der Waare Kapital eingeschlossne Mehrwerth.
Gehn wir nun näher ein auf den Unternehmergewinn.
Indem das Moment der specifischen gesellschaftlichen Bestimmt- heit des Kapitals in der kapitalistischen Produktionsweise — das Kapitaleigenthum, das die Eigenschaft besitzt, Kommando über die Arbeit anderer zu sein — fixirt wird, und der Zins daher er- scheint als der Theil des Mehrwerths, den das Kapital in dieser Be- ziehung erzeugt, erscheint der andre Theil des Mehrwerths—der Unter- nehmergewinn — nothwendig so, dass er nicht aus dem Kapital als Ka- pital, sondern aus dem Produktionsprocess stammt, getrennt von seiner specifischen gesellschaftlichen Bestimmtheit, die ja in dem Ausdruck
Kapitalzins schon ihre besondre Existenzweise erhalten hat. Vom Kapital getrennt, ist aber der Produktionsprocess Arbeitsprocess über- haupt. Der industrielle Kapitalist, als unterschieden vom Kapitaleigen- thümer, erscheint daher nicht als fungirendes Kapital, sondern als Funktionär auch abgesehn vom Kapital, als einfacher Träger des Arbeitsprocesses überhaupt, als Arbeiter, und zwar als Lohnarbeiter.
Der Zins an sich drückt gerade das Dasein der Arbeitsbedin- gungen als Kapital, in ihrem gesellschaftlichen Gegensatz zur Arbeit, und in ihrer Verwandlung in persönliche Mächte, gegen- über der Arbeit und über der Arbeit aus. Er stellt das blosse Kapitaleigenthum dar als Mittel sich Produkte fremder Arbeit an- zueignen. Aber er stellt diesen Charakter des Kapitals dar als etwas, das ihm ausserhalb des Produktionsprocesses zukommt, und das keineswegs das Resultat der specifisch kapitalistischen Be- stimmtheit dieses Produktionsprocesses selbst ist. Er stellt es dar, nicht in direktem Gegensatz zur Arbeit, sondern umgekehrt, ohne Verhältniss zur Arbeit und als blosses Verhältniss eines Kapita- listen zum andern. Also als eine dem Verhältniss des Kapitals zur Arbeit selbst äusserliche und gleichgültige Bestimmung. In dem Zins also, in der besondern Gestalt des Profits, worin sich der gegensätzliche Charakter des Kapitals einen selbständigen Aus- druck gibt, gibt er sich ihn so, dass dieser Gegensatz darin völlig ausge- löscht ist und ganz von ihm abstrahirt wird. Der Zins ist ein Verhält- niss zwischen zwei Kapitalisten, nicht zwischen Kapitalist und Arbeiter.
Andrerseits gibt diese Form des Zinses dem andern Theil des Profits die qualitative Form des Unternehmergewinns, weiter des Aufsichtslohns. Die besondren Funktionen, die der Kapitalist als solcher zu verrichten hat, und die ihm gerade im Unterschied von, und Gegensatz zu den Arbeitern zukommen, werden als blosse Arbeitsfunktionen dargestellt. Er schafft Mehrwerth, nicht weil er als Kapitalist arbeitet, sondern weil er, abgesehn von seiner Eigenschaft als Kapitalist, auch arbeitet. Dieser Theil des Mehr- werths ist also gar nicht mehr Mehrwerth, sondern sein Gegen- theil, Aequivalent für vollbrachte Arbeit. Da der entfremdete Charakter des Kapitals, sein Gegensatz zur Arbeit, jenseits des wirklichen Exploitationsprocesses verlegt wird, nämlich ins zins- tragende Kapital, so erscheint dieser Exploitationsprocess selbst als ein blosser Arbeitsprocess, wo der fungirende Kapitalist nur andre Arbeit verrichtet als der Arbeiter. Sodass die Arbeit des Exploitirens und die exploitirte Arbeit, beide als Arbeit, identisch sind. Die Arbeit des Exploitirens ist ebensogut Arbeit, wie die
Arbeit die exploitirt wird. Auf den Zins fällt die gesellschaftliche Form des Kapitals, aber in einer neutralen und indifferenten Form ausgedrückt; auf den Unternehmergewinn fällt die ökonomische Funktion des Kapitals, aber von dem bestimmten, kapitalistischen Charakter dieser Funktion abstrahirt.
Es geht hier im Bewusstsein des Kapitalisten ganz dasselbe vor, wie bei den im Abschn. II dieses Buchs angedeuteten Kompen- sationsgründen in der Ausgleichung zum Durchschnittsprofit. Diese Kompensationsgründe, die bestimmend in die Vertheilung des Mehr- werths eingehn, verdrehen sich in der kapitalistischen Vorstellungs- weise in Entstehungsgründe und (subjektive) Rechtfertigungsgründe des Profits selbst.
Die Vorstellung des Unternehmergewinns als Aufsichtslohns der Arbeit, die aus seinem Gegensatz zum Zins entsteht, findet weitern Halt darin, dass in der That ein Theil des Profits als Arbeitslohn abgesondert werden kann und sich wirklich absondert, oder viel- mehr umgekehrt, dass ein Theil des Arbeitslohns, auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise, als integrirender Bestandtheil des Profits erscheint. Dieser Theil, wie schon A. Smith richtig herausfand, stellt sich rein dar, selbständig und gänzlich getrennt einerseits vom Profit (als Summe von Zins und Unternehmergewinn) andrerseits von dem Theil des Profits, der nach Abzug des Zinses als sogenannter Unternehmergewinn übrig bleibt, in dem Gehalt des Dirigenten in solchen Geschäftszweigen, deren Ausdehnung u. s. w. hinreichende Theilung der Arbeit erlaubt, um besondren Arbeitslohn für einen Dirigenten zu gestatten.
Die Arbeit der Oberaufsicht und Leitung entspringt nothwendig überall, wo der unmittelbare Produktionsprocess die Gestalt eines gesellschaftlich kombinirten Processes hat, und nicht als vereinzelte Arbeit der selbständigen Producenten auftritt.(FN73) Sie ist aber dop- pelter Natur.
Einerseits in allen Arbeiten, worin viele Individuen kooperiren, stellt sich nothwendig der Zusammenhang und die Einheit des Processes in einem kommandirenden Willen dar, und in Funktionen, die nicht die Theilarbeiten, sondern die Gesammtthätigkeit der Werkstatt betreffen, wie bei dem Direktor eines Orchesters. Es ist dies eine produktive Arbeit, die verrichtet werden muss in jeder kombinirten Produktionsweise.
Andrerseits — ganz abgesehn vom kaufmännischen Departement — entspringt diese Arbeit der Oberaufsicht nothwendig in allen Produktionsweisen, die auf dem Gegensatz zwischen dem Arbeiter als dem unmittelbaren Producenten, und dem Eigenthümer der Produktionsmittel beruhn. Je grösser dieser Gegensatz, desto grösser die Rolle, die diese Arbeiter-Oberaufsicht spielt. Sie er- reicht daher ihr Maximum im Sklavensystem.(FN74) Sie ist aber auch in der kapitalistischen Produktionsweise unentbehrlich, da hier der Produktionsprocess zugleich Konsumtionsprocess der Arbeitskraft durch den Kapitalisten ist. Ganz wie in despotischen Staaten die Arbeit der Oberaufsicht und allseitigen Einmischung der Regierung beides einbegreift: sowohl die Verrichtung der gemeinsamen Ge- schäfte, die aus der Natur aller Gemeinwesen hervorgehn, wie die specifischen Funktionen, die aus dem Gegensatz der Regierung zu der Volksmasse entspringen.
Bei den antiken Schriftstellern, die das Sklavensystem vor sich haben, finden sich in der Theorie, wie es denn in der Praxis der Fall war, beide Seiten der Aufsichtsarbeit ganz ebenso unzertrenn- lich zusammen, wie bei den modernen Oekonomen, die die kapi- talistische Produktionsweise als die absolute Produktionsweise an- sehn. Andrerseits, wie ich gleich an einem Beispiel zeigen werde, wissen die Apologeten des modernen Sklavensystems ganz ebenso die Aufsichtsarbeit als Rechtfertigungsgrund der Sklaverei zu ver- nutzen, wie die andren Oekonomen als Grund des Lohnarbeits- systems.
Der villicus zur Zeit Catos: „An der Spitze der Gutssklavenwirth- schaft (familia rustica) stand der Wirthschafter (villicus von villa), der einnimmt und ausgibt, kauft und verkauft, die Instruktionen des Herrn entgegennimmt und in dessen Abwesenheit anordnet und straft.... Der Wirthschafter stand natürlich freier als die übrigen Knechte; die Magonischen Bücher rathen, ihm Ehe, Kindererzeu- gung und eigne Kasse zu gestatten, und Cato, ihn mit der Wirth- schafterin zu verheirathen; er allein wird auch Aussicht gehabt haben im Fall des Wohlverhaltens von dem Herrn die Freiheit zu erlangen. Im Uebrigen bildeten alle einen gemeinschaftlichen Hausstand.... Ein jeder Sklave, auch der Wirthschafter selbst, erhielt seine Bedürfnisse auf Rechnung des Herrn in gewissen
Fristen nach festen Sätzen geliefert, womit er dann auszukommen hatte.... Die Quantität richtete sich nach der Arbeit, weshalb z. B. der Wirthschafter, der leichtere Arbeit hatte als die Knechte, knapperes Maß als diese empfing.“ (Mommsen, Römische Geschichte. Zweite Auflage. 1856, I, p. 808—810.)
Aristoteles: Ὁ γὰϱ δεσπότης οὔϰ ἐν τῷ ϰτᾶσϑαι τοὺς δούλους, ἄλλ᾽ ἐν τῷ χϱῆσϑαι δούλους. [Denn der Herr — Kapitalist — bethätigt sich als solcher nicht im Erwerben der Sklaven — dem Kapitaleigenthum, das die Macht gibt Arbeit zu kaufen — sondern im Benutzen der Sklaven — der Verwendung von Arbeitern — heute Lohnarbeitern im Produktionsprocess]. Ἔστι δὲ αὐτῆ ἡ ἐπιστήμη οὐδὲν μέγα ἔχουσα οὐδὲ σεμνόν· [es ist aber mit dieser Wissenschaft nichts Grosses oder Erhabnes] ἃ γὰϱ τὸν δοῦλον επίστασϑαι δεῖ ποιεῖν, ἐϰεῖνον δεῖ ταῦτα επίστασϑαι επιτάττειν. [Was nämlich der Sklave zu verrichten verstehn muss, das soll jener verstehn zu befehlen.] Διὸ ὅσοις ἐξουσία μὴ αὐτοὺς ϰαϰο- παϑεῖν, ἐπίτϱοπος λαμβάνει ταυτὴν τὴν τιμήν, αὐτοὶ δὲ πολιτεύ- ονται ἢ φιλοσοφοῦσιν. [Wo die Herren sich selbst damit zu placken nicht nöthig haben, da übernimmt der Aufseher diese Ehre, sie selbst aber treiben Staatsgeschäfte oder philosophiren. (Arist. Respubl. ed. Bekker lib. I, 7.)
Dass die Herrschaft, wie im politischen, so im ökonomischen Gebiet, den Gewalthabern die Funktionen des Herrschens auflegt, d. h. auf ökonomischem Gebiet also, dass sie verstehn müssen, die Arbeitskraft zu konsumiren — sagt Aristoteles mit dürren Worten und fügt hinzu, dass kein grosses Wesen mit dieser Aufsichts- arbeit zu machen sei, weshalb der Herr, sobald er vermögend genug ist, die „Ehre“ dieser Plackerei einem Aufseher überlässt.
Die Arbeit der Leitung und Oberaufsicht, soweit sie nicht eine besondre, aus der Natur aller kombinirten gesellschaftlichen Arbeit hervorgehende Funktion ist, sondern aus dem Gegensatz zwischen dem Eigenthümer der Produktionsmittel und dem Eigenthümer der blossen Arbeitskraft entspringt — sei es nun, dass die letztere mit dem Arbeiter selbst gekauft wird, wie im Sklavensystem, oder dass der Arbeiter selbst seine Arbeitskraft verkauft und der Pro- duktionsprocess daher zugleich als der Konsumtionsprocess seiner Arbeit durch das Kapital erscheint — diese aus der Knechtschaft des unmittelbaren Producenten entspringende Funktion ist oft genug zum Rechtfertigungsgrund dieses Verhältnisses selbst gemacht, und die Exploitation, die Aneignung fremder unbezahlter Arbeit ist ebenso oft, als der dem Eigenthümer des Kapitals gebührende
Arbeitslohn dargestellt worden. Aber nie besser, als von einem Vertheidiger der Sklaverei in den Vereinigten Staaten, von einem Advokaten O’Connor auf einem Meeting zu New-York, 19. Decbr. 1859, unter dem Panier: „Gerechtigkeit für den Süden.“ — „Now, gentlemen,“ sagte er unter grossem Applaus, „die Natur selbst hat den Neger zu dieser Knechtschaftslage bestimmt. Er hat die Stärke und ist kräftig zur Arbeit; aber die Natur, die ihm diese Stärke gab, verweigerte ihm sowohl den Verstand zum Regieren, wie den Willen zur Arbeit. (Beifall.) Beide sind ihm verweigert! Und dieselbe Natur, die ihm den Willen zur Arbeit vorenthielt, gab ihm einen Herrn, diesen Willen zu erzwingen, und ihn in dem Klima, wofür er geschaffen, zu einem nützlichen Diener zu machen, sowohl für sich selbst, wie für den Herrn, der ihn regiert. Ich behaupte, dass es keine Ungerechtigkeit ist, den Neger in der Lage zu lassen, worin die Natur ihn gestellt hat; ihm einen Herrn zu geben, der ihn regiert; und man beraubt ihn keines seiner Rechte, wenn man ihn zwingt, dafür auch wieder zu arbeiten, und seinem Herrn eine gerechte Entschädigung zu liefern für die Arbeit und Talente, die er anwendet, um ihn zu regieren und ihn für sich selbst und für die Gesellschaft nützlich zu machen.“
Nun muss auch der Lohnarbeiter wie der Sklave einen Herrn haben, um ihn arbeiten zu machen und ihn zu regieren. Und dies Herrschafts- und Knechtschaftsverhältniss vorausgesetzt, ist es in der Ordnung, dass der Lohnarbeiter gezwungen wird, seinen eignen Arbeitslohn zu produciren und obendrein den Aufsichts- lohn, eine Kompensation für die Arbeit der Herrschaft und Ober- aufsicht über ihn, „und seinem Herrn eine gerechte Entschädigung zu liefern für die Arbeit und Talente, die er anwendet, um ihn zu regieren und ihn für sich und für die Gesellschaft nützlich zu machen.“
Die Arbeit der Oberaufsicht und Leitung, soweit sie aus dem gegensätzlichen Charakter, aus der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit entspringt, und daher allen auf dem Klassengegensatz beruhenden Produktionsweisen mit der kapitalistischen gemeinsam ist, ist auch im kapitalistischen System unmittelbar und unzer- trennbar verquickt mit den produktiven Funktionen, die alle kom- binirte gesellschaftliche Arbeit einzelnen Individuen als besondre Arbeit auferlegt. Der Arbeitslohn eines Epitropos oder régisseur, wie er im feudalen Frankreich hiess, trennt sich vollständig vom Profit und nimmt auch die Form des Arbeitslohns für geschickte Arbeit an, sobald das Geschäft auf hinreichend grosser Stufenleiter
betrieben wird, um einen solchen Dirigenten (manager) zu zahlen, obgleich desswegen unsre industriellen Kapitalisten noch lange nicht „Staatsgeschäfte treiben oder philosophiren.“
Dass nicht die industriellen Kapitalisten, sondern die industriellen managers „die Seele unsres Industriesystems“ sind, hat schon Herr Ure bemerkt.(FN75) Was den merkantilen Theil des Geschäfts angeht, so ist das Nöthige darüber bereits im vorigen Abschnitt gesagt.
Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, dass die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigenthum, auf der Strasse herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, dass diese Arbeit der Oberleitung vom Kapitalisten ausgeübt werde. Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigenthümer der In- strumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion als Dirigent, dass er irgend etwas mit dem „Lohn“ der übrigen Musikanten zu thun hat. Die Kooperativ-Fabriken liefern den Be- weis, dass der Kapitalist als Funktionär der Produktion ebenso überflüssig geworden, wie er selbst, in seiner höchsten Ausbildung, den Grossgrundbesitzer überflüssig findet. Soweit die Arbeit des Kapitalisten nicht aus dem Produktionsprocess als bloss kapita- listischem hervorgeht, also mit dem Kapital von selbst aufhört; soweit sie sich nicht auf die Funktion beschränkt, fremde Arbeit zu exploitiren; soweit sie also aus der Form der Arbeit als gesell- schaftlicher hervorgeht, aus der Kombination und Kooperation Vieler zu einem gemeinsamen Resultat, ist sie ganz ebenso unab- hängig vom Kapital, wie diese Form selbst, sobald sie die kapi- talistische Hülle gesprengt hat. Sagen, dass diese Arbeit, als kapitalistische Arbeit, als Funktion des Kapitalisten nothwendig sei, heisst nichts, als dass sich der Vulgus die im Schoss der kapitalistischen Produktionsweise entwickelten Formen nicht vor- stellen kann, getrennt und befreit von ihrem gegensätzlichen kapi- talistischen Charakter. Dem Geldkapitalisten gegenüber ist der industrielle Kapitalist Arbeiter, aber Arbeiter als Kapitalist, d. h. als Exploiteur fremder Arbeit. Der Lohn, den er für diese Arbeit beansprucht und bezieht, ist genau gleich dem angeeigneten Quantum fremder Arbeit und hängt direkt ab, soweit er sich der nothwendigen Mühe der Exploitation unterzieht, vom Ausbeutungs- grad dieser Arbeit, nicht aber vom Grad der Anstrengung, die
diese Exploitation ihm kostet, und die er gegen mäßige Zahlung auf einen Dirigenten abwälzen kann. Nach jeder Krisis kann man in den englischen Fabrikbezirken genug Ex-Fabrikanten sehn, die ihre eignen frühern Fabriken jetzt als Dirigenten der neuen Eigen- thümer, oft ihrer Gläubiger,(FN76) für einen billigen Lohn beauf- sichtigen.
Der Verwaltungslohn, sowohl für den merkantilen wie den in- dustriellen Dirigenten, erscheint vollständig getrennt vom Unter- nehmergewinn sowohl in den Kooperativfabriken der Arbeiter, wie in den kapitalistischen Aktienunternehmungen. Die Trennung des Verwaltungslohns vom Unternehmergewinn, die sonst zufällig er- scheint, ist hier konstant. Bei der Kooperativfabrik fällt der gegen- sätzliche Charakter der Aufsichtsarbeit weg, indem der Dirigent von den Arbeitern bezahlt wird, statt ihnen gegenüber das Kapital zu vertreten. Die Aktienunternehmungen überhaupt — entwickelt mit dem Kreditwesen — haben die Tendenz, diese Verwaltungs- arbeit als Funktion mehr und mehr zu trennen von dem Besitz des Kapitals, sei es eignes oder geborgtes; ganz wie mit der Ent- wicklung der bürgerlichen Gesellschaft die richterlichen und Ver- waltungsfunktionen sich trennen von dem Grundeigenthum, dessen Attribute sie in der Feudalzeit waren. Indem aber einerseits dem blossen Eigenthümer des Kapitals, dem Geldkapitalisten der fun- girende Kapitalist gegenübertritt, und mit der Entwicklung des Kredits dies Geldkapital selbst einen gesellschaftlichen Charakter annimmt, in Banken koncentrirt und von diesen, nicht mehr von seinen unmittelbaren Eigenthümern ausgeliehen wird; indem andrer- seits aber der blosse Dirigent, der das Kapital unter keinerlei Titel besitzt, weder leihweise noch sonstwie, alle realen Funktionen versieht, die dem fungirenden Kapitalisten als solchem zukommen, bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als überflüssige Person aus dem Produktionsprocess.
Aus den öffentlichen Rechnungsablagen(FN77) der Kooperativfabriken in England sieht man, dass — nach Abzug des Lohns des Diri- genten, der einen Theil des ausgelegten variablen Kapitals bildet, ganz wie der Lohn der übrigen Arbeiter — der Profit grösser war als der Durchschnittsprofit, obgleich sie stellenweise einen viel
höhern Zins zahlten als die Privatfabrikanten. Die Ursache des höhern Profits war in allen diesen Fällen grössere Oekonomie in Anwendung des konstanten Kapitals. Was uns aber dabei inter- ressirt, ist, dass hier der Durchschnittsprofit (= Zins + Unternehmer- gewinn) sich faktisch und handgreiflich als eine vom Verwaltungs- lohn ganz und gar unabhängige Grösse darstellt. Da der Profit hier grösser als der Durchschnittsprofit, war auch der Unternehmer- gewinn grösser als sonst.
Dasselbe Faktum zeigt sich in einigen kapitalistischen Aktien- unternehmungen, z. B. Aktienbanken (Joint Stock Banks). Die London und Westminster Bank zahlte 1863 30 % jährliche Divi- dende, die Union Bank of London und andre 15 %. Vom Brutto- profit geht hier ausser dem Salair der Dirigenten der Zins ab, der für Depositen gezahlt wird. Der hohe Profit erklärt sich hier aus der geringen Proportion des eingezahlten Kapitals zu den Depositen. Z. B. bei der London and Westminster Bank 1863: Eingezahltes Kapital 1000000 £; Depositen 14540275 £. Bei der Union Bank of London 1863: Eingezahltes Kapital 600000 £; Depositen 12384173 £.
Die Verwechslung des Unternehmergewinns mit dem Aufsichts- oder Verwaltungslohn entstand ursprünglich aus der gegensätzlichen Form, die der Ueberschuss des Profits über den Zins im Gegen- gensatz zum Zins annimmt. Sie wurde weiter entwickelt aus der apologetischen Absicht, den Profit nicht als Mehrwerth, d. h. als unbezahlte Arbeit, sondern als Arbeitslohn des Kapitalisten selbst für verrichtete Arbeit darzustellen. Dem stellte sich dann von Seiten der Socialisten die Forderung gegenüber, den Profit faktisch auf das zu reduciren, was er theoretisch zu sein vorgab, nämlich auf blossen Aufsichtslohn. Und diese Forderung trat der theore- tischen Beschönigung um so unangenehmer entgegen, je mehr dieser Aufsichtslohn einerseits sein bestimmtes Niveau und seinen be- stimmten Marktpreis fand, wie aller andre Arbeitslohn, mit der Bildung einer zahlreichen Klasse industrieller und kommerzieller Dirigenten(FN78); und je mehr er andrerseits sank, wie aller Lohn für
geschickte Arbeit, mit der allgemeinen Entwicklung, die die Pro- duktionskosten specifisch geschulter Arbeitskraft herabsetzt.(FN79) Mit der Entwicklung der Kooperation auf Seiten der Arbeiter, der Aktienunternehmungen auf Seiten der Bourgeoisie, wurde auch der letzte Vorwand zur Verwechslung des Unternehmergewinns mit dem Verwaltungslohn unter den Füssen weggezogen, und erschien der Profit auch praktisch als was er theoretisch unleugbar war, als blosser Mehrwerth, Werth für den kein Aequivalent gezahlt ist, realisirte unbezahlte Arbeit; sodass der fungirende Kapitalist die Arbeit wirklich exploitirt, und die Frucht seiner Exploitation, wenn er mit geborgtem Kapital arbeitet, sich theilt in Zins und in Unternehmergewinn, Ueberschuss des Profits über den Zins.
Auf Basis der kapitalistischen Produktion entwickelt sich bei Aktienunternehmungen ein neuer Schwindel mit dem Verwaltungs- lohn, indem neben und über dem wirklichen Dirigenten eine An- zahl Verwaltungs- und Aufsichtsräthe auftritt, bei denen in der That Verwaltung und Aufsicht blosser Vorwand zur Plünderung der Aktionäre und zur Selbstbereicherung wird. Hierüber findet man sehr artige Details in: The City or the Physiology of London Business; with Sketches on ’Change, and the Coffee Houses. London 1845. „Was Bankiers und Kaufleute gewinnen dadurch, dass sie an der Direktion von acht oder neun verschiednen Kompagnien betheiligt sind, mag man aus folgendem Beispiel ersehn: die Privat- bilanz des Herrn Timothy Abraham Curtis, eingereicht beim Ban- krottgericht bei seiner Fallite, zeigte ein Einkommen von 8—900 £ jährlich unter dem Posten: Direktorschaften. Da Herr Curtis Direktor der Bank von England und der Ostindischen Kompagnie gewesen, schätzte jede Aktiengesellschaft sich glücklich ihn zum Direktor gewinnen zu können.“ p. 82. — Die Remuneration der Direktoren solcher Gesellschaften für jede wöchentliche Sitzung ist mindestens eine Guinee (21 Mark). Die Verhandlungen vor dem Bankrottgericht zeigen, dass dieser Aufsichtslohn in der Regel im umgekehrten Verhältniss steht zu der von diesen nominellen Direk- toren wirklich ausgeübten Aufsicht.
Im zinstragenden Kapital erreicht das Kapitalverhältniss seine äusserlichste und fetischartigste Form. Wir haben hier G—G', Geld das mehr Geld erzeugt, sich selbst verwerthenden Werth, ohne den Process, der die beiden Extreme vermittelt. Im Kaufmanns- kapital, G—W—G', ist wenigstens die allgemeine Form der kapitalistischen Bewegung vorhanden, obgleich sie sich nur in der Cirkulationssphäre hält, der Profit daher als blosser Veräusserungs- profit erscheint; aber immerhin stellt er sich dar als ein Produkt eines gesellschaftlichen Verhältnisses, nicht als Produkt eines blossen Dings. Die Form des Kaufmannskapitals stellt immer noch einen Process dar, die Einheit entgegengesetzter Phasen, eine Bewegung, die in zwei entgegengesetzte Vorgänge zerfällt, in Kauf und Verkauf von Waaren. Dies ist ausgelöscht in G—G', der Form des zinstragenden Kapitals. Wenn z. B. 1000 £ vom Ka- pitalisten ausgeliehen werden, und der Zinsfuss ist 5 %, so ist der Werth von 1000 £ als Kapital für 1 Jahr = C + Cz', wo C das Kapital, und z' der Zinsfuss, also hier 5 % = = , 1000 + 1000 × = 1050 £. Der Werth von 1000 £ als Kapital ist = 1050 £, d. h. das Kapital ist keine einfache Grösse. Es ist Grössen- verhältniss, Verhältniss als Hauptsumme, als gegebner Werth, zu sich selbst als sich verwerthendem Werth, als Hauptsumme, die einen Mehrwerth producirt hat. Und wie man gesehn, stellt sich das Kapital als solches dar, als dieser unmittelbar sich ver- werthende Werth, für alle aktiven Kapitalisten, ob sie mit eignem oder geborgtem Kapital fungiren.
G—G': Wir haben hier den ursprünglichen Ausgangspunkt des Kapitals, das Geld in der Formel G—W—G' reducirt auf die beiden Extreme G—G', wo G' = G + ΔG, Geld das mehr Geld schafft. Es ist die ursprüngliche und allgemeine Formel des Ka- pitals, auf ein sinnloses Resumé zusammengezogen. Es ist das fertige Kapital, Einheit von Produktionsprocess und Cirkulations- process, und daher in bestimmter Zeitperiode bestimmten Mehr- werth abwerfend. In der Form des zinstragenden Kapitals er- scheint dies unmittelbar, unvermittelt durch Produktionsprocess und Cirkulationsprocess. Das Kapital erscheint als mysteriöse und selbstschöpferische Quelle des Zinses, seiner eignen Vermehrung.
Das Ding (Geld, Waare, Werth) ist nun als blosses Ding schon Kapital, und das Kapital erscheint als blosses Ding; das Resultat des gesammten Reproduktionsprocesses erscheint als eine, einem Ding von selbst zukommende Eigenschaft; es hängt ab von dem Besitzer des Geldes, d. h. der Waare in ihrer stets austauschbaren Form, ob er es als Geld verausgaben oder als Kapital vermiethen will. Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der sich selbst verwerthende Werth, Geld heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältniss ist vollendet als Verhältniss eines Dings, des Geldes, zu sich selbst. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur ihre inhaltlose Form. Wie bei der Arbeitskraft, wird der Ge- brauchswerth des Geldes hier der, Werth zu schaffen, grössren Werth als der in ihm selbst enthalten ist. Das Geld als solches ist bereits potentiell sich verwerthender Werth, und wird als solcher verliehen, was die Form des Verkaufens für diese eigen- thümliche Waare ist. Es wird ganz so Eigenschaft des Geldes, Werth zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines Birnbaums Birnen zu tragen. Und als solches zinstragendes Ding verkauft der Geldverleiher sein Geld. Damit nicht genug. Das wirklich fungirende Kapital, wie gesehn, stellt sich selbst so dar, dass es den Zins, nicht als fungirendes Kapital, sondern als Kapital an sich, als Geldkapital abwirft.
Es verdreht sich auch dies: Während der Zins nur ein Theil des Profits ist, d. h. des Mehrwerths, den der fungirende Kapitalist dem Arbeiter auspresst, erscheint jetzt umgekehrt der Zins als die eigentliche Frucht des Kapitals, als das Ursprüngliche, und der Profit, nun in die Form des Unternehmergewinns verwandelt, als blosses im Reproduktionsprocess hinzukommendes Accessorium und Zuthat. Hier ist die Fetischgestalt des Kapitals und die Vor- stellung vom Kapitalfetisch fertig. In G—G' haben wir die be- griffslose Form des Kapitals, die Verkehrung und Versachlichung der Produktionsverhältnisse in der höchsten Potenz: Zinstragende Gestalt, die einfache Gestalt des Kapitals, worin es seinem eignen Reproduktionsprocess vorausgesetzt ist; Fähigkeit des Geldes, resp. der Waare, ihren eignen Werth zu verwerthen, unabhängig von der Reproduktion — die Kapitalmystifikation in der grellsten Form.
Für die Vulgärökonomie, die das Kapital als selbständige Quelle des Werths, der Werthschöpfung, darstellen will, ist natürlich diese Form ein gefundnes Fressen, eine Form, worin die Quelle
des Profits nicht mehr erkenntlich, und worin das Resultat des kapitalistischen Produktionsprocesses — getrennt vom Process selbst — ein selbständiges Dasein erhält.
Erst im Geldkapital ist das Kapital zur Waare geworden, deren sich selbst verwerthende Qualität einen fixen Preis hat, der im jedesmaligen Zinsfuss notirt ist.
Als zinstragendes Kapital, und zwar in seiner unmittelbaren Form als zinstragendes Geldkapital (die andren Formen des zins- tragenden Kapitals, die uns hier nichts angehn, sind wieder von dieser Form abgeleitet und unterstellen sie) erhält das Kapital seine reine Fetischform, G—G' als Subjekt, verkaufbares Ding. Erstens durch sein fortwährendes Dasein als Geld, eine Form, worin alle Bestimmtheiten desselben ausgelöscht und seine realen Elemente unsichtbar sind. Geld ist ja grade die Form, worin der Unterschied der Waaren als Gebrauchswerthe ausgelöscht ist, daher auch der Unterschied der industriellen Kapitale, die aus diesen Waaren und ihren Produktionsbedingungen bestehn; es ist die Form, worin Werth — und hier Kapital — als selbständiger Tauschwerth existirt. Im Reproduktionsprocess des Kapitals ist die Geldform eine verschwindende, ein blosses Durchgangsmoment. Auf dem Geldmarkt dagegen existirt das Kapital stets in dieser Form. — Zweitens, der von ihm erzeugte Mehrwerth, hier wieder in der Form des Geldes, erscheint ihm als solchem zukommend. Wie das Wachsen den Bäumen, so scheint das Geldzeugen (τόϰος) dem Kapital in dieser Form als Geldkapital eigen.
Im zinstragenden Kapital ist die Bewegung des Kapitals ins Kurze zusammengezogen; der vermittelnde Process ist weggelassen, und so ist ein Kapital = 1000 fixirt als ein Ding, das an sich = 1100 ist, und in einer gewissen Periode sich in 1100 verwandelt, wie der Wein im Keller nach einer gewissen Zeit auch seinen Gebrauchswerth verbessert. Das Kapital ist jetzt Ding, aber als Ding Kapital. Das Geld hat jetzt Lieb im Leibe. Sobald es ver- liehen ist, oder auch im Reproduktionsprocess angelegt (insofern es dem fungirenden Kapitalisten als seinem Eigenthümer Zins abwirft, getrennt vom Unternehmergewinn) wächst ihm der Zins an, es mag schlafen oder wachen, sich zu Haus oder auf Reisen befinden, bei Tag und bei Nacht. So ist im zinstragenden Geldkapital (und alles Kapital ist seinem Werthausdruck nach Geldkapital, oder gilt jetzt als der Ausdruck des Geldkapitals) der fromme Wunsch des Schatzbildners realisirt.
Es ist dies Eingewachsensein des Zinses in das Geldkapital als
in ein Ding (wie hier die Produktion des Mehrwerths durch das Kapital erscheint), was Luther in seiner naiven Polterei gegen den Wucher so sehr beschäftigt.. Nachdem er entwickelt, dass Zins verlangt werden könne, wenn aus der nicht erfolgten Rückzahlung am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen hat, Unkosten erwachsen, oder wenn ihm ein Profit, den er durch Kaufen, z. B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem Grunde verloren geht, fährt er fort: „Nu ich dir sie (100 Gülden) geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht, dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu beiden Teilen muss Schaden leiden, dass heisst man duplex inter- esse, damni emergentis et lucri cessantis.... nachdem sie gehöret, dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden ge- litten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des ver- säumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass, wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben. .... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Nie- mand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch be- rechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed phantasticum interesse. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber ertreumet.... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst heisst’s, Ex contingente necessarium, aus dem das nicht ist machen das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding machen. Solt’ solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen Jaren.... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln ist’s umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich meren und reich werden, faul und müssig, prassen und prangen von ander Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das nicht?“ (M. Luther, An die Pfarherrn wider den Wucher zu predigen etc. Wittenberg 1540.)
Die Vorstellung vom Kapital als sich selbst reproducirendem und in der Reproduktion vermehrendem Werth, kraft seiner eingebornen Eigenschaft als ewig währender und wachsender Werth — also kraft der verborgnen Qualität der Scholastiker — hat zu den fabel- haften Einfällen des Dr. Price geleitet, die bei weitem die Phan- tasien der Alchymisten hinter sich lassen; Einfällen, an die Pitt ernsthaft glaubte und die er in seinen Gesetzen über den sinking fund zu Säulen seiner Finanzwirthschaft machte.
„Geld das Zinseszinsen trägt, wächst anfangs langsam; da aber die Rate des Wachsthums sich fortwährend beschleunigt, wird sie nach einiger Zeit so rasch, dass sie jeder Einbildung spottet. Ein Penny, ausgeliehen bei der Geburt unsers Erlösers auf Zinseszinsen zu 5 %, würde schon jetzt zu einer grössren Summe herangewachsen sein, als enthalten wäre in 150 Millionen Erden, alle von ge- diegnem Gold. Aber ausgelegt auf einfache Zinsen, würde er in derselben Zeit nur angewachsen sein auf 7 sh. 4½ d. Bis jetzt hat unsre Regierung vorgezogen, ihre Finanzen auf diesem letzteren, statt auf dem ersteren Weg zu verbessern.“(FN80)
Noch höher fliegt er in seinen Observations on reversionary payments etc. London 1782: „1 sh. ausgelegt bei der Geburt unsers Erlösers“ [also wohl im Tempel von Jerusalem] „zu 6 % Zinseszinsen würde angewachsen sein zu einer grössern Summe als das ganze Sonnensystem einbegreifen könnte, wenn in eine
Kugel verwandelt von einem Durchmesser gleich dem der Bahn des Saturn.“ — „Ein Staat braucht desswegen sich nie in Schwierig- keiten zu befinden; denn mit den kleinsten Ersparnissen kann er die grösste Schuld abzahlen in einer so kurzen Zeit wie sein In- teresse erfordern mag.“ (p. 136.) Welche hübsche theoretische Ein- leitung zur englischen Staatsschuld!
Price wurde einfach geblendet durch die Ungeheuerlichkeit der Zahl, die aus geometrischer Progression entsteht. Da er das Ka- pital, ohne Rücksicht auf die Bedingungen der Reproduktion und der Arbeit, als selbstthätigen Automaten betrachtete, als eine blosse sich selbst vermehrende Zahl (ganz wie Malthus den Menschen in seiner geometrischen Progression) konnte er wähnen, das Gesetz seines Wachsthums gefunden zu haben in der Formel s = c(1 + z)n wo s = Summe von Kapital + Zinseszins, c = dem vorgeschossnen Kapital, z = dem Zinsfuss (in aliquoten Theilen von 100 ausge- drückt) und n die Reihe der Jahre worin der Process vorgeht.
Pitt nimmt die Mystifikation des Dr. Price ganz ernst. 1786 hatte das Haus der Gemeinen beschlossen, es solle 1 Million £ erhoben werden für den öffentlichen Nutzen. Nach Price, an den Pitt glaubte, war natürlich nichts besser als das Volk besteuern, um die so erhobne Summe zu „akkumuliren“, und so die Staats- schuld durch das Mysterium des Zinseszinses wegzuhexen. „Jener Resolution des Hauses der Gemeinen folgte bald ein von Pitt ver- anlasstes Gesetz, das die Akkumulation von 250000 £ anordnete, bis dass, mit den verfallnen Leibrenten, der Fonds auf 4000000 £ jährlich angewachsen sei.“ (Act 26, Georg III. Kap. 22.) In seiner Rede von 1792, worin Pitt die dem Tilgungsfonds gewidmete Summe zu vermehren vorschlug, führte er an unter den Ursachen des kommerziellen Uebergewichts Englands: Maschinen, Kredit etc., aber als „die ausgedehnteste und dauerhafteste Ursache die Akku- mulation. Dies Princip sei nun vollständig entwickelt und hin- reichend erklärt in dem Werk Smith’s, dieses Genies … diese Akkumulation der Kapitale bewirke sich, indem man mindestens einen Theil des jährlichen Profits zurücklege um die Hauptsumme zu vermehren, die in derselben Weise im nächsten Jahr zu ver- wenden sei, und so einen kontinuirlichen Profit gebe.“ Vermittelst des Dr. Price verwandelt Pitt so Smiths Akkumulationstheorie in die Bereicherung eines Volks durch Akkumulation von Schulden, und kommt in den angenehmen Progress ins Unendliche der An- leihen, Anleihen um Anleihen zu zahlen.
Wir finden schon bei Josias Child, dem Vater des modernen
Bankierthums, dass 100 £ zu 10 % in 70 Jahren, bei Zins von Zins, 102400 £ produciren würden.“ (Traité sur le commerce etc. par J. Child, traduit etc. Amsterdam et Berlin, 1754, p. 115. Ge- schrieben 1669.)
Wie die Anschauung des Dr. Price bei der modernen Oekonomie gedankenlos unterläuft, zeigt der Economist in folgender Stelle: „Capital, with compound interest on every portion of capital saved, is so all-engrossing that all the wealth in the world from which income is derived, has long ago become the interest of capital … all rent is now the payment of interest on capital previously in- vested in the land.“ (Economist, 19. July 1859.) In seiner Eigen- schaft als zinstragendes Kapital gehört dem Kapital aller Reich- thum, der überhaupt je producirt werden kann, und alles was es bisher erhalten hat, ist nur Abschlagszahlung an seinen all-engros- sing Appetit. Nach seinen eingebornen Gesetzen gehört ihm alle Surplusarbeit, die das Menschengeschlecht je liefern kann. Moloch.
Schliesslich noch folgender Galimathias des „romantischen“ Müller: „Des Dr. Price ungeheurer Anwachs des Zinseszinses, oder der sich selbst beschleunigenden Kräfte der Menschen, setzt, wenn er diese ungeheuren Wirkungen hervorbringen soll, eine ungetheilte oder ungebrochne gleichförmige Ordnung durch mehrere Jahr- hunderte voraus. Sobald das Kapital zertheilt, in mehrere einzelne, in sich fortwachsende Ableger zerschnitten wird, fängt der ge- sammte Process der Akkumulation von Kräften von neuem an. Die Natur hat die Progression der Kraft auf eine Laufbahn von etwa 20 bis 25 Jahren, die im Durchschnitt etwa jedem einzelnen Arbeiter(!) zu Theil werden, vertheilt. Nach Ablauf dieser Zeit verlässt der Arbeiter seine Laufbahn, und muss er nun das durch den Zinseszins der Arbeit gewonnene Kapital einem neuen Arbeiter übertragen, meistentheils es unter mehrere Arbeiter oder Kinder vertheilen. Diese müssen das ihnen zufallende Kapital, ehe sie eigentlichen Zinseszins davon ziehn können, erst beleben und an- wenden lernen. Ferner wird eine ungeheure Menge des Kapitals, das die bürgerliche Gesellschaft gewinnt, auch selbst in den be- wegtesten Gemeinwesen, lange Jahre hindurch allmälig aufgehäuft und nicht zur unmittelbaren Erweiterung der Arbeit verwendet, vielmehr sobald eine namhafte Summe zusammengebracht ist, einem andern Individuum, einem Arbeiter, einer Bank, Staat, unter der Benennung Anleihe übertragen, wo dann der Empfänger, indem er das Kapital in wirkliche Bewegung setzt, aus demselben Zinses- zins zieht, und sich leicht anheischig machen kann, dem Darbringer
einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagirt gegen jene unge- heuren Progressionen, in der sich die Kräfte der Menschen und ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Ver- zehrens, Begehren, Verschwendung.“ (A.Müller, l.c., II., p.147—149.)
Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Un- sinn zusammen zu faseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Ver- wechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Werth der Arbeits- kraft und Zins von Kapital u. s. w., soll die Abnahme des Zinses- zinses u. A. daraus erklärt werden, dass Kapital ausgeliehen wird, wo es dann Zinseszins bringt. Das Verfahren unsers Müller ist für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt besteht aus Alltagsvorurtheilen, abgeschöpft von dem oberfläch- lichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll dann durch eine mystificirende Ausdrucksweise „erhöht“ und poetisirt werden.
Der Akkumulationsprocess des Kapitals kann in sofern als Akku- mulation von Zinseszins aufgefasst werden, als der Theil des Profits (Mehrwerths) der in Kapital rückverwandelt wird, d. h. zur Auf- saugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann. Aber:
1) von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des Reproduktionsprocesses beständig ein grosser Theil des vorhandnen Kapitals mehr oder weniger entwerthet, weil der Werth der Waaren bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ur- sprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Repro- duktion kostet, und diese in Folge der Entwicklung der gesell- schaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines langen Processes der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer ver- hältnissmäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.(FN81)
2) Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate ab im Verhältniss zur steigenden Akkumulation des Kapitals und der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaft- lichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des variablen Kapitaltheils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müsste
die Mehrarbeitszeit sich verzehnfachen, und bald würde die ganze Arbeitszeit, ja die 24 Stunden des Tages dazu nicht hinreichen, selbst wenn ganz vom Kapital angeeignet. Die Vorstellung, dass die Profitrate sich nicht verringert, liegt aber der Price’schen Pro- gression zu Grunde und überhaupt dem „all engrossing capital, with compound interest.“(FN82)
Durch die Identität des Mehrwerths mit der Mehrarbeit ist eine qualitative Grenze für die Akkumulation des Kapitals gesetzt: der Gesammtarbeitstag, die jedesmal vorhandne Entwicklung der Produktivkräfte und der Bevölkerung, welche die Anzahl der gleich- zeitig exploitirbaren Arbeitstage begrenzt. Wird dagegen der Mehr- werth in der begriffslosen Form des Zinses gefasst, so ist die Grenze nur quantitativ und spottet jeder Phantasie.
In dem zinstragenden Kapital ist aber die Vorstellung vom Kapitalfetisch vollendet, die Vorstellung, die dem aufgehäuften Arbeitsprodukt, und noch dazu fixirt als Geld, die Kraft zuschreibt, durch eine eingeborne geheime Qualität, als reiner Automat, in geometrischer Progression Mehrwerth zu erzeugen, sodass dies auf- gehäufte Arbeitsprodukt, wie der Economist meint, allen Reich- thum der Welt für alle Zeiten als ihm von rechtswegen gehörig und zufallend schon längst diskontirt hat. Das Produkt vergangner Arbeit, die vergangne Arbeit selbst, ist hier an und für sich ge- schwängert mit einem Stück gegenwärtiger oder zukünftiger leben- diger Mehrarbeit. Man weiss dagegen, dass in der That die Er- haltung, und insoweit auch die Reproduktion des Werths der Produkte vergangner Arbeit nur das Resultat ihres Kontakts mit der lebendigen Arbeit ist; und zweitens: dass das Kommando der Produkte vergangner Arbeit über lebendige Mehrarbeit grade nur solange dauert, wie das Kapitalverhältniss dauert; das bestimmte sociale Verhältniss, worin die vergangne Arbeit selbständig und übermächtig der lebendigen gegenübertritt.
Die eingehende Analyse des Kreditwesens und der Instrumente, die es sich schafft (Kreditgeld u. s. w.), liegt ausserhalb unsers Planes. Es sind hier nur einige wenige Punkte hervorzuheben, nothwendig zur Charakteristik der kapitalistischen Produktions- weise überhaupt. Wir haben es dabei nur mit dem kommerziellen und Bankier-Kredit zu thun. Der Zusammenhang zwischen dessen Entwicklung und der des öffentlichen Kredits bleibt ausser Betracht.
Ich habe früher (Buch I, Kap. III, 3, b) gezeigt, wie sich aus der einfachen Waarencirkulation die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel und damit ein Verhältniss von Gläubiger und Schuldner unter den Waarenproducenten und Waarenhändlern bildet. Mit der Entwicklung des Handels und der kapitalistischen Pro- duktionsweise, die nur mit Rücksicht auf die Cirkulation produ- cirt, wird diese naturwüchsige Grundlage des Kreditsystems er- weitert, verallgemeinert, ausgearbeitet. Im Grossen und Ganzen fungirt das Geld hier nur als Zahlungsmittel, d. h. die Waare wird verkauft nicht gegen Geld, sondern gegen ein schriftliches Ver- sprechen der Zahlung an einem bestimmten Termin. Diese Zah- lungsversprechen können wir der Kürze halber sämmtlich unter der allgemeinen Kategorie von Wechseln zusammenfassen. Bis zu ihrem Verfall- und Zahlungstage cirkuliren solche Wechsel selbst wieder als Zahlungsmittel; und sie bilden das eigentliche Handels- geld. Soweit sie schliesslich durch Ausgleichung von Forde- rung und Schuld sich aufheben, fungiren sie absolut als Geld, indem dann keine schliessliche Verwandlung in Geld stattfindet. Wie diese wechselseitigen Vorschüsse der Producenten und Kauf- leute unter einander die eigentliche Grundlage des Kredits bilden, so bildet deren Cirkulationsinstrument, der Wechsel, die Basis des eigentlichen Kreditgelds, der Banknoten u. s. w. Diese be- ruhen nicht auf der Geldcirkulation, sei es von metallischem Geld oder von Staatspapiergeld, sondern auf der Wechselcirkulation.
W. Leatham (Bankier in Yorkshire) Letters on the Currency, 2nd edit. London 1840: „Ich finde, dass der Gesammtbetrag der Wechsel für das ganze Jahr 1839 war 528493842 £“ [er nimmt die ausländischen Wechsel auf un- gefähr ⅕ des Ganzen an] „und der Betrag der im selben Jahr gleichzeitig laufenden Wechsel 132123460 £“ (p. 56) „Die Wechsel sind ein Bestand- theil der Cirkulation von grösserm Betrag als alles übrige zusammengenommen.“ (p. 3.) — „Dieser enorme Ueberbau von Wechseln ruht (!) auf der Grundlage gebildet durch den Betrag der Banknoten und des Goldes; und wenn im Lauf der Ereignisse diese Grundlage sich zu sehr verengert, geräth ihre Solidität und selbst ihre Existenz in Gefahr.“ (p. 8.) — „Schätzt man die
ganze Cirkulation“ [er meint die Banknoten] „und den Betrag der Ver- pflichtungen sämmtlicher Banken, wofür sofortige Baarzahlung verlangt werden kann, so finde ich eine Summe von 153 Millionen, deren Verwand- lung in Gold nach dem Gesetz verlangt werden kann, und dagegen 14 Mil- lionen in Gold um diese Forderung zu befriedigen.“ (p. 11.) — „Die Wechsel können nicht unter Kontrolle gestellt werden, es sei denn, dass man den Geldüberfluss und den niedrigen Zinsfuss oder Diskonto verhindert, der einen Theil davon erzeugt und diese grosse und gefährliche Expansion ermuntert. Es ist unmöglich zu entscheiden, wieviel davon von wirklichen Geschäften herrührt, z. B. von wirklichen Käufen und Verkäufen, und welcher Theil künstlich gemacht (fictitious) ist, und nur aus Reitwechseln besteht, d. h. wo ein Wechsel gezogen wird um einen laufenden vor Verfall aufzunehmen, und so durch Herstellung blosser Umlaufsmittel fingirtes Kapital zu kreiren. In Zeiten überflüssigen und wohlfeilen Geldes weiss ich, dass dies bis zu einem enormen Grade geschieht.“ (p. 43,44.) — J. W. Bosanquet, Metallic, Paper, and Credit Currency, London 1842: Der Durchschnittsbetrag der an jedem Geschäftstag im Clearing House [wo die Londoner Bankiers gegen- seitig die eingezahlten Cheques und fälligen Wechsel austauschen] erledigten Zahlungen ist über 3 Millionen £, und der zu diesem Zweck nöthige tägliche Geldvorrath ist wenig mehr als 200000 £ (p. 86). [Im Jahr 1889 betrug der Gesammtumschlag des Clearing House 7618¾ Millionen £ oder bei rund 300 Geschäftstagen durchschnittlich 25½ Millionen täglich. — F. E.] „Wechsel sind unstreitig Cirkulationsmittel (currency), unabhängig von Geld, soweit sie Eigenthum übertragen von Hand zu Hand vermittelst Endossement.“ (p. 92.) „Im Durchschnitt ist anzunehmen, dass jeder cirkulirende Wechsel zwei Endossements trägt, und dass im Durchschnitt jeder Wechsel also zwei Zahlungen erledigt, ehe er verfällt. Hiernach scheint es, dass allein durch Endossement die Wechsel eine Eigenthumsübertragung vermittelten zum Werth von zweimal 528 Millionen oder 1056 Millionen £, mehr als 3 Millionen täglich, im Lauf des Jahres 1839. Es ist daher sicher, dass Wechsel und Depositen zusammen durch Eigenthumsübertragung von Hand zu Hand und ohne Beihülfe von Geld, Geldfunktionen verrichten zu einem täglichen Be- lauf von mindestens 18 Millionen £“ (p. 93.)
Tooke sagt folgendes über Kredit im allgemeinen: „Der Kredit, in seinem einfachsten Ausdruck, ist das wohl oder übel begründete Vertrauen, das jemanden veranlasst einem andern einen gewissen Kapitalbelauf anzuver- trauen, in Geld oder in, auf einen bestimmten Geldwerth abgeschätzten, Waaren, welcher Betrag stets nach Ablauf einer bestimmten Frist zahlbar ist. Wo das Kapital in Geld verliehen wird, d. h. in Banknoten, oder in einem Baarkredit, oder in einer Anweisung auf einen Korrespondenten, wird ein Zuschlag von so und soviel Procent auf den rückzuzahlenden Betrag für den Gebrauch des Kapitals gemacht. Bei Waaren, deren Geldwerth zwischen den Betheiligten festgestellt ist, und deren Uebertragung einen Verkauf aus- macht, schliesst die festgestellte Summe, die gezahlt werden soll, eine Ent- schädigung ein für den Gebrauch des Kapitals und für das bis zur Verfall- zeit übernommene Risiko. Schriftliche Zahlungsverpflichtungen auf bestimmte Verfalltage werden meist für solche Kredite gegeben. Und diese übertragbaren Verpflichtungen oder Promessen bilden das Mittel, womit die Verleiher, wenn sie Gelegenheit für den Gebrauch ihres Kapitals finden, sei es in Form von Geld oder Waaren, vor Verfallzeit dieser Wechsel, meistens im Stande sind wohlfeiler zu borgen oder zu kaufen, indem ihr eigner Kredit durch den des zweiten Namens auf dem Wechsel verstärkt wird.“ (Inquiry into the Cur- rency Principle. p. 87.)
Ch. Coquelin, Du Crédit et des Banques dans l’Industrie. Revue des deux Mondes 1842, tome 31: „In jedem Lande vollzieht sich die Mehrzahl der Kredit- geschäfte im Kreis der industriellen Beziehungen selbst … der Producent
des Rohstoffs schiesst diesen dem verarbeitenden Fabrikanten vor und er- hält von ihm eine Zahlungspromesse auf fixen Verfalltag. Der Fabrikant, nach Ausführung seines Theils der Arbeit, schiesst wiederum und zu ähn- lichen Bedingungen sein Produkt einem andern Fabrikanten vor, der es weiter verarbeiten muss, und so erstreckt sich der Kredit immer weiter, von einem zum andern bis zum Konsumenten. Der Grosshändler macht dem Klein- händler Waarenvorschüsse, während er selbst solche vom Fabrikanten oder vom Kommissionär erhält. Jeder borgt mit der einen Hand und leiht mit der andern, zuweilen Geld, aber weit häufiger Produkte. So vollzieht sich, in den industriellen Beziehungen, ein unaufhörlicher Austausch von Vor- schüssen, die sich kombiniren und in allen Richtungen durchkreuzen. Grade in der Vervielfältigung und dem Wachsthum dieser gegenseitigen Vorschüsse besteht die Entwicklung des Kredits, und hier ist der wahre Sitz seiner Macht.“
Die andre Seite des Kreditwesens schliesst sich an die Ent wicklung des Geldhandels, die natürlich in der kapitalistischen Produktion Schritt hält mit der Entwicklung des Waarenhandels. Wir haben im vorigen Abschnitt (Kapitel XIX) gesehn, wie sich die Aufbewahrung der Reservefonds der Geschäftsleute, die tech- nischen Operationen des Geldeinnehmens und Auszahlens, der inter- nationalen Zahlungen, und damit der Barrenhandel, in den Händen der Geldhändler koncentrirt. Im Anschluss an diesen Geldhandel entwickelt sich die andre Seite des Kreditwesens, die Verwaltung des zinstragenden Kapitals oder des Geldkapitals, als besondre Funktion der Geldhändler. Das Borgen und Verleihen des Geldes wird ihr besondres Geschäft. Sie treten als Vermittler zwischen den wirklichen Verleiher und den Borger von Geldkapital. All- gemein ausgedrückt besteht das Bankiergeschäft nach dieser Seite darin, das verleihbare Geldkapital in seiner Hand zu grossen Massen zu koncentriren, sodass statt des einzelnen Geldverleihers die Bankiers als Repräsentanten aller Geldverleiher den industriellen und kommerciellen Kapitalisten gegenübertreten. Sie werden die allgemeinen Verwalter des Geldkapitals. Andrerseits koncentriren sie, allen Verleihern gegenüber, die Borger, indem sie für die ganze Handelswelt borgen. Eine Bank stellt auf der einen Seite die Centralisation des Geldkapitals, der Verleiher, auf der andern die Centralisation der Borger dar. Ihr Profit besteht im allge- meinen darin, dass sie zu niedrigern Zinsen borgt als sie ausleiht.
Das verleihbare Kapital, worüber die Banken verfügen, fliesst ihnen in mehrfacher Weise zu. Zunächst koncentrirt sich in ihrer Hand, da sie Kassirer der industriellen Kapitalisten sind, das Geld- kapital, das jeder Producent und Kaufmann als Reservefonds hält, oder das ihm als Zahlung zufliesst. Diese Fonds verwandeln sich so in verleihbares Geldkapital. Dadurch wird der Reservefonds der Handelswelt, weil als gemeinschaftlicher koncentrirt, auf das
nöthige Minimum beschränkt, und ein Theil des Geldkapitals, der sonst als Reservefonds schlummern würde, wird ausgeliehen, fungirt als zinstragendes Kapital. Zweitens bildet sich ihr verleihbares Kapital aus den Depositen der Geldkapitalisten, die ihnen das Aus- leihen derselben überlassen. Mit der Entwicklung des Banksystems und namentlich, sobald sie Zins für Depositen zahlen, werden ferner die Geldersparnisse und das augenblicklich unbeschäftigte Geld aller Klassen bei ihnen deponirt. Kleine Summen, jede für sich unfähig als Geldkapital zu wirken, werden zu grossen Massen vereinigt und bilden so eine Geldmacht. Diese Ansammlung kleiner Beträge muss als besondre Wirkung des Banksystems unterschieden werden von seiner Mittlerschaft zwischen den eigentlichen Geld- kapitalisten und den Borgern. Endlich werden auch die Revenuen, die nur allmälig verzehrt werden sollen, bei den Banken deponirt.
Das Verleihen (wir haben es hier nur mit dem eigentlichen Handelskredit zu thun) geschieht durch Diskontiren der Wechsel — Verwandlung derselben in Geld vor ihrer Verfallzeit — und durch Vorschüsse in verschiednen Formen: direkte Vorschüsse auf per- sönlichen Kredit, Lombardvorschüsse auf zinstragende Papiere, Staatseffekten, Aktien aller Art, namentlich aber auch Vorschüsse auf Ladescheine, Dockwarrants und andre beglaubigte Besitztitel auf Waaren, durch Ueberziehung über die Depositen u. s. w.
Der Kredit nun, den der Bankier gibt, kann in verschiednen Formen gegeben werden, z. B. in Wechseln auf andre Banken, Cheques auf solche, Krediteröffnungen derselben Art, endlich, bei Banken mit Notenausgabe, in den eignen Banknoten der Bank. Die Banknote ist nichts als ein Wechsel auf den Bankier, zahlbar jeder Zeit an den Inhaber, und vom Bankier den Privatwechseln substituirt. Die letztere Form des Kredits erscheint dem Laien be- sonders frappant und wichtig, erstens weil diese Art Kreditgeld aus der blossen Handelscirkulation heraus in die allgemeine Cir- kulation tritt, und hier als Geld fungirt; auch weil in den meisten Ländern die Hauptbanken, welche Noten ausgeben, als sonder- barer Mischmasch zwischen Nationalbank und Privatbank in der That den Nationalkredit hinter sich haben und ihre Noten mehr oder minder gesetzliches Zahlungsmittel sind; weil es hier sichtbar wird, dass das, worin der Bankier handelt, der Kredit selbst ist, indem die Banknote nur ein cirkulirendes Kreditzeichen vorstellt. Aber der Bankier handelt auch im Kredit in allen andern Formen, selbst wenn er baar bei ihm deponirtes Geld vorschiesst. In der That bildet die Banknote nur die Münze des Grosshandels und ist
es stets das Depositum, was als Hauptsache bei den Banken ins Gewicht fällt. Den besten Beweis liefern die schottischen Banken.
Die besondren Kreditinstitute, wie die besondren Formen der Banken selbst sind für unsern Zweck nicht weiter zu betrachten.
„Die Bankiers haben ein doppeltes Geschäft … 1) Kapital zu sammeln von denen, die keine unmittelbare Verwendung dafür haben, und es zu ver- theilen und zu übertragen an andre, die es gebrauchen können. 2) Depositen vom Einkommen ihrer Kunden zu empfangen und diesen den Betrag auszu- zahlen, je nachdem sie ihn zu Konsumtionsauslagen brauchen. Das erstere ist Cirkulation von Kapital, das letztere Cirkulation von Geld (currency).“ — „Das eine ist Koncentration des Kapitals auf der einen, und Vertheilung des- selben auf der andern Seite; das andre ist Verwaltung der Cirkulation für die Lokalzwecke der Umgegend.“ — Tooke, Inquiry into the Currency Prin- ciple, p. 36, 37. Wir kommen in Kap. XXVIII auf diese Stelle zurück.
Reports of Committees. Vol. VIII. Commercial Distress. Volume II. Part. I. 1847—48. Minutes of Evidence. — (Weiterhin citirt als: Commercial Distress, 1847—48.) In den vierziger Jahren wurden beim Wechseldiskontiren in London in zahllosen Fällen statt Banknoten, Wechsel von einer Bank auf die andre von 21 Tagen Laufzeit genommen. (Aussage von J. Pease, Provin- zialbankier, No. 4636 und 4656.) Nach demselben Bericht hatten die Ban- kiers die Gewohnheit, sobald Geld knapp wurde, solche Wechsel ihren Kunden regelmäßig in Zahlung zu geben. Wollte der Empfänger Banknoten, so musste er diesen Wechsel wieder diskontiren. Für die Banken kam dies einem Privilegium gleich, Geld zu machen. Die Herren Jones, Loyd and Co., zahlten in dieser Weise „seit unvordenklichen Zeiten“, sobald Geld knapp war und der Zinsfuss über 5 %. Der Kunde war froh, solche Banker’s Bills zu erhalten, weil Wechsel von Jones, Loyd & Co. leichter diskontirbar waren als seine eignen; auch liefen sie oft durch 20—30 Hände. (ibidem No. 901 bis 904. 995.)
Alle diese Formen dienen dazu den Zahlungsanspruch übertragbar zu machen. „Es gibt kaum irgend eine Form, in die der Kredit zu bringen ist, worin er nicht zu Zeiten Geldfunktion zu verrichten hat; ob diese Form eine Banknote, oder ein Wechsel, oder ein Cheque ist, der Process ist wesentlich derselbe und das Resultat ist wesentlich dasselbe.“ — Fullarton, On the Regulation of Currencies, 2d edit. London 1845. p. 38. — „Banknoten sind das Kleingeld des Kredits.“ (p. 51.)
Das Folgende aus J. W. Gilbart, The History and Principles of Banking. London 1834: „Das Kapital einer Bank besteht aus zwei Theilen, dem An- lagekapital (invested capital) und dem Bankkapital (banking capital) das an- geliehen ist. (p. 117.) Das Bankkapital oder geborgte Kapital wird auf drei Wegen erhalten: 1) durch Annahme von Depositen, 2) durch Ausgabe von eignen Banknoten; 3) durch Ziehung von Wechseln. Wenn mir jemand 100 £ umsonst leihen will, und ich leihe diese 100 £ an jemand anders für 4 % Zins aus, so werde ich im Lauf des Jahrs durch dies Geschäft 4 £ gewinnen. Ebenso wenn jemand mein Zahlungsversprechen (I promise to pay ist die gewöhnliche Formel für englische Banknoten) nehmen will und es mir am Ende des Jahres zurückgeben und mir 4 % dafür zahlen, ganz als ob ich ihm 100 £ geliehen hätte, gewinne ich 4 £ durch dies Geschäft; und wiederum, wenn jemand in einer Landstadt mir 100 £ bringt mit der Be- dingung, dass ich 21 Tage später diesen Betrag einer dritten Person in London zahlen soll, wird jeder Zins, den ich in der Zwischenzeit von dem Gelde machen kann, mein Profit sein. Dies ist eine sachgemäße Zusammen- fassung der Operationen einer Bank und des Wegs, wie ein Bankkapital ge- schaffen wird vermittelst Depositen, Banknoten und Wechseln. (p. 117.) Die Profite eines Bankiers stehn im allgemeinen im Verhältniss zum Betrag seines
geborgten oder Bankkapitals. Um den wirklichen Profit einer Bank festzu- stellen, ist der Zins auf das Anlagekapital abzuziehn vom Bruttoprofit. Der Rest ist der Bankprofit. (p. 118.) Die Vorschüsse eines Bankiers an seine Kunden werden gemacht mit dem Geld andrer Leute. (p. 146.) Gerade die Bankiers, die keine Banknoten ausgeben, schaffen ein Bankkapital durch Diskontiren von Wechseln. Sie vermehren ihre Depositen vermittelst ihrer Diskontooperationen. Die Londoner Bankiers diskontiren nur für die- jenigen Häuser, die ein Depositenkonto bei ihnen halten. (p. 119.) Eine Firma, die bei ihrer Bank Wechsel diskontirt, und auf den ganzen Betrag dieser Wechsel Zinsen bezahlt hat, muss wenigstens einen Theil dieses Be- trags in den Händen der Bank lassen ohne Zinsen dafür zu erhalten. Auf diesem Wege erhält der Bankier auf das vorgeschossne Geld einen höhern als den laufenden Zinsfuss und schafft sich ein Bankkapital vermittelst des in seiner Hand verbleibenden Saldos.“ (p. 120.) — Oekonomisirung der Reserve- fonds, Depositen, Cheques: „Die Depositenbanken ökonomisiren vermittelst der Uebertragung der Guthaben den Gebrauch des cirkulirenden Mediums, und erledigen Geschäfte von grossem Betrag mit einer geringen Summe wirk- liches Geldes. Das so freigesetzte Geld wird vom Bankier angewandt in Vorschüssen an seine Kunden vermittelst Diskontos etc. Daher erhöht die Uebertragung der Guthaben die Wirksamkeit des Depositensystems.“ (p. 123.) „Es ist gleichgültig ob die beiden Kunden, die mit einander handeln, ihre Rechnung bei demselben oder bei verschiednen Bankiers halten. Denn die Bankiers tauschen ihre Cheques unter sich aus im Clearing House. Ver- mittelst der Uebertragung könnte so das Depositensystem zu einem solchen Grad ausgedehnt werden, dass es den Gebrauch des Metallgelds ganz ver- drängte. Wenn jeder ein Depositenkonto bei der Bank hielte und alle seine Zahlungen durch Cheques machte, so würden diese Cheques das einzige cir- kulirende Medium. In diesem Falle müsste unterstellt werden, dass die Bankiers das Geld in ihrer Hand hätten, sonst hätten die Cheques keinen Werth.“ (p. 124.) Die Centralisation des Lokalverkehrs in den Händen der Banken wird vermittelt 1) durch Zweigbanken. Die Provinzialbanken haben Zweigetablissements in den kleinern Städten ihres Bereichs; die Londoner Banken in den verschiednen Stadttheilen Londons. 2) Durch Agenturen. „Jede Provincialbank hat einen Agenten in London, um dort ihre Noten oder Wechsel zu zahlen, und Geld zu empfangen, das von Londoner Ein- wohnern eingezahlt wird für Rechnung von Leuten, die in der Provinz wohnen.“ (p. 127.) Jeder Bankier fängt die Noten des andern auf, gibt sie nicht wieder aus. In jeder grössern Stadt kommen sie ein oder zweimal wöchentlich zusammen und tauschen die Noten aus. Der Saldo wird gezahlt durch Anweisung auf London. (p. 134.) „Der Zweck der Banken ist Erleichterung des Geschäfts. Alles was das Geschäft erleichtert, erleichtert auch die Spekulation. Geschäft und Spekulation sind in vielen Fällen so eng verknüpft, dass es schwer ist zu sagen, wo das Geschäft aufhört und wo die Spekulation anfängt… Ueberall wo Banken sind, ist Kapital leichter und wohlfeiler zu erhalten. Die Wohl- feilheit des Kapitals gibt der Spekulation Vorschub, ganz wie die Wohlfeil- heit von Fleisch und Bier der Gefrässigkeit und Trunkenheit Vorschub leistet.“ (p. 137, 138.) „Da die Banken, welche eigne Banknoten ausgeben, stets in diesen Noten zahlen, so kann es scheinen, dass ihr Diskontogeschäft gemacht werde ausschliesslich mit dem hierdurch gemachten Kapital, aber dem ist nicht so. Ein Bankier kann sehr wohl alle von ihm diskontirten Wechsel in seinen eignen Noten zahlen, und dennoch können der in seinem Besitz befindlichen Wechsel wirkliches Kapital repräsentiren. Denn obgleich er selbst für diese Wechsel nur sein eignes Papiergeld gegeben, braucht dies doch nicht in Cirkulation zu bleiben, bis die Wechsel verfallen. Die Wechsel können drei Monate zu laufen haben, die Noten in drei Tagen zurückkommen.“ (p. 172.) Das Ueberziehen der Rechnung durch die Kunden ist geregelte Ge-
schäftssache. Es ist in der That der Zweck, wofür ein Baarkredit garantirt wird … Baarkredite werden garantirt nicht nur durch persönliche Sicher- heit, sondern auch durch Deponirung von Werthpapieren. (p. 174, 175.) Kapital vorgeschossen auf Pfand von Waaren hat dieselbe Wirkung wie wenn vorgeschossen im Diskontiren von Wechseln. Wenn jemand 100 £ auf Sicherheit seiner Waaren borgt, so ist es dasselbe, als hätte er sie für einen Wechsel von 100 £ verkauft und diesen beim Bankier diskontirt. Der Vor- schuss aber befähigt ihn seine Waaren für einen bessern Marktstand hinzu- halten und Opfer zu vermeiden, die er sonst hätte machen müssen, um Geld für dringende Zwecke zu erhalten.“ (p. 180, 181.)
7) The Currency Question Reviewed etc., p. 62. 63: „Es ist unstreitig wahr, dass die 1000 £, die ich heute bei A deponire, morgen wieder aus- gegeben werden und ein Depositum bei B bilden. Uebermorgen mögen sie, von B wieder ausgegeben, ein Depositum bei C bilden, und so fort ins Un- endliche. Dieselben 1000 £ Geld können sich also, durch eine Reihe von Uebertragungen, zu einer absolut unbestimmbaren Summe von Depositen ver- vielfältigen. Es ist daher möglich, dass neun Zehntel aller Depositen in England gar keine Existenz haben ausser in den Buchungs- posten in den Büchern der Bankiers, die jeder für seinen Theil dafür einstehn … So in Schottland, wo das umlaufende Geld“ [obendrein fast nur Papiergeld!] „nie über 3 Millionen £, die Depositen 27 Millionen. So lange nun nicht eine allgemeine, plötzliche Rückforderung der Depositen (a run on the banks) eintritt, so können dieselben 1000 £, rückwärts reisend, mit derselben Leichtigkeit eine ebenso unbestimmbare Summe ausgleichen. Da dieselben 1000 £, womit ich heute meine Schuld an einen Geschäftsmann ausgleiche, morgen dessen Schuld an einen andern Kaufmann ausgleichen können, und übermorgen dessen Ausgleichung an die Bank, und so ins Un- endliche; so können dieselben 1000 £ von Hand zu Hand und von Bank zu Bank gehn, und jede denkbare Summe von Depositen ausgleichen.“
[Wir haben gesehn, dass Gilbart schon 1834 wusste: „alles was das Geschäft erleichtert, erleichtert auch die Spekulation, beide sind in vielen Fällen so eng verknüpft, dass es schwer ist, zu sagen, wo das Geschäft aufhört und wo die Spekulation anfängt.“ Je grösser die Leichtigkeit, womit Vorschüsse auf unverkaufte Waaren zu er- langen sind, desto mehr solcher Vorschüsse werden aufgenommen, desto grösser ist die Versuchung Waaren zu fabriziren oder schon fabricirte auf entfernte Märkte zu schleudern, nur um zunächst Geldvorschüsse darauf zu erhalten. Wie die gesammte Geschäfts- welt eines Landes von solchem Schwindel ergriffen werden kann, und wie das dann endet, davon gibt uns die englische Handels- geschichte von 1845—1847 ein schlagendes Beispiel. Hier sehn wir, was der Kredit leisten kann. Zur Erläuterung der folgenden Beispiele vorher nur einige kurze Bemerkungen.
Ende 1842 begann der Druck zu weichen, der seit 1837 fast ununterbrochen auf der englischen Industrie gelastet hatte. In den beiden folgenden Jahren steigerte sich die Nachfrage des Aus- landes nach englischen Industrieprodukten noch mehr; 1845—46 bezeichnete die Periode der höchsten Prosperität. 1843 hatte der Opiumkrieg dem englischen Handel China geöffnet. Der neue
Markt bot einen neuen Vorwand zu der, bereits in vollem Schwung begriffnen Ausdehnung, namentlich der Baumwollindustrie. „Wie können wir je zuviel produciren? Wir haben 300 Millionen Menschen zu kleiden“ — sagte dem Schreiber dieses damals ein Fabrikant in Manchester. Aber alle die neuerrichteten Fabrik- gebäude, Dampf- und Spinnmaschinen und Webstühle waren nicht hinreichend, den massenweise hereinströmenden Mehrwerth von Lanca- shire zu absorbiren. Mit derselben Leidenschaft, womit man die Produktion steigerte, warf man sich auf den Bau von Eisenbahnen; hier fand das Spekulationsgelüst der Fabrikanten und Kaufleute zuerst Befriedigung, und zwar schon seit Sommer 1844. Man zeichnete Aktien so viel man konnte, d. h. soweit das Geld zur Deckung der ersten Einzahlungen reichte; für das weitere wird sich schon Rath finden! Als dann die weiteren Einzahlungen kamen, — nach Frage 1059, C. D. 1848/57, betrug das 1846/47 in Eisenbahnen angelegte Kapital an 75 Millionen £ — musste der Kredit in Anspruch genommen werden, und das eigentliche Geschäft der Firma musste meist auch noch bluten.
Und dies eigentliche Geschäft war in den meisten Fällen auch schon überlastet. Die lockenden hohen Profite hatten zu weit ausgedehnteren Operationen verleitet, als die disponiblen flüssigen Mittel rechtfertigten. Aber der Kredit war ja da, leicht erlangbar und wohlfeil obendrein. Der Bankdiskonto stand niedrig: 1844 1¾—2¾ %, 1845 bis Oktober unter 3 %, dann eine kurze Zeit steigend bis 5 % (Febr. 1846), dann wieder fallend bis auf 3¼ % im Decbr. 1846. Die Bank hatte in ihren Kellern einen Gold- vorrath von unerhörtem Betrag. Alle inländischen Börsenwerthe standen so hoch wie nie vorher. Warum also die schöne Ge- legenheit vorbeigehn lassen, warum nicht flott ins Geschirr gehn? Warum nicht den nach englischen Fabrikaten schmachtenden fremden Märkten alle Waaren zuschicken, die man nur fabriciren konnte? Und warum sollte nicht der Fabrikant selbst den doppelten Gewinn einheimsen, der aus dem Verkauf des Garns und Gewebes im fernen Osten, und aus dem Verkauf der dafür erhaltenen Rück- fracht in England erwuchs?
So entstand das System der massenhaften Konsignationen, gegen Vorschuss, nach Indien und China, das sehr bald sich fortent- wickelte zu einem System von Konsignationen, bloss um des Vor- schusses willen, wie es in den nachfolgenden Noten im Einzelnen geschildert ist, und wie es mit Nothwendigkeit enden musste in massenhafter Ueberführung der Märkte und im Krach.
Dieser Krach kam zum Ausbruch in Folge der Missernte von 1846. England und besonders Irland bedurften enormer Zufuhren von Lebensmitteln, namentlich Korn und Kartoffeln. Aber die Länder, die diese lieferten, konnten nur zum allergeringsten Theil in englischen Industrieprodukten dafür bezahlt werden; man musste Edelmetall in Zahlung geben; Gold für mindestens 9 Millionen ging ins Ausland. Von diesem Gold kamen volle 7½ Millionen aus dem Baarschatz der Bank von England, deren Bewegungsfreiheit auf dem Geldmarkt dadurch empfindlich gelähmt wurde; die übrigen Banken, deren Reserven bei der Bank von England liegen, thatsächlich mit der Reserve dieser Bank identisch sind, mussten nun ebenfalls ihre Geldakkommodation einschränken; der rasch und leicht dahinströmende Fluss der Zahlungen gerieth ins Stocken, erst hier und da, dann allgemein. Der Bankdiskonto, im Januar 1847 noch 3—3½ %, stieg im April, wo die erste Panik losbrach, auf 7 %; dann kam, im Sommer, nochmals eine vorübergehende kleine Erleichterung (6,5, 6 %), als aber auch die neue Ernte miss- rieth, brach die Panik aufs neue und heftiger los. Der offizielle Minimal-Diskonto der Bank stieg im Oktober auf 7, im November auf 10 %, d. h. die weitaus grösste Mehrzahl der Wechsel wurde nur gegen kolossale Wucherzinsen, oder überhaupt nicht mehr diskontirbar; die allgemeine Zahlungsstockung brachte eine Reihe der ersten Häuser und viele, viele mittlere und kleine zum Bankrott; die Bank selbst war in Gefahr, in Folge der ihr durch den pfiffigen Bankakt von 1844 auferlegten Beschränkungen falliren zu müssen — da suspendirte, auf allgemeines Andringen, die Regierung am 25. Oktober den Bankakt und entfernte damit die der Bank auferlegten absurden gesetzlichen Fesseln. Nun konnte sie ihren Notenschatz ungehindert in Cirkulation setzen; da der Kredit dieser Banknoten thatsächlich durch den Kredit der Nation garantirt, also unerschüttert war, trat damit sofort die entscheidende Erleichterung der Geldklemme ein; natürlich fallirten noch eine Menge grosser und kleiner, hoffnungslos festgerittner Firmen, aber der Höhepunkt der Krise war überwunden, der Bank-Diskonto fiel im September wieder auf 5 %, und schon im Laufe von 1848 be- reitete sich jene erneuerte Geschäftsthätigkeit vor, die den revo- lutionären Bewegungen des Kontinents im Jahre 1849 die Spitze abbrach, und die in den fünfziger Jahren zuerst eine bis dahin unerhörte industrielle Prosperität herbeiführte, dann aber auch — den Krach von 1857. — F. E.]
I. Ueber die kolossale Entwerthung von Staatspapieren und Aktien
während der Krise 1847 gibt ein vom House of Lords 1848 herausgegebnes Aktenstück Aufschluss. Danach betrug der Werthfall am 23. Oktober 1847 verglichen mit dem Stand vom Februar desselben Jahres:
Auf | englische Staatspapiere . . | £ | 93824217 |
〃 | Dock- und Kanalaktien . . | 〃 | 1358288 |
〃 | Eisenbahnaktien . . . . . | 〃 | 19579820 |
Zusammen: | £ | 114762325 |
II. Ueber den Schwindel im ostindischen Geschäft, wo man nicht mehr Wechsel zog, weil Waare gekauft worden war, sondern Waaren kaufte, um diskontirbare, in Geld umsetzbare Wechsel ziehen zu können, heisst es im Manchester Guardian vom 24. Novbr. 1848:
A in London lässt durch B beim Fabrikanten C in Manchester Waaren zur Verschiffung an D in Ostindien kaufen. B zahlt C in Sechsmonats- Wechseln, gezogen von C auf B. Er deckt sich ebenfalls durch Sechs- monats-Wechsel auf A. Sobald die Waare verschifft, zieht A, gegen den eingesandten Ladeschein, ebenfalls Sechsmonats-Wechsel auf D. „Käufer und Versender sind also beide im Besitz von Fonds, viele Monate ehe sie die Waaren wirklich bezahlen; und sehr gewöhnlich wurden diese Wechsel bei Verfall erneuert unter dem Vorwand, Zeit für den Rückfluss zu geben bei einem so langathmigen Geschäft. Leider aber führten Verluste in einem solchen Geschäft nicht zu seiner Einschränkung, sondern gradezu zu seiner Ausdehnung. Je ärmer die Betheiligten wurden, desto grösser ihr Bedürfniss zu kaufen, um dadurch in neuen Vorschüssen Ersatz für das in den vorigen Spekulationen verlorne Kapital zu finden. Die Einkäufe wurden nun nicht mehr regulirt durch Nachfrage und Zufuhr, sie wurden der wichtigste Theil der Finanzoperationen einer festgerittnen Firma. Aber das ist nur die eine Seite. Wie mit dem Export von Manufakturwaaren hier, so ging es mit dem Einkauf und Verschiffen von Produkten drüben. Häuser in Indien, die Kredit genug hatten, ihre Wechsel diskontirt zu bekommen, kauften Zucker, Indigo, Seide oder Baumwolle — nicht weil die Einkaufspreise, gegen die letzten Londoner Preise, einen Profit versprachen, sondern weil frühere Tratten auf das Londoner Haus bald fällig wurden und gedeckt werden mussten. Was war einfacher, als eine Ladung Zucker zu kaufen, sie in Zehnmonats-Wechseln auf das Londoner Haus zu bezahlen und die Lade- scheine mit der Ueberlandpost nach London zu schicken? Weniger als zwei Monate nachher waren die Ladescheine dieser kaum verschifften Waaren, und damit die Waaren selbst, in Lombard Street verpfändet, und das Londoner Haus kam zu Geld, acht Monate vor Verfall der dagegen ge- zognen Wechsel. Und alles das ging flott, ohne Unterbrechung oder Schwierigkeit, solange die Diskonthäuser Geld im Ueberfluss fanden, um es auf Ladescheine und Dockwarrants vorzuschiessen, und bis zu unbegrenzten Beträgen die Wechsel indischer Häuser auf „feine“ Firmen in Mincing Lane zu diskontiren.“
[Diese Schwindelprocedur blieb im Schwang, solange die Waaren von und nach Indien das Kap umsegeln mussten. Seitdem sie durch den Suezkanal gehn, und zwar mit Dampfschiffen, ist dieser Methode, fiktives Kapital zu fabriciren, die Grundlage entzogen: die lange Reisezeit der Waaren. Und seitdem der Telegraph den Stand des indischen Markts dem englischen Ge- schäftsmann und den Stand des englischen Marktes dem indischen Händler noch am selben Tag bekannt gab, wurde diese Methode vollends un- möglich. — F. E.]
III. Das Folgende ist aus dem schon citirten Bericht Commercial Distress, 1847—48: „In der letzten Aprilwoche 1847 zeigte die Bank von England der Royal Bank of Liverpool an, dass sie von nun an ihr Diskontogeschäft mit der letztren auf die Hälfte des Betrags herabsetzen werde. Diese Mit- theilung wirkte sehr schlimm, weil die Zahlungen in Liverpool letzthin weit
mehr in Wechseln als in Baar erfolgten; und weil die Kaufleute, die der Bank gewöhnlich viel baares Geld brachten, um damit ihre Accepte zu zahlen, in der letzten Zeit nur Wechsel bringen konnten, die sie selbst für ihre Baumwolle und andre Produkte erhalten hatten. Dies hatte stark zu- genommen und damit die Geschäftsschwierigkeit. Die Accepte, die die Bank für die Kaufleute zu zahlen hatte, waren meistens auswärts gezogen, und waren bisher meist ausgeglichen worden durch die für die Produkte erhaltne Zahlung. Die Wechsel, die die Kaufleute jetzt brachten, statt des frühern Baargelds, waren Wechsel von verschiedner Laufzeit und verschiedner Art, eine beträchtliche Zahl Bankwechsel auf drei Monat dato, die grosse Masse waren Wechsel gegen Baumwolle. Diese Wechsel waren acceptirt, wenn Bankwechsel, durch Londoner Bankiers, sonst aber durch Kaufleute aller Art, im brasilischen, amerikanischen, kanadischen, westindischen u.s.w. Geschäft.... Die Kaufleute zogen nicht aufeinander, sondern die Kunden im Inlande, die Produkte in Liverpool gekauft hatten, deckten sie in Wechseln auf Londoner Banken, oder in Wechseln auf sonstige Häuser in London, oder in Wechseln auf irgend jemand. Die Ankündigung der Bank von England verursachte, dass für Wechsel gegen verkaufte fremde Produkte die Laufzeit abgekürzt wurde, die sonst häufig über drei Monate war.“ (p. 26, 27.)
Die Prosperitätsperiode 1844—47 in England war, wie oben geschildert, verknüpft mit dem ersten grossen Eisenbahnschwindel. Ueber dessen Wir- kung auf das Geschäft im allgemeinen hat der angeführte Bericht Folgendes: „Im April 1847 hatten fast alle kaufmännischen Häuser angefangen, ihr Geschäft mehr oder weniger auszuhungern (to starve their business), durch Anlage eines Theils ihres Handelskapitals in Eisenbahnen (p. 41). — Es wurden auch Anleihen zu hohem Zinsfuss, z. B. 8 %, aufgenommen auf Eisenbahnaktien bei Privatleuten, Bankiers und Assekuranzgesellschaften- (p. 66.) Diese so grossen Vorschüsse dieser Geschäftshäuser an die Eisen. bahnen veranlassten sie wiederum, bei den Banken zuviel Kapital ver- mittelst Wechseldiskontos aufzunehmen, um damit ihr eignes Geschäft fort- zuführen. (p. 67.) — (Frage:) Würden Sie sagen, dass die Einzahlungen auf Eisenbahnaktien viel beitrugen zu dem Druck, der“ [auf dem Geldmarkt] „im April und Oktober [1847] herrschte?“ (Antwort:) „Ich glaube, dass sie kaum irgend etwas beitrugen zu dem Druck im April. Nach meiner An- sicht hatten sie bis in den April, und vielleicht bis in den Sommer hinein, die Bankiers eher gestärkt als geschwächt. Denn die wirkliche Verwendung des Geldes erfolgte durchaus nicht ebenso rasch wie die Einzahlungen; in Folge davon hatten die meisten Banken im Anfang des Jahrs einen ziem- lich grossen Betrag von Eisenbahnfonds in ihrer Hand.“ [Dies wird bestätigt durch zahlreiche Aussagen von Bankiers im C. D. 1848/57.] „Dieser schmolz im Sommer allmälig zusammen und war am 31. December wesentlich ge- ringer. Eine Ursache des Drucks im Oktober war die allmälige Abnahme der Eisenbahnfonds in den Händen der Banken; zwischen dem 22. April und dem 31. December verminderten sich die Eisenbahnsaldos in unsrer Hand um eindrittel. Diese Wirkung hatten die Eisenbahn-Einzahlungen in ganz Grossbritannien; sie haben nach und nach die Depositen der Banken ab- gezapft.“ (p. 43, 44.) — So sagt auch Samuel Gurney (Chef der berüch- tigten Firma Overend Gurney & Co.): „1846 war bedeutend grössre Nach- frage nach Kapital für Eisenbahnen, hob aber nicht den Zinsfuss. Es fand eine Kondensation kleinerer Summen zu grössern Massen statt, und diese grossen Massen wurden in unserm Markt verbraucht; sodass im ganzen die Wirkung die war, mehr Geld auf den Geldmarkt der City zu werfen, nicht so sehr es herauszunehmen.“
A. Hodgson, Direktor der Liverpool Joint Stock Bank zeigt, wie sehr Wechsel die Reserve für Bankiers bilden können: „Es war unsre Gewohnheit
mindestens aller unsrer Depositen und alles Geld, das wir von andren Personen erhielten, in unserm Portefeuille zu halten in Wechseln, die von Tag zu Tag verfallen … so sehr, dass während der Zeit der Krise der Er- trag der täglich verfallenden Wechsel fast dem Betrag der täglich an uns gemachten Zahlungsforderungen gleichkam.“ (p. 53.)
Spekulationswechsel. — No. 5092. „Von wem waren die Wechsel (gegen verkaufte Baumwolle) hauptsächlich acceptirt?“ — [R. Gardner, der in diesem Werk mehr genannte Baumwollfabrikant:] „Von Waarenmaklern; ein Händler kauft Baumwolle, übergibt sie einem Makler, zieht auf diesen Makler, und lässt die Wechsel diskontiren. — No. 5094. Und diese Wechsel gehn zu den Liverpooler Banken und werden dort diskontirt? — Jawohl und auch sonst wo … Hätte nicht diese Akkommodation bestanden, die hauptsächlich von Liverpooler Banken bewilligt wurde, so wäre nach meiner Ansicht Baumwolle im vorigen Jahr um 1½ d oder 2 d per Pfund wohl- feiler gewesen.“ — „No. 600. Sie sagten, eine ungeheure Anzahl Wechsel hätten cirkulirt, gezogen von Spekulanten auf Baumwollmakler in Liverpool; gilt dasselbe von Ihren Vorschüssen auf Wechsel gegen andre Kolonialpro- dukte ausser Baumwolle?“ — [A. Hodgson, Bankier in Liverpool:] „Es be- zieht sich auf alle Arten Kolonialprodukte, aber ganz besonders auf Baum- wolle. — No. 601. Suchen Sie als Bankier sich diese Art Wechsel fern zu halten? — Keineswegs; wir betrachten sie als ganz rechtmäßige Wechsel, wenn in mäßiger Menge gehalten … Diese Art Wechsel werden oft ver- längert.“
Schwindel im ostindisch-chinesischen Markt 1847. — Charles Turner (Chef einer der ersten ostindischen Firmen in Liverpool): „Wir alle kennen die Vorfälle, die in Beziehung auf das Geschäft nach Mauritius und in ähnlichen Geschäften stattgefunden haben. Die Makler waren gewohnt, Vorschüsse zu machen auf Waaren, nicht nur nach ihrer Ankunft, zur Deckung der gegen diese Waaren gezognen Wechsel, was vollständig in der Ordnung ist, und Vorschüsse auf Ladescheine … sondern sie haben Vor- schüsse gemacht auf das Produkt, ehe es verschifft, und in einigen Fällen ehe es fabrizirt war. Ich z. B. hatte in einem Specialfall in Kalkutta Wechsel gekauft für 6—7000 £; der Erlös für diese Wechsel ging nach Mauritius um dort Zucker pflanzen zu helfen; die Wechsel kamen nach Eng- land, und über die Hälfte davon wurden protestirt; dann, als die Ver- schiffungen von Zucker endlich ankamen, aus denen diese Wechsel bezahlt werden sollten, da fand sich, dass dieser Zucker bereits an dritte Personen verpfändet war, ehe er verschifft, ja in der That fast schon ehe er gesotten war. (p. 78.) Die Waaren für den ostindischen Markt müssen jetzt dem Fabrikanten baar bezahlt werden; aber das hat nicht viel zu sagen, denn wenn der Käufer einigen Kredit in London hat, so zieht er auf London und diskontirt den Wechsel in London, wo der Diskonto jetzt niedrig steht; er bezahlt den Fabrikanten mit dem so erhaltnen Geld … es dauert mindestens zwölf Monate, bis ein Verschiffer von Waaren nach Indien seine Retouren von dort bekommen kann; … ein Mann mit 10 oder 15000 £, der in’s indische Geschäft geht, würde sich einen Kredit zu einer beträchtlichen Summe bei einem Londoner Hause ausmachen; diesem Hause würde er 1 % geben und auf es ziehn, gegen die Bedingung, dass der Erlös der nach Indien gesandten Waaren an dies Londoner Haus geschickt wird; wobei aber beide Theile stillschweigend einverstanden sind, dass das Londoner Haus keinen wirklichen Baarvorschuss zu leisten hat; d. h. die Wechsel werden prolongirt bis die Retouren ankommen. Die Wechsel wurden diskontirt in Liverpool, Manchester, London, manche von ihnen sind im Besitz von schottischen Banken. (p. 79.) — No. 730. Da ist ein Haus, das neulich in London fallirte; bei Prüfung der Bücher entdeckte man Folgendes: Hier ist eine Firma in Manchester, und eine andre in Kalkutta; sie eröffneten einen Kredit bei dem
Londoner Haus für 200000 £; d. h. die Geschäftsfreunde dieser Manchester- Firma, die dem Hause in Kalkutta von Glasgow und Manchester Waaren auf Konsignation schickten, trassirten auf das Londoner Haus bis zum Betrage von 200000 £; gleichzeitig war die Verabredung, dass das Kalkutta-Haus auf das Londoner Haus auch 200000 £ zieht; diese Wechsel wurden in Kalkutta verkauft, mit dem Ertrag andre Wechsel gekauft, und diese wurden nach London geschickt, um das dortige Haus zu befähigen die ersten von Glasgow oder Manchester gezognen Wechsel zu bezahlen. So wurden durch dieses eine Geschäft Wechsel für 600000 £ in die Welt gesetzt. — No. 971. Gegenwärtig, wenn ein Haus in Kalkutta eine Schiffsladung kauft“ [für Eng- land] „und sie mit ihren eignen Tratten auf ihren Londoner Korrespondenten bezahlt, und die Ladescheine hierher gesandt werden, so werden diese Lade- scheine sofort für sie benutzbar zur Erhebung von Vorschüssen in Lombard Street; also haben sie acht Monate Zeit, worin sie das Geld benutzen können ehe ihre Korrespondenten die Wechsel zu zahlen haben.“ —
IV. Im Jahr 1848 sass ein geheimer Ausschuss des Oberhauses zur Unter- suchung der Ursachen der Krise von 1847. Die von diesem Ausschuss abge- legten Zeugenaussagen wurden jedoch erst 1857 veröffentlicht (Minutes of Evidence, taken before the Secret Committee of the H. of L. appointed to inquire into the Causes of Distress etc. 1857; citirt als: C. D. 1848|57. Hier sagte Herr Lister, Dirigent der Union Bank of Liverpool unter andrem aus:
„2444. Es bestand, Frühjahr 1847, eine ungehörige Ausdehnung des Kredits … weil Geschäftsleute ihr Kapital vom Geschäft auf Eisenbahnen übertrugen, und doch das Geschäft in der alten Ausdehnung fortführen wollten. Jeder glaubte wahrscheinlich zuerst, er könne die Eisenbahnaktien mit Profit verkaufen, und so das Geld im Geschäft ersetzen. Er fand vielleicht, dass das nicht möglich war, und nahm so Kredit in seinem Geschäft, wo er früher baar bezahlt hatte. Hieraus entsprang eine Kreditausdehnung.
„2500. Diese Wechsel, worauf die Banken, die sie übernommen hatten, Verluste erlitten, waren dies Wechsel hauptsächlich gegen Korn oder gegen Baumwolle? … Es waren Wechsel gegen Produkte aller Art, Korn, Baum- wolle und Zucker, und Produkte aller Art. Es gab damals fast nichts, Oel vielleicht ausgenommen, das nicht im Preise fiel. — 2506. Ein Makler der einen Wechsel acceptirt, acceptirt ihn nicht ohne hinreichend gedeckt zu sein, auch gegen einen Preisfall der Waare, die als Deckung dient.
„2512. Gegen Produkte werden zweierlei Wechsel gezogen. Zur ersten Art gehört der ursprüngliche Wechsel, der von drüben auf den Importeur gezogen wird.... Die Wechsel, die so gegen Produkte gezogen werden. verfallen häufig, ehe die Produkte ankommen. Der Kaufmann muss deshalb, wenn die Waare ankommt und er nicht hinreichendes Kapital hat, sie beim Makler verpfänden, bis er sie verkaufen kann. Dann wird sofort ein Wechsel der andern Art vom Liverpooler Kaufmann auf den Makler gezogen, auf Sicherheit jener Waare.... es wird dann die Sache des Bankiers, sich beim Makler zu vergewissern, ob er die Waare hat, und wie weit er darauf vor- geschossen hat. Er muss sich überzeugen, dass der Makler Deckung hat, um sich im Fall eines Verlusts zu erholen.
„2516. Wir bekommen auch Wechsel vom Ausland.... Jemand kauft drüben einen Wechsel auf England, und schickt ihn an ein Haus in Eng- land; wir können dem Wechsel nicht ansehn, ob er verständig oder unver- ständig gezogen ist, ob er Produkte oder Wind repräsentirt.
„2533. Sie sagten, dass auswärtige Produkte fast aller Art mit grossem Verlust verkauft wurden. Glauben Sie, dass das der Fall war in Folge un- gerechtfertigter Spekulation in diesen Produkten? — Es entsprang aus einer sehr grossen Einfuhr, während keine entsprechende Konsumtion be- stand, um sie wegzuführen. Nach allem Anschein fiel die Konsumtion sehr bedeutend. — 2537. Im Oktober.... waren Produkte fast unverkäuflich.“
Wie auf der Höhe des Krachs sich ein allgemeines sauve qui peut ent- wickelt, darüber spricht sich im selben Bericht ein Kenner ersten Ranges aus, der würdige geriebene Quäker Samuel Gurney von Overend Gurney & Co.: „1262. Wenn eine Panik herrscht, so fragt ein Geschäftsmann sich nicht, wie hoch er seine Banknoten anlegen kann, oder ob er 1 oder 2 % beim Verkauf seiner Schatzscheine oder Dreiprozentigen verlieren wird. Ist er einmal unter dem Einfluss des Schreckens, so liegt ihm nichts an Gewinn oder Verlust; er bringt sich selbst in Sicherheit, die übrige Welt mag thun was sie will.
V. Ueber die wechselseitige Ueberführung zweier Märkte sagt Herr Alexander, Kaufmann im ostindischen Geschäft, vor dem Unterhaus-Aus- schuss über die Bankakte 1857 (citirt als B. C. 1857): „4330. Augenblick- lich, wenn ich in Manchester 6 Schill. auslege, bekomme ich 5 Schill. in Indien zurück; wenn ich 6 Schill. in Indien auslege, bekomme ich 5 Schill. in London zurück.“ Sodass also der indische Markt durch England, und der englische durch Indien gleichmäßig überführt worden ist. Und zwar war dies der Fall im Sommer 1857, kaum zehn Jahre nach der bittern Er- fahrung von 1847!
„In England findet eine beständige Akkumulation von zuschüssigem Reichthum statt, die die Tendenz hat schliesslich Geldform anzunehmen. Nach dem Wunsch Geld zu erwerben, ist aber der nächst dring- liche Wunsch der, sich seiner wieder zu entledigen durch irgend eine Art Anlage, die Zins oder Profit bringt; denn Geld als Geld bringt nichts ein. Wenn daher nicht, gleichzeitig mit diesem steten Zufluss von überschüssigem Kapital, eine allmälige und hinreichende Ausdehnung des Beschäftigungsfeldes dafür stattfindet, so müssen wir periodischen Akkumulationen von Anlage suchendem Geld aus- gesetzt sein, die je nach den Umständen von grössrer oder geringrer Bedeutung sind. Für eine lange Reihe von Jahren war die Staats- schuld das grosse Aufsaugemittel des überschüssigen Reichthums von England. Seitdem sie mit 1816 ihr Maximum erreicht hat und nicht länger aufsaugend wirkt, fand sich jedes Jahr eine Summe von mindestens 27 Millionen, die andre Anlagegelegenheit suchte. Zudem fanden verschiedne Kapitalrückzahlungen statt … Unternehmungen, die zu ihrer Ausführung grosses Kapital bedürfen und von Zeit zu Zeit den Ueberschuss von unbeschäftigtem Kapital ableiten … sind wenigstens in unserm Lande absolut nothwendig, um die periodischen Anhäufungen des überschüssigen Reichthums der Gesellschaft abzuführen, die in den gewöhnlichen Anlagezweigen keinen Raum finden können.“ (The Currency Question Reviewed, London 1845, p. 32.) Vom Jahre 1845 heisst es ebendaselbst
„Innerhalb einer sehr kurzen Periode sind die Preise vom nied- rigsten Punkt der Depression emporgeschnellt … die dreiprocentige Staatsschuld steht fast pari … das Gold in den Kellern der Bank von England überragt jeden früher dort aufgespeicherten Betrag. Aktien aller Art stehn auf Preisen, die fast in jedem Fall uner- hört sind, und der Zinsfuss ist so gesunken, dass er fast nominell ist … Alles Beweise, dass jetzt wieder einmal eine schwere Akku- mulation von unbeschäftigtem Reichthum in England vorhanden ist, dass wieder einmal eine Periode spekulativer Ueberhitzung uns nahe bevorsteht.“ (ibid. p. 36.)
„Obgleich die Einfuhr von Gold kein sichres Zeichen ist von Gewinn im auswärtigen Handel, so repräsentirt doch prima facie ein Theil dieser Goldeinfuhr, in Abwesenheit einer andren Er- klärungsweise, solchen Profit.“ (J. G. Hubbard, The Currency and the Country, London 1843, p. 41.) „Gesetzt in einer Periode mit stetig gutem Geschäft, lohnenden Preisen, und wohlgefülltem Geld- umlauf, gäbe eine schlechte Ernte Anlass zu einer Ausfuhr von 5 Millionen Gold und zur Einfuhr von Korn zum selben Betrag. Die Cirkulation“ [soll heissen, wie sich gleich zeigen wird, nicht Cirkulationsmittel, sondern das unbeschäftigte Geldkapital — F. E.] „wird vermindert um denselben Betrag. Die Privatleute mögen noch ebensoviel Cirkulationsmittel besitzen, aber die Depositen der Kaufleute bei ihren Banken, die Saldos der Banken bei ihren Geld- maklern und die Reserven in ihren Kassen werden alle vermindert sein und die unmittelbare Folge dieser Verminderung im Betrag des unbeschäftigten Kapitals wird eine Erhöhung des Zinsfusses sein, z. B. von 4 % auf 5. Da da das Geschäft gesund ist, wird das Vertrauen nicht erschüttert, aber der Kredit wird höher ge- schätzt werden.“ (Ibid. p. 42.) „Fallen die Waarenpreise allgemein, so fliesst das überschüssige Geld in Form von vermehrten Depo- siten zu den Banken zurück, der Ueberfluss an unbeschäftigtem Kapital senkt den Zinsfuss auf ein Minimum, und dieser Stand der Dinge dauert, bis entweder höhere Preise oder ein lebhafteres Geschäft das schlummernde Geld in Dienst treten lassen, oder bis es absorbirt ist durch Anlage in ausländischen Werthpapieren oder ausländischen Waaren.“ (p. 68.)
Die folgenden Auszüge sind wieder aus dem Parlamentsbericht über Commercial Distress 1847—48. — In Folge der Missernte und Hungersnoth 1846—47 wurde grosse Einfuhr von Nahrungs- mitteln nöthig. „Daher grosser Ueberschuss der Einfuhr über die Ausfuhr.... Daher beträchtlicher Geldabfluss bei den Banken, und
vermehrter Zudrang zu den Diskontomaklern von Leuten, die Wechsel zu diskontiren hatten; die Makler fingen an, den Wechseln genauer auf die Finger zu sehn. Die bisher bewilligte Akkomo- dation wurde sehr ernstlich eingeschränkt und unter schwachen Häusern gab es Falliten. Diejenigen, die sich ganz auf den Kredit verliessen, gingen in die Brüche. Dies vermehrte die schon früher gefühlte Beunruhigung; Bankiers und andre fanden, dass sie nicht mit derselben Sicherheit wie früher darauf rechnen konnten, ihre Wechsel und andre Werthpapiere in Banknoten zu verwandeln, um ihren Verpflichtungen nachzukommen; sie beschränkten die Akko- modation noch mehr, und schlugen sie häufig rund ab; sie schlossen in vielen Fällen ihre Banknoten ein, für künftige Deckung ihrer eignen Verpflichtungen; sie gaben sie lieber gar nicht weg. Unruhe und Verwirrung nahmen täglich zu, und ohne Lord John Russell’s Brief war der allgemeine Bankrott da.“ (p. 74, 75.) Der Brief Russell’s suspendirte den Bankakt. — Der oben erwähnte Charles Turner sagt aus: „Manche Häuser hatten grosse Mittel, aber sie waren nicht flüssig. Ihr ganzes Kapital stak fest in Grundbesitz in Mauritius, oder in Indigo- oder Zuckerfabriken. Nachdem sie einmal Verpflichtungen für 5—600000 £ eingegangen, hatten sie keine flüssigen Mittel, die Wechsel dafür zu zahlen, und schliess- lich zeigte sich, dass sie ihre Wechsel nur zahlen konnten ver- mittelst ihres Kredits, und soweit dieser reichte.“ (p. 81.) — Der erwähnte S. Gurney: „Gegenwärtig (1848) herrscht eine Beschrän- kung der Umsätze und ein grosser Ueberfluss von Geld. — No. 1763. Ich glaube nicht, dass Mangel an Kapital es war, das den Zinsfuss so hoch hinauftrieb; es war der Schrecken (the alarm), die Schwierig- keit Banknoten zu bekommen.“
1847 zahlte England wenigstens 9 Millionen £ in Gold ans Ausland für eingeführte Nahrungsmittel. Davon 7½ Millionen aus der Bank von England und 1½ aus andern Quellen. (p. 245.) — Morris, Gouverneur der Bank von England: „Am 23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal- und Eisenbahnaktien schon depreciirt um 114752225 £.“ (p. 312.) Derselbe Morris, befragt von Lord G. Bentinck: „Ist Ihnen nicht bekannt, dass alles in Papieren und Produkten aller Art angelegte Kapital in der- selben Weise entwerthet war, dass Rohstoffe, Baumwolle, Seide, Wolle nach dem Kontinent gesandt wurden zu denselben Schleuder- preisen, und dass Zucker, Kaffee und Thee in Zwangsverkäufen los- geschlagen wurden? — Es war unvermeidlich, dass die Nation ein beträchtliches Opfer brachte, um dem Goldabfluss entgegenzu-
wirken, den die enorme Einfuhr von Nahrungsmitteln verursacht hatte. — Glauben Sie nicht, es wäre besser gewesen die 8 Millionen £ anzuzapfen, die in den Geldschränken der Bank lagen, statt zu ver- suchen das Gold mit solchen Opfern zurückzubekommen? — Das glaube ich nicht.“ — Nun den Kommentar zu diesem Heroismus. Disraeli examinirt Herrn W. Cotton, Direktor und ehemaligen Gouverneur der Bank von England. Was war die Dividende, die die Bankaktionäre 1844 erhielten? — Sie war 7 % für das Jahr. — Und die Dividende für 1847? — 9 %. — Bezahlt die Bank die Einkommensteuer für ihre Aktionäre im laufenden Jahr? — Jawohl. — That sie das auch 1844? — Nein.(FN83) — Dann hat dieser Bankakt (von 1844) also sehr im Interesse der Aktionäre gewirkt … Das Resultat ist also, dass seit der Einführung des neuen Akts, die Dividende der Aktionäre von 7 % auf 9 % ge- stiegen ist, und die Einkommensteuer jetzt ausserdem von der Bank gezahlt wird, während sie vorher von den Aktionären bezahlt werden musste? — Das ist ganz richtig.“ — (No. 4356—4361.)
Ueber Schatzbildung bei den Banken während der Krise von 1847 sagt Mr. Pease, ein Provinzialbankier: „4605. Da die Bank genöthigt war ihren Zinsfuss immer mehr zu steigern, wurden die Befürchtungen allgemein; die Landbanken vermehrten die Geld- beträge in ihrem Besitz und ebenso die Notenbeträge; und viele von uns, die gewöhnlich vielleicht nur ein paar hundert Pfund in Gold oder Banknoten zu führen pflegten, speicherten sofort tausende in Geldschränken und Pulten auf, da grosse Ungewissheit herrschte wegen des Diskontos und wegen der Umlaufsfähigkeit von Wechseln im Markt; und so erfolgte eine allgemeine Schatzanhäufung.“ Ein Ausschussmitglied bemerkt: „4691. — Demzufolge, was auch die Ursache während der letzten 12 Jahre gewesen sein mag, so war das Resultat jedenfalls mehr zu Gunsten des Juden und des Geld- händlers, als zu Gunsten der produktiven Klasse überhaupt.“
Wie sehr der Geldhändler eine Zeit der Krisis ausbeutet, sagt Tooke aus: „Im Metallwaarengeschäft von Warwickshire und Staffordshire wurden 1847 sehr viele Aufträge auf Waaren zurück- gewiesen, weil der Zinsfuss, den der Fabrikant für Diskontirung
seiner Wechsel zu bezahlen hatte, seinen ganzen Profit mehr als verschluckt hätte.“ (No. 5451.)
Nehmen wir jetzt einen andern schon vorher citirten Parlaments- bericht: Report of Select Committee on Bank Acts, communicated from the Commons to the Lords, 1857 (citirt weiter unten als: B. C. 1857.) Darin wird Herr Norman, Direktor der Bank von England und ein Hauptlicht unter den Leuten vom Currency-prin- ciple, verhört wie folgt:
„3635. Sie sagten, Sie sind der Ansicht, dass der Zinsfuss ab- hängt, nicht von der Masse der Banknoten, sondern von Nachfrage und Angebot von Kapital. Wollen Sie angeben, was Sie unter Kapital einbegreifen, ausser Banknoten und Hartgeld? — Ich glaube die gewöhnliche Definition von Kapital ist: Waaren oder Dienste gebraucht in Produktion. 3636. — Schliessen Sie alle Waaren in das Wort Kapital ein, wenn Sie vom Zinsfuss sprechen? — Alle Waaren, gebraucht in der Produktion. — 3637. Sie begreifen das alles ein in das Wort Kapital, wenn Sie vom Zinsfuss sprechen? — Jawohl. Nehmen wir an, ein Baumwollfabrikant braucht Baum- wolle für seine Fabrik, so wird er vermuthlich sie sich dadurch verschaffen, dass er einen Vorschuss von seinem Bankier erhält, und mit den so erhaltnen Banknoten geht er nach Liverpool und kauft. Was er wirklich braucht, ist die Baumwolle; er braucht die Banknoten oder das Gold nicht, ausser als Mittel, die Baum- wolle zu erhalten. Oder er braucht die Mittel, um seine Arbeiter zu bezahlen; dann borgt er wieder Noten, und zahlt den Lohn seiner Arbeiter mit diesen Noten; und die Arbeiter ihrerseits brauchen Nahrung und Wohnung, und das Geld ist das Mittel dafür zu zahlen. — 3638. Aber für das Geld wird Zins gezahlt? — Gewiss, in erster Instanz; aber nehmen Sie einen andern Fall. Angenommen, er kauft die Baumwolle auf Kredit, ohne Vorschuss bei der Bank zu holen; dann ist die Differenz zwischen dem Preis für Baarzahlung und dem Preis auf Kredit bei Verfallzeit der Maßstab des Zinses. Zins würde existiren, auch wenn es über- haupt kein Geld gäbe.“
Dieser selbstgefällige Kohl ist ganz würdig dieses Stützpfeilers des Currency principle. Zuerst die geniale Entdeckung, dass Bank- noten oder Gold Mittel sind etwas zu kaufen, und dass man sie nicht ihrer selbst wegen pumpt. Und daraus soll folgen, dass der Zinsfuss geregelt ist durch was? Durch die Nachfrage und Zufuhr von Waaren, wovon man bisher nur wusste, dass sie die Markt- preise der Waaren regeln. Mit gleichbleibenden Marktpreisen der
Waaren sind aber ganz verschiedne Zinsraten verträglich. — Aber nun weiter die Schlauheit. Auf die richtige Bemerkung: „Aber für das Geld wird Zins gezahlt,“ die natürlich die Frage einschliesst: Was hat der Zins, den der Bankier erhält, der gar nicht in Waaren handelt, zu thun mit diesen Waaren? und erhalten nicht Fabrikanten Geld zum gleichen Zinsfuss, die dies Geld in ganz verschiednen Märkten auslegen, also in Märkten, wo ganz verschiednes Verhält- niss von Nachfrage und Angebot der in der Produktion gebrauchten Waaren herrscht? — Auf diese Frage bemerkt dieses feierliche Genie, dass wenn der Fabrikant Baumwolle auf Kredit kauft, „dann ist die Differenz zwischen dem Preis für Baarzahlung und dem Preis auf Kredit bei Verfallzeit der Maßstab des Zinses.“ Umgekehrt. Die bestehende Rate des Zinses, deren Regulirung Genie Norman erklären soll, ist der Maßstab der Differenz zwischen dem Preis für Baarzahlung und dem Preis auf Kredit bis Verfall- zeit. Erst ist die Baumwolle zu verkaufen zu ihrem Preis bei Baarzahlung, und dieser ist bestimmt durch den Marktpreis, der selbst durch den Stand von Nachfrage und Zufuhr regulirt ist. Sage der Preis ist = 1000 £. Damit ist das Geschäft zwischen dem Fabrikanten und dem Baumwollmakler abgemacht, soweit es Kauf und Verkauf betrifft. Nun kommt ein zweites Geschäft hinzu. Dies ist eins zwischen Verleiher und Borger. Der Werth von 1000 £ wird dem Fabrikanten in Baumwolle vorgeschossen, und er hat ihn, sage in drei Monaten, in Geld zurückzuzahlen. Und die Zinsen für 1000 £ für drei Monate, bestimmt durch die Markt- rate des Zinses, bilden dann den Aufschlag auf und über den Preis für Baarzahlung. Der Preis der Baumwolle ist bestimmt durch Nachfrage und Zufuhr. Aber der Preis des Vorschusses des Baum- wollenwerths, der 1000 £, für drei Monate, ist bestimmt durch die Zinsrate. Und dies, dass die Baumwolle selbst so in Geld- kapital verwandelt wird, beweist Herrn Norman, dass Zins existiren würde auch wenn es überhaupt kein Geld gäbe. Wenn es überhaupt kein Geld gäbe, gäbe es jedenfalls keine allgemeine Zinsrate.
Es ist erstens die pöbelhafte Vorstellung von Kapital als „Waaren gebraucht in der Produktion“. Soweit diese Waaren als Kapital figuriren, drückt sich ihr Werth als Kapital, im Unter- schied von ihrem Werth als Waaren, aus in dem Profit, der aus ihrer produktiven oder merkantilen Verwendung gemacht wird. Und die Profitrate hat unbedingt immer etwas zu thun mit dem Marktpreis der gekauften Waaren und ihrer Nachfrage und Zufuhr,
wird aber noch durch ganz andre Umstände bestimmt. Und dass die Zinsrate im allgemeinen ihre Grenze hat an der Profitrate, kein Zweifel. Aber Herr Norman soll uns grade sagen, wie diese Grenze bestimmt wird. Und sie wird bestimmt durch Nachfrage und Angebot von Geldkapital in seinem Unterschied von den andern Formen des Kapitals. Nun könnte weiter gefragt werden: Wie wird Nachfrage und Angebot von Geldkapital bestimmt? Dass eine stille Verbindung besteht zwischen dem Angebot von sachlichem Kapital und dem Angebot von Geldkapital, kein Zweifel, und ebensowenig, dass die Nachfrage der industriellen Kapitalisten nach Geldkapital durch die Umstände der wirklichen Produktion bestimmt ist. Statt uns hierüber aufzuklären, debitirt uns Norman die Weisheit, dass Nachfrage nach Geldkapital nicht identisch ist mit Nachfrage nach Geld als solchem; und diese Weisheit nur, weil bei ihm, Overstone und den andern Currency-Propheten immer das böse Gewissen im Hintergrund steht, dass sie durch künstliche legislatorische Einmischung aus dem Cirkulationsmittel als solchem Kapital zu machen und den Zinsfuss zu erhöhen bestrebt sind.
Nun zu Lord Overstone, alias Samuel Jones Loyd, wie er erklären muss, warum er 10 % für sein „Geld“ nimmt, weil das „Kapital“ im Lande so rar ist.
„3653. Die Schwankungen in der Zinsrate entspringen aus einer von zwei Ursachen: aus einer Veränderung im Werth des Kapitals“ [vortrefflich! Werth des Kapitals, allgemein gesprochen ist ja gerade der Zinsfuss! Die Aenderung in der Rate des Zinses entspringt hier also aus einer Aenderung in der Rate des Zinses. „Werth des Kapitals“ wird theoretisch, wie wir früher gezeigt, nie anders gefasst. Oder aber: versteht Herr Overstone unter Werth des Kapitals die Profitrate, so kommt der tiefsinnige Denker darauf zurück, dass die Zinsrate regulirt wird durch die Profitrate!] „oder aus einer Veränderung in der Summe des im Lande vor- handnen Geldes. Alle grossen Schwankungen des Zinsfusses, gross, entweder der Dauer oder der Ausdehnung der Schwankung nach, lassen sich deutlich zurückführen auf Veränderungen im Werth des Kapitals. Schlagendere praktische Illustrationen dieser That- sache kann es nicht geben als das Steigen des Zinsfusses 1847 und wiederum in den letzten zwei Jahren (1855—56); die geringern Schwankungen des Zinsfusses, die aus einem Wechsel in der Summe des vorhandnen Geldes entstehn, sind klein sowohl ihrer Ausdehnung wie ihrer Dauer nach. Sie sind häufig, und je häufiger, desto wirksamer für ihren Zweck.“ Nämlich die Bankiers
à la Overstone zu bereichern. Freund Samuel Gurney drückt sich darüber sehr naiv aus vor dem Committee of Lords, C. D. 1848: „1324. Sind Sie der Ansicht, dass die grossen Schwankungen des Zinsfusses, die im vorigen Jahre stattgefunden, den Bankiers und Geldhändlern vortheilhaft waren oder nicht? — Ich glaube sie waren den Geldhändlern vortheilhaft. Alle Schwankungen des Geschäfts sind vortheilhaft für den der Bescheid weiss (to the knowing men). — 1325. Sollte nicht der Bankier schliesslich doch bei dem hohen Zinsfuss verlieren in Folge der Verarmung seiner besten Kunden? — Nein, ich bin nicht der Ansicht, dass diese Wirkung in bemerkbarem Grade besteht.“ — Voilà ce que parler veut dire.
Auf die Beeinflussung des Zinsfusses durch die Summe des vor- handnen Geldes werden wir zurückkommen. Aber man muss schon jetzt bemerken, dass Overstone hier wieder ein quid pro quo be- geht. Die Nachfrage nach Geldkapital 1847 (vor Oktober bestand keine Sorge wegen Geldknappheit, „Quantität des vorhandnen Geldes“, wie er es oben nannte) nahm zu aus verschiednen Gründen. Korntheuerung, steigende Baumwollpreise, Unverkäuflichkeit des Zuckers wegen Ueberproduktion, Eisenbahnspekulation und Krach, Ueberfüllung der auswärtigen Märkte mit Baumwollwaaren, die oben beschriebne Zwangsausfuhr nach und Zwangseinfuhr von Indien zum Zweck blosser Wechselreiterei. Alle diese Dinge, die Ueberproduktion in der Industrie so gut wie die Unterproduktion im Ackerbau, also ganz verschiedne Ursachen, verursachten Steige- rung der Nachfrage nach Geldkapital, d. h. nach Kredit und Geld. Die gesteigerte Nachfrage nach Geldkapital hatte ihre Ursachen im Gang des Produktionsprocesses selbst. Aber, welches immer die Ursache, es war die Nachfrage nach Geldkapital, die den Zins- fuss, den Werth des Geldkapitals steigen machte. Will Overstone sagen, dass der Werth des Geldkapitals stieg, weil er stieg, so ist dies Tautologie. Versteht er aber unter „Werth des Kapitals“ hier Steigen der Profitrate als Ursache des Steigens des Zinsfusses, so wird sich die Sache gleich als falsch herausstellen. Die Nach- frage nach Geldkapital, und daher der „Werth des Kapitals“, kann steigen, obgleich der Profit fällt; sobald das relative Angebot von Geldkapital fällt, steigt sein „Werth“. Was Overstone nachweisen will, ist, dass die Krise von 1847, und die hohe Zinsrate, die sie begleitete, nichts zu thun hatte mit der „Quantität des vorhandnen Geldes“, d. h. mit den Bestimmungen des von ihm inspirirten Bankakts von 1844; obgleich sie in der That damit zu thun hatte,
soweit die Furcht vor der Erschöpfung der Bankreserve — einer Schöpfung von Overstone — eine Geldpanik der Krise von 1847/48 hinzufügte. Aber das ist hier nicht der Fragepunkt. Es war vor- handen eine Geldkapitalnoth, verursacht durch die übermäßige Grösse der Operationen, verglichen mit den vorhandnen Mitteln, und zum Ausbruch gebracht durch die Störung des Reproduktions- processes in Folge von missrathener Ernte, von Ueberanlage von Eisenbahnen, von Ueberproduktion namentlich in Baumwollwaaren, von indischem und chinesischem Schwindelgeschäft, Spekulation, Uebereinfuhr von Zucker etc. Was den Leuten, die Korn gekauft hatten, als es 120 sh. per Quarter stand, fehlte, als es auf 60 sh. gefallen war, waren die 60 sh., die sie zuviel bezahlt, und der entsprechende Kredit dafür im Lombardvorschuss auf das Korn. Es war durchaus nicht Mangel an Banknoten, der sie daran hinderte, ihr Korn zum alten Preis von 120 sh. in Geld zu konvertiren. Ebenso bei denen, welche Zucker übereingeführt hatten, und dieser dann fast unverkäuflich wurde. Ebenso bei den Herren, die ihr Cir- kulationskapital (floating capital) in Eisenbahnen festgelegt und sich für den Ersatz desselben in ihrem „legitimen“ Geschäft auf Kredit verlassen hatten. Alles dies drückt sich für Overstone aus in einem „moralischen Gewahrwerden des erhöhten Werthes seines Geldes (a moral sense of the enhanced value of his money)“. Aber diesem erhöhten Werth des Geldkapitals entsprach auf der andern Seite direkt der gefallne Geldwerth des realen Kapitals (Waaren- kapitals und produktiven Kapitals). Der Werth des Kapitals in der einen Form stieg, weil der Werth des Kapitals in der andern sank. Overstone sucht aber diese beiden Werthe verschiedner Kapitalsorten in einem einzigen Werth des Kapitals überhaupt zu identificiren, und zwar dadurch, dass er beide einem Mangel an Cirkulationsmittel, an vorhandnem Geld gegenüberstellt. Derselbe Betrag von Geldkapital kann aber mit sehr verschiednen Massen von Cirkulationsmitteln verliehen werden.
Nehmen wir nun sein Beispiel von 1847. Der officielle Bank- zinsfuss stand: Januar 3—3½ %. Februar 4—4½ %. März meist 4 %. April (Panik) 4—7½ %. Mai 5—5½ %. Juni im ganzen 5 %. Juli 5 %. August 5—5½ %. September 5 % mit kleinen Variationen von 5¼, 5½, 6 %. Oktober 5, 5½, 7 %. November 7—10 %. December 7—5 %. — In diesem Fall stieg der Zins, weil die Profite abnahmen, und die Geldwerthe der Waaren enorm fielen. Wenn also Overstone hier sagt, dass der Zinsfuss 1847 stieg, weil der Werth des Kapitals stieg, so kann er unter Werth
des Kapitals hier nur den Werth des Geldkapitals verstehn, und der Werth des Geldkapitals ist eben der Zinsfuss und nichts andres. Aber später kommt der Fuchsschwanz heraus, und der Werth des Kapitals wird identificirt mit der Profitrate.
Was den hohen Zinsfuss angeht, der 1856 gezahlt wurde, so wusste Overstone in der That nicht, dass dieser zum Theil ein Symptom davon war, dass die Sorte Kreditritter obenauf kam, die den Zins nicht aus dem Profit, sondern aus fremdem Kapital zahlt; er behauptete, nur ein paar Monate vor der Krise von 1857, dass „das Geschäft durchaus gesund sei“.
Er sagt ferner aus: „3722. Die Vorstellung, dass der Geschäfts- profit durch Steigerung des Zinsfusses zerstört wird, ist höchst irrthümlich. Erstens ist eine Erhöhung des Zinsfusses selten von langer Dauer; zweitens, wenn sie von langer Dauer und bedeutend ist, so ist sie der Sache nach ein Steigen im Werth des Kapitals, und warum steigt der Werth des Kapitals? Weil die Profitrate gestiegen ist.“ — Hier erfahren wir also endlich, welchen Sinn der „Werth des Kapitals“ hat. Uebrigens kann die Profitrate für längere Zeit hoch bleiben, aber der Unternehmergewinn fallen und der Zinsfuss steigen, sodass der Zins den grössten Theil des Profits verschlingt.
„3724. Die Erhöhung des Zinsfusses ist eine Folge gewesen der enormen Ausdehnung im Geschäft unsers Landes, und der grossen Erhöhung der Profitrate; und wenn geklagt wird, dass der erhöhte Zinsfuss die beiden selben Dinge zerstört, die seine eigne Ursache gewesen sind, so ist das eine logische Absurdität, von der man nicht weiss, was man davon sagen soll.“ — Dies ist gerade so logisch, als sagte er: Die erhöhte Profitrate ist die Folge gewesen der Steigerung der Waarenpreise durch Spekulation, und wenn ge- klagt wird, dass die Preissteigerung ihre eigne Ursache zerstört, nämlich die Spekulation, so ist das eine logische Absurdität etc. Dass ein Ding seine eigne Ursache schliesslich zerstören kann, ist nur für den in den hohen Zinsfuss verliebten Wucherer eine logische Absurdität. Die Grösse der Römer war die Ursache ihrer Eroberungen, und ihre Eroberungen zerstörten ihre Grösse. Reich- thum ist die Ursache von Luxus, und Luxus wirkt zerstörend auf den Reichthum. Dieser Pfiffikus! Der Idiotismus der jetzigen Bürgerwelt kann nicht besser gezeichnet werden als durch den Respekt, den die „Logik“ des Millionärs, dieses dung-hill aristocrat, ganz England einflösste. Uebrigens, wenn hohe Profitrate und Geschäftsausdehnung Ursachen hohes Zinsfusses sein können, ist
deswegen hoher Zinsfuss keineswegs Ursache von hohem Profit. Und die Frage ist gerade, ob dieser hohe Zins (wie sich in der Krise wirklich herausstellte) nicht fortgedauert oder gar erst auf die Spitze getrieben, nachdem die hohe Profitrate längst den Weg alles Fleisches gegangen.
„3718. Was eine grosse Erhöhung der Diskontorate betrifft, so ist das ein Umstand, der ganz und gar aus dem vermehrten Werth des Kapitals entspringt, und die Ursache dieses vermehrten Werths des Kapitals kann, glaube ich, jedermann mit vollständiger Klar- heit entdecken. Ich habe bereits die Thatsache erwähnt, dass in den 13 Jahren, während deren dieser Bankakt in Wirksamkeit war, der Handel von England von 45 auf 120 Millionen £ ge- wachsen ist. Man denke nach über alle die Ereignisse, die diese kurze Zahlenangabe einschliesst; man bedenke die enorme Nach- frage nach Kapital, die eine so riesige Vermehrung des Handels mit sich bringt und bedenke zugleich, dass die natürliche Quelle der Zufuhr für diese grosse Nachfrage, nämlich die jährlichen Er- sparnisse des Landes, während der letzten drei oder vier Jahre in der unprofitablen Auslage für Kriegszwecke verzehrt worden ist. Ich gestehe, ich bin überrascht, dass der Zinsfuss nicht noch viel höher ist; oder in andern Worten, ich bin überrascht, dass die Kapitalklemme in Folge dieser riesigen Operationen nicht noch viel heftiger ist, als Sie sie schon gefunden haben.“
Welche wunderbare Durcheinanderwerfung von Worten unsers Wucherlogikers! Hier ist er wieder mit seinem gestiegnen Werth des Kapitals! Er scheint sich einzubilden, dass auf der einen Seite diese enorme Ausdehnung des Reproduktionsprocesses vor- ging, also Akkumulation von wirklichem Kapital, und dass auf der andern Seite ein „Kapital“ stand, nach welchem „enorme Nach- frage“ entsprang, um diese so riesige Vermehrung des Handels fertig zu bringen! War denn diese riesige Vermehrung der Pro- duktion nicht selbst die Vermehrung des Kapitals, und wenn sie Nachfrage schuf, schuf sie nicht zugleich auch die Zufuhr, und nicht auch zugleich selbst eine vermehrte Zufuhr von Geldkapital? Stieg der Zinsfuss sehr hoch, so doch nur weil die Nachfrage nach Geldkapital noch rascher wuchs als die Zufuhr, was in andern Worten sich darin auflöst, dass mit der Ausdehnung der indu- striellen Produktion ihre Führung auf Basis des Kreditsystems sich ausdehnte. Mit andern Worten, die wirkliche industrielle Ex- pansion verursachte eine vermehrte Nachfrage nach „Akkomodation“, und diese letztere Nachfrage ist augenscheinlich das, was unser
Bankier unter der „enormen Nachfrage nach Kapital“ versteht. Es ist sicher nicht die Ausdehnung der blossen Nachfrage nach Kapital, die den Exporthandel von 45 auf 120 Millionen hob. Und was versteht Overstone weiter darunter, wenn er sagt, dass die vom Krimkrieg aufgefressnen jährlichen Ersparnisse des Landes die natürliche Quelle der Zufuhr für diese grosse Nachfrage bilden? Erstens, womit akkumulirte denn England von 1792—1815, was ein ganz andrer Krieg war als der kleine Krimkrieg? Zweitens, wenn die natürliche Quelle vertrocknet, aus welcher Quelle floss denn das Kapital? England hat bekanntlich nicht bei fremden Nationen Vorschüsse genommen. Wenn es aber neben der natür- lichen Quelle noch eine künstliche gibt, so wäre das ja eine aller- liebste Methode für eine Nation, die natürliche Quelle im Krieg und die künstliche Quelle im Geschäft zu verwenden. Wenn aber nur das alte Geldkapital vorhanden war, konnte es durch hohen Zinsfuss seine Wirksamkeit verdoppeln? Herr Overstone glaubt offenbar, dass die jährlichen Ersparnisse des Landes (die aber in diesem Fall angeblich konsumirt wurden) sich bloss in Geldkapital verwandeln. Wenn aber keine wirkliche Akkumulation, d. h. Steige- rung der Produktion und Vermehrung der Produktionsmittel statt- fände, was würde die Akkumulation von Schuldansprüchen in Geld- form auf diese Produktion nützen?
Die Steigerung des „Werths des Kapitals“, die aus hoher Profit- rate folgt, wirft Overstone zusammen mit der Steigerung, die aus vermehrter Nachfrage nach Geldkapital folgt. Diese Nachfrage mag steigen aus Ursachen, die ganz unabhängig von der Profit- rate sind. Er selbst führt als Beispiel an, dass sie 1847 stieg in Folge von Entwerthung des Realkapitals. Je nachdem es ihm passt, bezieht er den Werth des Kapitals auf Realkapital oder auf Geldkapital.
Die Unredlichkeit unsers Banklords, zusammen mit seinem bor- nirten Bankierstandpunkt, den er didaktisch zuspitzt, zeigt sich weiter in Folgendem: 3728. (Frage.) „Sie sagten, dass nach Ihrer Ansicht die Diskontorate für den Kaufmann von keiner wesent- lichen Bedeutung ist; wollen Sie gütigst sagen was Sie als die gewöhnliche Profitrate ansehn?“ Dies zu beantworten erklärt Herr Overstone für „unmöglich“. 3729. „Angenommen die Durch- schnittsprofitrate sei 7—10 %; so muss eine Änderung in der Dis- kontorate von 2 % auf 7 oder 8 % die Profitrate wesentlich afficiren, nicht wahr?“ [Die Frage selbst wirft die Rate des Unter- nehmergewinns und die Profitrate zusammen und übersieht, dass
die Profitrate die gemeinsame Quelle von Zins und Unternehmer- gewinn. Die Zinsrate kann die Profitrate unberührt lassen, aber nicht den Unternehmergewinn. Antwort Overstone’s]: „Erstens werden Geschäftsleute nicht eine Diskontorate bezahlen, die ihren Profit wesentlich vorwegnimmt; sie werden lieber ihr Geschäft ein- stellen.“ [Jawohl, wenn sie können, ohne sich zu ruiniren. So lange ihr Profit hoch, zahlen sie den Diskonto, weil sie wollen, und sobald er niedrig, weil sie müssen.] „Was bedeutet Diskonto? Warum diskontirt jemand einen Wechsel? … Weil er ein grössres Kapital zu erlangen wünscht;“ [halte-là! weil er den Geldrückfluss seines festgelegten Kapitals zu anticipiren und den Stillstand seines Geschäfts zu vermeiden wünscht. Weil er fällige Zahlung decken muss. Vermehrtes Kapital verlangt er nur, wenn das Geschäft gut geht, oder wenn er auf fremdes Kapital spekulirt, selbst während es schlecht geht. Der Diskonto ist keineswegs bloss Mittel zur Ausdehnung des Geschäfts.] „Und warum will er das Kommando über ein grösseres Kapital erhalten? Weil er dies Kapital anwenden will; und warum will er dies Kapital anwenden? weil dies profitlich ist; es wäre aber nicht profitlich für ihn, wenn der Diskonto seinen Profit verschlänge.“
Dieser selbstgefällige Logiker unterstellt, dass Wechsel nur dis- kontirt werden um das Geschäft auszudehnen, und dass das Ge- schäft ausgedehnt wird, weil es profitlich ist. Die erste Voraus- setzung ist falsch. Der gewöhnliche Geschäftsmann diskontirt, um die Geldform seines Kapitals zu anticipiren, und dadurch den Re- produktionsprocess im Fluss zu erhalten; nicht um das Geschäft auszudehnen oder Zusatzkapital aufzubringen, sondern um den Kredit, den er gibt, auszugleichen durch den Kredit, den er nimmt. Und wenn er sein Geschäft auf Kredit ausdehnen will, wird ihm das Diskontiren von Wechseln wenig nutzen, das ja bloss ein Um- satz von schon in seiner Hand befindlichem Geldkapital aus einer Form in eine andre ist; er wird lieber eine feste Anleihe auf längere Zeit aufnehmen. Der Kreditritter allerdings wird seine Reit- wechsel diskontiren lassen um sein Geschäft auszudehnen, um ein faules Geschäft durch das andre zu decken; nicht um Profit zu machen, sondern um sich in Besitz von fremdem Kapital zu setzen.
Nachdem Herr Overstone so den Diskonto identificirt mit An- leihe von Zusatzkapital (statt mit Verwandlung von Wechseln, die Kapital repräsentiren, in baares Geld) zieht er sich sofort zurück, sobald ihm die Daumschrauben angesetzt werden. — „3730. (Frage:) Müssen nicht Kaufleute, einmal im Geschäft engagirt, ihre Opera-
tionen für einen gewissen Zeitraum fortführen trotz einer zeit- weiligen Steigerung des Zinsfusses? — (Overstone) Es ist kein Zweifel, dass bei irgend einer einzelnen Transaktion, wenn jemand Verfügung über Kapital erhalten kann zu einem niedrigern Zins- fuss statt zu einem hohen Zinsfuss, die Sache von diesem be- schränkten Gesichtspunkt genommen, dass das für ihn angenehm ist.“ — Dagegen ist es ein unbeschränkter Gesichtspunkt, wenn Herr Overstone unter „Kapital“ nun plötzlich nur sein Bankiers- kapital versteht und daher den Mann, der bei ihm Wechsel dis- kontirt als einen Mann ohne Kapital betrachtet, weil sein Kapital in Waarenform existirt, oder die Geldform seines Kapitals ein Wechsel ist, den Herr Overstone in andre Geldform übersetzt.
„3732. Mit Beziehung auf den Bankakt von 1844, können Sie angeben was das ungefähre Verhältniss des Zinsfusses zur Gold- reserve der Bank war; ist es richtig, dass, wenn das Gold in der Bank 9 oder 10 Millionen betrug, der Zinsfuss 6 oder 7 % war, und wenn es 16 Millionen war, der Zinsfuss auf etwa 3 bis 4 % stand?“ [Der Fragesteller will ihn zwingen den Zinsfuss, soweit er beeinflusst durch die Menge des Goldes in der Bank, zu erklären aus dem Zinsfuss, soweit er beeinflusst durch den Werth des Kapitals.] — „Ich sage nicht, dass das der Fall ist … aber wenn dem so ist, dann müssen wir meiner Ansicht nach noch schärfre Maßregeln ergreifen als die von 1844; denn wenn es wahr sein sollte, dass je grösser der Goldschatz, desto niedriger der Zinsfuss, dann müssten wir an die Arbeit gehn, nach dieser Ansicht der Sache, und den Goldschatz bis auf einen unbegrenzten Betrag er- höhen, und dann würden wir den Zins auf 0 herabbringen.“ Der Fragesteller Cayley, ungerührt durch diesen schlechten Witz, fährt fort: „3733. Wenn dem so wäre, angenommen es würden 5 Mil- lionen Gold der Bank zurückgegeben, so würde im Lauf der nächsten sechs Monate der Goldschatz etwa 16 Millionen betragen, und angenommen der Zinsfuss fiele so auf 3 bis 4 %, wie könnte dann behauptet werden, dass der Fall im Zinsfuss von einer grossen Abnahme im Geschäft herrührte? — Ich sagte, die neu- liche grosse Erhöhung des Zinsfusses, nicht der Fall des Zins- fusses, sei eng verknüpft mit der grossen Ausdehnung des Geschäfts.“ — Aber was Caylay sagt ist dies: Wenn Steigen des Zinsfusses, zusammen mit Kontraktion des Goldschatzes, Zeichen der Aus- dehnung des Geschäfts ist, so muss Fallen des Zinsfusses, zusammen mit Ausdehnung des Goldschatzes, Zeichen der Abnahme des Ge- schäfts sein. Hierauf hat Overstone keine Antwort. „3736. [Frage:]
Ich bemerke, Sie (im Text steht immer Your Lordship) sagten, dass Geld das Instrument sei um Kapital zu erhalten.“ [Dies ist eben die Verkehrtheit, es als Instrument zu fassen; es ist Form des Kapitals.] „Bei Abnahme des Goldschatzes [der Bank von England] besteht nicht die grosse Schwierigkeit umgekehrt darin, dass Kapitalisten kein Geld erhalten können? — [Overstone:] Nein; es sind nicht die Kapitalisten, es sind die Nichtkapitalisten die Geld zu erlangen suchen; und warum suchen sie Geld zu er- langen? … Weil vermittelst des Geldes sie das Kommando über das Kapital des Kapitalisten erlangen, um das Geschäft von Leuten zu führen, die keine Kapitalisten sind.“ — Hier erklärt er geradezu, dass Fabrikanten und Kaufleute keine Kapitalisten sind, und dass das Kapital des Kapitalisten nur Geldkapital ist. — „3737. Sind denn die Leute, die Wechsel ziehn, keine Kapitalisten? — Die Leute, die Wechsel ziehn, sind möglicherweise Kapitalisten, und möglicherweise auch nicht.“ Hier sitzt er fest.
Er wird nun gefragt, ob die Wechsel der Kaufleute nicht die Waaren repräsentiren, die sie verkauft oder verschifft haben. Er leugnet, dass diese Wechsel den Werth der Waaren ganz so reprä- sentiren, wie die Banknote das Gold. (3740, 41.) Dies ist etwas unverschämt.
„3742. Ist nicht der Zweck des Kaufmanns Geld zu erhalten? — Nein; Geld zu erhalten ist nicht der Zweck beim Ziehen des Wechsels; Geld zu erhalten ist der Zweck beim Diskontiren des Wechsels.“ Wechsel-Ziehen ist Verwandlung von Waare in eine Form von Kreditgeld, wie Wechsel-Diskontiren Verwandlung dieses Kreditgelds in andres, nämlich Banknoten. Jedenfalls gibt Herr Overstone hier zu, dass der Zweck des Diskontirens ist, Geld zu erhalten. Vorher liess er nur diskontiren, nicht um Kapital aus einer Form in die andre zu verwandeln, sondern um Zusatzkapital zu erhalten.
„3743. Was ist der grosse Wunsch der Geschäftswelt, unter dem Druck einer Panik, wie sie nach Ihrer Aussage 1825, 1837 und 1839 vorgekommen ist; bezwecken sie in den Besitz von Kapital zu kommen oder von gesetzmäßigem Zahlungsgeld? — Sie bezwecken das Kommando über Kapital zu erhalten, um ihr Geschäft fortzuführen.“ — Ihr Zweck ist, Zahlungsmittel für ver- fallende Wechsel auf sie selbst zu erhalten, wegen des eingetretnen Kreditmangels, und um nicht ihre Waaren unter dem Preis los- schlagen zu müssen. Haben sie selbst überhaupt kein Kapital, so erhalten sie mit den Zahlungsmitteln natürlich zugleich Kapital,
weil sie Werth ohne Aequivalent erhalten. Das Verlangen nach Geld als solchem besteht stets nur in dem Wunsch, Werth aus der Form von Waare oder Schuldforderung in die Form von Geld umzusetzen. Daher auch abgesehn von den Krisen, der grosse Unterschied zwischen Kapitalaufnahme und Diskonto, der bloss Verwandlung von Geldforderungen aus einer Form in die andre, oder in wirkliches Geld, zu Wege bringt.
[Ich — der Herausgeber — erlaube mir hier eine Zwischen- bemerkung.
Bei Norman, wie bei Loyd-Overstone steht der Bankier immer da als jemand, der „Kapital vorschiesst“, und sein Kunde als der- jenige, der „Kapital“ von ihm verlangt. So sagt Overstone, jemand lässt durch ihn Wechsel diskontiren, „weil er Kapital zu er- langen wünscht“ (3729), und es sei angenehm für denselben Mann, wenn er „Verfügung über Kapital erhalten kann“ zu niedrigem Zinsfuss“ (3730). „Geld ist das Instrument, um Kapital zu er- halten“ (3736), und in einer Panik ist der grosse Wunsch der Ge- schäftswelt, „Kommando über Kapital zu erhalten“ (3743). Bei aller Verwirrung Loyd-Overstones über das, was Kapital ist, geht doch soviel klar hervor, dass er das, was der Bankier dem Ge- schäftskunden gibt, als Kapital bezeichnet, als ein vom Kunden vorher nicht besessenes, ihm vorgeschossnes Kapital, das zusätzlich ist zu dem, worüber der Kunde bisher verfügte.
Der Bankier hat sich so sehr daran gewöhnt, als Vertheiler — in Form des Verleihens — des in Geldform disponiblen gesell- schaftlichen Kapitals zu figuriren, dass ihm jede Funktion, wobei er Geld weggibt, als ein Verleihen vorkommt. Alles Geld, das er auszahlt, erscheint ihm als ein Vorschuss. Ist das Geld direkt auf Anleihe ausgelegt, so ist dies wörtlich richtig. Ist es im Wechsel- Diskonto angelegt, so ist es in der That für ihn selbst Vorschuss bis zum Verfall des Wechsels. So befestigt sich in seinem Kopf die Vorstellung, dass er keine Zahlungen machen kann, die nicht Vorschüsse sind. Und zwar Vorschüsse, nicht etwa bloss in dem Sinn, dass jede Geldanlage zum Zweck des Zins- oder Profit- machens ökonomisch als ein Vorschuss betrachtet wird, den der be- treffende Geldbesitzer, in seiner Eigenschaft als Privatmann sich selbst, in seiner Eigenschaft als Unternehmer, macht. Sondern Vorschüsse in dem bestimmten Sinn, dass der Bankier dem Kunden eine Summe leihweise übergibt, die das dem letzteren zur Ver- fügung stehende Kapital um ebensoviel vermehrt.
Es ist diese Vorstellung, die, aus dem Bankkomptoir in die
politische Oekonomie übertragen, die verwirrende Streitfrage ge- schaffen hat, ob das, was der Bankier seinem Geschäftskunden in baarem Geld zur Verfügung stellt, Kapital ist oder bloss Geld, Cirkulationsmittel, Currency? Um diese — im Grunde einfache — Streitfrage zu entscheiden, müssen wir uns auf den Standpunkt des Bankkunden stellen. Es kommt darauf an, was dieser ver- langt und erhält.
Bewilligt die Bank dem Geschäftskunden eine Anleihe einfach auf seinen persönlichen Kredit, ohne Sicherheitstellung seinerseits, so ist die Sache klar. Er erhält unbedingt einen Vorschuss von bestimmter Werthgrösse als Zusatz zu seinem bisher angewandten Kapital. Er erhält ihn in Geldform; also nicht nur Geld, sondern auch Geldkapital.
Erhält er den Vorschuss geleistet gegen Verpfändung von Werth- papieren etc., so ist es Vorschuss in dem Sinn, dass ihm Geld ge- zahlt worden ist unter Vorbehalt der Rückzahlung. Aber nicht Vorschuss von Kapital. Denn die Werthpapiere repräsentiren auch Kapital, und zwar einen höheren Betrag als der Vorschuss. Der Empfänger erhält also weniger Kapitalwerth als er in Pfand gibt; dies ist für ihn durchaus keine Acquisition von Zusatzkapital. Er macht das Geschäft nicht, weil er Kapital braucht — das hat er ja in seinen Werthpapieren — sondern weil er Geld braucht. Hier liegt also Vorschuss von Geld vor, aber nicht von Kapital.
Wird der Vorschuss geleistet gegen Diskonto von Wechseln, so verschwindet auch die Form des Vorschusses. Es liegt vor ein reiner Kauf und Verkauf. Der Wechsel geht durch Endossement über in das Eigenthum der Bank, das Geld dagegen ins Eigen- thum der Kunden; von Rückzahlung seinerseits ist keine Rede. Wenn der Kunde mit einem Wechsel oder ähnlichen Kreditinstru- ment baar Geld kauft, so ist das nicht mehr oder nicht minder ein Vorschuss, als wenn er das baare Geld mit seiner sonstigen Waare, Baumwolle, Eisen, Korn, gekauft hätte. Und am aller- wenigsten kann hier von einem Vorschuss von Kapital die Rede sein. Jeder Kauf und Verkauf zwischen Händler und Händler ist eine Uebertragung von Kapital. Aber ein Vorschuss kommt nur da vor, wo die Uebertragung von Kapital nicht wechselseitig ist, sondern einseitig und auf Zeit. Kapitalvorschuss durch Wechsel- Diskonto kann also nur da stattfinden, wo der Wechsel ein Reit- wechsel ist, der gar keine verkauften Waaren repräsentirt, und den nimmt kein Bankier, sobald er ihn für das erkennt, was er ist. Im regelmäßigen Diskontogeschäft erhält also der Bankkunde keinen
Vorschuss, weder in Kapital noch in Geld, sondern er erhält Geld für verkaufte Waare.
Die Fälle, wo der Kunde von der Bank Kapital verlangt und erhält, sind also sehr deutlich unterschieden von denen, wo er bloss Geld vorgeschossen erhält oder bei der Bank kauft. Und da namentlich Herr Loyd-Overstone nur in den allerseltensten Fällen seine Fonds ohne Deckung vorzuschiessen pflegte (er war der Bankier meiner Firma in Manchester), so ist ebenfalls klar, dass seine schönen Schilderungen von den Massen Kapital, die die gross- müthigen Bankiers den kapitalentbehrenden Fabrikanten vorschiessen, arge Flunkerei sind.
Im Kapitel XXXII sagt Marx übrigens in der Hauptsache das- selbe: „Die Nachfrage nach Zahlungsmitteln ist blosse Nachfrage nach Umsetzbarkeit in Geld, soweit die Kaufleute und Pro- ducenten gute Sicherheiten bieten können; sie ist Nachfrage nach Geldkapital, soweit dies nicht der Fall ist, soweit also ein Vor- schuss von Zahlungsmitteln ihnen nicht nur die Geldform gibt, sondern auch das ihnen mangelnde Aequivalent, in welcher Form es sei, zum Zahlen.“ — Ferner in Kap. XXXIII: „Bei entwickeltem Kreditwesen, wo sich das Geld in den Händen der Banken kon- zentrirt, sind sie es, wenigstens nominell, die es vorschiessen. Dieser Vorschusss bezieht sich nicht auf das in Cirkulation befind- liche Geld. Es ist Vorschuss von Cirkulation, nicht Vorschuss der Kapitale, die diese cirkulirt.“ — Auch Herr Chapman, der es wissen muss, bestätigt obige Auffassung des Diskontogeschäfts: B. C. 1857: „Der Bankier hat den Wechsel, der Bankier hat den Wechsel gekauft.“ Evid. Frage 5139.
Wir kommen übrigens im Kap. XXVIII nochmals auf dieses Thema zurück. — F. E.]
„3744. Wollen Sie gefälligst beschreiben, was Sie unter dem Ausdruck Kapital wirklich verstehn? — [Antwort Overstone’s] Kapital besteht aus verschiednen Waaren, vermittelst deren das Geschäft in Gang gehalten wird (capital consists of various commo- dities, by the means of which trade is carried on); es gibt fixes Kapital und es gibt cirkulirendes Kapital. Ihre Schiffe, Ihre Docks, Ihre Werften sind fixes Kapital, Ihre Lebensmittel, Ihre Kleider u.s.w. sind cirkulirendes Kapital.
„3745. Hat der Abfluss des Goldes ins Ausland schädliche Folgen für England? — Nicht solange man mit diesem Wort einen ratio- nellen Sinn verbindet.“ [Nun kommt die alte Ricardo’sche Geld- theorie].... „Im natürlichen Zustand der Dinge vertheilt sich das
Geld der Welt auf die verschiednen Länder der Welt in gewissen Proportionen; diese Proportionen sind derart, dass bei solcher Ver- theilung [des Geldes] der Verkehr zwischen irgend einem Lande einerseits, und allen andren Ländern der Welt andrerseits ein blosser Tauschverkehr ist; aber es gibt störende Einflüsse, die diese Vertheilung von Zeit zu Zeit afficiren, und wenn diese Einflüsse entstehn, fliesst ein Theil des Geldes eines gegebnen Landes in andre Länder ab. — 3746. Sie gebrauchen jetzt den Ausdruck: Geld. Wenn ich Sie früher recht verstand, so nannten Sie das einen Verlust von Kapital. — Was nannte ich einen Verlust von Ka- pital? — 3747. Den Goldabfluss. — Nein, das sagte ich nicht. Wenn Sie Gold als Kapital behandeln, so ist es ohne Zweifel ein Verlust von Kapital; es ist Weggabe einer gewissen Proportion des Edelmetalls, woraus das Weltgeld besteht. — 3748. Sagten Sie nicht vorher, dass ein Wechsel in der Rate des Diskontos ein blosses Anzeichen sei eines Wechsels im Werth des Kapitals? — Jawohl. — 3749. Und dass die Rate des Diskontos im allge- meinen wechselt mit der Goldreserve in der Bank von England? — Jawohl; aber ich habe bereits gesagt, dass die Schwankungen des Zinsfusses, die aus einem Wechsel in der Quantität des Geldes“ [also darunter versteht er hier die Quantität des wirklichen Goldes] „in einem Lande entspringen, sehr geringfügig sind....
„3750. Wollen Sie also sagen, dass eine Kapitalabnahme statt- gefunden hat, wenn eine längre, aber doch nur zeitweilige Steige- rung des Diskontos über den gewöhnlichen Satz stattgefunden hat? — Eine Abnahme in einem gewissen Sinn des Worts. Das Verhältniss zwischen dem Kapital und der Nachfrage danach hat gewechselt; möglicher Weise aber durch vermehrte Nachfrage, nicht durch eine Abnahme in der Quantität des Kapitals.“ [Aber es war ja eben Kapital = Geld oder Gold, und es war noch etwas früher die Steigerung des Zinsfusses erklärt durch die hohe Profitrate, die aus der Ausdehnung, nicht der Einschränkung des Geschäfts oder Kapitals entsprang].
„3751. Was ist das für ein Kapital, das Sie hier speciell im Auge haben? — Das kommt ganz darauf an, was das für ein Kapital ist, das jeder einzelne nöthig hat. Es ist das Kapital, das die Nation zu ihrer Verfügung hat, um ihr Geschäft fortzu- führen, und wenn dies Geschäft sich verdoppelt, so muss eine grosse Zunahme eintreten in der Nachfrage nach dem Kapital, womit es fortgeführt werden soll.“ [Dieser pfiffige Bankier verdoppelt erst das Geschäft und dann hinterher die Nachfrage nach dem Kapital,
womit es verdoppelt werden soll. Er sieht immer nur seinen Kunden, der bei Herrn Loyd ein grössres Kapital verlangt, um sein Geschäft zu verdoppeln.] — „Das Kapital ist wie jede andre Waare;“ [aber das Kapital ist ja nach Herrn Loyd eben nichts andres als die Gesammtheit der Waaren] „es wechselt in seinem Preise“ [die Waaren wechseln also doppelt im Preis, einmal qua Waaren, das andre Mal qua Kapital], „je nach Nachfrage und Angebot.“
„3752. Die Schwankungen in der Rate des Diskontos stehn im allgemeinen im Zusammenhang mit den Schwankungen des Gold- betrages in der Schatzkammer der Bank. Ist dies das Kapital das Sie meinen? — Nein. — 3753. Können Sie ein Beispiel angeben; wo in der Bank von England ein grosser Kapitalvorrath aufgehäuft war, und gleichzeitig die Rate des Diskontos hoch stand? — In der Bank von England wird nicht Kapital aufgehäuft sondern Geld. — 3754. Sie sagten aus, dass der Zinsfuss abhängt von der Menge des Kapitals; wollen Sie gefälligst angeben, was für Kapital Sie meinen, und ob Sie ein Beispiel anführen können, wo ein grosser Goldvorrath in der Bank lag, und gleichzeitig der Zinsfuss hoch stand? — Es ist sehr wahrscheinlich“ [aha!] „dass die An- häufung von Gold in der Bank zusammenfallen mag mit einem niedrigen Zinsfuss, weil eine Periode geringerer Nachfrage nach Kapital“ [nämlich Geldkapital; die Zeit von der hier die Rede ist, 1844 und 45, waren Zeiten der Prosperität] „eine Periode ist, während deren natürlicherweise das Mittel oder Werkzeug, vermöge dessen man über Kapital kommandirt, akkumuliren kann. — 3755 Sie glauben also, dass kein Zusammenhang existirt zwischen der Rate des Diskontos und der Masse des Goldes im Bankschatz? — Es mag ein Zusammenhang existiren, aber es ist kein principieller Zusammenhang“; [sein Bankakt von 1844 macht es aber grade zum Princip der Bank von England, den Zinsfuss zu reguliren nach der Masse des in ihrem Besitz befindlichen Goldes] „sie mögen gleichzeitig stattfinden (there may be a coincidence of time). — 3758. Beabsichtigen Sie also zu sagen, dass die Schwierigkeit bei den Kaufleuten hier zu Lande, in geldknapper Zeit, in Folge hoher Rate des Diskontos, darin besteht, Kapital zu bekommen, und nicht darin Geld zu bekommen? — Sie werfen zwei Dinge zusammen, die ich nicht in dieser Form zusammenbringe; die Schwierigkeit besteht darin, Kapital zu bekommen, und die Schwierigkeit ist ebenfalls Geld zu bekommen … Die Schwierigkeit Geld zu be- kommen, und die Schwierigkeit Kapital zu bekommen, ist dieselbe
Schwierigkeit betrachtet auf zwei verschiednen Stufen ihres Ver- laufs.“ — Hier sitzt der Fisch wieder fest. Die erste Schwierig- keit ist, einen Wechsel zu diskontiren oder einen Vorschuss auf Waarenpfand zu erhalten. Es ist Schwierigkeit, Kapital, oder ein kommerzielles Werthzeichen für Kapital, in Geld zu verwandeln. Und diese Schwierigkeit drückt sich aus, unter andrem, im hohen Zinsfuss. Sobald aber das Geld empfangen ist, worin besteht dann die zweite Schwierigkeit? Wenn es sich nur ums Zahlen handelt, findet jemand Schwierigkeit sein Geld loszuwerden? Und wenn es sich ums Kaufen handelt, wo hat je jemand in Zeiten der Krisis Schwierigkeiten gefunden um einzukaufen? Und gesetzt auch, dies bezöge sich auf den besondren Fall einer Theurung in Korn, Baumwolle etc., so könnte diese Schwierigkeit sich doch nur zeigen nicht in dem Werth des Geldkapitals, d. h. dem Zinsfuss, sondern in dem Preis der Waare; und diese Schwierigkeit ist ja dadurch überwunden, dass unser Mann jetzt das Geld hat sie zu kaufen.
„3760. Aber eine höhere Rate des Diskontos ist doch eine ver- mehrte Schwierigkeit Geld zu erhalten? — Sie ist eine vermehrte Schwierigkeit Geld zu erhalten, aber es ist nicht das Geld auf dessen Besitz es ankommt; es ist nur die Form“ [und diese Form bringt Profit in die Tasche des Bankiers] „worin die vermehrte Schwierigkeit Kapital zu erhalten, sich in den komplicirten Be- ziehungen eines civilisirten Zustandes darbietet.“
„3763. [Antwort Overstone’s:] Der Bankier ist der Mittelsmann, der auf der einen Seite Depositen empfängt und auf der andren Seite diese Depositen anwendet, indem er sie, in der Form von Kapital, anvertraut in die Hände von Personen, welche etc.“
Hier haben wir endlich was er unter Kapital versteht. Er ver- wandelt das Geld in Kapital, indem er es „anvertraut,“ weniger euphemistisch, indem er es auf Zinsen ausleiht.
Nachdem Herr Overstone vorher gesagt, dass Aenderung in der Rate des Diskontos nicht im wesentlichen Zusammenhang stehe mit Aenderung im Betrag des Goldschatzes der Bank oder der Menge des vorhandnen Geldes, sondern höchstens im Zusammen- hang der Gleichzeitigkeit, wiederholt er:
„3804. Wenn das Geld im Lande durch Abfluss vermindert wird, so steigt sein Werth, und die Bank von England muss sich diesem Wechsel im Werth des Geldes anpassen“; [Also in dem Werth des Geldes als Kapital, in andren Worten, im Zinsfuss, denn der Werth des Geldes als Geld, verglichen mit Waaren bleibt derselbe.] „Was man technisch so ausdrückt, dass sie den Zinsfuss erhöht.“
„3819. Ich werfe die beiden nie durcheinander.“ — Nämlich Geld und Kapital, aus dem einfachen Grunde weil er sie nie unter- scheidet.
„3834. Die sehr grosse Summe, die [für Korn im Jahre 1847] für den nothwendigen Lebensunterhalt des Landes weggezahlt werden musste, und die in der That Kapital war.“
„3841. Die Schwankungen in der Rate des Diskontos haben unzweifelhaft eine sehr nahe Beziehung zu dem Stand der Gold- reserve [der Bank von England], denn der Stand der Reserve ist der Anzeiger der Zunahme oder Abnahme der im Lande vorhandnen Geldmenge; und im Verhältniss wie das Geld im Lande zunimmt oder abnimmt, fällt oder steigt der Werth des Geldes, und die Bankrate des Diskontos wird sich dem anpassen.“ — Hier gibt er also das zu, was er in No. 3755 ein für allemal abläugnete. — „3842. Es findet ein enger Zusammenhang zwischen beiden statt.“ — Nämlich der Menge des Goldes im Issue department und der Re- serve von Noten im Banking department. Hier erklärt er den Wechsel im Zinsfuss aus dem Wechsel in der Quantität des Geldes. Dabei ist falsch was er sagt. Die Reserve kann abnehmen, weil das cirkulirende Geld im Lande zunimmt. Dies ist der Fall, wenn das Publikum mehr Noten nimmt und der Metallschatz nicht ab- nimmt. Aber dann steigt der Zinsfuss, weil dann das Bankkapital der Bank von England nach dem Gesetz von 1844 limitirt ist. Davon darf er aber nicht sprechen, da in Folge dieses Gesetzes die zwei Departements der Bank nichts mit einander gemein haben.
„3859. Eine hohe Profitrate wird stets eine grosse Nachfrage nach Kapital erzeugen; eine grosse Nachfrage nach Kapital wird seinen Werth steigern.“ — Hier also endlich der Zusammenhang zwischen hoher Profitrate und Nachfrage nach Kapital, wie Over- stone sich ihn vorstellt. Nun herrschte z. B. 1844—45 in der Baumwollindustrie eine hohe Profitrate, weil bei starker Nach- frage für Baumwollenwaaren, Rohbaumwolle wohlfeil war und wohlfeil blieb. Der Werth des Kapitals (und nach einer frühern Stelle nennt Overstone Kapital dasjenige, was jeder in seinem Ge- schäft braucht), also hier der Werth der Rohbaumwolle, wurde nicht erhöht für den Fabrikanten. Nun mag die hohe Profitrate manchen Baumwollfabrikanten veranlasst haben, zur Erweiterung seines Geschäfts Geld aufzunehmen. Dadurch stieg seine Nach- frage für Geldkapital und für sonst nichts.
„3889. Gold kann Geld sein oder auch nicht, gerade wie Papier eine Banknote sein kann oder auch nicht.“
„3896. Verstehe ich Sie also richtig dahin, dass Sie den Satz aufgeben, den Sie 1840 anwandten: dass die Schwankungen in den cirkulirenden Noten der Bank von England sich richten sollten nach den Schwankungen im Betrag des Goldschatzes? — Ich gebe ihn in sofern auf … dass nach dem heutigen Stand unsrer Kennt- nisse wir zu den cirkulirenden Noten noch diejenigen Noten hinzu addiren müssen, welche in der Bankreserve der Bank von England liegen.“ Dies ist superlativ. Die willkürliche Bestimmung, dass die Bank soviel Papiernoten macht, wie sie Gold im Schatz hat und 14 Millionen mehr, bedingt natürlich, dass ihre Notenausgabe schwankt mit den Schwankungen des Goldschatzes. Da aber „der heutige Stand unsrer Kenntnisse“ klar zeigte, dass die Masse Noten, die die Bank hiernach fabriciren kann (und die das issue depart- ment dem banking department überträgt) — dass diese, mit den Schwankungen des Goldschatzes schwankende Cirkulation zwischen den beiden Abtheilungen der Bank von England, die Schwankungen der Cirkulation der Banknoten ausserhalb der Mauern der Bank von England nicht bestimmt, so wird die letztre, die wirkliche Cir- kulation, jetzt für die Bankverwaltung gleichgültig, und die Cir- kulation zwischen den zwei Abtheilungen der Bank, deren Unter- schied von der wirklichen sich in der Reserve zeigt, wird allein entscheidend. Für die Aussenwelt ist sie nur sofern wichtig, weil die Reserve anzeigt, in wieweit die Bank sich dem gesetzlichen Maximum ihrer Notenausgabe nähert, und wie viel die Kunden der Bank noch aus dem banking department erhalten können.
Von der mala fides Overstone’s folgendes brillante Exempel:
„4243. Schwankt nach Ihrer Ansicht die Menge des Kapitals von einem Monat zum andern in einem solchen Grade, dass sein Werth dadurch verändert wird in der Art, wie wir es in den letzten Jahren in den Schwankungen der Rate des Diskontos ge- sehn haben? — Das Verhältniss zwischen Nachfrage und Angebot von Kapital kann unzweifelhaft selbst in kurzen Zeiträumen schwanken … Wenn Frankreich morgen anzeigt, dass es eine sehr grosse Anleihe aufnehmen will, so wird das unzweifelhaft sofort eine grosse Aenderung verursachen in dem Werth des Geldes, das heisst in dem Werth des Kapitals in England.“
„4245. Wenn Frankreich anzeigt, dass es plötzlich für irgend einen Zweck für 30 Millionen Waaren braucht, so wird eine grosse Nachfrage entstehn nach Kapital, um den wissenschaftlicheren und einfacheren Ausdruck zu gebrauchen.“
„4246. Das Kapital, das Frankreich mit seiner Anleihe möchte
kaufen wollen, ist eine Sache; das Geld womit Frankreich dies kauft, ist eine andre Sache; ist es das Geld was seinen Werth ändert oder nicht? — Wir kommen wieder auf die alte Frage, und die glaube ich, ist geeigneter für das Studirzimmer eines Ge- lehrten als für dies Komitézimmer.“ Und hiermit zieht er sich zurück, aber nicht in’s Studirzimmer.(FN84)
Die allgemeinen Bemerkungen, wozu das Kreditwesen uns bis jetzt Veranlassung gab, waren folgende:
I. Nothwendige Bildung desselben, um die Ausgleichung der Profitrate zu vermitteln, oder die Bewegung dieser Ausgleichung, worauf die ganze kapitalistische Produktion beruht.
II. Verringerung der Cirkulationskosten.
1) Eine Hauptcirkulationskost ist das Geld selbst, soweit es Selbstwerth. Es wird in dreifacher Art durch den Kredit öko- nomisirt.
A. Indem es für einen grossen Theil der Transaktionen ganz wegfällt.
B. Indem die Cirkulation des umlaufenden Mediums beschleunigt wird.(FN85) Dies fällt zum Theil zusammen mit dem, was unter 2) zu sagen. Einerseits ist nämlich die Beschleunigung technisch; d. h. bei sonst gleichbleibender Grösse und Menge der wirklichen, die Konsumtion vermittelnden Waarenumsätze verrichtet eine ge-
ringere Masse von Geld oder Geldzeichen denselben Dienst. Dies hängt mit der Technik des Bankwesens zusammen. Andrerseits beschleunigt der Kredit die Geschwindigkeit der Waarenmetamor- phose und hiermit die Geschwindigkeit der Geldcirkulation.
C. Ersetzung von Goldgeld durch Papier.
2) Beschleunigung, durch den Kredit, der einzelnen Phasen der Cirkulation oder der Waarenmetamorphose, weiter der Metamor- phose des Kapitals, und damit Beschleunigung des Reproduktions- processes überhaupt. (Andrerseits erlaubt der Kredit, die Akte des Kaufens und Verkaufens länger auseinander zu halten und dient daher der Spekulation als Basis.) Kontraktion der Reservefonds, was doppelt betrachtet werden kann: einerseits als Verminderung des cirkulirenden Mediums, andrerseits als Beschränkung des Theils des Kapitals, der stets in Geldform existiren muss.(FN86)
III. Bildung von Aktiengesellschaften. Hierdurch:
1) Ungeheure Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion und Unternehmungen, die für Einzelkapitale unmöglich waren. Solche Unternehmungen zugleich, die früher Regierungsunternehmungen waren, werden gesellschaftliche.
2) Das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktions- weise beruht, und eine gesellschaftliche Koncentration von Pro- duktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Kapital direkt associirter Indi- viduen) im Gegensatz zum Privatkapital, und seine Unternehmungen treten auf als Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privat- unternehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privat- eigenthum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktions- weise selbst.
3) Verwandlung des wirklich fungirenden Kapitalisten in einen blosssen Dirigenten, Verwalter fremdes Kapitals, und der Kapital- eigenthümer in blosse Eigenthümer, blosse Geldkapitalisten. Selbst wenn die Dividenden, die sie beziehn, den Zins und Unternehmer- gewinn, d. h. den Totalprofit einschliessen (denn das Gehalt des Dirigenten ist, oder soll sein, blosser Arbeitslohn einer gewissen Art geschickter Arbeit, deren Preis im Arbeitsmarkt regulirt wird, wie der jeder andren Arbeit), so wird dieser Totalprofit nur noch bezogen in der Form des Zinses, d. h. als blosse Vergütung des Kapitaleigenthums, das nun ganz so von der Funktion im wirk-
lichen Reproduktionsprocess getrennt wird, wie diese Funktion, in der Person des Dirigenten, vom Kapitaleigenthum. Der Profit stellt sich so dar (nicht mehr nur der eine Theil desselben, der Zins, der seine Rechtfertigung aus dem Profit des Borgers zieht) als blosse Aneignung fremder Mehrarbeit, entspringend aus der Verwandlung der Produktionsmittel in Kapital, d. h. aus ihrer Ent- fremdung gegenüber den wirklichen Producenten, aus ihrem Gegen- satz als fremdes Eigenthum gegenüber allen wirklich in der Pro- duktion thätigen Individuen, vom Dirigenten bis herab zum letzten Taglöhner. In den Aktiengesellschaften ist die Funktion getrennt vom Kapitaleigenthum, also auch die Arbeit gänzlich getrennt vom Eigenthum an den Produktionsmitteln und an der Mehrarbeit. Es ist dies Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion ein nothwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwand- lung des Kapitals in Eigenthum der Producenten, aber nicht mehr als das Privateigenthum vereinzelter Producenten, sondern als das Eigenthum ihrer als associirter, als unmittelbares Gesellschafts- eigenthum. Es ist andrerseits Durchgangspunkt zur Verwandlung aller mit dem Kapitaleigenthum bisher noch verknüpften Funktionen im Reproduktionsprocess, in blosse Funktionen der associirten Pro- ducenten, in gesellschaftliche Funktionen.
Bevor wir weiter gehn, ist noch dies ökonomisch Wichtige zu bemerken: Da der Profit hier rein die Form des Zinses annimmt, sind solche Unternehmungen noch möglich, wenn sie blossen Zins abwerfen, und es ist dies einer der Gründe, die das Fallen der allgemeinen Profitrate aufhalten, indem diese Unternehmungen, wo das konstante Kapital in so ungeheurem Verhältniss zum variablen steht, nicht nothwendig in die Ausgleichung der allgemeinen Profit- rate eingehn.
[Seit Marx obiges schrieb, haben sich bekanntlich neue Formen des Industriebetriebs entwickelt, die die zweite und dritte Potenz der Aktiengesellschaft darstellen. Der täglich wachsenden Rasch- heit, womit auf allen grossindustriellen Gebieten heute die Pro- duktion gesteigert werden kann, steht gegenüber die stets zu- nehmende Langsamkeit der Ausdehnung des Markts für diese ver- mehrten Produkte. Was jene in Monaten herstellt, kann dieser kaum in Jahren absorbiren. Dazu die Schutzzollpolitik, wodurch jedes Industrieland sich gegen die andern und namentlich gegen England abschliesst, und die heimische Produktionsfähigkeit noch künstlich steigert. Die Folgen sind allgemeine chronische Ueber- produktion, gedrückte Preise, fallende und sogar ganz wegfallende
Profite; kurz die altgerühmte Freiheit der Konkurrenz ist am Ende ihres Lateins, und muss ihren offenbaren skandalösen Bankrott selbst ansagen. Und zwar dadurch, dass in jedem Land die Gross- industriellen eines bestimmten Zweigs sich zusammenthun zu einem Kartell zur Regulirung der Produktion. Ein Ausschuss setzt das von jedem Etablissement zu producirende Quantum fest und ver- theilt in letzter Instanz die einlaufenden Aufträge. In einzelnen Fällen kam es zeitweise sogar zu internationalen Kartellen, so zwischen der englischen und deutschen Eisenproduktion. Aber auch diese Form der Vergesellschaftung der Produktion genügte noch nicht. Der Interessengegensatz der einzelnen Geschäftsfirmen durchbrach sie nur zu oft, und stellte die Konkurrenz wieder her. So kam man dahin, in einzelnen Zweigen, wo die Produktions- stufe dies zuliess, die gesammte Produktion dieses Geschäftszweigs zu Einer grossen Aktiengesellschaft mit einheitlicher Leitung zu konzentriren. In Amerika ist dies schon mehrfach durchgeführt, in Europa ist das grösste Beispiel bis jetzt der United Alkali Trust, der die ganze britische Alkaliproduktion in die Hände einer einzigen Geschäftsfirma gebracht hat. Die früheren Besitzer der — mehr als dreissig — einzelnen Werke haben für ihre ge- sammten Anlagen den Taxwerth in Aktien erhalten, im Ganzen gegen 5 Millionen £, die das fixe Kapital des Trusts darstellen. Die technische Direktion bleibt in den bisherigen Händen, aber die geschäftliche Leitung ist in der Hand der Generaldirektion kon- centrirt. Das Cirkulationskapital (floating capital) im Betrag von etwa einer Million £ wurde dem Publikum zur Zeichnung ange- boten. Gesammtkapital also 6 Millionen £. So ist in diesem Zweig, der die Grundlage der ganzen chemischen Industrie bildet, in England die Konkurrenz durch das Monopol ersetzt und der künftigen Expropriation durch die Gesammtgesellschaft, die Nation, aufs erfreulichste vorgearbeitet. — F. E.]
Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst, und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als blosser Uebergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Er- scheinung dar. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert daher die Staatseinmischung heraus. Er reproduzirt eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachern, Gründern und bloss nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf
Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privat- produktion ohne die Kontrolle des Privateigenthums.
IV. Abgesehn von dem Aktienwesen — das eine Aufhebung der kapitalistischen Privatindustrie auf Grundlage des kapitalistischen Systems selbst ist, und in demselben Umfang, worin es sich aus- dehnt und neue Produktionssphären ergreift, die Privatindustrie vernichtet — bietet der Kredit dem einzelnen Kapitalisten, oder dem, der für einen Kapitalisten gilt, eine innerhalb gewisser Schranken absolute Verfügung über fremdes Kapital und fremdes Eigenthum, und dadurch über fremde Arbeit.(FN87) Verfügung über gesellschaftliches, nicht eignes Kapital, gibt ihm Verfügung über gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital selbst, das man wirklich oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum Kreditüberbau. Es gilt dies besonders im Grosshandel, durch dessen Hände der grösste Theil des gesellschaftlichen Produkts passirt. Alle Maßstäbe, alle mehr oder minder innerhalb der kapi- talistischen Produktionsweise noch berechtigten Explikationsgründe verschwinden hier. Was der spekulirende Grosshändler riskirt, ist gesellschaftliches, nicht sein Eigenthum. Ebenso abgeschmackt wird die Phrase vom Ursprung des Kapitals aus der Ersparung, da jener gerade verlangt dass andre für ihn sparen sollen. [Wie neuerdings ganz Frankreich anderthalb Milliarden Franken für die Panamaschwindler zusammengespart hat. Wie denn hier der ganze Panamaschwindel genau beschrieben ist, volle zwanzig Jahre ehe er sich ereignet. — F. E.] Der andren Phrase von der Entsagung schlägt sein Luxus, der nun auch selbst Kreditmittel wird, direkt ins Gesicht. Vorstellungen, die auf einer minder entwickelten Stufe der kapitalistischen Produktion noch einen Sinn haben, werden
hier völlig sinnlos. Das Gelingen und Misslingen führen hier gleichzeitig zur Centralisation der Kapitale, und daher zur Expro- priation auf der enormsten Stufenleiter. Die Expropriation er- streckt sich hier von den unmittelbaren Producenten auf die klei- neren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Expropriation ist der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre Durch- führung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Expropriation aller Einzelnen von den Produktionsmitteln, die mit der Entwick- lung der gesellschaftlichen Produktion aufhören, Mittel der Privat- produktion und Produkte der Privatproduktion zu sein, und die nur noch Produktionsmittel in der Hand der associirten Producenten, daher ihr gesellschaftliches Eigenthum, sein können, wie sie ihr gesellschaftliches Produkt sind. Diese Expropriation stellt sich aber innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in gegensätz- licher Gestalt dar, als Aneignung des gesellschaftlichen Eigenthums durch Wenige; und der Kredit gibt diesen Wenigen immer mehr den Charakter reiner Glücksritter. Da das Eigenthum hier in der Form der Aktie existirt, wird seine Bewegung und Uebertragung reines Resultat des Börsenspiels, wo die kleinen Fische von den Haifischen und die Schafe von den Börsenwölfen verschlungen werden. In dem Aktienwesen existirt schon Gegensatz gegen die alte Form, worin gesellschaftliches Produktionsmittel als indivi- duelles Eigenthum erscheint; aber die Verwandlung in die Form der Aktie bleibt selbst noch befangen in den kapitalistischen Schranken; statt daher den Gegensatz zwischen dem Charakter des Reichthums als gesellschaftlicher und als Privatreichthum zu über- winden, bildet sie ihn nur in neuer Gestalt aus.
Die Kooperativfabriken der Arbeiter selbst sind, innerhalb der alten Form, das erste Durchbrechen der alten Form, obgleich sie natürlich überall, in ihrer wirklichen Organisation, alle Mängel des bestehenden Systems reproduciren und reproduciren müssen. Aber der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit ist innerhalb der- selben aufgehoben, wenn auch zuerst nur in der Form, dass die Arbeiter als Association ihr eigner Kapitalist sind, d. h. die Pro- duktionsmittel zur Verwerthung ihrer eignen Arbeit verwenden. Sie zeigen wie, auf einer gewissen Entwicklungsstufe der materiellen Produktivkräfte und der ihr entsprechenden gesellschaftlichen Pro- duktionsformen, naturgemäß aus einer Produktionsweise sich eine neue Produktionsweise entwickelt und herausbildet. Ohne das aus der kapitalistischen Produktionsweise entspringende Fabriksystem könnte sich nicht die Kooperativfabrik entwickeln, und ebensowenig
ohne das aus derselben Produktionsweise entspringende Kreditsystem. Letztres, wie es die Hauptbasis bildet zur allmäligen Verwandlung der kapitalistischen Privatunternehmungen in kapitalistische Aktien- gesellschaften, bietet ebensosehr die Mittel zur allmäligen Aus- dehnung der Kooperativunternehmungen auf mehr oder minder nationaler Stufenleiter. Die kapitalistischen Aktienunternehmungen sind ebensosehr wie die Kooperativfabriken als Uebergangsformen aus der kapitalistischen Produktionsweise in die associirte zu be- trachten, nur dass in den einen der Gegensatz negativ, und in den andren positiv aufgehoben ist.
Wir haben bisher die Entwicklung des Kreditwesens — und die darin enthaltne latente Aufhebung des Kapitaleigenthums — mit Bezug hauptsächlich auf das industrielle Kapital betrachtet. Wir betrachten in den folgenden Kapiteln den Kredit mit Bezug auf das zinstragende Kapital als solches, sowohl seinen Effekt auf dieses, wie die Form die er hierbei annimmt; und sind dabei über- haupt noch einige specifisch ökonomische Bemerkungen zu machen.
Vorher noch dies:
Wenn das Kreditwesen als Haupthebel der Ueberproduktion und Ueberspekulation im Handel erscheint, so nur, weil der Repro- duktionsprocess, der seiner Natur nach elastisch ist, hier bis zur äussersten Grenze forcirt wird, und zwar deshalb forcirt wird, weil ein grosser Theil des gesellschaftlichen Kapitals von den Nicht- eigenthümern desselben angewandt wird, die daher ganz anders ins Zeug gehn als der ängstlich die Schranken seines Privatkapitals erwägende Eigenthümer, soweit er selbst fungirt. Es tritt damit nur hervor, dass die auf den gegensätzlichen Character der kapita- listischen Produktion gegründete Verwerthung des Kapitals die wirkliche, freie Entwicklung nur bis zu einem gewissen Punkt er- laubt, also in der That eine immanente Fessel und Schranke der Produktion bildet, die beständig durch das Kreditwesen durch- brochen wird.(FN88) Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Welt- markts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen, die historische Auf- gabe der kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig be- schleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche dieses Wider- spruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der alten Produktionsweise.
Die dem Kreditsystem immanenten doppelseitigen Charaktere: einerseits die Triebfeder der kapitalistischen Produktion, Bereicherung durch Ausbeutung fremder Arbeit, zum reinsten und kolossalsten Spiel- und Schwindelsystem zu entwickeln, und die Zahl der den gesellschaftlichen Reichthum ausbeutenden Wenigen immer mehr zu beschränken; andrerseits aber die Uebergangsform zu einer neuen Produktionsweise zu bilden, — diese Doppelseitigkeit ist es, die den Hauptverkündern des Kredits von Law bis Isaak Pereire ihren angenehmen Mischcharakter von Schwindler und Prophet gibt.
Der Unterschied zwischen Cirkulation und Kapital, wie ihn Tooke(FN89), Wilson und andre machen, und wobei die Unterschiede zwischen Cirkulationsmittel als Geld, als Geldkapital überhaupt und
als zinstragendes Kapital (moneyed capital im englischen Sinn) kunterbunt durcheinander geworfen werden, kommen auf zweierlei hinaus.
Das Cirkulationsmittel cirkulirt einerseits als Münze (Geld), so- weit es Verausgabung von Revenue vermittelt, also den Ver- kehr zwischen den individuellen Konsumenten und den Klein- händlern, unter welche Kategorie alle Kaufleute zu rechnen sind, die an die Konsumenten verkaufen — an die individuellen Kon- sumenten im Unterschied von den produktiven Konsumenten oder Producenten. Hier cirkulirt das Geld in der Funktion der Münze, obgleich es beständig Kapital ersetzt. Ein gewisser Theil des Geldes in einem Lande ist beständig dieser Funktion gewidmet, obgleich dieser Theil aus beständig wechselnden einzelnen Geld- stücken besteht. Dagegen, soweit das Geld Uebertragung von Kapital vermittelt, sei es als Kaufmittel (Cirkulationsmittel), sei es als Zahlungsmittel, ist es Kapital. Es ist also weder die Funktion als Kaufmittel, noch die als Zahlungsmittel, die es von der Münze unterscheidet, denn auch zwischen Händler und Händler kann es als Kaufmittel fungiren, soweit sie gegen baar von einander kaufen, und auch zwischen Händler und Konsument kann es als Zahlungsmittel figuriren, soweit Kredit gegeben und die Revenue erst verzehrt und dann bezahlt wird. Der Unterschied ist also der, dass im zweiten Fall dies Geld nicht nur Kapital für die eine Seite, den Verkäufer, ersetzt, sondern auch von der andern Seite, vom Käufer, als Kapital verausgabt, vorgeschossen wird. Der Unterschied ist also in der That der von Geldform der Revenue und Geldform des Kapitals, aber nicht der von Cirkulation und Kapital, denn als Vermittler zwischen den Händlern, eben- sogut wie als Vermittler zwischen Konsumenten und Händlern, cirkulirt ein seiner Menge nach bestimmter Theil des Geldes, und Cirkulation ist es demzufolge in beiden Funktionen gleich- mäßig. Es kommt nun bei der Auffassung Tooke’s Konfusion verschiedner Art herein:
Ad 1), die Verwechslung der funktionellen Bestimmungen, dass
das Geld in der einen Form Cirkulation (currency) und in der andern Form Kapital ist. Soweit das Geld in der einen oder andern Funktion dient, sei es zur Realisirung von Revenue oder zur Uebertragung von Kapital, fungirt es im Kauf und Verkauf oder im Zahlen, als Kaufmittel oder Zahlungsmittel, und im weitern Sinn des Worts als Cirkulationsmittel. Die weitere Bestimmung, die es in der Rechnung seines Ausgebers oder Empfängers hat, dass es ihm Kapital oder Revenue vorstellt, ändert hieran absolut nichts, und es zeigt sich dies auch doppelt. Obgleich die Geld- sorten, die in beiden Sphären cirkuliren, verschieden sind, so geht dasselbe Geldstück, z. B. eine Fünfpfundnote, aus der einen Sphäre in die andre über, und vollzieht abwechselnd beide Funktionen; was schon deswegen unvermeidlich ist, weil der Kleinhändler seinem Kapital die Geldform allein geben kann in der Form der Münze, die er von seinen Käufern erhält. Man kann annehmen, dass die eigentliche Scheidemünze ihren Cirkulationsschwerpunkt im Gebiet des Kleinhandels hat; der Kleinhändler braucht sie be- ständig zum Auswechseln und erhält sie beständig in Zahlung von seinen Kunden zurück. Er erhält aber auch Geld, d. h. Münze in dem Metall, das Werthmesser ist, also in England Pfundstücke und selbst Banknoten, namentlich Noten zu niedrigen Beträgen, also z. B. von 5 und 10 Pfund. Diese Goldstücke und Noten, nebst etwa überschüssiger Scheidemünze, deponirt er jeden Tag oder jede Woche bei seiner Bank und zahlt damit, durch An- weisung auf sein Bankdepositum, seine Einkäufe. Aber dieselben Goldstücke und Noten werden ebenso beständig vom ganzen Pu- blikum, in seiner Eigenschaft als Konsument, als Geldform seiner Revenue, den Banken wieder direkt oder indirekt (z. B. Kleingeld durch Fabrikanten zur Lohnzahlung) entzogen, und fliessen be- ständig den Kleinhändlern zurück, denen sie so einen Theil ihres Kapitals, aber gleichzeitig auch ihrer Revenue aufs neue realisiren. Dieser letztere Umstand ist wichtig und wird von Tooke ganz übersehn. Nur sobald das Geld als Geldkapital ausgelegt wird, am Anfang des Reproduktionsprocesses (Buch II, Abschnitt I) existirt der Kapitalwerth rein als solcher. Denn in der produ- cirten Waare steckt nicht nur Kapital, sondern auch schon der Mehrwerth; sie ist nicht nur Kapital an sich, sondern schon ge- wordenes Kapital, Kapital mit der ihm einverleibten Revenue- quelle. Was der Kleinhändler für das ihm zurückfliessende Geld weggibt, seine Waare, ist also für ihn Kapital plus Profit, Kapital plus Revenue.
Ferner aber, indem das cirkulirende Geld dem Kleinhändler zurückfliesst, stellt es die Geldform seines Kapitals wieder her.
Den Unterschied zwischen der Cirkulation als Cirkulation von Revenue und als Cirkulation von Kapital in einen Unterschied zwischen Cirkulation und Kapital verwandeln, ist also durchaus verkehrt. Diese Redeweise entspringt bei Tooke daraus, dass er sich einfach auf den Standpunkt des Bankiers stellt, der eigne Banknoten ausgibt. Der Betrag seiner Noten, der sich beständig (wenn auch stets aus andern Noten bestehend), in der Hand des Publikums befindet und als Cirkulationsmittel fungirt, kostet ihm nichts ausser Papier und Druck. Es sind auf ihn selbst ausge- stellte cirkulirende Schuldscheine (Wechsel), die ihm aber Geld einbringen und so als ein Mittel zur Verwerthung seines Kapitals dienen. Sie sind aber von seinem Kapital verschieden, sei dies nun eignes oder aufgenommnes. Daher entspringt für ihn ein specieller Unterschied von Cirkulation und Kapital, der aber mit den Begriffsbestimmungen als solchen nichts zu thun hat, am wenigsten mit den eben von Tooke gemachten.
Die verschiedne Bestimmtheit — ob es als Geldform der Revenue oder des Kapitals fungirt — ändert zunächst nichts an dem Charakter des Geldes als Cirkulationsmittel; diesen Charakter be- hält es, ob es die eine oder die andre Funktion verrichtet. Aller- dings fungirt das Geld, wenn es als Geldform der Revenue auf- tritt, mehr als eigentliches Cirkulationsmittel (Münze, Kaufmittel), wegen der Zersplitterung dieser Käufe und Verkäufe, und weil die Mehrzahl der Revenue-Ausgebenden, die Arbeiter, relativ wenig auf Kredit kaufen können; während im Verkehr der Handelswelt, wo das Umlaufsmittel Geldform des Kapitals ist, theils wegen der Koncentration, theils wegen des vorherrschenden Kreditsystems das Geld hauptsächlich als Zahlungsmittel fungirt. Aber der Unterschied des Geldes als Zahlungsmittel vom Geld als Kauf- mittel (Cirkulationsmittel) ist eine dem Geld selbst zukommende Unterscheidung; nicht ein Unterschied zwischen Geld und Kapital. Weil im Kleinhandel mehr Kupfer und Silber, im grossen mehr Gold cirkulirt, ist der Unterschied zwischen Silber und Kupfer auf der einen und von Gold auf der andren Seite, nicht der Unter- schied von Cirkulation und Kapital.
Ad 2) Einmischung der Frage über die Quantität des, in beiden Funktionen zusammen, cirkulirenden Geldes: Soweit das Geld cir- kulirt, sei es als Kaufmittel, sei es als Zahlungsmittel — einerlei in welcher der beiden Sphären, und unabhängig von seiner Funktion,
Revenue oder Kapital zu realisiren — gelten für die Quantität seiner cirkulirenden Masse, die früher, bei Betrachtung der ein- fachen Waarencirkulation, Buch I, Kap. III, 2b, entwickelten Ge- setze. Der Grad der Cirkulationsgeschwindigkeit. also die Anzahl der Wiederholungen derselben Funktion als Kauf- und Zahlungs- mittel durch dieselben Geldstücke in einem gegebnen Zeitraum, die Masse der gleichzeitigen Käufe und Verkäufe, resp. Zahlungen, die Preissumme der cirkulirenden Waaren, endlich die Zahlungs- bilanzen, die in derselben Zeit zu saldiren sind, bestimmen in beiden Fällen die Masse des cirkulirenden Geldes, der currency. Ob das so fungirende Geld für Zahler oder Empfänger Kapital oder Revenue vorstellt, ist gleichgültig, ändert absolut nichts an der Sache. Seine Masse wird bestimmt einfach durch seine Funktion als Kauf- und Zahlungsmittel.
Ad 3) — Zur Frage über die relativen Verhältnisse der in beiden Funktionen, und daher in beiden Sphären des Reproduktions- processes cirkulirenden Mengen von Umlaufsmitteln. Beide Cir- kulationssphären stehn in einem innern Zusammenhang, indem einerseits die Masse der zu verausgabenden Revenuen den Umfang der Konsumtion, und andrerseits die Grösse der in Produktion und Handel cirkulirenden Kapitalmassen den Umfang und die Ge- schwindigkeit des Reproduktionsprocesses ausdrücken. Trotzdem wirken dieselben Umstände verschieden, und selbst in entgegen- gesetzter Richtung, auf die Quanta der in beiden Funktionen oder Sphären cirkulirenden Geldmassen oder auf die Quantitäten der Cirkulation, wie die Engländer dies bankmäßig ausdrücken. Und dies gibt neuen Anlass zu der abgeschmackten Distinktion Tooke’s von Cirkulation und Kapital. Der Umstand, dass die Herren von der Currency-Theorie zwei disparate Dinge verwechseln, ist durch- aus kein Grund, um sie als Begriffsunterschiede darzustellen.
In Zeiten der Prosperität, grosser Expansion, Beschleunigung und Energie des Reproduktionsprocesses, sind die Arbeiter voll be- schäftigt. Meist tritt auch Steigen des Lohns ein und gleicht das Fallen desselben unter das Durchschnittsniveau in den andern Perioden des kommerziellen Cyklus einigermaßen aus. Gleichzeitig wachsen die Revenuen der Kapitalisten bedeutend. Die Konsumtion steigt allgemein. Die Waarenpreise steigen ebenfalls regelmäßig, wenigstens in verschiednen entscheidenden Geschäftszweigen. In Folge dessen wächst das Quantum des cirkulirenden Geldes wenigstens innerhalb gewisser Grenzen, indem die grössere Umlaufsgeschwindig- keit dem Wachsen der Masse des umlaufenden Mittels ihrerseits
Schranken setzt. Da der Theil der gesellschaftlichen Revenue, der aus Arbeitslohn besteht, ursprünglich vom industriellen Kapitalisten in der Form von variablem Kapital, und stets in Geldform vor- geschossen wird, bedarf er in Zeiten der Prosperität mehr Geld zu seiner Cirkulation. Aber wir dürfen dies nicht zweimal rechnen: einmal als Geld, nöthig zur Cirkulation des variablen Kapitals, und noch einmal als Geld, nöthig zur Cirkulation der Revenue der Arbeiter. Das den Arbeitern als Lohn ausgezahlte Geld wird im Kleinverkehr verausgabt und kehrt so ziemlich wöchentlich als Depositum der Kleinhändler zu den Banken zurück, nachdem es in kleinern Kreisläufen noch allerlei Zwischengeschäfte vermittelt hat. In Zeiten der Prosperität wickelt sich der Rückfluss des Geldes für die industriellen Kapitalisten glatt ab, und so steigt ihr Bedürfniss für Geldakkommodation nicht dadurch, dass sie mehr Arbeitslohn zu zahlen haben, mehr Geld zur Cirkulation ihres variablen Kapitals bedürfen.
Das Gesammtresultat ist, dass in Perioden der Prosperität die Masse der Umlaufsmittel, die zur Verausgabung von Revenue dient, entschieden wächst.
Was nun die Cirkulation betrifft, die zum Uebertrag von Kapital, also nur zwischen den Kapitalisten selbst nöthig ist, so ist diese flotte Geschäftszeit zugleich die Periode des elastischsten und leich- testen Kredits. Die Geschwindigkeit der Cirkulation zwischen Kapitalist und Kapitalist ist direkt durch den Kredit regulirt, und die Masse des Cirkulationsmittels, die zur Saldirung der Zahlungen und selbst zu Baarkäufen erheischt ist, nimmt also verhältniss- mäßig ab. Sie mag sich absolut ausdehnen, aber sie nimmt unter allen Umständen relativ ab, verglichen mit der Expansion des Reproduktionsprocesses. Einerseits werden grössere Massenzahlungen ohne alle Dazwischenkunft von Geld liquidirt; andrerseits, bei der grossen Lebendigkeit des Processes, herrscht raschere Bewegung derselben Geldquanta, sowohl als Kauf- wie als Zahlungsmittel. Dieselbe Geldmasse vermittelt den Rückfluss einer grössern Anzahl von Einzelkapitalen.
Im ganzen erscheint in solchen Perioden der Geldumlauf voll- gefüllt (full), obgleich Theil II (Kapitalübertragung) sich wenigstens relativ kontrahirt, während Theil I (Revenueausgabe) sich absolut ausdehnt.
Die Rückflüsse drücken die Rückverwandlung des Waarenkapitals in Geld aus, G—W—G', wie man bei Betrachtung des Reproduk- tionsprocesses, Buch II, Abschnitt I gesehn hat. Der Kredit macht
den Rückfluss in Geldform unabhängig vom Zeitpunkt des wirk- lichen Rückflusses, sei es für den industriellen Kapitalisten, sei es für den Kaufmann. Jeder von beiden verkauft auf Kredit; seine Waare ist also veräussert, bevor sie sich für ihn in Geld rückver- wandelt, also zu ihm selbst in Geldform zurückgeflossen ist. Andrerseits kauft er auf Kredit, und so hat sich der Werth seiner Waare für ihn rückverwandelt, sei es in produktives Kapital, sei es in Waarenkapital, schon bevor dieser Werth wirklich in Geld verwandelt worden, bevor der Waarenpreis verfallen und bezahlt ist. In solchen Zeiten der Prosperität wickelt sich der Rückfluss leicht und glatt ab. Der Kleinhändler zahlt mit Sicherheit dem Grosshändler, dieser dem Fabrikanten, dieser dem Importeur des Rohstoffs etc. Der Schein rascher und sicherer Rückflüsse hält sich immer für längre Zeit, nachdem deren Wirklichkeit vorbei, durch den Kredit, der einmal im Gang ist, da die Kreditrückflüsse die wirklichen vertreten. Die Banken fangen an Lunte zu riechen, sobald ihre Kunden mehr Wechsel als Geld einzahlen. Siehe die obige Aussage des Liverpooler Bankdirektors, S. 398.
Hier noch einzuschalten was ich früher bemerkt: „In Epochen vorherrschenden Kredits wächst die Geschwindigkeit des Geldum- laufs schneller, als die Preise der Waaren; während mit abnehmendem Kredit die Preise der Waaren langsamer fallen, als die Geschwin- digkeit der Cirkulation.“ (Zur Kritik d. Pol. Oekon., 1859, p. 83, 84.)
In der Periode der Krise verhält es sich umgekehrt. Cirkulation No. I kontrahirt sich, die Preise fallen, ebenso die Arbeitslöhne; die Zahl der beschäftigten Arbeiter wird eingeschränkt, die Masse der Umsätze nimmt ab. Dagegen in Cirkulation No. II wächst mit abnehmendem Kredit das Bedürfniss für Geldakkommodation, ein Punkt auf den wir gleich näher eingehn.
Es unterliegt durchaus keinem Zweifel, dass bei der Abnahme des Kredits, die mit Stockung des Reproduktionsprocesses zu- sammenfällt, die Cirkulationsmasse, die für No. I, Revenue-Ausgabe, erheischt ist, abnimmt, während die für No. II, Kapital-Uebertragung, steigt. Es ist aber zu untersuchen, wie weit dieser Satz identisch ist mit dem von Fullarton und andren aufgestellten: „Eine Nach- frage für Kapital auf Anleihe und eine Nachfrage für zusätzliche Cirkulationsmittel sind ganz verschiedne Dinge und kommen nicht oft zusammen vor.“(FN90)
Zunächst ist klar, dass im ersten der beiden obigen Fälle, zur Zeit der Prosperität, wo die Masse des cirkulirenden Mediums wachsen muss, die Nachfrage dafür wächst. Aber es ist eben so
klar, dass wenn ein Fabrikant von seinem Guthaben bei einer Bank mehr in Gold oder Banknoten herauszieht, weil er mehr Kapital in Geldform zu verausgaben hat, deswegen seine Nachfrage für Kapital nicht wächst, sondern nur seine Nachfrage für diese be- sondre Form, worin er sein Kapital verausgabt. Die Nachfrage bezieht sich nur auf die technische Form, worin er sein Kapital in die Cirkulation wirft. Wie ja bei verschiedner Entwicklung des Kreditwesens z. B. dasselbe variable Kapital, dieselbe Menge Arbeits- lohn in einem Lande eine grössre Masse Umlaufsmittel erfordert als im andern; in England z. B. mehr als in Schottland, in Deutsch- land mehr als in England. Ebenso erheischt in der Landwirth- schaft dasselbe im Reproduktionsprocess thätige Kapital zu ver- schiednen Jahreszeiten verschiedne Mengen von Geld zur Verrichtung seiner Funktion.
Aber der Gegensatz, wie Fullarton ihn stellt, ist nicht richtig. Es ist keineswegs, wie er sagt, die starke Nachfrage für An- leihen, was die Periode der Stockung von der Prosperität unter- scheidet, sondern die Leichtigkeit, womit diese Nachfrage zur Prosperitätszeit, und die Schwierigkeit, womit sie nach eingetretner Stockung befriedigt wird. Es ist ja gerade die ungeheure Ent- wicklung des Kreditsystems, während der Prosperitätszeit, also auch die enorme Steigerung der Nachfrage nach Leihkapital und die Bereitwilligkeit, womit das Angebot sich ihr in solchen Perioden zur Verfügung stellt, welche die Kreditklemme während der Zeit der Stockung herbeiführt. Es ist also nicht der Unterschied in der Grösse der Nachfrage für Anleihen, der beide Perioden charakterisirt.
Wie schon früher bemerkt, unterscheiden sich beide Perioden zunächst dadurch, dass in der Prosperitätszeit die Nachfrage nach Umlaufsmitteln zwischen Konsumenten und Händlern, in der Periode des Rückschlags die Nachfrage nach Umlaufsmitteln zwischen Kapitalisten vorherrscht. In der Periode der Geschäftsstockung nimmt die erstere ab, die zweite zu.
Was nun Fullarton und andren als entscheidend wichtig auf- fällt, ist das Phänomen, dass in solchen Zeiten, wo die securities —
die Leihpfänder und Wechsel — in der Hand der Bank von Eng- land zunehmen, ihre Notencirkulation abnimmt und umgekehrt. Die Höhe der securities drückt aber den Umfang der Geldakkom- modation aus, der diskontirten Wechsel und der Vorschüsse auf gangbare Werthpapiere. So sagt Fullarton in der oben, Note 90, S. 436 angeführten Stelle: die Werthpapiere (securities) im Besitz der Bank von England variiren meist in umgekehrter Richtung wie ihre Notencirkulation, und dies bestätigt den bei den Privat- banken altbewährten Satz, dass keine Bank ihre Notenausgabe über einen gewissen, durch das Bedürfniss ihres Publikums be- stimmten Betrag hinaussteigern kann; will sie aber über diesen Betrag hinaus Vorschüsse machen, so muss sie diese aus ihrem Kapital machen, also entweder Werthpapiere flüssig machen oder Geldeingänge dazu verwenden, die sie sonst in Werthpapieren an- gelegt hätte.
Hier zeigt sich aber auch, was Fullarton unter Kapital versteht. Was heisst hier Kapital? Dass die Bank nicht länger die Vor- schüsse machen kann mit ihren eignen Banknoten, Zahlungsver- sprechen, die ihr natürlich nichts kosten. Aber womit macht sie dann Vorschüsse? Mit dem Erlös aus dem Verkauf von securities in reserve, d. h. von Staatspapieren, Aktien und andren zinstragenden Werthpapieren. Aber wofür verkauft sie diese Papiere? Für Geld, Gold oder Banknoten, soweit letztre gesetzliches Zahlungsmittel, wie die der Bank von England. Was sie also vorschiesst, ist unter allen Umständen Geld. Dies Geld konstituirt aber jetzt einen Theil ihres Kapitals. Wenn sie Gold vorschiesst, so ist dies handgreif- lich. Wenn Noten, so stellen jetzt diese Noten Kapital vor, weil sie einen wirklichen Werth, die zinstragenden Papiere, dafür ver- äussert hat. Bei den Privatbanken können die Noten, die ihnen durch Verkauf der Werthpapiere zufliessen, der Masse nach nur Noten der Bank von England oder ihre eignen sein, da andre schwer- lich in Zahlung von Werthpapieren angenommen werden. Ist es aber die Bank von England selbst, so kosten ihr dann ihre eignen Noten, die sie rückerhält, Kapital, d. h. zinstragendes Papier. Ausser- dem entzieht sie dadurch ihre eignen Noten der Cirkulation. Gibt sie diese Noten wieder aus, oder statt ihrer neue Noten zum selben Betrag, so stellen sie also jetzt Kapital vor. Und zwar stellen sie Kapital vor, ebensogut wenn sie zu Vorschüssen an Kapitalisten, wie wenn sie später, bei Abnahme der Nachfrage nach solcher Geldakkommodation, zu Neuanlagen in Werthpapieren verwandt werden. Unter allen diesen Umständen ist das Wort Kapital hier
nur im Bankiersinn gebraucht, wo es bedeutet, dass der Bankier mehr als seinen blossen Kredit zu verleihen gezwungen ist.
Bekanntlich macht die Bank von England alle ihre Vorschüsse in ihren Noten. Wenn nun trotzdem in der Regel die Noten- cirkulation der Bank abnimmt im Verhältniss wie die diskontirten Wechsel und Leihpfänder in ihrer Hand, also die von ihr gemachten Vorschüsse zunehmen — was wird aus den in Umlauf gesetzten Noten, wie fliessen sie der Bank zurück?
Zunächst, wenn die Nachfrage für Geldakkommodation aus einer ungünstigen nationalen Zahlungsbilanz entspringt und daher einen Goldabfluss vermittelt, ist die Sache sehr einfach. Die Wechsel werden diskontirt in Banknoten. Die Banknoten werden bei der Bank selbst, im issue department, ausgetauscht gegen Gold, und das Gold wird exportirt. Es ist dasselbe, als ob die Bank direkt Gold zahlte, ohne Vermittlung von Noten, gleich beim Diskontiren der Wechsel. Eine solche steigende Nachfrage — die 7 bis 10 Millionen Pfund Sterling in gewissen Fällen erreicht — fügt natürlich der innern Cirkulation des Landes keine einzige Fünf- pfundnote zu. Sagt man nun, dass die Bank hier Kapital vor- schiesst und nicht Cirkulationsmittel, so hat dies einen doppelten Sinn. Erstens, dass sie nicht Kredit, sondern wirklichen Werth vorschiesst, einen Theil ihres eignen oder des bei ihr deponirten Kapitals. Zweitens, dass sie nicht Geld für inländische Cirkulation, sondern für internationale Cirkulation vorschiesst, Weltgeld; und für diesen Zweck muss das Geld immer existiren in seiner Form als Schatz, in seiner metallischen Leiblichkeit; in der Form, worin es nicht nur Form des Werths, sondern selbst gleich dem Werth, dessen Geldform es ist. Obgleich dies Gold nun sowohl für die Bank, wie für den exportirenden Goldhändler, Kapital vorstellt, Bankierkapital oder Kaufmannskapital, so entsteht die Nachfrage nicht nach ihm als Kapital, sondern als der absoluten Form des Geldkapitals. Sie entsteht gerade in dem Augenblick, wo die aus- ländischen Märkte mit unrealisirbarem englischem Waarenkapital vollgepfropft sind. Was also verlangt wird, ist Kapital nicht als Kapital, sondern Kapital als Geld, in der Form, worin das Geld all- gemeine Weltmarktswaare; und dies ist seine ursprüngliche Form als edles Metall. Die Goldabflüsse sind also nicht, wie Fullarton, Tooke etc. sagen, a mere question of capital. Sondern a question of money, wenn auch in einer specifischen Funktion. Dass es keine Frage der inländischen Cirkulation ist, wie die Leute von der Currency-Theorie dies behaupten, beweist durchaus nicht, wie
Fullarton und andre meinen, dass es eine blosse question of capital. Es ist a question of money in der Form, worin Geld internationales Zahlungsmittel. „Whether that capital (der Kaufpreis für die Millionen Quarter ausländischer Weizens nach einer Missernte im Inland) is transmitted in merchandize or in specie, is a point which in no way affects the nature of the transaction.“ (Fullarton, l. c., p. 131.) Aber es afficirt sehr bedeutend die Frage, ob ein Goldabfluss stattfindet oder nicht. Das Kapital wird in Form von Edelmetall übermittelt, weil es gar nicht, oder nicht ohne die grössten Verluste in Form von Waaren übermittelt werden kann. Die Angst, die das moderne Banksystem vor dem Goldabfluss hat, übertrifft alles, was das Monetarsystem, dem Edelmetall der einzig wahre Reichthum ist, je erträumt hat. Nehmen wir z. B. folgendes Verhör des Gouverneurs der Bank von England, Morris, vor dem Parlamentskomité über die Krise von 1847—48: „3846. [Frage:] Wenn ich von Entwerthung von Vorräthen (stocks) und fixem Kapital spreche, ist Ihnen nicht bekannt, dass alles in Vorräthen und Produkten aller Art angelegte Kapital in derselben Weise ent- werthet war; dass Rohbaumwolle, Rohseide, Rohwolle, nach dem Kontinent geschickt wurde zu denselben Schleuderpreisen, und dass Zucker, Kaffee und Thee mit grossen Opfern verkauft wurden wie bei Zwangsverkäufen? — Es war unvermeidlich, dass das Land ein beträchtliches Opfer bringen musste um dem Goldabfluss zu begegnen, der stattgefunden hatte in Folge der massenhaften Einführung von Nahrungsmitteln.“ — 3848. Sind Sie nicht der Ansicht, dass es besser gewesen wäre, die 8 Millionen £ anzu- greifen, die in der Schatzkammer der Bank lagen, als zu suchen, das Gold zurückzubekommen mit solchen Opfern? — Nein, der Meinung bin ich nicht.“ — Es ist Gold was hier als der einzig wirkliche Reichthum gilt.
Die von Fullarton citirte Entdeckung Tooke’s, dass „with only one or two exceptions, and those admitting of satisfactory explan- ation, every remarkable fall of the exchange, followed by a drain of gold, that has occurred during the last half century, has been coincident throughout with a comparatively low state of the cir- culating medium, and vice versa“ (Fullarton p. 121) — beweist dass diese Goldabflüsse meistens eintreten, nach einer Periode der Aufregung und Spekulation als „a signal of a collapse already commenced … an indication of overstocked markets, of a cessation of the foreign demand for our productions, of delayed returns, and, as the necessary sequel of all these, of commercial discredit,
manufactories shut up, artisans starving, and a general stagnation of industry and enterprise.“ (p. 129.) Dies ist zugleich natürlich die beste Widerlegung der Behauptung der Currency-Leute, dass a full circulation drives out bullion and a low circulation attracts it. Dagegen, obgleich eine starke Goldreserve der Bank von Eng- land meist in der Prosperitätszeit da ist, bildet sich dieser Schatz immer in der lustlosen und stagnirenden Zeit, die auf den Sturm folgt.
Die ganze Weisheit, mit Bezug auf die Goldabflüsse, läuft also darauf hinaus, dass die Nachfrage für internationale Cirkulations- und Zahlungsmittel verschieden ist von der Nachfrage für inlän- dische Cirkulations- und Zahlungsmittel (weswegen auch von selbst folgt, dass „the existence of a drain does not necessarily imply any diminution of the internal demand for circulation“ wie Ful- larton p. 112 sagt); und dass das Heraussenden der edlen Metalle aus dem Land, ihr Hineinwerfen in die internationale Cirkulation, nicht identisch ist mit Hineinwerfen von Noten oder Münze in die inländische Cirkulation. Uebrigens habe ich schon früher gezeigt, dass die Bewegung des Schatzes, der als Reservefonds für inter- nationale Zahlungen koncentrirt ist, an und für sich nichts zu thun hat mit der Bewegung des Geldes als Cirkulationsmittel. Aller- dings kommt eine Komplikation dadurch hinein, dass die ver- schiednen Funktionen des Schatzes, die ich aus der Natur des Geldes entwickelt habe: seine Funktion als Reservefonds für Zahlungsmittel, fällige Zahlungen im Innern; als Reservefonds des Umlaufsmittels; endlich als Reservefonds des Weltgelds — einem einzigen Reservefonds aufgebürdet werden; woraus auch folgt, dass unter gewissen Umständen ein Goldabfluss von der Bank ins Inland sich mit dem Abfluss ins Ausland kombiniren kann. Eine weitere Komplikation kommt aber noch herein durch die, diesem Schatz ganz willkürlich aufgeladene fernere Funktion, als Garantiefonds für Konvertibilität von Banknoten zu dienen, in Ländern wo das Kreditsystem und das Kreditgeld entwickelt ist. Zu alledem kommt dann schliesslich 1) die Koncentration des nationalen Reservefonds in einer einzigen Hauptbank, 2) seine Reduktion auf das möglichste Minimum. Daher auch die Klage Fullarton’s (p. 143): One cannot contemplate the perfect silence and facility with which variations of the exchange usually pass off in continental countries, compared with the state of feverish disquiet and alarm always produced in England whenever the treasure in the bank seems to be at all approaching to exhaustion, without being struck with the
great advantage in this respect which a metallic currency pos- sesses.“
Sehn wir nun aber ab vom Goldabfluss, wie kann dann eine Bank, die Banknoten ausgibt, also z. B. die Bank von England, den Betrag der von ihr geleisteten Geldakkommodation vermehren ohne Vermehrung ihrer Notenausgabe?
Alle Noten ausserhalb der Mauern der Bank, ob sie cirkuliren oder in Privatschätzen schlummern, befinden sich, was die Bank selbst betrifft, in Cirkulation, d. h. ausserhalb ihres Besitzes. Dehnt also die Bank ihre Discontos und Lombardgeschäfte, die Vorschüsse auf securities aus, so müssen die dafür ausgegebnen Banknoten wieder zu ihr zurückfliessen, denn sonst vergrössern sie den Be- trag der Cirkulation, was eben nicht der Fall sein soll. Dieser Rückfluss kann auf doppelte Weise geschehn.
Erstens: Die Bank zahlt dem A Noten gegen Werthpapiere; A zahlt damit fällige Wechsel an B, und B deponirt die Noten wieder bei der Bank. Die Cirkulation dieser Noten ist damit zu Ende, aber die Anleihe bleibt. (The loan remains, and the currency, if not wanted, finds its way back to the issuer. Fullarton, p. 97.) Die Noten, die die Bank dem A vorschoss, sind jetzt zu ihr zurück- gekehrt; dagegen ist sie Gläubigerin von A oder dem Bezogenen des von A diskontirten Wechsels, Schuldnerin von B für die in diesen Noten ausgedrückte Werthsumme, und B verfügt damit über einen entsprechenden Theil des Kapitals der Bank.
Zweitens. A zahlt an B, und B selbst oder C, an den er die Noten weiter fortzahlt, zahlt mit diesen Noten fällige Wechsel an die Bank, direkt oder indirekt. In diesem Fall wurde die Bank mit ihren eignen Noten bezahlt. Hiermit ist dann die Transaktion fertig (bis auf die Rückzahlung des A an die Bank).
In wie fern ist nun der Vorschuss der Bank an A als Vorschuss von Kapital, oder als blosser Vorschuss von Zahlungsmitteln zu betrachten?(FN91)
[Dies kommt auf die Natur des Vorschusses selbst an. Es sind dabei drei Fälle zu untersuchen.
Erster Fall. — A erhält von der Bank die Vorschusssummen auf seinen persönlichen Kredit hin, ohne irgend welche Deckung dafür zu geben. In diesem Fall hat er nicht nur Zahlungsmittel
vorgeschossen erhalten, sondern auch unbedingt ein neues Kapital, das er bis zur Rückzahlung in seinem Geschäft als Zusatzkapital verwenden und verwerthen kann.
Zweiter Fall. — A hat der Bank Werthpapiere, Staatsschuld- scheine oder Aktien, verpfändet und darauf Baarvorschuss, sage bis zu zwei Dritteln des Tageswerths, erhalten. In diesem Fall hat er die Zahlungsmittel erhalten, die er brauchte, aber kein zusätz- liches Kapital, denn er hat der Bank einen grösseren Kapitalwerth in die Hand gegeben als er von ihr erhielt. Aber dieser grössere Kapitalwerth war einerseits für seine augenblicklichen Bedürfnisse — Zahlungsmittel — nicht verwendbar, weil er in einer bestimmten Form zinstragend angelegt war; andrerseits hatte A seine Gründe, ihn nicht durch Verkauf direkt in Zahlungsmittel zu verwandeln. Seine Werthpapiere hatten unter andern die Bestimmung, als Reservekapital zu fungiren, und als solche hat er sie in Funktion treten lassen. Es hat also zwischen A und der Bank eine zeit- weilige, gegenseitige Kapitalübertragung stattgefunden, sodass A kein zusätzliches Kapital erhalten hat (im Gegentheil!) wohl aber die benöthigten Zahlungsmittel. Dagegen für die Bank war das Geschäft eine zeitweilige Festlegung von Geldkapital in Form einer Anleihe, eine Verwandlung von Geldkapital aus einer Form in eine andre, und diese Verwandlung ist grade die wesentliche Funktion des Bankgeschäfts.
Dritter Fall. — A hat bei der Bank einen Wechsel diskontiren lassen, und dafür, nach Abzug des Diskontos, den Betrag in Baar erhalten. In diesem Fall hat er eine nicht flüssige Form von Geld- kapital an die Bank verkauft gegen den Werthbetrag in flüssiger Form; den noch laufenden Wechsel gegen baares Geld. Der Wechsel ist jetzt Eigenthum der Bank. Daran ändert es nichts, dass bei Mangel Zahlung der letzte Indossent A der Bank für den Betrag haftet; diese Haftbarkeit theilt er mit den andern Indossenten und dem Aussteller, an die er seinerzeit Regress hat. Hier liegt also gar kein Vorschuss vor, sondern ein ganz gewöhnlicher Kauf und Verkauf. A hat daher der Bank auch nichts zurückzuzahlen, sie deckt sich durch Einkassiren des Wechsels bei Verfall. Auch hier hat gegenseitige Kapitalübertragung zwischen A und der Bank statt- gefunden, und zwar ganz wie beim Kauf und Verkauf jeder andern Waare, und eben deshalb hat A kein zusätzliches Kapital erhalten. Was er brauchte und erhielt waren Zahlungsmittel, und er erhielt sie dadurch, dass die Bank ihm die eine Form seines Geldkapitals — den Wechsel — in die andre — das Geld — verwandelte.
Von wirklichem Kapitalvorschuss kann also die Rede sein nur beim ersten Fall. Im zweiten und dritten Fall höchstens nur in dem Sinn, wie bei jeder Kapitalanlage man „Kapital vorschiesst“. In diesem Sinn schiesst die Bank dem A Geldkapital vor; aber für A ist es Geldkapital höchstens in dem Sinn, dass es ein Theil seines Kapitals überhaupt ist. Und er verlangt und gebraucht es nicht speciell als Kapital, sondern speciell als Zahlungsmittel. Sonst wäre auch jeder gewöhnliche Waarenverkauf, wodurch man sich Zahlungsmittel verschafft, als ein empfangner Kapitalvorschuss an- zusehn. — F. E.]
Bei der Privatbank mit Notenausgabe besteht der Unterschied, dass falls ihre Noten weder in der Lokalcirkulation bleiben, noch ihr selbst zurückkehren in Form von Depositen oder für Zahlung fälliger Wechsel, diese Noten in die Hände von Leuten fallen, denen sie Gold oder Noten der Bank von England in Auswechslung der- selben zahlen muss. So repräsentirt in diesem Fall der Vorschuss ihrer Noten in der That Vorschuss von Noten der Bank von Eng- land, oder was für sie dasselbe, von Gold, also einen Theil ihres Bankkapitals. Dasselbe gilt von dem Fall, wo die Bank von England selbst oder irgend eine andere Bank, die einem gesetzlichen Maximum der Notenausgabe unterworfen ist, Werthpapiere verkaufen muss, um ihre eignen Noten aus der Cirkulation zu ziehn, und sie dann wieder in Vorschüssen auszugeben; hier repräsentiren ihre eignen Noten einen Theil ihres mobilisirten Bankkapitals.
Selbst wenn die Cirkulation rein metallisch wäre, könnte gleich- zeitig 1) ein Goldabfluss [hier ist offenbar ein Goldabfluss gemeint, der wenigstens zum Theil ins Ausland geht, F. E.] die Schatz- kammer leeren, und 2) da das Gold hauptsächlich von der Bank nur zur Saldirung von Zahlungen (Erledigung vergangner Trans- aktionen) verlangt würde, so könnte ihr Vorschuss auf Werth- papiere sehr wachsen, ihr aber in Form von Depositen zurück- kehren, oder in Rückzahlung fälliger Wechsel; sodass einerseits, bei Zunahme der Werthpapiere im Portefeuille der Bank, ihr Ge- sammtschatz abnähme, sie andrerseits dieselbe Summe, die sie früher als Eigenthümerin hielt, jetzt als Schuldnerin ihrer Depositäre halten würde, und endlich die Gesammtmasse des cirkulirenden Mediums abnähme.
Es ist bisher vorausgesetzt worden, dass die Vorschüsse in Noten gemacht werden, also wenigstens eine augenblickliche, wenn auch sofort wieder verschwindende Vermehrung der Notenausgabe mit sich führen. Dies ist aber nicht nöthig. Statt der Papiernote
kann die Bank dem A einen Buchkredit eröffnen, wo also dieser, ihr Schuldner, zum imaginären Depositor bei ihr wird. Er zahlt seine Gläubiger mit Cheques auf die Bank und der Empfänger dieser Cheques zahlt sie weiter an seinen Bankier, der sie gegen die auf ihn laufenden Cheques im Clearing House austauscht. In diesem Fall findet gar keine Dazwischenkunft von Noten statt, und die ganze Transaktion beschränkt sich darauf, dass der Bank eine Forderung, die sie zu machen hat, mit einem Cheque auf sie selbst saldirt wird, und ihre wirkliche Rekompensation in der Kredit- forderung auf A besteht. In diesem Falle hat sie ihm einen Theil ihres Bankkapitals, weil ihre eignen Schuldforderungen, vorge- schossen.
Soweit diese Nachfrage nach Geldakkommodation Nachfrage nach Kapital ist, ist sie dies nur für Geldkapital; Kapital vom Stand- punkt des Bankiers aus, nämlich für Gold — bei Goldabfluss ins Ausland — oder Noten der Nationalbank, die für die Privatbank nur durch Kauf gegen ein Aequivalent erlangbar sind, für sie also Kapital vorstellen. Oder endlich handelte es sich um zinstragende Werthpapiere, Staatseffekten, Aktien etc., die verkauft werden müssen, um Gold oder Noten an sich zu ziehn. Diese aber, wenn Staatspapiere, sind Kapital bloss für den, der sie gekauft hat, dem sie also seinen Kaufpreis, sein in ihnen angelegtes Kapital reprä- sentiren; an sich sind sie kein Kapital, sondern blosse Schuld- forderungen; wenn Hypotheken, sind sie blosse Anweisungen auf künftige Bodenrente, und wenn sonstige Aktien, blosse Eigenthums- titel, die zur Empfangnahme von künftigem Mehrwerth berechtigen. Alle diese Dinge sind kein wirkliches Kapital, bilden keine Be- standtheile des Kapitals, und sind auch an sich keine Werthe. Es kann sich auch durch ähnliche Transaktionen Geld, das der Bank gehört, in Depositum verwandeln, sodass sie, statt Eigner Schuldner desselben wird, es unter andrem Besitztitel hält. So wichtig dies für sie selbst ist, so wenig ändert es an der Masse des im Lande vorräthigen Kapitals und selbst Geldkapitals. Kapital figurirt hier also nur als Geldkapital, und wenn nicht in wirklicher Geldform vorhanden, als blosser Kapitaltitel. Es ist dies sehr wichtig, da Seltenheit von, und dringende Nachfrage nach Bankkapital ver- wechselt wird mit einer Verringerung des wirklichen Kapitals, das in solchen Fällen im Gegentheil, in Form von Produktions- mitteln und Produkten, im Ueberfluss vorhanden ist und die Märkte erdrückt.
Es erklärt sich also sehr einfach, wie die Masse der von der
Bank als Deckung gehaltnen Werthpapiere wachsen, also der zu- nehmende Andrang nach Geldakkommodation von der Bank befriedigt werden kann, bei gleichbleibender oder abnehmender Gesammt- masse der Umlaufsmittel. Und zwar wird diese Gesammtmasse in doppelter Weise in solchen Zeiten der Geldklemme in Schranken gehalten: 1) durch Goldabfluss; 2) durch Nachfrage nach Geld als blossem Zahlungsmittel, wo die ausgegebnen Noten sogleich zurück- fliessen, oder wo vermittelst Buchkredit die Transaktion ohne alle Ausgabe von Noten sich abwickelt; wo also eine blosse Kredit- transaktion die Zahlungen vermittelt, deren Erledigung der einzige Zweck des Geschäfts war. Es ist das Eigenthümliche des Geldes, dass, wo es bloss zur Saldirung von Zahlungen fungirt (und in Zeiten der Krise wird Vorschuss aufgenommen um zu zahlen, nicht um zu kaufen; um vergangne Geschäfte abzuwickeln, nicht um neue einzuleiten), seine Cirkulation nur verschwindend ist, selbst soweit diese Saldirung nicht durch blosse Kreditoperation, ohne alle Dazwischenkunft von Geld stattfindet; dass also bei grossem Andrang nach Geldakkommodation eine ungeheure Masse dieser Transaktionen stattfinden kann, ohne die Cirkulation zu erweitern. Die blosse Thatsache aber, dass die Cirkulation der Bank von England stabil bleibt oder selbst abnimmt, gleichzeitig mit starker, von ihr geleisteter Geldakkommodation, beweist prima facie keines- wegs, wie Fullarton, Tooke u. a. (infolge ihres Irrthums, wonach Geldakkommodation einerlei sei mit Aufnahme von capital on loan, von Zusatzkapital) annehmen, dass die Cirkulation des Geldes (der Banknoten) in seiner Funktion als Zahlungsmittel nicht zunimmt und sich ausdehnt. Da die Cirkulation der Noten als Kaufmittel in Zeiten der Geschäftsstockung, wo solche starke Akkommodation erforderlich, abnimmt, kann ihre Cirkulation als Zahlungsmittel zunehmen, und die Gesammtsumme der Cirkulation, die Summe der als Kaufmittel und als Zahlungsmittel fungirenden Noten, dennoch stabil bleiben oder selbst abnehmen. Die Cirkulation, als Zahlungsmittel, von Banknoten, die der ausgebenden Bank sofort zurückströmen, ist in den Augen jener Oekonomen eben keine Cirkulation.
Nähme die Cirkulation als Zahlungsmittel in höherem Grade zu, als die als Kaufmittel abnimmt, so würde die Gesammtcirkulation wachsen, obgleich das als Kaufmittel fungirende Geld der Masse nach bedeutend abgenommen hätte. Und dies tritt wirklich in gewissen Momenten der Krise ein, nämlich beim vollständigen Zu- sammenbruch des Kredits, wo nicht nur die Waaren und Werth-
papiere unverkaufbar, sondern auch die Wechsel undiskontirbar geworden sind, und nichts mehr gilt als baare Zahlung, oder wie der Kaufmann sagt: Kassa. Da Fullarton und andre nicht be- greifen, dass die Cirkulation der Noten als Zahlungsmittel das Charakteristische solcher Zeiten der Geldnoth ist, behandeln sie dies Phänomen als zufällig. „With respect again to those exam- ples of eager competition for the possession of banknotes, which characterise seasons of panic and which may sometimes, as at the close of 1825, lead to a sudden, though only temporary, enlar- gement of the issues, even while the efflux of bullion is still going on, these, I apprehend, are not to be regarded as among the natural or necessary concomitants of a low exchange; the demand in such cases is not for circulation (sollte heissen Cirkulation als Kaufmittel) but for hoarding, a demand on the part of alarmed bankers and capitalists which arises generally in the last act of the crisis (also als Reserve für Zahlungsmittel) after a long con- tinuation of the drain, and is the precursor of its termination.“ (Fullarton, p. 130.)
Es ist bereits bei Betrachtung des Geldes als Zahlungsmittel (Buch I, Kap. III, 3, b), auseinandergesetzt worden, wie bei einer heftigen Unterbrechung der Zahlungskette das Geld aus einer bloss idealen Form in dingliche und zugleich absolute Form des Werths, gegenüber den Waaren, umschlägt. Einige Exempel davon wurden gegeben ebendaselbst, Note 100 und 101. Diese Unterbrechung selbst ist theils Wirkung, theils Ursache der Erschütterung des Kredits und der Umstände, die letztre begleiten: Ueberführung der Märkte, Entwerthung der Waaren, Unterbrechung der Produktion etc.
Klar aber ist, dass Fullarton den Unterschied zwischen Geld als Kaufmittel und Geld als Zahlungsmittel in den falschen Unterschied zwischen currency und Kapital verwandelt. Es liegt dabei aber wieder die engherzige Bankiervorstellung von Cirkulation zu Grunde. —
Es könnte noch gefragt werden: Was fehlt denn in solchen Zeiten der Klemme, Kapital oder Geld in seiner Bestimmtheit als Zahlungsmittel? Und dies ist bekanntlich eine Kontroverse.
Zunächst, soweit die Klemme sich zeigt im Goldabfluss, ist es klar, dass das was verlangt wird, das internationale Zahlungsmittel ist. Aber Geld, in seiner Bestimmtheit als internationales Zahlungs- mittel, ist Gold in seiner metallischen Wirklichkeit, als selbst werthvolle Substanz, Werthmasse. Es ist zugleich Kapital, aber Kapital nicht als Waarenkapital, sondern als Geldkapital, Kapital nicht in der Form der Waare, sondern in der Form des Geldes
(und zwar des Geldes im eminenten Sinn des Worts, worin es existirt in der allgemeinen Weltmarktswaare.) Es liegt hier nicht ein Gegensatz vor zwischen der Nachfrage nach Geld als Zahlungs- mittel und der Nachfrage nach Kapital. Der Gegensatz liegt zwischen dem Kapital in seiner Form als Geld und in seiner Form als Waare; und die Form in der es hier verlangt wird und allein fungiren kann, ist seine Geldform.
Abgesehn von dieser Nachfrage nach Gold (oder Silber) kann nicht gesagt werden, dass in solchen Zeiten der Krise es in irgend einer Weise an Kapital mangelt. Unter ausserordentlichen Um- ständen, wie Getreidethéurung, Baumwollnoth etc. kann dies der Fall sein; diese aber sind keineswegs nothwendige oder regel- mäßige Begleiter solcher Zeiten; und die Existenz eines solchen Mangels an Kapital kann daher nicht von vornherein daraus ge- schlossen werden, dass ein Andrang für Geldakkommodation besteht. Im Gegentheil. Die Märkte sind überführt, mit Waarenkapital überschwemmt. Es ist also jedenfalls nicht Mangel an Waaren- kapital, das die Klemme verursacht. Wir kommen auf diese Frage später zurück.
Druck von Hesse & Becker in Leipzig.